Das Feuer des Lebens - Udo Schroeter - E-Book
SONDERANGEBOT

Das Feuer des Lebens E-Book

Udo Schroeter

0,0
12,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 12,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

»Wenn du ein neues Feuer entfachst, bedanke dich bei deinen alten Feuern.«

Ben hat die Monotonie des Alltags satt. Er fragt sich, wofür er eigentlich noch brennt und was aus all seinen Träumen geworden ist. Er erinnert sich an die Momente, in denen er lebendig und voller Freude und Tatendrang war. Kurzentschlossen bricht er auf zu einer inspirierenden Reise ans Meer, wo sein alten Freund Bo bereits auf ihn wartet. Sechs Strandfeuer, ein Leuchtturmwärter und die Begegnung mit zwei wunderbaren Frauen sind es, die Ben schließlich den Weg zurück an sein Feuer weisen.

Das Feuer des Lebens ist ein Buch, in dem man das Rauschen des Meeres und das Knistern des Feuers hört und den starken Impuls verspürt, anschließend selbst etwas in seinem Leben zu verändern.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 170

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Wie sähe unsere Welt wohl aus, wenn jeder Mensch das leben würde, wofür er wirklich brennt?

Ben hat die Monotonie des Alltags satt. Er fragt sich, wofür er eigentlich noch brennt und was aus all seinen Träumen geworden ist. Er erinnert sich an die Momente, in denen er lebendig und voller Freude und Tatendrang war. Kurzentschlossen bricht er auf zu einer inspirierenden Reise ans Meer, wo sein alter Freund Bo bereits auf ihn wartet. Schließlich sind es sechs Strandfeuer, ein Leuchtturmwärter und die Begegnung mit zwei wunderbaren Frauen, die Ben den Weg zurück an sein Feuer weisen.

Vita

Udo Schroeter hat an der Evangelischen Fachschule in Rickling studiert und als Diakon und Pädagoge gearbeitet. 2006 wanderte er mit seiner Familie auf die dänische Ostseeinsel Bornholm aus. Seine tiefe Verbundenheit zur Natur wird in seinen Büchern, Seminaren und Coachings spürbar. Er ist Autor des Bestsellers Bin am Meer.

Udo Schroeter

Eine Erzählung über den Mut zum Aufbruch

Diederichs

Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2021 Diederichs Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag: zero-media.net, München

Umschlagmotiv: © Cavan Images/Alamy Stock Photo

Bildnachweis: Bilder im Innenteil von © Udo Schroeter

ISBN 978-3-641-28240-0V001

www.diederichs-verlag.de

INHALT

1. DERAUFBRUCH

2. DIETANKSTELLE

3. AUFDEMWEG

4. DIEGESCHICHTEVONDENSECHSSTRANDFEUERN

5. VONMUTMACHERNUNDFEUERLÖSCHERN

6. DERLEUCHTTURMWÄRTER

7. AUFDEMFJORD

8. ESBRAUCHTEINEENTSCHEIDUNG

9. DIEFEUERDERKINDER

10. WIEDERSEHENAMFLUSS

Für Marius, Mats & Steffi.

1. DER AUFBRUCH

Lebst du wirklich das, wofür du brennst?

»Lebst du wirklich das, wofür du brennst?«, hatte mein bester Freund Dave mich vor einer Woche gefragt. So simpel diese Frage war, so sehr hatte sie mich ins Mark getroffen.

Ich habe ihm nicht geantwortet, doch mein Schweigen war Antwort genug – für ihn und letztendlich auch für mich.

Mein Feuer war schon lange erloschen.

Ich ließ seit einer gefühlten Ewigkeit einen Großteil meiner Lebensenergie in einer Firma, die Jahr für Jahr nur ein Ziel kannte: mehr Umsatz und mehr Gewinn!

Ich lebte schon lange nicht mehr das, wofür ich brannte – diese Firma fraß meine ganze Lebensenergie und ich konnte mir kaum mehr vorstellen, wirklich einmal für etwas gebrannt zu haben.

Dave und ich standen in meiner Garage. Es war einer dieser selten gewordenen Tage in meinem Leben, an denen ich morgens aufwachte und mir nicht mit dem ersten Augenaufschlag bereits klar war, was im Dreiviertelstundentakt den Tag über in meinem Leben passieren würde. Mit einer chronischen inneren Gleichgültigkeit nahm ich die getakteten Termine und die dazugehörigen Themen zwar wahr, aber schon lange nicht mehr die Menschen hinter den Themen. Und am allerwenigsten mich selbst.

Ich funktionierte, lebte aber nicht mehr.

Dazu erreichten mich jeden Tag über fünfzig Nachrichten und Anfragen auf meinen Mail-Accounts. Ich habe mir, glaube ich, wirklich unterbewusst eingebildet, dass ich irgendwann meinen Computer anschalte und dort die Nachricht erscheint: Herzlichen Glückwunsch! Sie haben keine neuen Nachrichten. Sie haben es geschafft! Sie können jetzt mit ihrem Leben beginnen!

Die Tage kamen und sie gingen. Monotonie auf Hamsterradniveau.

Heute hatte ich aber frei und war mit meinem besten Freund Dave zu einer Mountainbike-Tour verabredet. Jetzt suchten wir in der Garage nach einer Fahrradpumpe.

»Blick dich mal um!«, lud Dave mich plötzlich ein und ließ seinen gestreckten Arm einmal kreisen. »Was siehst du?«

Ich folgte seiner Aufforderung, und nach Jahren blickte ich mich zum ersten Mal wieder bewusst in meiner Garage um.

Ich entdeckte mein Surfbrett. Ich hatte es mit Schnüren an zwei groben Haltern an der Garagenwand aufgehängt. Wie lange hatte ich damals gespart, um mir dieses Brett leisten zu können? Und wie stolz war ich gewesen, als ich es endlich mein Eigen nennen konnte!

Mit diesem Brett war ich Wellen auf Hawaii, an der Nordsee und am Atlantik geritten. Tausende Male aufgestiegen und wieder abgeworfen worden.

Sobald ich mit dem Brett auf das Meer hinaus paddelte, war ich in einer anderen Welt: in meiner Welt!

Ich fühlte mich frei und glücklich.

Damals wäre bestimmt niemand auf die Idee gekommen, mich zu fragen, ob ich das lebe, wofür ich brenne. Ich hatte aus jeder Pore meines Körpers gestrahlt, dass ich immer wieder gefragt wurde, warum ich so glücklich aussehe.

Der einzige Takt, der mein Leben bestimmte, waren die Gezeiten. Bei auflaufendem Wasser lässt es sich einfach besser surfen!

Ich war kein Getriebener, ich ließ mich treiben!

Mein Blick fiel auf meine Gitarre. Sie stand geschützt und dick eingepackt in der hinteren Ecke der Garage. Ich hatte sie schon fast vergessen, dabei war sie fünfzehn Jahre lang der wohl treueste Begleiter in meinem Leben. Ja, ich habe es geliebt, Gitarre zu spielen und zu singen. Egal ob ich fröhlich, nachdenklich oder im Sehnsuchtsmodus war – für jede Stimmung fand sich ein Lied, das mich begleitete.

Lieder waren der Balsam für meine Seele.

Und es gab so viele Begegnungen, in denen ich meine Leidenschaft für das Musikmachen mit anderen geteilt habe. So viele unvergessliche Abende an Lagerfeuern und kraftvollen Orten, an denen wir gemeinsam Lieder gesungen und ein unbeschreibliches Gefühl von Verbundenheit erlebt hatten. Ein Gefühl, das nur entstehen kann, wenn man das tut, was einen im tiefsten Herzen glücklich macht.

Damals wäre es für mich undenkbar gewesen, dass diese Gitarre in einer dicken Hülle eingepackt in einer Garagenecke verschwindet. Aber mit den Jahren im Unternehmen waren irgendwann auch die Lieder verstummt.

Meine alten französischen Kochtöpfe, eingelagert in stabilen Pappkartons. Seit Jahren lagen sie hier Seite an Seite mit den ebenfalls eingemotteten Tennisschlägern. Dabei gab es früher kaum ein Wochenende, an dem ich nicht Freunde zum Essen eingeladen hatte. Ich liebte es zu kochen. So sehr, dass ich auf zwei Hochbeeten im Garten meine eigenen Kräuter und mein eigenes Gemüse zog.

Als ich nach den trügerisch leichten Anfangsjahren endgültig im Unternehmen angekommen war, verschwanden die Kochtöpfe in der Garage und die Hochbeete unter einem pflegeleichten Rasen. Mit den wachsenden Anforderungen im Unternehmen verschwand auch die freie Zeit aus meinem Leben.

Der Blick in den Kühlschrank wurde mehr und mehr zu einem Blick in ein getriebenes Leben: Fertigkost statt Lebenskost.

Dabei waren das Kochen und ein gutes Essen mit Freunden für mich immer ein Ausdruck von Lebensqualität gewesen.

Wenn ich kochte, saß ich an meinem Feuer!

Mit den Töpfen in der Garage verschwanden auch viele Freunde in der Versenkung. Mein durchgetaktetes Leben hatte mich mit den Jahren immer einsamer gemacht. Nur Dave ließ sich nicht vertreiben.

Er war auf seine ganz eigene Art und Weise immer ein treuer Wegbegleiter geblieben, vielleicht auch deshalb, weil er keine unangenehmen Fragen stellte und mich kommentarlos mein Leben leben ließ.

Bis heute.

»Deine Garage ist ein Museum deiner erloschenen Feuer, Ben!«, sagte er schließlich, nachdem ich mich umgeschaut hatte. Er sah mich dabei fast ein wenig mitleidig an.

Ich wollte sein Mitleid nicht, schon deshalb nicht, weil Dave Zeit seines Lebens immer wusste, wofür er gerade brannte. Er war schon immer der Typ gewesen, der dieses Wissen auch auslebte. Er ließ sich von nichts und niemanden von seinem Feuer vertreiben. Er war Künstler, liebte das Mountainbiken und seine Familie.

Wem es nicht passte, wie er lebte, konnte aus seinem Leben verschwinden.

»Feuerlöscher« nannte Dave diese Art von übergriffigen Menschen, die ihm ständig einreden wollten, was richtig und falsch in seinem Leben war, obwohl sie selbst nicht mal im Ansatz für sich entdeckt hatten, wie sich ein glückliches Leben überhaupt anfühlte. Ich erinnere mich an eine Auseinandersetzung, die Dave mit einem Nachbarn führte und die er mit den Worten »So, genug missioniert! Du gehst jetzt nach Hause und suchst das Glück!« beendet hatte.

Es ist jetzt eine Woche her, dass wir in der Garage standen, und wir sind an diesem Tag noch mit unseren Mountainbikes unterwegs gewesen. Ich konnte mich kaum auf das Fahren konzentrieren, so sehr hing mir der Satz »Deine Garage ist ein Museum deiner erloschenen Feuer!« nach.

Tränen liefen über meine Wangen, aber mein Freund konnte sie nicht sehen.

Er fuhr fröhlich voraus.

Auf halber Strecke hielten wir an einem Fluss. Wir parkten unsere Räder und wanderten hinunter zum Wasser. Ich liebte diesen Ort. Auf der gegenüberliegenden Uferseite gab es eine große Wildwiese, auf der ich viele Jahre Kräuter für das Kochen pflückte.

Oft war ich schon in den frühen Morgenstunden unterwegs und erlebte den Tagesanbruch in der Natur. Lauschte dem Gesang der Feldlerchen, hörte die Rufe der Kiebitze, sah das magische Licht der aufgehenden Sonne über den taubenetzten Grashalmen und die mächtigen, schlafenden Eichen am Wiesenrand, umhüllt von Frühnebelfeldern.

Wenn ich zwei Stunden später die Kräuter in meinem Weidenkorb nach Hause trug, nahm ich auch diese wundervolle Welt und ihre Energie mit.

Sie nährte mein Essen und das meiner Freunde. Ich war mit allem verbunden.

Auch der Weidenkorb verschwand irgendwann in der Garage.

»Ich weiß nicht mehr, wofür ich brenne! Ich weiß es einfach nicht!« Ich schaute Dave an, als wir schließlich auf zwei großen Steinen saßen und das wild rauschende Wasser an uns vorbeiströmte.

»Ich habe schon lange Zeit das Gefühl, an einem erloschenen Feuer zu sitzen, sehr lange! Ich kann dir nicht einmal sagen, wann ich aufgehört habe, mich um mein Feuer zu kümmern. Es war ein schleichender Prozess!

Ich habe einfach immer weiter gemacht, und irgendwann dachte ich, umkehren sei keine Option, es wäre vielmehr ein Schuldeingeständnis an mein verpasstes Leben.

Ich habe wirklich geglaubt, anders funktioniert es nicht mehr. Ich habe es geglaubt, weil ich über die Jahre mir selbst gegenüber immer härter wurde. Verrückt, oder?«

Dave trank einen Schluck aus seiner Wasserflasche und anstatt mir zu antworten, beugte er sich vornüber, zog seine Schuhe und Socken aus und steckte seine Füße in das eiskalte Wasser.

»Komm Ben, zieh deine Schuhe und Socken aus!«, forderte er mich auf, »und stecke deine Füße auch ins Wasser!«

Etwas widerwillig folgte ich seiner Aufforderung und schrie kurz auf, als die Füße endlich im Wasser landeten. »Scheiße, ist das kalt!«

»Jetzt ist genau der richtige Moment für dich, auf Reisen zu gehen!«, reagierte Dave endlich auf meine Traurigkeit. »Willst du wirklich so weitermachen? Was ist das Ziel? Finde endlich heraus, wofür du wirklich brennst!« Er sah mich an. »Gib deinem Leben seine Lebendigkeit zurück! Du hast nur diese eine Reise auf der Welt! Was zaubert dir ein Lächeln in dein Gesicht? Was lässt die Lebensenergien in dir sprudeln: Freude, Liebe, Glück? Für welches Lebensgefühl stehen das Surfbrett, die Gitarre und deine Kochtöpfe?

Wer hat sich da selbst verlassen und warum? Den ersten Schritt auf dieser Reise hast du gerade gemacht!« Er blickte mich liebevoll an. »Du fühlst endlich, dass du an einem erloschenen Feuer sitzt!«

»Du hast recht!« Ich schaute Dave entschlossen an, stand auf und sprang kopfüber in das eiskalte Wasser.

»Du bist irre!«, schrie Dave und sprang hinterher. Wir tobten uns im eiskalten Wasser aus und fielen lachend auf den kleinen Kiesstrand vor der Wildwiese.

Wir blieben eine Zeit lang einfach liegen, hielten unsere Augen geschlossen, breiteten unsere Arme aus und fühlten, wie die wärmende Sonne die Kälte des Wassers Stück für Stück aus unserem Körper trieb.

»Ich mach mich auf!« Dankbar sah ich meinen Freund schließlich an.

Es hatte tatsächlich Jahre gedauert, dieses Gefühl an einem erloschenen Feuer zu sitzen, endlich zuzulassen, vielleicht, weil ich mir nicht eingestehen mochte, dass mein tägliches Leben sich aus den Erwartungen anderer speiste und ich prächtig funktionierte, aber nicht lebte.

Und je länger mein eigenes Feuer erloschen war, desto schwieriger fiel es mir, ehrlich hinzuschauen und zuzugeben, dass ich schon lange Zeit dabei war, mein Leben zu verpassen.

Ich hatte Angst vor diesem Schmerz der Erkenntnis und gleichwohl spürte ich, dass das Wegducken und Durchhalten mir mittlerweile einen viel größeren Schmerz bereitete als ein ehrlicher Neuanfang. Dave hatte mich endgültig aufgeweckt.

Noch am selben Tag und bevor unsere Mountainbike-Tour endete, wusste ich, wohin meine Reise gehen würde: ans Meer!

Ich hatte an so vielen Stränden gesurft, hatte mit dem Motorrad unzählige Küstenstraßen geritten, und als ich zum letzten Mal meine Gitarre in der Hand hielt, versank eine traumhaft schöne Abendsonne hinter friedlichen Wellenkämmen.

Ich saß damals an meinem Lieblingsstrand in einer kleinen idyllischen Bucht, und mein Zelt stand auf dem Campingplatz direkt hinter den Dünen.

Dieser Campingplatz war jahrelang mein Kraftort gewesen, und sein Besitzer Bo zählte zu den Menschen in meinem Leben, mit denen ich am liebsten zusammen saß.

Wie mein Freund Dave wusste Bo immer, wofür er brannte: Es war dieser Campingplatz.

Schon als Junge hatte er sich gewünscht, einmal einen Campingplatz zu besitzen, und als diese kleine Perle direkt am Meer zum Verkauf stand, schlug seine Stunde. Das ist fünfundzwanzig Jahre her, und ich war überglücklich, als ich ihn letzte Woche unter der alten Telefonnummer erreichte.

Bo betrieb seinen Campingplatz also immer noch, auf dem ich mich die letzten zehn Jahre nicht mehr hatte blicken lassen. Wenn Menschen gefunden haben, wofür sie brennen, ändern sich auch ihre Telefonnummern nicht.

Jahrelang gehörte ein Besuch auf dem Campingplatz zu meinem festen Jahresprogramm. Mindestens einer.

Ich war überrascht und gerührt, als Bo sich bei meinem Anruf sofort an mich erinnerte.

»Wow, schön deine Stimme zu hören! Wie geht es dir?«

Wir hatten oft miteinander am Lagerfeuer gesessen und Musik gemacht.

So oft, dass er mich über all die Jahre in Erinnerung behalten hatte – und ich ihn.

Die Antwort auf seine Frage nach meinem Befinden ersparte ich mir in diesem Moment, denn sie hätte ehrlicherweise den Rahmen komplett gesprengt. Stattdessen buchte ich fünf Übernachtungen auf seinem Campingplatz. Das war mein Resturlaub.

Ich machte mich daran, meinen Campingbus zu packen, und das Erste, was ich mitnahm, war die Gitarre. Dann hob ich das Surfbrett von der Wand und suchte in den Motorradtaschen nach dem alten Campingkochgeschirr. Das französische Kochgeschirr musste noch warten.

Ich war dabei, das Museum aufzulösen …

Das alles geschah vor einer Woche, und jetzt war ich unterwegs – zu diesem kleinen Campingplatz am Meer und zu den Antworten auf die Fragen: »Wofür brenne ich wirklich?« und »Wie finde ich zurück an mein Feuer?«.

2. DIE TANKSTELLE

Erinnere dich daran, wer du warst und was du gelebt hast, bevor dein Feuer erloschen ist.

Zweimal tanken – dann würde ich auf dem Campingplatz sein, rechnete ich mir aus und war jetzt kurz vor dem zweiten Tankstopp. Mir ging es so gut wie seit Langem nicht mehr. Allein der Mut zum Aufbruch setzte viel Energie und Lebensfreude in mir frei. Meinem Campingbus schien es gefühlt ähnlich zu gehen.

Ich hatte ihn vor zehn Jahren angeschafft, um endlich wieder mehr auf Reisen zu gehen. Die meiste Zeit stand er jedoch vor meinem Haus oder auf dem großen Parkplatz vor der Unternehmenszentrale. Dazwischen zwölf trostlose Vorstadtkilometer, vorbei an zwei riesigen Einkaufszentren, dem städtischen Klinikum und einigen Spekulationsobjekten, die mit halbfertigen Graffitis beschmiert auf einen neuen Eigentümer warteten.

In den letzten Jahren verbrachte ich meine Resturlaube mit unternehmerischen Strategie-Planungen, weil in meinem durchgetakteten Arbeitsalltag dafür meistens keine Zeit blieb.

Aber statt jetzt Zahlenwerke zu wälzen, Konkurrenzunternehmen zu studieren oder einen Blick in die unternehmerische Glaskugel zu werfen, hörte ich laut Musik und war nur noch eine halbe Tankfüllung von Bo und seinem Campingplatz entfernt.

Ich steuerte die nächste Tankstelle an. Es war ohnehin Zeit, eine Pause zu machen, und hier gab es auch einen kleinen Rastplatz mit Holzbänken und Tischen.

Nachdem ich den Bus vollgetankt hatte, setzte ich mich auf eine der Bänke, trank Wasser und ließ den Verkehr an mir vorbeirollen. Die Tankstelle lag an einer kleinen Landstraße, aber jetzt im Sommer fuhren unzählige Autos und Lastwagen hier vorbei – alle auf dem Weg zur Küste.

Ich bin mir nicht einmal mehr sicher, von wo die Frau kam, die plötzlich vor mir stand und mich fragte, ob auf meiner Bank noch ein Platz für sie frei sei. Ich blickte einen kurzen Moment auf die anderen Bänke. Alle waren mittlerweile besetzt, und ich lud die Frau ein, sich zu mir zu setzen. »Ich bin Svea«, stellte sie sich vor und packte ihre mitgebrachten Brote aus.

»Möchtest du eins?«, schaute sie mich an, und ich widerstand ihrem Angebot nicht.

»Lecker!«, schaute ich sie lächelnd an.

»Das Brot habe ich selber gebacken, und die Marmelade stammt von einem kleinen Hof hier in der Nähe!«, lächelte sie zurück.

»Wo willst du hin?«, fragte sie mich und biss genüsslich in ihr Marmeladenbrot.

»Ich bin auf dem Weg zum Meer!«, antwortete ich. »Dort gibt es einen kleinen Campingplatz, den ich vor vielen Jahren das letzte Mal besucht habe. Da zieht es mich wieder hin!«

»Willst du dort Urlaub machen?«, hakte sie nach und schaute mich neugierig an.

»Ja!«, erwiderte ich, »und ich will eine Antwort auf eine Frage finden, die mich seit einer Woche umtreibt.«

Ich wusste nicht, warum ich in diesem Moment kein Geheimnis aus meinem Vorhaben machte, obwohl ich Svea erst seit ein paar Minuten kannte. Diese Frau hatte mit einem köstlichen Marmeladenbrot mein ganzes Vertrauen gewonnen. Das kam mir unwirklich vor.

Ich erzählte ihr von meinem Erlebnis in der Garage. Davon, dass ich seit Jahren an einem erloschenen Feuer saß und endlich wieder zurückfinden wollte an mein Feuer. Zurückfinden in ein Leben, in dem ich für etwas brannte und es auch lebte.

Wir teilten das letzte Marmeladenbrot, der Verkehr rollte an uns vorbei und für mich blieb gerade die Zeit stehen. Brauchte es wirklich nur einen Entschluss und eine Tankfüllung, um an diesen Ort zu gelangen und einer wildfremden Frau von meiner tiefsten Sehnsucht zu erzählen?

Svea war eine geduldige Zuhörerin, und ich weiß nicht wirklich, wie lange ich ihr aus meinem Leben erzählt habe. Sie stellte keine Fragen, sie hörte interessiert zu, und als ich mit meiner Erzählung auf der Bank vor der Tankstelle ankam, legte sie für einen kurzen Moment ihre Hand liebevoll auf meinen Oberschenkel.

Wir schwiegen und blickten auf die vorbeirollenden Fahrzeuge. Hatte ich Svea etwa mit meiner Geschichte überfordert? Unser Schweigen machte mich unsicher. Ich war es nicht mehr gewohnt, von mir zu erzählen, und noch weniger war ich es gewohnt, auf die Reaktion eines anderen zu warten, das Gespräch mit Dave einmal ausgenommen.

»Ich will dir auch eine Geschichte erzählen«, brach Svea ihr Schweigen und sah mich an. »Eine Geschichte, die sich in dieser Tankstelle zugetragen hat. Und das, was du mir von dir erzählt hast, erinnert mich an diese Geschichte.

Der Mann, dem diese Tankstelle gehört, heißt Magnus. Und wie du siehst, liegt sie an einer der viel befahrensten Straßen in der Region. Diese Tankstelle ist jeden Tag von sechs Uhr in der Früh bis elf Uhr spät abends geöffnet.

Vor vielen Jahren lernte Magnus hier in der Tankstelle eine Frau kennen, ihr Name war Ida.

Ida liebte das Meer, die Strände und die unendliche Weite der Landschaft. Sie mochte den Geschmack von Salz und Freiheit, der mit jedem Seewind durch die Luft strich.

Der Blick in die Landschaft war für sie ein Blick in ihre Seele!

Sie war nicht das erste Mal in dieser Region, und wenn sie wieder nach Hause fuhr, blieb jedes Mal ihr Herz zurück. Das ganze Jahr über freute sich darauf, endlich wieder zurückzukehren. Sie wusste, wo ihr Feuer brannte und wofür!

Sie war eine Entdeckerin, eine Malerin, eine Bewunderin, eine Kreative, eine Staunende – sie war eine Künstlerin. Und diese Landschaft beflügelte ihre Sinne.

Als eines Tages in der Waschanlage dort hinten der linke Seitenspiegel ihres Autos beschädigt wurde, war das der Anfang ihrer Liebesgeschichte.« Svea zeigte auf die Waschanlage auf der Rückseite der Tankstelle.

»Als Ida Magnus kennenlernte, war ihr der Umfang seiner Unternehmung nicht wirklich bewusst, schon deshalb nicht, weil die Zeit des Verliebtseins auch eine Zeit war, in der Magnus seine Tankstelle auch mal Tankstelle sein ließ.

Die beiden verbrachten viel Zeit mit Ausflügen an das Meer und Wandertouren in die Umgebung. Es war die kleine heile Welt des Verliebtseins, und statt sich über irgendetwas Gedanken zu machen, packten sie lieber ihre Rucksäcke und genossen ihre Zweisamkeit in der Natur.

Irgendwann heirateten die beiden, und nach der Hochzeit war Ida die Frau eines Tankstellenbesitzers.