Das 7-Tage-Rezept für weniger Stress - Elissa Epel - E-Book

Das 7-Tage-Rezept für weniger Stress E-Book

Elissa Epel

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Beschreibung

Stress ist wie eine Epidemie: Er breitet sich aus, macht krank und kann das Leben verkürzen.Aber bereits einfache Veränderungen in unserem Alltag und in unser Denkweise vermögen es, unsere Gesundheit zu schützen. Letztlich kann uns Stress sogar stärker machen, indem wir lernen, wie wir uns "besser stressen", denn Stress entsteht vor allem durch unsere Reaktion auf das, was uns widerfährt. Die renommierte Psychologin Dr. Elissa Epel zeigt anhand einfacher Übungen einen richtigen Umgang mit stressigen Situationen - wie man sie reduziert und in positive Energie umwandelt.   

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Das 7-Tage-Rezept für weniger Stress

DR. ELISSSA EPEL ist Professorin und stellvertretende Vorsitzende der Abteilung für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften an der University of California, San Francisco. Sie wurde in die National Academy of Medicine gewählt, ist ehemalige Präsidentin der Academy of Behavioral Medicine Research und leitet Initiativen für psychische Gesundheit am University of California Center for Climate, Health and Equity. Sie studierte Psychologie und Psychobiologie an der Stanford University (BA) sowie klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie an der Yale University (PhD). Über ihre preisgekrönten Forschungsarbeiten wurde in TEDMED, der New York Times, dem Wall Street Journal und in zahlreichen Fernseh- und Wissenschaftsdokumentationen berichtet. Ihr erstes Buch, das sie zusammen mit der Nobelpreisträgerin Elizabeth Blackburn geschrieben hat, Die Entschlüsselung des Alterns: Der Telomer-Effekt, ist ein New York Times-Bestseller und wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt.

Elissa Epel

Das 7-Tage-Rezept für weniger Stress

Aus dem Amerikanischen von Gabriele Würdinger

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein.de

1. Auflage Mai 2024© für die deutsche AusgabeUllstein Buchverlage GmbH, Berlin 2024© by Elissa Epel, 2022Titel der amerikanischen Originalausgabe: The Stress Prescription. Seven Days to More Joy and Ease, erschienen bei Penguin Books, New York 2022.Titelabbildung: © FinePic®, München

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Inhalt

Das Buch

Titelseite

Impressum

Einleitung

ERWARTEN SIE DAS UNERWARTETE

ZUR BENUTZUNG DIESES BUCHS

Tag 1   

DINGE WERDEN SCHIEFGEHEN … UND DAS IST IN ORDNUNG

Tag 2

   KONTROLLIEREN SIE, WAS SIE KÖNNEN, UND LASSEN SIE ALLES ANDERE BEISEITE

Tag 3

   SEIEN SIE DIE LÖWIN

Tag 4

   TRAINIEREN SIE IHRE RESILIENZ

Tag 5

   LASSEN SIE DIE NATUR DIE ARBEIT MACHEN

Tag 6

   ENTSPANNEN SIE SICH NICHT NUR – FÜLLEN SIE IHRE RESERVEN AUF

Tag 7

   STARTEN UND BEENDEN SIE IHREN TAG MIT EINEM VOLLEN TANK

Fazit   HOLEN SIE SICH EIN FOLGEREZEPT

Dank

Weiterführende Literatur und Quellen

Leserstimmen zum Buch

Anmerkungen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

EinleitungERWARTEN SIE DAS UNERWARTETE

Widmung

Dieses Buch ist unseren Vorfahren gewidmet, ihrer Stärke, der Unverwüstlichkeit ihrer menschlichen Seele und der Liebe, die sie durch schwere Zeiten getragen hat und es erst ermöglichte, dass wir heute hier sind. Und Ihnen, liebe Leser, die Sie sich in diesen unsicheren Zeiten auf oft heldenhafte Weise darum bemühen, gut zu leben und zu lieben.

EinleitungERWARTEN SIE DAS UNERWARTETE

Würden Sie gerne in einer Welt ohne Stress leben?

Stellen Sie sich vor: keine Sorgen. Keine Angst. Kein Druck.

Klingt das gut?

Einen Moment lang vielleicht. Doch Stress ist so untrennbar in unsere Erfahrung eingewoben, dass es unmöglich ist, ihn aus unserem Leben zu streichen. Und so hart es auch manchmal ist, mit Stress umzugehen, wären wir ohne ihn deutlich schlechter dran. Menschen reagieren nicht ohne Grund auf ihn: Die Stressreaktion bereitet Körper und Geist auf das vor, was im Augenblick und unmittelbar danach zu tun ist. Aus evolutionärer Sichtweise rettete uns die natürliche Stressreaktion des Körpers in prähistorischer Zeit immer wieder das Leben. Diese Reaktion ist der Grund, warum es uns heute gibt, und immer noch brauchen wir sie, um uns zu motivieren, Energien freizusetzen und einen klaren Blick zu bewahren. Sie stattet uns mit den körperlichen und mentalen Ressourcen aus, um Herausforderungen zu meistern. Eine gesunde Peak-and-Recovery-Stressreaktion, in der wir einen kurzen Stressschub erleben, von dem wir uns schnell erholen, ist sogar gut für den Körper. Wir Menschen sind hervorragend ausgestattet, um mit Stress umzugehen. Tatsächlich brauchen wir ihn sogar. In der richtigen Dosis und Häufigkeit hilft er uns, unsere Zellen jung und vital zu halten.

Doch heute haben die meisten von uns ein Problem mit Stress.

Wir sind ihm die ganze Zeit ausgesetzt. Er ist das Meer, in dem wir schwimmen. Von dem Augenblick, in dem wir morgens unsere Augen aufschlagen, bis zu dem Moment, in dem sie uns nachts zufallen, sind wir ständig mit einer Flut von Stressauslösern konfrontiert: Deadlines, logistischen Problemen, To-do-Listen, unerwarteten kleinen und großen Krisen, heiklen Gesprächen. Es gibt eine Vielzahl von Triggern, die eine körperliche Stressreaktion auslösen und zur Ausschüttung eines potenten Stresshormoncocktails in den Blutkreislauf führen. Er hat Einfluss auf alles: unsere Herzfrequenz, unsere Verdauung, unseren Fettstoffwechsel, unser Denken. Sogar unsere eigenen Gedanken werden zu Stressoren, auf die der Körper reagiert. Tatsächlich sind unsere Gedanken die häufigste Stressart.

Was können wir dagegen unternehmen?

Wir können Stress nicht ausmerzen. Er wird immer Teil unseres Lebens sein – alle sinnstiftenden Tätigkeiten sind mit stressigen Aspekten verknüpft: Herausforderung, Unbehagen, Risiko. Daran können wir nichts ändern. Doch was wir ändern können, ist die Art und Weise, wie wir auf Stress reagieren. In einer sich rasend schnell verändernden Welt voller Unwägbarkeiten gelingt uns dies mithilfe eines bestechend einfachen Kerngedankens: Wir können lernen, das Unerwartete zu erwarten.

Wenn das Unerwartete eintritt

Mein Nachbar Bryan Koffman ist in seinen Fünfzigern. Er lebt zusammen mit seiner Frau Yana in derselben Straße wie ich in einem ruhigen, grünen Viertel in San Francisco und arbeitet als Seniorenbetreuer in einer Langzeitpflegeeinrichtung. Bryan hat Freude an seiner Arbeit und genießt seine Ehe und die Stadt, in der er lebt. Wenn man ihn fragen würde, würde er antworten: »Das Leben ist schön.«

Doch Bryans Leben war nicht immer so ruhig und erfüllt.

Bryan wuchs in Russland auf. Im Alter von 20 Jahren war er bereits verheiratet und begann seine berufliche Laufbahn. Er wollte Krankenpfleger werden. Doch stattdessen wurde er in die Sowjetarmee eingezogen und an einen Stützpunkt in der Arktis verlegt.

Bryan war am Boden zerstört. Für dieses zweijährige Trainingslager in einem Landesteil, in dem minus 50 Grad herrschten und eine nicht ordentlich sitzende Schutzausrüstung den sicheren Tod bedeutete, musste Bryan seine Schule, seine beruflichen Ambitionen und seine Familie hinter sich lassen. Er war im Begriff, alles, was ihm wichtig war, zu verlieren, vielleicht sogar sein Leben. Nicht alle überlebten dieses Trainingslager, und danach würde er höchstwahrscheinlich in Afghanistan stationiert werden.

Es stand viel auf dem Spiel. Bryan hatte das Gefühl, alles verlieren, aber nichts gewinnen zu können. Er sagt, dass seine Ängste damals regelrecht durch die Decke schossen. Er hatte keine Ahnung, was als Nächstes geschehen würde, und fühlte sich völlig ausgeliefert – sein Nervensystem befand sich in ständiger Alarmbereitschaft.

Chronischer Stress ist für den Körper toxischer Stress

Auch wenn Sie nie in der arktischen Tundra stationiert waren, werden Sie vermutlich gut nachvollziehen können, wie gestresst Bryan damals war. Dabei ist Stress nicht grundsätzlich schlecht. Chronischer Stress allerdings schon. Ich erforsche Stress und seine Auswirkungen auf das Wohlbefinden und den Alterungsprozess. Ich habe mir Stress unter dem Mikroskop angeschaut und untersucht, wie er die Struktur jeder einzelnen unserer Zellen bis hin zu den Telomeren verändert. Telomere sind die »Schutzkappen« am Ende unserer Chromosomen und wichtige biologische Marker für Gesundheit und Alterungsprozesse. Sie sind mikroskopisch kleine »Uhren« im Inneren unserer Zellen. Ich habe Folgendes beobachtet: Jahrelanger, chronischer Stress ist für unseren Körper toxisch. Er lässt unsere Zellen vorzeitig verschleißen.

Viele Ratschläge zum Umgang mit Stress sind gut, aber unvollständig: Man soll die Stressoren loswerden und sich Entspannungstechniken aneignen. Dem kann ich voll und ganz zustimmen! Das sind großartige erste Schritte. Und auch ich schlage in diesem Buch effektive Strategien vor, um stressige Situationen zu vermeiden und wirklich zu entspannen. Doch es gibt ein großes Aber. Erstens lassen sich nicht alle Stressoren aus dem Weg schaffen – nicht einmal annähernd. Stress ist selbst in die freudigsten und erfüllendsten Aspekte des Lebens eingewoben: vom Elternsein über den Aufstieg auf der Karriereleiter bis zum Verfolgen großer Lebensträume. Das alles kann sehr stressig sein, und zwar deswegen, weil es uns so sehr am Herzen liegt. Wir können nicht einfach aufhören, uns Gedanken darüber zu machen – geschweige denn, dass wir dies wollten. Und zweitens erweisen sich viele Entspannungstechniken als schnelle (Schein-)Lösungen, Notlösungen, die einem langfristig nicht wirklich weiterhelfen. Kaum rollt die nächste Stresswelle an, fühlt sie sich so überwältigend an wie immer.

Ich habe bereits erwähnt, dass Stress eine gute Sache sein kann. Chronischer Stress hingegen ist in keiner Hinsicht gut für uns. Er richtet ausschließlich Schaden an. Die Liste der Auswirkungen von chronischem Stress auf die Gesundheit ist ellenlang – etwa ein erhöhtes Risiko für Übergewicht, Herzerkrankungen, Diabetes, Depressionen und Demenz –, doch was es wirklich zu verstehen gilt, ist, dass chronischer Stress bis in unsere Zellen vordringt. Er lässt eine Trias wichtiger Stressfaktoren im Blut ansteigen: Cortisol, oxidativen Stress und Entzündungen. Wenn diese ständig in Ihren Zellen präsent sind, verschleißen die Telomere, die Schutzkappen am Ende Ihrer Chromosomen. Sie verkürzen sich schneller. Warum das wichtig ist? Weil kritisch kurze Telomere unsere Mitochondrien, die Batterien in unseren Zellen, die uns mit Energie versorgen und unsere Zellen gesund halten, schädigen. Schlimmer noch: Wenn sich das Leben einer verschlissenen Zelle seinem Ende nähert, tritt sie in ein schädigendes, irreversibles Greisenstadium (die sogenannte replikative Seneszenz)1 ein. Zum Glück können wir das Ruder herumreißen, bevor unsere Zellen dieses Stadium erreichen.

Viele Gewebearten unseres Körpers müssen sich regenerieren, um gesund zu bleiben, was bedeutet, dass neue Zellen gebildet werden müssen. Diese Regeneration muss in wichtigen Körperbereichen ablaufen, etwa in den Immunzellen, der inneren Auskleidung der Herzkranzgefäße und dem Hippocampus, dem Bereich im Gehirn, der so wichtig ist für unser Gedächtnis und unsere Gemütslage. Es hat sich herausgestellt, dass die Telomerlänge letztlich darüber entscheidet, wie lange eine Zelle sich teilen kann. Je länger Ihre Telomere sind, desto öfter können Ihre Zellen sich teilen, sich replizieren und das Gewebe erneuern. Werden sie zu kurz, ist dies nicht mehr möglich. Die Zelle wird seneszent und hört auf, sich zu verjüngen. Sie hat ihr Lebensende erreicht, stirbt ab oder sondert entzündungsfördernde Faktoren ab.

Kurze Telomere in den Blutzellen bedeuten, dass es früher zu Krankheit und Tod kommt. Sie sind daher ein ernst zu nehmendes Problem. Ich werde oft gefragt, ob die Telomerlänge eher ein Alterungsmarker ist (vergleichbar mit einer zellulären »Bilanz«, die Hinweise auf die Alterung gibt) oder ein Alterungsmechanismus (der den Alterungsprozess mit verursacht). Die Antwort lautet, dass sie beides ist. Wenn Sie eine genetische Prädisposition für lange Telomere haben, lässt sich daraus direkt eine geringere Anfälligkeit für chronische Alterskrankheiten wie Herzerkrankungen ableiten, was beweist, dass Telomere eine mechanistische Rolle spielen. Chronischer Stress kann in vielerlei Hinsicht zu vorzeitigem Altern führen, und die Verkürzung der Telomere ist einer dieser Mechanismen. Wenn chronischer Stress zum Verschleiß der Telomere und zu Entzündungsprozessen führt, verursacht er eine vorzeitige Alterung, indem er, wie ich gerade beschrieben habe, dysfunktionale, seneszente Zellen generiert.

Für mich als Stressforscherin ist dieser Zusammenhang besonders besorgniserregend. Wenn wir über zu lange Zeit zu sehr gestresst sind, beschleunigt dies biologische Alterungsprozesse, und es entstehen frühzeitig Krankheiten. Und die Forschung zeigt, dass unser durchschnittlicher Stresslevel immer weiter steigt.

Total gestresst

Die Covid-19-Pandemie verursachte einen enormen Anstieg an Depressionen und Angststörungen, doch der Stresslevel in der Bevölkerung steigt schon seit Jahren. Stressforscher analysierten den Tagesablauf von Personen, fragten sie nach stressigen Ereignissen und wie sie sich danach fühlten. Die Forscher fanden heraus, dass die Menschen in den letzten 20 Jahren häufiger stressige Ereignisse erlebt und diese auch noch als stressiger empfunden haben.2

Unser Stress nimmt an Intensität zu.

Wir gehen davon aus, dass wir dann Stress verspüren, wenn es ein stressauslösendes Ereignis gibt – etwa wenn man in die Sowjetarmee eingezogen wird. Das ist ein extremes Beispiel, und tatsächlich treiben einschneidende Ereignisse wie Trennung oder Verlust den Stresslevel über Monate hinweg in die Höhe. Aber auch tägliche Begebenheiten, wie etwa der dichte Verkehr auf dem Weg zur Arbeit, rufen eine deutliche Stressreaktion hervor. Stressforscher konzentrieren sich häufig auf stressige Ereignisse, doch es ist wahrscheinlich viel aussagekräftiger, sich darauf zu fokussieren, wie entspannt oder alarmbereit wir unter alltäglichen Umständen, im Normalzustand (auf Baseline-Niveau) sind, um beurteilen zu können, wie gut wir Stress aushalten. Daher sollten wir über den Zustand reden, in dem wir uns hauptsächlich befinden: unsere Stress-Baseline.

Der Ablauf der Stressreaktion ist schnell erklärt. Wenn wir einen Hinweis auf eine Bedrohung aus unserer Umwelt wahrnehmen, verarbeitet unser Körper diesen und sendet Alarmsignale an das Gehirn. Aber was ist, wenn keine offensichtliche Gefahr droht, sondern eine Atmosphäre der Unsicherheit herrscht? Was macht das Gehirn dann?

Um zu überleben, sind wir darauf gepolt, nach Gefahr Ausschau zu halten und wachsam zu sein, weil die Welt – egal, ob die Urwälder aus alten Zeiten oder moderne Großstädte – schon immer voller Unwägbarkeiten und Gefahren steckte. Wenn wir uns in diesem Zustand befinden, sucht unser Gehirn nach Hinweisen auf Sicherheit und Gewissheit, und dieser Vorgang entzieht dem Gehirn Energie in Form von Glukose.3 Es ist, als würde man ständig im Hochleistungsmodus laufen. Unsicherheit hat einen Kaskadeneffekt auf das Gehirn: Zuerst wird der anteriore cinguläre Cortex auf den Plan gerufen, dann die Amygdala (das Angstzentrum), die unsere Stressreaktion aktiviert. In diesem Hochleistungsmodus steht unser Körper kontinuierlich unter Stress – für den Fall, dass etwas passiert. Wenn hingegen Sicherheit herrscht und wir uns geborgen und entspannt fühlen, können wir in den »Stromsparmodus« wechseln und Energie sparen. Leider laufen unsere sicherheitsbedürftigen, hart arbeitenden Gehirne die meiste Zeit auf Hochtouren.

Wo verläuft Ihre Baseline?

Die meisten versuchen, mit Stress zurechtzukommen, indem sie sich entspannen oder stressige Gedanken oder Gefühle vermeiden. Doch das sind keine effektiven Lösungen für den schädlichen Stress, dem wir heute ausgesetzt sind. Sie reichen schlicht nicht aus. Selbst wenn es uns gelingt, mittels Entspannung wieder zurück zu unserer Stress-Baseline zu finden, ist diese heute meist zu hoch. Wir müssen sie auf ein niedrigeres Niveau zurücksetzen, damit sich die Stressantwort verringert und wir uns wirklich erholen und unsere Speicher auffüllen können.

Normalerweise befinden wir uns nicht im »Ruhezustand«. Und wenn wir uns ausruhen, ist unsere Erholung nicht besonders tief. Neben der Entspannung, die wir normalerweise erreichen, gibt es einen Zustand, der besser ist, aber viel seltener erzielt wird: Tiefenentspannung. In diesem Zustand durchlaufen wir einen biologischen Erholungsprozess. Aber mit einer zu hohen Stress-Baseline ist er unerreichbar.

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Das menschliche Nervensystem verfügt über eine enorme Bandbreite. Leider »steckt« es oft auf zu hohem Niveau fest. Unser Forschungsteam an der University of California, San Francisco (UCSF), unter der Führung von Alexandra Crosswell, PhD, hat das Spektrum an möglichen »Gemütszuständen« in einer Grafik erfasst. Wir haben herausgefunden, dass der Zustand der Tiefenentspannung, den so viele von uns nicht erreichen, entscheidend für unsere Stressresilienz und unser Wohlbefinden ist.4 Lassen Sie uns einen Blick auf die Grafik werfen und links oben beginnen:

Akuter Stress (Gemütszustand rot): Es passiert ein stressiges Ereignis, und wir schalten auf »Alarmstufe Rot«. Es wird eine akute körperliche Stressreaktion ausgelöst, für manche tun sich Katastrophenszenarien auf. Diese akute Stressreaktion kann gesund sein – wenn sie von kurzer Dauer ist. Gemütszustand rot bedeutet, dass die Bereitstellung von Energie Priorität hat – wir setzen massenhaft Glukose frei und sind bereit loszurennen.

Kognitive Belastung (Gemütszustand gelb): Auf diesem Erregungsniveau befinden wir uns an einem normalen Tag. Es ist niedriger als bei akutem Stress, daher gehen wir davon aus, dass dies der Zustand ist, in dem wir uns erholen, doch davon kann keine Rede sein. Unsere »kognitive Last«, also die Informationen, die unser Gehirn allesamt auf dem begrenzten Speicherplatz ablegen will, ist normalerweise ziemlich hoch. Mit Gemütszustand gelb verhält es sich so: Wenn wir mit der Arbeit fertig sind oder uns nichts Stressiges bevorsteht, können wir dennoch körperlich unter Stress leiden. Dieser ist noch allgegenwärtiger, wenn wir uns unserer stressigen Gedanken nicht bewusst sind. Forscher machen das unbewusste Gefühl, nicht sicher zu sein, für diesen hohen Erregungszustand verantwortlich. Dies trifft besonders dann zu, wenn wir uns einsam, unterlegen und diskriminiert fühlen oder unter Kindheitstraumata leiden, die uns erwarten lassen, dass unsere Umgebung nicht sicher ist.5 Doch grundsätzlich kann jeder und jede von uns durch subtilen Stress, ausgelöst durch das unbewusste Gefühl der Unsicherheit, in diesen Zustand der chronischen, multisensorischen Überlastung geraten. Zusätzlich haben wir es oft mit mehreren Stimulationsquellen zu tun, darunter auch negative Informationen und Anforderungen, die via Bildschirm auf uns einprasseln. Mit dem uns allen so vertrauten Multitasking tun wir uns dann keinen Gefallen. Unsere normale Baseline, wie gestresst wir uns allgemein fühlen, entspricht dem Gemütszustand gelb, einem Stresslevel, der mit Entspannung nichts zu tun hat.

Erholung (Gemütszustand grün): Hierbei handelt es sich um den angenehmen Zustand der Entspannung, der eintreten kann, wenn wir passiv einer Freizeitbeschäftigung nachgehen oder unsere Aufmerksamkeit ganz und gar Aufgaben widmen, die wir genießen. Dies wird manchmal als »Flow« bezeichnet. Es ist auch ein Zustand, in dem man einfach existiert, ohne irgendwelche Aufgaben erledigen zu müssen. Man befindet sich vielmehr in einem aufnahmefähigen Modus, in dem man beispielsweise die Natur, schöne Dinge oder Kunst betrachtet. All diese Tätigkeiten haben die Gemeinsamkeit, dass wir Monotasking, nicht Multitasking betreiben und uns ruhig und sicher fühlen. Diese und einige andere Aktivitäten aktivieren erwiesenermaßen den Vagusnerv, der sich vom Stammhirn ausgehend in den Körper erstreckt. Die Aktivierung des Vagusnervs unterstützt körperliche Entspannung, wobei sich mit der Zeit ein vagaler Tonus einstellt, der eine schnellere Erholung von Stress ermöglicht. Je öfter wir uns in einem Zustand der Erholung oder Tiefenentspannung befinden, desto besser trainieren wir unser Nervensystem darauf, in den Erholungsmodus zu gehen.

Tiefenentspannung (Gemütszustand blau): Es handelt sich um den Zustand tiefer Erholung, der erreicht wird, indem wir unsere Umgebung nicht stimulierend, sondern ruhig und sicher gestalten. In der Regel bedeutet das, dass wir uns körperlich zurückziehen und unseren Fokus entweder stark verengen oder unsere Gedanken frei schweifen lassen. Gemütszustand blau, wenn der psychische und physische Stresslevel im Körper am niedrigsten ist, stellt sich bei sehr entspannenden Aktivitäten ein, beispielsweise Body-Mind-Übungen oder Meditation, und ist meist von kurzer Dauer. In Gemütszustand blau findet echte körperliche Regeneration, etwa Zellregeneration, statt. Tiefschlaf, der erholsamste Zustand für unseren Körper, ist auch eine Phase der Tiefenentspannung.

Zusammenfassend kann man sagen, dass wir einen Großteil unseres Lebens in Gemütszustand rot und gelb verbringen. Selten befinden wir uns in Gemütszustand grün und noch seltener in Gemütszustand blau. In Das 7-Tage-Rezept für weniger Stress wird es unsere Mission sein, unsere Stress-Baseline an den Zustand echter Erholung anzunähern. Um gut mit Stress leben zu können, müssen wir unsere Baseline absenken.

Stressresistent werden

Wir wissen nun, dass Stress und Alterungsprozesse biologisch miteinander verbunden sind. Unter chronischem Stress laugt unser Körper schneller aus, wobei chronische Unsicherheit die allgegenwärtigste Form von chronischem Stress darstellt. Das Gegenmittel ist demnach: Wir müssen unsere Stressantwort auf Unsicherheit »ausschalten«. Wir müssen unsere Geisteshaltung verändern und Unsicherheit als die unser Leben bestimmende Grundbedingung akzeptieren, statt dagegen anzukämpfen oder uns durch sie bedroht zu fühlen.

Die Zeit in der arktischen Militärbasis stellte einen Wendepunkt in Bryans Leben dar. Ihm wurde klar, dass er über die meisten Dinge, die ihm Angst und Stress verursachten, keine Kontrolle hatte. Bei seiner Versetzung dorthin hatte er kein Mitspracherecht, und er musste bleiben. Auch wann er aufstand, was er aß oder was er mit seiner Zeit anstellte, lag außerhalb seines Einflussbereichs. Mitten in dieser gewaltigen Umbruchsituation, von unkontrollierbaren Kräften hin und her gezerrt, änderte er seine Blickweise. Ich kann das auch anders sehen. Mental gegen seine aktuelle Realität anzukämpfen, beraubte ihn der Möglichkeit, Freude zu verspüren. Während seine Kameraden unter quälender Angst litten, erkannte Bryan, dass es auch ein Geschenk war, keine Wahl zu haben. Mit einem Mal wurde ihm plötzlich eine erdrückende Bürde von den Schultern genommen.

Er begann sich auf die einfachen Annehmlichkeiten in seinem Tagesablauf zu fokussieren. Kleine Dinge gewannen mehr an Bedeutung, und er merkte, wie er sich seinen Mitmenschen tiefer verbunden fühlte. Wenn er seinen freien Tag in der nahgelegenen Stadt verbrachte, war es für ihn die reinste Freude, frei über seine Mahlzeiten bestimmen zu können, sich mit Unbekannten zu unterhalten oder sich ein Busticket zu kaufen. Er hatte keine Briefe mehr in die Heimat geschickt, da alles, was er geschrieben hatte, ungeniert gelesen und häufig zensiert worden war. Dennoch beschloss er, wieder mit dem Briefeschreiben zu beginnen und über Positives zu berichten, das nicht zensiert werden würde. Als er erst einmal danach Ausschau hielt, stellte er fest, dass sich trotz seiner extremen Situation mehr positive Dinge finden ließen als gedacht. Heute erinnert sich Bryan an diese Zeit als die, in der es ihm am besten gelang, Glück zu empfinden – die Freude, am Leben zu sein und es wertzuschätzen.

Zum Glück wurde Bryan nicht nach Afghanistan entsendet. Als seine zweijährige Ausbildung beendet war, konnte er nach Hause zurückkehren. Diese Erfahrung aber und wie ihm die Änderung seiner inneren Einstellung geholfen hatte, das Ganze durchzustehen, hat er nie vergessen.

Im ersten Jahr der Covid-19-Pandemie plagten Bryans Frau Yana Ängste, und sie machte sich große Sorgen: um ihr Altersheim (würden sich die Bewohner mit Covid infizieren?), um geliebte Menschen (würden ihre Söhne das Studium abbrechen?). Ihre Gedanken kamen nicht zur Ruhe, und sie war Meisterin darin, sich Katastrophenszenarien auszumalen. Bryan hingegen hatte mit der Unsicherheit und dem Mangel an Kontrolle kein Problem.

»Warum kaufst du Bohnen aus der Dose und Unmengen von Toilettenpapier?«, fragte er sie mit einem ungläubigen, aber liebevollen Lächeln.

Für Bryan ist es eine unerschütterliche Gewissheit, dass das Leben von Ungewissheit geprägt ist und sich vieles unserer Kontrolle entzieht. Doch er weiß auch, dass er Herausforderungen meistern kann. Er weiß, wie er auch in stressigen, unsicheren Zeiten Glück und Erholung findet. Wenn er als junger Soldat in der bitterkalten Arktis gut leben, Spaß haben und Momente der Ruhe und Stille finden konnte, würde er es überall können.

Natürlich gibt es Ereignisse, die auch Bryan stressen, er ist schließlich kein Roboter! Die ungewisse Zukunft aber bereitet ihm kein Kopfzerbrechen.

Praktizierende Buddhisten wissen, dass ein zentraler Leitgedanke darin besteht, Unbeständigkeit zu akzeptieren. Als ich die Gelegenheit hatte, mit Seiner Heiligkeit, dem Dalai Lama, ein Interview über den Umgang mit Krisen zu führen, fragte ich ihn, wie wir uns trotz allgegenwärtiger Unsicherheit wohler in unserer Haut fühlen können. Seine Antwort kam prompt.

»Was Unsicherheit anbelangt, befinden sich nach buddhistischer Überzeugung die Dinge stets im Wandel, und die Zukunft ist unvorhersehbar. Einige der Probleme, mit denen wir es zu tun haben, entstehen auf natürliche Weise, doch viele unserer heutigen Probleme, wie der Klimawandel, sind selbst gemachte Probleme.« Anschließend erläuterte er, dass man mit Ungewissheit rechnen müsse und wir Herz und Verstand darin üben sollten, ruhig und warmherzig zu bleiben und einen klaren Kopf zu bewahren.6

Das ist der Grund, warum diese Woche unser großes Ziel darin besteht, das Unerwartete zu erwarten. Wir werden lernen, Stress zu bekämpfen, indem wir flexibel und offen sind und uns auf den gegenwärtigen Moment fokussieren.

Das Unerwartete zu erwarten, bedeutet eine Veränderung unserer inneren Haltung, die es uns ermöglicht, dass wir uns okay fühlen, obwohl Dinge schiefgehen oder einfach nicht so laufen wie geplant. Sie erlaubt uns, mit der Ambivalenz und Ungewissheit des Lebens besser zurechtzukommen. Wenn wir das Unerwartete erwarten und es dann eintritt, zeigen wir keine überschießende und übermäßig lange Kampf-oder-Flucht-Reaktion. Das Herz schlägt uns nicht bis zum Hals. Unser Körper verkrampft nicht in Reaktion auf die »Bedrohung«. Forschungsdaten zeigen: Je besser wir Ungewissheit akzeptieren und uns mit ihr anfreunden können, desto unwahrscheinlicher ist es, dass wir in schweren Zeiten unter chronischem Stress, Angstzuständen, Depressionen oder einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden. Außerdem werden wir resilienter gegen unberechenbare Stressoren wie etwa Pandemien oder Naturkatastrophen und erholen uns schneller von traumatisierenden Stressoren. Auf diese Weise können wir in die Welt gehen und unser Leben mehr genießen.

Jeder von uns hat eine andere Ausgangsbasis. Unsere Gene, Biografie und derzeitigen Lebensumstände formen unser »Stressprofil«. Unsere Gene und unsere Vergangenheit haben uns geprägt. Aber unsere Gehirne verfügen über neuronale Plastizität, also die bemerkenswerte Fähigkeit, neuronale Verbindungen zu bilden oder umzuorganisieren, wenn wir immer wieder neue Gedanken denken oder neue Tätigkeiten ausführen. Wir können unsere Erfahrung neu justieren und die Reaktion unseres Gehirns flexibler und gelassener werden lassen. Wir können Körper und Seele darauf trainieren, resilienter gegenüber Stress zu werden, damit wir ein längeres, gesünderes Leben führen können, solange wir auf dieser Welt sind.

ZUR BENUTZUNG DIESES BUCHS

Auf diesen Seiten finden Sie alles kompakt zusammengefasst, was Sie in unsicheren Zeiten brauchen. Es gibt so vieles, was sich unserer Kontrolle entzieht. Doch was wir sehr gut kontrollieren können, ist die Art und Weise, wie wir reagieren, wenn das Leben eine unerwartete Wendung nimmt. Mit relativ simplen neuen Gewohnheiten können wir Körper und Seele darauf trainieren, die unvermeidbaren stressigen Zeiten im Leben auf eine positive Weise zu erleben, die sich sogar günstig auf unsere Gesundheit auswirkt.

Dieses Buch wird Ihnen vermitteln, wie Sie

Ungewissheit annehmen,

sich von den Dingen, die Sie nicht kontrollieren können, nicht belasten lassen,

die Stressreaktion nutzen, um Herausforderungen besser zu meistern,

Ihre Zellen trainieren, um »Stress besser zu verstoffwechseln«,

in die Natur eintauchen, um Ihr Nervensystem neu einzustellen,

Tiefenentspannung praktizieren,

in Ihren vollen Terminkalender Glücksmomente integrieren.

All das wird uns mit den Ressourcen und der Resilienz ausstatten, um mit der Unsicherheit im Leben umzugehen – um die Wellen zu reiten, statt unter ihnen begraben zu werden.

Als im Herbst 2020 Buschfeuer in Kalifornien wüteten, kamen sie bedrohlich nahe an meinen Wohnort heran. Ich weiß noch, wie ich einen Notfallkoffer mit allem Wichtigen packte – er musste leicht und tragbar sein und der Inhalt aus wichtigen und sofort nutzbaren Dingen bestehen. Es war ein echter Notfallkoffer, doch was wir jetzt brauchen, ist ein Notfallkoffer im metaphorischen Sinn, mit echten Werkzeugen, um die Ungewissheit und den Stress, mit denen wir im Leben konfrontiert sind, gut zu meistern. Und genau das wird dieses Buch für Sie sein.

Es beinhaltet einen 7-Tage-Plan, um Ihre Beziehung zu Stress zu verändern. An jedem Tag werden Sie eine neue Fertigkeit lernen, ein Werkzeug, das Sie in Ihren metaphorischen Notfallkoffer packen und zukünftig benutzen können. Diese Übungen erfordern keine spezielle Ausrüstung und dauern höchstens fünf bis zehn Minuten. Kann man seinen Stresslevel in nur einem Tag verändern?

Ja.

Ein einziger Tag kann enorme Auswirkungen haben. Es ist eine Zeiteinheit, über die wir sehr viel Kontrolle haben. Der Tag ist eine Einheit, nach der wir unser Leben ausrichten. In ihr finden sowohl das Sorgenwälzen als auch Selbstfürsorge statt. In ihr bilden sich Muster und Routinen heraus, die über unser Wohlbefinden bestimmen. Mit nur kleinen Anpassungen können Sie die Art und Weise, wie Sie Ihr Leben empfinden, verändern.

Gehen Sie an dieses Buch und jede einzelne Übung mit hundertprozentiger Selbstliebe, Flexibilität und der Bereitschaft, sich zu vergeben, heran. Sollte es Ihnen nicht möglich sein, dieses Buch innerhalb einer Woche zu lesen, dann machen Sie es einfach nicht. Wir wollen auf keinen Fall noch mehr Stress verursachen. Sie können ein Kapitel innerhalb eines Tages oder einer Woche lesen. Sie können Pausen einlegen und Übungen über einige Tage beliebig oft wiederholen, bis Sie weiterlesen. Sie können dieses Buch in genau der Geschwindigkeit durchgehen, die richtig für Sie ist. Ihre Aufgabe ist es, sich Gedanken darüber zu machen, wie Sie das alles so in Ihr arbeitsreiches Leben integrieren, dass es Ihnen Freude und nicht Stress bereitet. Wenn Sie zumindest eine der Übungen regelmäßig machen, wird das für Ihr Wohlbefinden einen riesigen Unterschied machen. Das ist ein Erfolg.

Nach unserem gemeinsamen Weg sind Sie hoffentlich mit einem beweglichen Geist, neuen Erkenntnissen über Ihre eigene Stressreaktion und unser Nervensystem sowie Werkzeugen gerüstet, die Ihnen helfen, diese zu managen, um ein glückliches, gesundes und langes Leben zu führen.

Tag 1   DINGE WERDEN SCHIEFGEHEN … UND DAS IST IN ORDNUNG

Die Studie lief nicht gut.

Es war ein Jahr nach Beginn der Covid-19-Pandemie, und die Lebensbedingungen waren weltweit unvorhersehbar: Würde es einen weiteren Lockdown geben? Würden sich neue Virusvarianten ausbreiten? Würden die Schulen wie geplant öffnen? Auch in unserem Labor lief es nicht rund. Studienteilnehmer und Labormitarbeiter erkrankten und begaben sich in Quarantäne. Durch Lieferkettenprobleme fehlten uns plötzlich wichtige Ausrüstungsgegenstände, von denen vor der Pandemie die Schubladen und Schränke überquollen.

Ich weiß noch, wie ich ungläubig eine unserer Laborassistentinnen fragte: »Wir haben keine Pipettenspitzen mehr?« Ohne dieses simple Plastikteil waren selbst die einfachsten Arbeitsgänge nicht mehr möglich. Labore im ganzen Land standen wegen Lieferengpässen ohne Pipettenspitzen da.

Doch die Studien, die wir durchführten, standen unter besonders großem Zeitdruck: Mithilfe eines Zuschusses der National Institutes of Health (NIH) untersuchten wir pandemieinduzierte Depressionen und Impfungen gegen Covid-19. Die Impfungen erwiesen sich als hochwirksam – dies waren hoffnungsvolle Neuigkeiten und sicherlich ein Grund, optimistisch zu sein. Doch wie sah es langfristig aus? Wie lange würden die Antikörper schützen? Welche Faktoren unterstützten oder hinderten den Körper daran, die Immunität gegen das Virus aufrechtzuerhalten? Von anderen Impfstoffen wissen wir, dass persönliche Gewohnheiten wie schlechter Schlaf, Rauchen und großer psychischer Stress unsere Immunantwort auf Impfungen verringern können. Es lag auf der Hand, dass sich die meisten von uns durch die Pandemie gestresst fühlten und sich dies eventuell in der Bildung weniger Antikörper niederschlug. Da es um die Herdenimmunität eines ganzen Planeten ging, wollten wir wissen: Kann seelisches Wohlbefinden, etwa im Alltag Glücksmomente zu erleben und die Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens zu erkennen, uns vor Stress schützen und zu einer stärkeren Immunantwort führen?

In einer Studie wie dieser müssen wir mehr über das Leben und die Denkweise von Menschen herausfinden und wie viel Glück und Angst sie an einem typischen Tag erleben. Die Teilnehmer füllen täglich Fragebögen aus, die zeigen sollen, was sie als stressig empfanden und in welchem Maße sie gestresst waren. Was war das Stressigste, das Ihnen heute passiert ist? War es ein kleines Ärgernis, wie etwa der Verkehr, oder ein heftiger Streit mit Ihrem Partner? In Kombination mit den psychologischen Daten bilden die Antworten auf diese Fragen ein wertvolles individuelles Stressprofil einer jeden Testperson ab. Außerdem verstehen wir so besser, wie sich Erwartungen auf das Stressniveau auswirken. Eine der Fragen, die wir jedem Probanden stellen, ist: Wir vorhersehbar ist Ihr Tag?

Jeder wünscht sich Vorhersehbarkeit. Wir Menschen sind so konzipiert. Wir ahnen gerne voraus, was in jedem einzelnen Moment geschieht, um unseren Tag und unser Jahr mit verlässlichen Orientierungspunkten zu versehen. Unsere Körper wollen, dass es genau zur Mittagessenszeit Mittagessen gibt. Wenn wir uns morgens auf den Weg machen, wollen unsere Gehirne, dass die Strecken zur Arbeit oder zur Schule denen vom vorherigen Tag entsprechen (und dass es keinen Stau gibt!). Wir fühlen uns sicherer, wenn unsere Umgebung so berechenbar wie möglich ist. Dann können wir uns bis zu einem gewissen Grad entspannen, auch wenn es andere stressige Ereignisse gibt.

Jeder von uns hat eine einzigartige Baseline als Ausgangspunkt – das ist der Stresslevel, in dessen Bereich wir uns an einem normalen Tag bewegen. Jeder Mensch hat eine andere Baseline: Manche sind sehr angespannt und wachsam. Bei einem unerwarteten Geräusch fahren sie zusammen, während andere Persönlichkeiten vergleichbar mit einem stillen See sind und sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lassen. Egal, wo unser Ausgangspunkt liegt, je niedriger wir unsere Stress-Baseline absenken können, desto besser – denn es bedeutet, dass wir Stressspitzen besser aushalten können.

Ist unsere Baseline aber schon hoch und die Dinge laufen nicht wie geplant – wenn also das Unerwartete über uns hereinbricht –, schnellt diese ohnehin schon hohe Baseline noch höher. Binnen kürzester Zeit.

Ich habe viele Bereiche meines persönlichen und beruflichen Lebens für diese Covid-Studie auf Eis gelegt. Sie erforderte all meine Zeit und mentalen Kapazitäten. Ich hatte eine Abwesenheitsnotiz verfasst, die andere schockte (sorry, ich binnicht erreichbar), und nahm keine Anfragen mehr an, Vorträge zu halten. Aric, der Co-Direktor der Studie, und ich arbeiteten Tag und Nacht an diesem Projekt, koordinierten die Laborassistenten, achteten darauf, dass alle administrativen Sicherheitsvorkehrungen eingehalten und die Papierarbeit erledigt wurden, arbeiteten Studienprotokolle aus und reagierten unmittelbar auf jede erdenkliche Krise. Mir lag der reibungslose und fristgerechte Ablauf der Studie für die NIH so sehr am Herzen, dass sich alles, was schieflief, wie ein Angriff anfühlte. Und es gab ständig Fehlschläge.