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Als Stenograph war Helmut Krätzl beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) im Petersdom mit dabei, als die Bischöfe aus der ganzen Welt diskutierten und die Weichen für die Kirche neu stellten. Ein mutiger "Sprung vorwärts" (Papst Johannes XXIII.) sollte das Ergebnis des Konzils sein, dem sich der spätere Weihbischof von Wien seither verpflichtet weiß. Gegenteiligen Tendenzen, die heute stärker sind denn je, hält Krätzl entgegen, dass die Kon-zilsväter wirklich Mut zu Neuem hatten: im Kirchenbild, in der Liturgie, in der Sicht der Bibel, vor allem aber in der Ökumene, in der Beziehung zu den anderen Religionen sowie beim Thema Religionsfreiheit. Manches davon ist umgesetzt, vieles noch nicht, Krätzl nennt die Mitverantwortung der Bischöfe in der Leitung der Weltkirche, das "gemeinsame Priester-tum", die Ehelehre u. v.a. Die Katholische Kirche hat zum Konzilsjubiläum ein "Jahr des Glaubens" ausgerufen. Diese greift Helmut Krätzl im letzten Teil des Buches auf, ruft aber nicht wie Rom zum Studium des Weltkatechismus auf, sondern verweist auf wichtige Passagen der Konzilsdokumente, die zur Vertiefung des Glaubens verhelfen können und Wege in die Zukunft der Kirche weisen.
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Seitenzahl: 234
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Helmut KrätzlDas Konzil – ein Sprung vorwärts
Helmut Krätzl
50 Jahre Zweites Vatikanisches KonzilEin Zeitzeuge zieht Bilanz
Mitglied der Verlagsgruppe „engagement“
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
2. Auflage 2013
© Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck
Umschlaggestaltung und Layout: Tyrolia-Verlag, Innsbruck
Großes Foto am Umschlag: © Servizio Fotografico – L’Osservatore Romano 2012
Kleines Foto am Umschlag: © kathbild.at/Rupprecht
Druck und Bindung: FINIDR, Tschechien
ISBN 978-3-7022-3199-6 (gedrucktes Buch)
ISBN 978-3-7022-3218-4 (E-Book)
E-Mail: [email protected]
Internet: www.tyrolia-verlag.at
Vorwort
Einleitung
1. KAPITEL:
DIE GEGNER DES KONZILS SASSEN IN DER KURIE
Die Ankündigung des Konzils erregte Verwunderung bis Schrecken
Ende für das „römische Modell“
Lieferte sich der Papst der Kurie aus?
Unterschiedliche Erwartungen des Weltepiskopates an das Konzil
Die Kurie greift schon in die Vorbereitung des Konzils „lenkend“ ein
Die Gegenbewegung findet auch Eingang in das Konzilsgeschehen
Ja zum Konzil, aber …
Wird den Piusbrüdern eine selektive Annahme des Konzils gewährt?
2. KAPITEL:
DIE KONZILSVÄTER HATTEN MUT ZU WIRKLICH NEUEM
„Wir sind Kirche“
Das Konzil sieht die Liturgie ganz neu
Die wiederentdeckte Bibel
Abschied von der „verzweckten“ Ehe
Die Christen: getrennt und doch schon eins im Leibe Christi
Aus „Gottesmördern“ werden die „älteren Brüder“
Dass Religionsfreiheit so umstritten sein kann
3. KAPITEL:
DAS POTENZIAL DES KONZILS IST NOCH NICHT AUSGESCHÖPFT
Kollegialität der Bischöfe mit dem Papst – eine bis heute nicht wahrgenommene Verpflichtung
Das Synodalprinzip wurde wieder entdeckt, kam aber noch kaum zur Entfaltung
Der Gedanke des „gemeinsamen Priestertums“ hat noch zu wenig Früchte getragen
Die Erneuerung der Liturgie ist noch nicht zu Ende
Die positive Sicht des Konzils von Sexualität und Ehe ist weitgehend unbekannt geblieben
Das Konzil hat in der Ökumene so viel auf den Weg gebracht, aber noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft
Braucht es zur Ausschöpfung der noch ungehobenen Potenziale ein III. Vatikanisches Konzil?
4. KAPITEL:
DIE ZWEI LEHR- UND WÄCHTERÄMTER
Was das Konzil über das Verhältnis von Lehramt und Theologie sagt
Was heute Theologen beklagen
Wie die Zusammenarbeit von Lehramt und Theologie sein könnte
Was trotz allem in Zukunft hoffen lässt
Theologie und Lehramt – das Konzil hat gezeigt, wie es geht
5. KAPITEL:
SPIRITUELLE IMPULSE AUS DEN KONZILSTEXTEN FÜR DAS JAHR DES GLAUBENS
Die Heilige Schrift – Einladung Gottes zu einem Gespräch unter Freunden
Im Gewissen allein mit Gott
Gemeinsames Priestertum – durch die Taufweihe Anteil am Priestertum Jesu Christi
Die Jünger Christi mit der ganzen Menschheit eng verbunden
ANHANG
Konzilsdokumente
Abkürzungen
Personenregister
Am 11. Oktober 1962 zogen 2500 Bischöfe zur feierlichen Eröffnung des Konzils in den Petersdom. Ich durfte dabei sein, weil ich Konzilsstenograf war. Das Konzil hat mein Priesterleben tiefgreifend geprägt. Ich habe mehrere Bücher darüber geschrieben, viele Artikel verfasst und in zahlreichen Vorträgen das Konzil zu erklären versucht. Zum Gedächtnis „50 Jahre Beginn des Konzils“ erscheint nun ein neues Buch. Das Manuskript dazu habe ich am 6. August fertiggestellt. Die Kirche feiert an diesem Tag das Fest „Verklärung des Herrn“. Zugleich ist es der Todestag von Papst Paul VI., der 1978 gestorben ist. Ein Jahr vorher hat er mich zum Weihbischof ernannt. Er ist der zweite Konzilspapst nach Johannes XXIII. Ihm verdanken wir die Fortsetzung und den glücklichen Abschluss des II. Vatikanischen Konzils. In Erinnerung an ihn ist dieses Buch geschrieben und es soll in jener Besorgtheit um die Kirche gelesen werden, die Paul VI. ausgezeichnet, aber auch belastet hat.
Wien, am 6. August 2012
Fest der Verklärung des Herrn
Wer von mir schon mehr über das Konzil gelesen hat oder mich bei Vorträgen darüber reden hörte, wird sich fragen, was ich nun jetzt schon wieder schreibe. Vieles davon kennen wir ja schon. Tatsächlich habe ich über das Konzil keine ganz neuen Erkenntnisse, aber es gibt einen besonderen Anlass, wieder zu schreiben: Am 11. Oktober 2012 beginnt das vom Papst ausgerufene Jahr des Glaubens in Erinnerung an die Eröffnung des Konzils vor 50 Jahren. Dazu gibt es viele neue Bücher, jeweils mit sehr unterschiedlichen Akzenten. Man ist sich nicht einig, was das Konzil eigentlich wollte, was geblieben ist, ob es mehr Aufbruch oder Abbruch in die Kirche gebracht hat. Dazu möchte ich als einer der letzten Augenzeugen des Konzils meine Meinung sagen.
Ich erinnere mich, unter welch großem Widerstand das Konzil zustande kam und dann abgelaufen ist, obwohl der Papst selbst es ausgerufen hatte. Eine negative Interpretation des Konzils, wie sie auch heute vermehrt geäußert wird, mag aus derselben Angst kommen, die damals die Kurie erfasste: Erneuerung der Kirche könnte ihre Position schwächen, könnte Machtverlust bedeuten. Aber ich will aufzeigen, dass das „römische Modell“, bis Pius XII. sorgsam gepflegt, wirklich verändert werden sollte.
Papst Benedikt XVI. rief dazu auf, den Rückblick auf das Konzil durch eine Brille der Kontinuität und der Reform zu sehen. Ich fürchte, dass bei manchen das Glas der „Reform“ eher verklebt ist und man alles nur aus der Kontinuität erklären will. In der Tat aber ist der Mut zu bewundern, mit dem die Konzilsväter vieles weitergedacht und sogar ganz Wichtiges, das früher zeitbedingt anders gesehen wurde, korrigiert haben.
Der Ruf nach notwendigen Erneuerungen in der Kirche wird immer lauter. Nicht von Gegnern der Kirche, sondern vielfach von jenen, die darunter leiden, dass die Kirche den Herausforderungen von heute ohne Reform nicht gewachsen sei. Der Rückblick auf das Konzil zeigt, dass dort schon viel grundgelegt worden ist für eine „Verheutigung“, dass aber das angedachte, skizzierte Potenzial nicht ausgeschöpft wurde. Man ist nach dem Konzil nicht zu weit gegangen, sondern hat viel zu wenig konsequent erfüllt, wofür das Konzil schon Möglichkeiten geschaffen hatte.
Das Erstaunlichste am Konzil und auch der eigentliche Grund tief greifenden Umdenkens war, dass dort Bischöfe und Theologen – und zwar vielfach gerade vorausdenkende – auf gleicher Augenhöhe beraten haben und so die Spannung zwischen Theologie und Lehramt in einmaliger Weise fruchtbar geworden ist. Mich hat das so fasziniert, dass ich zu ähnlicher Zusammenarbeit mit allem Nachdruck aufrufen will.
Und schließlich wird man im Gedenkjahr die Konzilstexte wieder oder vielleicht sogar zum ersten Mal lesen. Das ist ganz wichtig und alle, die Verantwortung in der Kirche tragen und das bisher nicht taten, sollten reuig in sich gehen. Die Glaubenskongregation schlug vor, besonders den Weltkatechismus zu studieren, da er eine der reifsten Früchte des Konzils sei. Zur Vertiefung des Glaubens scheint mir das zu wenig zu sein. Ich versuche eher, aus ausgewählten Konzilstexten Schwerpunkte für das Jahr des Glaubens zu finden. Es geht dabei, was man ja kaum von Konzilstexten erwarten würde, um eine ganz persönliche Gottesbeziehung, aber auch um das Wesen der Kirche und die Herausforderung des Christen, in dieser Welt aus dem Glauben heraus tätig zu sein.
Wer schon viel von mir gelesen oder gehört hat, wird in diesem Buch manch Bekanntes finden. Ich werde sogar Rückverweise geben. Er wird aber auch Neues finden, etwa wenn ich zu aktuellen Diskussionen um das Konzil Stellung nehme. Insbesondere ist es mir ein Anliegen, durch die eben geschilderte Akzentsetzung manches neu ins Licht zu rücken und eine Hilfe zu geben, die vielen Potenziale, die noch brachliegen, auszuschöpfen.
Am 28. Oktober 1958 stand ich am Petersplatz in Rom, als der weiße Rauch aufstieg und der neue Papst angekündigt wurde. Es war der Patriarch von Venedig, Angelo Giuseppe Roncalli. Die Enttäuschung am Petersplatz war spürbar. Roncalli war nur wenigen bekannt, 77 Jahre alt und hob sich schon in seinem Erscheinungsbild – klein und wohlbeleibt – äußerlich stark von seinem Vorgänger Pius XII. ab. Ich ahnte damals noch nicht, wie sehr ich diesen Papst ins Herz schließen werde und wie er die Kirche verändern wird.
Auch von einem Konzil, das so bald ausgerufen werden sollte, wusste noch niemand.
Auf unerwartete Weise kam ich selbst mit dem Konzil in unmittelbare Berührung. Von 1960 bis 1963 studierte ich im Auftrag von Kardinal Franz König in Rom Kirchenrecht und wohnte in der Anima, einem Kolleg für deutschsprachige Priester. Dort erlebte ich die Vorbereitungen auf das Konzil. Als man Priester als Stenografen suchte, meldete ich mich und wurde dafür ausgebildet. Am 11. Oktober 1962 zog ich dann als „Mitarbeiter“ mit rund 2500 „Konzilsvätern“ stolz in den Petersdom ein zur Eröffnung des Konzils. Das Konzil hat die Kirche von Grund auf verändert, „nach innen“ (ad intra) und „nach außen“ (ad extra), wie der Papst es wollte. Es hat auch mein Priesterleben wesentlich geprägt.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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