5-Minuten-Leseproben zum Vorlesetag 2015 -  - kostenlos E-Book

5-Minuten-Leseproben zum Vorlesetag 2015 E-Book

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Beschreibung

Am 20.11.2015 hieß es bereits zum 12. Mal bundesweit: Vorlesen! BoD machte aus dem Vorlesetag den „5-Minuten-Lesetag“ und belohnte Autoren, die an der Aktion teilnahmen und mit ihrer 5-Minuten-Leseprobe überzeugten. Aus den eingereichten Leseproben entstand dieses E-Book. Gewinnen Sie hier einen ersten Einblick in über 50 BoD-Titel aus vielen verschiedenen Genres.

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Seitenzahl: 213

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Inhaltsverzeichnis

5-Minuten-Leseproben zum Vorlesetag 2015

Nico Abrell – Berufen: Hermes & Kore – verlorene Liebe

Christine Arnold – Ausgeliefert – Eine Frage des Vertrauens

Dr.-Ing. J. Arnold – Das Mirakel von Ui

Maria Bellmann – Weihnachten in unserer Zeit

Sandra Berger – Transformation am Feuersee

Michael Berminé – Blut für Zorphollus

Wiebke B. Beyer – Manchmal muss man einfach weiterlaufen

Andrea Bielfeldt – NILAMRUT – Im Bann der Ringe (Band 1)

Sabrina B. Blut – Süß, süßer, die Süßesten

David Damm – An meine Liebe

Lupus Egarezzo – Bernsteinhändler

Ulli Engelbrecht – Mehr als nur ein dummes rundes Ding

Ursula Ernst – Melissa und ihr Wuko

Franka Frieß – Die sieben guten Taten

Christiane Groß, Biggi Weber – Takoda und Anouk. Eine einzigartige Freundschaft zwischen Lama und Alpaka

Ernst-Ulrich Hahmann, Edelweiß Knabe – Es gibt eine wunderbare Kraft …

Tanja Hammer – Orcumorra: Siegel des Feuers

Jens Hanisch – Mondsee Philomela

Christiane Hausmann – Bauchtanz-Kalender Geschichten

Saskia Hintz – Auf-Bruch. Kurzgeschichten und Gedichte

Susanne Hoch – Thaddäus rettet Weihnachten

OWK Edgar Hofer – Tantrische Erleuchtung

Margit Helga Hosp – „Märchen, alles nur Märchen oder die Rache der Kröten“

Andrea Hundsdorfer – Das Amulett des Löwen

Stefan Jacobasch – Wir überleben heute

Julia Jawhari – Carlottas Auftrag

Pea Jung – Die Putzstelle

Utta Kaiser-Plessow – 2984

Jette Kühn – Gotteskinder: Bielefeld vs. Münster – Der Regionalkrimi

Cornelia Kuppe – Ja, ich lebe JETZT die GÖTTIN in mir

Stefan Lange – SUICIDE

Alexander Leonhard – Die Gier der Wölfe

Kari Lessír – Liebe auf Schamanisch: Seelenreise #2

Otty Metz, Harald Metz – Weißer Sperling – Schwarzer Mann

Birke Elia Milan – Mut zur Klarheit

Christa Müller – Gedichte vom Sein

Ingeborg Münch – Morgens Frust und mittags Zweifel, abends Essen in der Eifel

Andreas Mütsch – Jetzt esse ich nur noch Pflanzen! Tagebuch meines Vegan-Experiments

Elizabeth Gaskell, Christina Neth (Hrsg.) – Norden und Süden

Marion Philipp – Mein Weg aus der Angst oder: Die führende und heilende Stimme in mir.

Mata Pohl – Neun Tage im Juni – Ein Niedersachsen-Krimi

S. Pomej – Zivilflug zum Zeitriss

Janine Prediger – Der Dämon von Naruel – Der Berg der Elemente

Udo Robert Riegger – Keine Angst vor großen Tieren – menschlich –

Jürgen H. Schmidt – Begegnungen in Peru

Christa Thekla Schmitz – Schachbrettblume

Monja Schneider – Principessa

Peter Schnell – Stöckskespitter

Kathrin Schröder – Frau Kain regt sich auf

Regina E.G. Schymiczek – Hildegundis und die Kinderkrone

Thomas Sichelschmied – Totendämmerung

Adele Stein – Westfälische Provence und andere Geschichten

Osanna Stephan – Blaue Hühner

Bernd O. Wagner – Kabbelsee – mein Sommer mit Seume

Pia Walch-Liu – Der Prinz und sein Schimmel

Dr. Claus Wunderlich – Schlank, fit und happy mit Vitamin D und Omega-3

5-Minuten-Leseproben zum Vorlesetag 2015

Am 20. November 2015 hieß es bereits zum zwölften Mal: vorlesen! BoD machte aus dem bundesweiten Vorlesetag den „5-Minuten-Lesetag“ und rief BoD-Autoren dazu auf, aussagekräftige Leseproben ihrer Geschichten zur kreieren. Aus allen eingesendeten 5-Minuten-Leseproben, die uns überzeugt haben, ist diese facettenreiche Leseprobensammlung entstanden.

Wir bedanken uns bei allen Autoren, die teilgenommen haben, und wünschen viel Spaß beim Lesen!

Nico Abrell – Berufen: Hermes & Kore – verlorene Liebe

[…]

Ich erkenne die Umrisse von Zeus und sehe dabei zu, wie er das Haus mit seiner Tochter an der Hand verlässt. Sie wirkt unglücklich und bedrückt zugleich. Zeus hingegen strahlt bis über beide Ohren und verströmt eine Aura der guten Laune. Ich gehe in den Sinkflug über und verstecke mich hinter einer Säule des Versammlungssaals. Ich kann nichts dafür: Ich war schon immer neugierig, wenn es um die Probleme anderer Menschen oder Götter ging – so bin ich eben.

»Kind, was hast du?«, höre ich Zeus sagen. Er klingt weder besorgt noch glücklich. Seine Stimme trieft vor Gleichgültigkeit.

»Es ist nichts. Es gibt Dinge im Leben einer Frau, die sie allein überstehen möchte.« Mein Herz schlägt schneller, als Kores Worte durch meinen unsterblichen Körper hallen und ihn zum Leben erwecken.

»Aber du bist keine Frau – du bist eine Göttin … unsterblich und«, Zeus‘ Worte verstummen für einen Augenblick und ich stelle mir vor, wie er eine Strähne von Kores wunderschöner Mähne hinter ihr Ohr streicht, »wunderschön zugleich.«

Kore seufzt. Vor meinem inneren Auge lässt sie den Kopf hängen und kaut feminin auf ihrer Unterlippe herum. Wäre sie nicht die Tochter des Göttervaters, dann…

»Ich weiß – du weißt, was ich meine, Vater.«

Zeus lacht und stimmt ihr zu. Natürlich weiß er, was sie meint. Er beschließt, sie allein zu lassen und ich höre, wie ein entferntes Donnergrollen über dem Olymp einschlägt. Ich weiß, dass Zeus gegangen war – der perfekte Augenblick, um mit Kore allein zu sein. Ich komme hinter der Säule hervor und stelle mich ihr in den Weg. Im ersten Moment erschreckt sie und zuckt zusammen. Doch nachdem sie mich von oben bis unten gemustert hatte, scheint sie erleichtert zu sein und stößt die vor Schreck angehaltene Luft aus.

»Hermes…« Die Art, wie sie meinen Namen sage, erwärme mein Herz.

Da ist nur sie. Nur ich.

»Wohin des Weges?«, frage ich und trete einen Schritt näher an sie heran.

Kore scheint verwirrt zu sein. Sie fasst sich an die Stirn und blickt besorgt an sich herunter. Eine goldene Aura umgibt ihren Körper und versteckt Kore kurzzeitig vor mir. Als das goldene Licht erlischt, trifft mich ihr Anblick wie ein Schlag in den Magen. Ihr Bauch, so wohlgeformt und straff, ist erfüllt von heißer Luft und hängt an ihr herunter wie eine Kugel.

»Beim Styx!«, entfährt es mir und ich schlucke.

Kores Blicke tanzen hin und her und sie umarme sich selbst, als wäre ihr kalt.

Kalt. Ich weiß nicht, wie es sich anfühle, wenn einem kalt ist.

»Bitte verrate mich nicht!« Ihre Worte klingen defensiv.

»Nein!«, antworte ich hektisch und unkontrolliert. »Wie könnte ich nur?«

Trotz der Erschöpfung, die sich auf Kores Gesicht abzeichnet, lächelt sie und greift nach meiner Hand. Ein Teil von mir fühlt sich zu ihr hingezogen und will alles für sie tun … und alles für sie sein. Doch ein anderer Teil – der Teil der Vernunft – weigert sich, der süßen Versuchung, die man laut meines Wissens Liebe nennt, nachzugeben. Die Angst vor den Konsequenzen ist zu hoch.

Aber noch ehe ich mir darüber Gedanken machen kann, umklammert Kore mein Handgelenk und drückt sich fest an mich. Unbehaglich trete ich von einem Fuß auf den anderen und weiß nicht, wie ich reagieren soll. Mit einer verkrampften Bewegung umschließe ich ihren Körper und drücke ihn noch fester an mich. Ich will ihr sagen, dass sie bei mir in Sicherheit ist und dass sie mir alles sagen kann, was ihr auf dem Herzen liegt.

Aber … ich kann nicht. Ich stehe nicht in der Position, so etwas von mir zu geben. Und für einen Augenblick verachte ich Zeus dafür.

Ich schließe meine Augen und heb mit ihr in meinen Armen ab. So schnell ich kann, bringe ich sie von hier weg und setze sie am Fuß des Olymps ab. Ich weiß, dass das ihr Lieblingsort ist. Kore liebt es, mit den Schafen und den Herden von Tieren herumzualbern und zu spielen. Sie liebt es, den Fischen beim Spielen zuzusehen und nach Lust und Laune mehr und mehr Fische in den Fluss zu zaubern.

Aber heute war es anders.

Ihre Blicke wandern immer wieder zu dieser einen Höhle im Berg. Immer und immer wieder.

»Du musst ihn vor ihm verstecken!«,

»Ihn?«, hake ich nach und versuche möglichst ruhig zu wirken.

Kore nickt und deutet mit einer zaghaften und wohlüberlegten Geste auf ihren aufgeblähten Bauch.

»Er duldet nicht beide von ihnen. Nur einer kann überleben!«, ihre Stimme fängt an zu zittern.

Ich weiß nicht, wie ich reagieren soll. Eigentlich wollte ich vorhin nur ihren Tag verschönern und jetzt gerate ich in etwas hinein, von dem ich überhaupt keine Ahnung habe. Aber ich kann ihr unmöglich einen Gefallen abschlagen. Das würde ich nicht über mich bringen.

»Was auch immer du willst.«, flüstere ich, habe Angst vor dem Zorn des Zeus, der über mich kommen wird, sobald er weiß, wobei ich seiner Tochter helfe. Ich weiß, dass nur ein Sohn Zeus‘ Nachfolger werden kann. Der andere muss sterben. Aber das werde ich nicht zulassen. Ich werde dafür sorgen, dass er in Sicherheit aufwächst.

[…]

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Christine Arnold – Ausgeliefert – Eine Frage des Vertrauens

Bei weitem schwerer als das Problem mit unserer Unterkunft trafen uns die Kriegspläne der Amerikaner. Wie würden die Afghanen reagieren, wenn im Irak ein Krieg beginnen würde? Es waren ohnehin schon wieder viele El-Kaida-Leute im Land! Was kam auf uns als Entwicklungshelfer zu? Selbst unsere Afghanen zögerten, Kabul zu verlassen. Bestimmte Provinzen waren sogar für sie zurzeit tabu.

Wir planten die Verteilung von Kindersachen in einem Waisenhaus und im „Zeltdorf“ am Stadtrand von Kabul. Frauen und Kinder wateten in ihren Flip-Flops ohne Strümpfe und Socken durch riesige Pfützen und stinkenden Morast. Die beißende Kälte, den Schlamm, den Gestank und den Anblick dieser trostlosen Menschen vor Ort zu erleben, war etwas ganz anderes, als im warmen Wohnzimmer in Deutschland Berichte im Fernsehen darüber zu sehen. Solch ein Live-Eindruck ging ganz nach innen, nicht nur unter die Haut.

Es war ein trüber, nasskalter Tag Mitte März 2003. Ich hütete das Haus, während einige unserer Mitstreiter zu Verteilungen oder Beratungen unterwegs waren. Mich trieb eine innere Unruhe um. Ich erwartete schon seit einigen Tagen die Nachricht vom „freudigen Ereignis“. Doch heute war das etwas anderes. Genau dieser Tag sollte nach der Berechnung der Frauenärztin der Geburtstag unserer ersten Enkeltochter werden.

Inzwischen war der kälteste und schneereichste Winter vergangen, den es seit zehn Jahren hier in Kabul gab. Leider bekamen die Bewohner der Zelte erst heute Plastikplanen, um sich ein wenig vor Nässe schützen zu können. In diesem kalten Winter hatten die Leute dort weder Decken und Matratzen, noch Öfen oder warme Kleidung – geschweige warme Kleidung zum Wechseln.

Die Klingel an der Haustür schreckte mich aus meinen Gedanken. ‚Das wird Lisa sein. Sie hat es geschafft für heute.‘ Aufgeregt kam sie sofort zu mir und berichtete von dem Unglaublichen, das sie gerade erlebt hatte.

Eine junge Frau trug ihr Baby mit unter der Burka. Lisa und die Fotojournalistin, die noch einmal dabei war und die Verteilung der Plastikplanen fotografierte, durften die Burka kurz lüften und das Bündel ansehen. Dann erfuhren sie von der jungen Mutti, dass dieses winzige Baby drei Monate alt war. Mitte Dezember kam es bei klirrendem Frost außerhalb des Zeltes unter freiem Himmel zur Welt und fiel auf den gefrorenen Boden! Als Geburtshelferin fungierte die Schwester der Erstgebärenden, deren einzige Erfahrung darin bestand, selbst schon ein Kind zur Welt gebracht zu haben. Der Rest der Großfamilie blieb während der Geburt im Zelt in der relativen Wärme.

Und das Baby, die kleine Jawahres – also ein „Schmuckstück“ – lachte jetzt die Leute an. Sie hatte den harten Winter überstanden ohne Bettchen und all die Dinge, die aus unserer Sicht unbedingt für das Überleben und Gedeihen eines solchen Winzlings notwendig waren. Dunkles, fast schwarzes Haar schmiegte sich wärmend um das Köpfchen des Mädchens.

Diese Geschichte wollte mir nicht mehr aus dem Kopf gehen. Was die Frauen sonst noch bei der Verteilung erlebt und erfahren hatten, war nicht weniger dramatisch:

Kinder aus Flüchtlingslagern durften nicht in eine öffentliche Schule gehen. Ihr verwahrlostes Äußere passte da nicht hin. Oft war ihr schönes dunkles Haar verlaust und verfilzt. Ordentliche Kleidung und Wasser waren im Lager Luxus. Für diese Kinder schien es keinen Weg aus der Armut zu geben. Die meisten waren diesem Schicksal gnadenlos ausgeliefert. Lisa berichtete weiter: „Für das Mittagessen brachten Kinder verdorbenes Gemüse nach Hause. Das haben sie auf dem Markt zwischen den Verkaufshandkarren vom Boden aufgesammelt. Noch etwas Reis dazu, das musste reichen!“

Im Zeltdorf ging jede Frau im gebärfähigen Alter schwanger in den Frühling. Das waren mindestens hundertvierzig Mütter. Hoffentlich bekamen sie ihre Babys nachts, vor neugierigen Blicken und der unbarmherzigen Sonnenglut geschützt. Die Geburtsvorbereitung für die werdenden Mütter bestand darin, ihre „Tonban“, ihre Hosen auszuziehen, ihren Rock hochzuschlagen und sich in eine Ecke zu hocken. Hatten sie zwei einigermaßen flache Steine zur Hand, schoben sie die Steine unter ihre Füße. Auf dem felsigen Boden im Zeltdorf verbesserten sie dadurch die Bodenfreiheit. In der Hocke durchlitten die Gebärenden ihre Geburtswehen. Dann zogen sie selbst das neue Leben aus ihrem Körper heraus und unter sich hervor. Die Nabelschnur durchtrennten sie notfalls mit einer Sichel und banden sie mit einem Faden ab. Wohl der Gebärenden, die zwei gleichgroße Steine unter den Füßen hatte und eine stabile Rückenlehne fand.

Alle diese Informationen drückten nieder und wollten verarbeitet sein. Dabei hatte ich ganz vergessen, dass ich mittags nach Kabuler Ortszeit mit Vanessa telefonieren wollte!

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Dr.-Ing. J. Arnold – Das Mirakel von Ui

Olomees Schwester Sheddara war noch wach. Eine ungewisse Ahnung ließ sie nicht schlafen. Und so hatte sie sich nochmals nach draußen begeben, um einen kleinen Spaziergang durch den verträumten Ort zu unternehmen. Es herrschte fast absolute Stille hier und über dem gesamten Lemdogatan. Der bizarre nächtliche Nebel, der als benetzender Tau die Oberfläche von Agodon rund um den Planeten mit ausreichend Wasser versorgte und sich aus den natürlichen unterirdischen Bewässerungssystemen speiste, hatte begonnen, sich allmählich über das Land auszubreiten. Es war absolut genial, wie die zahlreichen kleinen und größeren Seen ihr Wasser aus dem Untergrund bezogen. Tagsüber und verstärkt nachts wurde es stetig und ganz allmählich verbraucht. Bewässerung von oben her durch Regen und Schnee, wie es für die Teroner selbstverständlich war, kannten die Agodonen nicht.

Der Nebel war nicht undurchdringlich. Der Sternenhimmel über Lemdogatan, einer weitgestreckten Siedlungslandschaft fernab der Welt-Hauptstadt, gab den Blick frei für die Ehrfurcht gebietende Schönheit des Universums. Diese Augenblicke des Alleinseins genoss jetzt Sheddara. Dabei versuchte sie, einige der Sternbilder ihrer Hemisphäre auszumachen. Auch die Agodonen hatten „ihre“ Sternbilder, freilich nicht verbunden mit irgendwelchen mystischen Vorstellungen der Einflussnahme auf ihr planetarisches Leben.

Noch während sie so gedankenversunken dahinschlenderte, hörte sie ganz unvermittelt eine Stimme aus jener Richtung, die sie gerade eingeschlagen hatte. Das war ungewöhnlich, denn Mitternacht war schon seit einer Stunde vorüber. Sie schätzte die Entfernung auf einige hundert Meter. Sie beschleunigte ihre Schritte. Doch da hörte sie plötzlich eine Stimme just aus der entgegengesetzten Richtung. Das konnte gar nicht weit von ihrem Anwesen entfernt sein. Deshalb entschloss sie sich spontan, wieder umzukehren, ohne Panik, aber mit gespannter Aufmerksamkeit. Je schneller sie sich ihrem Haus näherte, umso deutlicher waren weitere Stimmen zu vernehmen, darunter auch ihr vertraute. Sie klangen irgendwie aufgeregt. Was ist hier bloß los? Was war geschehen? Mittlerweile ging in etlichen Häusern in der Nachbarschaft das Licht an, auch in ihrem eigenen.

Olomee stand schon vor der Tür und hielt Ausschau nach ihrer Schwester. Mit der rechten Hand umfasste sie ihr Scancybe. Das Display dieses kleinen Kommunikationsgerätes leuchtete in den Nachthimmel und warf einen zusätzlichen Schein in ihr Gesicht. Nur noch wenige Meter trennten die beiden Frauen. Unschwer konnte Sheddara jetzt erkennen, dass ihre Schwester das Entsetzen gepackt hatte. Die sonst so fröhlichen Gesichtszüge waren wie ausgelöscht.

„Was hast du nur, was ist los?“ Sheddara wusste eigentlich, dass ihre Schwester mit ihrer stark rational geprägten Art nicht so leicht aus der Fassung zu bringen war. Als Naturwissenschaftlerin war sie es überdies gewohnt, mehr als andere den Dingen stets auf den Grund zu gehen. Hatte ihre Schwester vielleicht schon kurzerhand viel zu weitgreifende Schlussfolgerungen gezogen? Und wenn, aus welcher Veranlassung heraus? Aber da waren ja auch noch andere aufgeregte Stimmen zu hören.

Wortlos drehte Olomee ihre Hand in Richtung ihrer Schwester, damit sie das Display besser erkennen konnte. Was war hier in der kosmischen Einheitssprache zu lesen? Olomees Fassungslosigkeit übertrug sich in Sekundenschnelle auch auf ihre Schwester. War das jetzt ein Traum? Ein böser Traum? Hoffentlich war es nur ein Traum. Nein, es war bittere Realität! Sheddara verspürte, dass sie fror – zum allerersten Mal in ihrem Leben. Sie konnte es einfach nicht glauben, was sie da las: EINE WICHTIGE BOTSCHAFT DER KOSMISCHEN EXILREGIERUNG, DER EINZIG LEGITIMIERTEN REGIERUNG DES UNIVERSUMS. Was danach auf dem Display sichtbar wurde, war vollkommen unverständlich: ein völlig wirrer Bildcode aus lauter kleinen und großen Pixeln, dazu noch in ständig wechselnder Bildfolge. Das Ganze war am ehesten noch vergleichbar mit den animierten QR-Codes der Teroner.

„Sheddara, je länger ich darüber nachdenke, umso unverständlicher wird mir diese Mitteilung. Ich kann einfach nichts damit anfangen. Wir Planetarier wissen, dass es eine kosmische Exilregierung nicht gibt. Sie hat es nie gegeben und sie wird es auch nicht geben. Befänden wir uns jetzt auf dem Planeten Tero, könnte man meinen, es handele sich um einen Aprilscherz. Aber das hier“, Olomee hielt dabei ihr Scancybe etwas in die Höhe, „ist kein Scherz, nicht einmal ein schlechter. Da ist die Sache selbst viel zu ernst. Ich frage mich daher: Wer steckt hier dahinter?“

„Ein Treuetest unserer kosmischen oder planetarischen Zentralregierung scheidet gleichfalls aus“, ergänzte Sheddara. „Hierzu besteht keinerlei Veranlassung, und zwar in beide Richtungen gedacht. Also bleibt nur noch eine dritte Möglichkeit.“

„Und die wäre?“

Sheddara blickte ihre Schwester nachdenklich an und zuckte dann schließlich mit den Schultern.

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Maria Bellmann – Weihnachten in unserer Zeit

Auszug aus der Geschichte „Die Öko-Gertrud“

Die Wochen vergingen und die Sommerferien rückten immer näher. Dieses Jahr sollte es nach Griechenland gehen. Am letzten Tag vor dem Flug besuchte ich Gertrud noch einmal und gab Bauer Martens konkrete Anweisungen für ihre Pflege während meiner Abwesenheit.

„Mach dir mal keine Sorgen, junger Mann, ich pass schon auf Gertrud auf, der passiert hier nichts.“ Das beruhigte mich. Vierzehn Tage waren Mama, Papa und ich unterwegs, und es gab keinen Tag, an dem ich nicht an Gertrud dachte. In Griechenland gab es auch Gänse. Sie liefen frei auf den Höfen umher oder rannten auf den engen Straßen in den Dörfern. Aber keine sah so hübsch aus, wie meine Gertrud.

Nach unserer Rückkehr führte mich mein erster Weg zu Bauer Martens. Gertrud erkannte mich sofort und rannte hoch erhobenen Hauptes und mit breit aufgestellten Flügeln schnatternd auf mich zu. Sie war groß geworden und zu einer richtigen Gans herangewachsen. Das Namensband hatte Bauer Martens anscheinend erneuern müssen, so dick war ihr schöner Hals mittlerweile geworden. Am liebsten hätte ich sie mit nach Hause genommen, aber ich sah natürlich ein, dass eine Gans in dem vornehmen Viertel unserer Wohnsiedlung vielleicht doch nicht passend war. Außerdem hatte Gertrud mittlerweile die Angewohnheit, bei jedem, der vorbeikam, lauthals anzuschlagen, was wiederum in unserer Straße die Bewohner um ihre Nachtruhe gebracht hätte. Ich begnügte mich also mit meinen Besuchen bei Gertrud und nahm mir vor, aus ihr etwas ganz Besonderes zu machen. Ich hatte gehört, dass man Gänsen kleine Kunststücke beibringen konnte. Im Internet las ich viel darüber und begann in den kommenden Monaten mit dem Training.

Der Sommer ging in den Herbst über. Gertrud war ein gelehriges Tier. Woher das Sprichwort „dumme Gans“ kam, war mir ein Rätsel. Sie lief mir hinterher, wenn ich sie rief, und sie konnte auf Kommando über eine Wippe laufen oder unter ihr hindurch marschieren. Sie war sogar in der Lage, mir auf Befehl die Schuhbänder aufzuziehen. Das Training mit Gertrud war unser Geheimnis. Erst wenn sie alle Kunststücke perfekt beherrschte, wollte ich ihr Talent präsentieren und sah schon die bewundernden Gesichter meiner Eltern und Freunde vor mir, wenn es soweit war.

Irgendwann kurz vor Weihnachten kaufte ich mit Mama die ersten Spekulatius in dem großen Supermarkt am Rande der Stadt. Sie wollte schon beizeiten den Vorrat für das Weihnachtsfest besorgen und nicht erst, wenn die Preise zum Fest steigen würden. Unser Einkaufswagen war randvoll mit vielen Leckereien. Mein Blick fiel auf die tiefgefrorenen Gänse, Puten und Enten, die da federlos mit abgeschnittenen Beinen, Köpfen und Flügeln vor sich hin froren.

„So etwas kommt uns dieses Jahr nicht auf den Tisch“, sagte Mama. „Dieses Jahr gibt es Öko-Gans frisch vom Bauern.“

Ich blieb wie angewurzelt vor der kalten Truhe stehen und traute mich nicht, meiner Mutter in die Augen zu sehen. Mir rasten die Gedanken durch den Kopf. Was für eine Öko-Gans meinte Mutter? Meine Knie wurden weich. Der vergangene 25. Dezember purzelte auf einmal in mein Gedächtnis zurück. Aber das konnte unmöglich ihr Ernst sein… Meine geliebte Gertrud… Ich sah auf die nackten eingeschweißten Leiber vor mir in der Kälte. Mir stiegen die Tränen in die Augen. Nein, das durfte ich nicht zulassen, ich musste Gertrud retten. Ich wusste noch nicht wie, aber irgendetwas würde mir schon einfallen. Mutter hatte mittlerweile den Einkaufswagen weiter bis zur Kasse geschoben. Ich wischte mir die Augen trocken, damit sie keinen Verdacht schöpfte und rannte hinter ihr her.

Zu Hause ging ich sofort auf mein Zimmer, warf mich auf mein Bett und dachte nach. Weglaufen war ausgeschlossen. Mama und Papa würden eine Vermisstenanzeige aufgeben und mich innerhalb kurzer Zeit finden. Einen Aushang im Supermarkt „Gans abzugeben“ war zu riskant. Auch wenn mir jemand sein Versprechen gab, so konnte ich doch nicht sicher sein, dass Gertrud vielleicht dennoch als Weihnachtsbraten enden würde. Außerdem hatte ich kein eigenes Mobiltelefon, so wie viele meiner Klassenkameraden. Die Gefahr bestand, dass ein Interessent mit Mama oder Papa sprach, und dann würde die ganze Sache auffliegen. Nein, ich musste mir etwas anderes einfallen lassen, etwas, bei dem ich anonym bliebe. Und dann fiel es mir ein – es war die ideale Lösung, wie ich Gertrud retten konnte. Ich hoffte nur, mir würde noch genügend Zeit bleiben, um den Plan vorzubereiten…

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Sandra Berger – Transformation am Feuersee

Der Anfang vom Ende

Mein Leib zitterte wie Espenholz, während ich mich im Spiegelbild des Fensters betrachtete.

Meine Haare waren lang! Lang, nicht kurz! Vor ein paar Minuten waren sie doch noch kurz! Aber es waren nicht nur die Haare, welche sich plötzlich verändert hatten. Es war die ganze verdammte Situation, in der ich steckte. Ich begriff es, und doch begriff ich es nicht. Ich fühlte mich, meinen Körper, meine Seele, mein Ich. Und doch war ich es irgendwie nicht.

Es war immer noch dunkel, und vom Himmel nieselte es. Das Letzte, an das ich mich erinnern konnte, war Ben. Ben und die Worte, die er zu mir sagte. Aber all das war am Abend gewesen.

Mein Körper zitterte immer noch, während ich durch das Fenster in die Notfallstation blickte. Mein Spiegelbild interessierte mich nicht mehr. Es irritierte mich eher, sodass ich es nicht mehr betrachtete. Ich konnte kaum atmen. Irgendwo in meinen Lungen war eine Blockade, welche die eingeatmete Luft nicht passieren ließ. Und das alles nur wegen der ganzen beirrenden Situation, in welcher ich steckte.

Die Schwestern im Inneren des Gebäudes flitzten hektisch durch die Flure, brachten Medikamente, legten Infusionen, beruhigten Patienten und versuchten, im alltäglichen Chaos der Notfallstation den Überblick zu behalten.

Mein Spiegelbild im Fenster bahnte sich seinen Weg in meinen Fokus. Ich sah mich an. Und das, was ich sah, machte mir Angst. Es erinnerte mich an das, was Ben gesagt hatte, an den Grund, warum wir hier waren. Hier im Nirwana des Irgendwo. Was auch immer ich war und wo auch immer ich steckte: Ich musste einen klaren Kopf behalten.

Die Tür der Notaufnahme öffnete sich. Ein junger Pfleger in einem grünen Outfit kam entspannt heraus und trällerte ein Lied. Diese gute Laune, sie machte mich etwas wütend. Warum, wusste ich eigentlich gar nicht. Vielleicht war mir einfach die ganze Sache über den Kopf gewachsen. Ich konnte die momentane Situation ja nicht mal richtig begreifen und schon gar nicht akzeptieren. Es war einfach so … unfassbar, oder sollte ich sagen nicht nachvollziehbar? Ach, ich wusste es nicht.

Der junge Mann schlenderte zu einem roten Sportwagen, der nur ein paar Meter neben dem Krankenhaus auf einem Parkplatz stand. Ich blickte dem Pfleger lustlos nach. Der junge Mann nahm eine Papiertüte vom Beifahrersitz, schloss die Tür wieder und schlenderte zurück. Mit einem kurzen, coolen Druck auf die Fernbedienung in Richtung Auto schmiegten sich die Außenspiegel mit einem leisen Surren an den Wagen. Wahrscheinlich dachte er, ich würde mich für ihn interessieren, so wie ich ihm nachsah. Sein lächelnder Mund und sein verschmitzter Blick in meine Richtung ließen mich richtig vermuten. Doch ich hatte definitiv kein Interesse. Er war einfach eine wohltuende Ablenkung von allem.

Der junge Mann zwinkerte mir zu und betrat wieder das Gebäude. Mein Blick folgte ihm und traf auf mein wartendes Spiegelbild.

Ich blickte mich an. Ich wollte nicht, aber ich musste mich ansehen. Meine schulterlangen roten Haare, welche am Tag sonst wie eine Karotte leuchteten, wirkten im matten Licht, welches nach außen drang, leicht bräunlich. Merkwürdig, dachte ich. Ich sehe mich, und doch bin ich gewissermaßen nicht wirklich hier. Ich fühlte die kühle Nacht, und doch schien sie nicht real zu sein. Ich bin, und doch bin ich nicht. Ich atmete geräuschvoll ein.

„Caroline“, flüsterte eine Stimme neben mir. Ich musste mich nicht umdrehen. Die Stimme erkannte ich sofort. Obwohl sie mir in letzter Zeit so nahe gekommen war, traf sie mich jetzt wie ein unsichtbarer Dolch mitten ins Herz.

Auch Miles ist nicht real, schoss es mir durch den Kopf. Wusste er davon? Und warum hatte er es mir gegenüber nie erwähnt?