DAS TOR ZUR HÖLLE (Matt Drake Abenteuer 3) - David Leadbeater - E-Book

DAS TOR ZUR HÖLLE (Matt Drake Abenteuer 3) E-Book

David Leadbeater

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Beschreibung

DIE MATT DRAKE ABENTEUER Weltumspannende Abenteuer, atemlose Action und die größten Rätsel der Menschheit – vom Gewinner des AMAZON Storyteller Awards 2017 David Leadbeater. Matt Drake, gezeichnet vom tragischen Verlust seiner Liebsten, macht sich auf, die Morde zu rächen und die Vendetta seiner Nemesis, des Blutkönigs, endgültig zu stoppen.  "Wer Andy McDermott oder Matthew Reilly liebt, sollte sich dieses Buch holen." - Amazon.com Unterdessen bereitet der gefürchtete, als Blutkönig bekannte Unterweltboss alles dafür vor, seinen von langer Hand vorbereiteten Plan endlich in die Tat umzusetzen und damit etwas zu vollbringen, was seinem Idol Captain Cook zu Lebzeiten verwehrt blieb: das Tor zur Hölle zu öffnen. Nur mit einer alten Karte aus Cooks Hinterlassenschaft als Hinweis heftet sich Drake an die Fersen des Blutkönigs und folgt ihm dabei bis in ein tödliches Labyrinth im Herzen eines Vulkans … Mit irrem Tempo, rasanten Actionszenen und einer gehörigen Portion Humor eroberten David Leadbeaters Schatzjäger-Romane rund um Matt Drake und dessen verschworenem Team die Amazon-Bestsellerlisten im Sturm, und sorgten dafür, dass Leadbeater mit seiner Serie 2017 sogar den Amazon Kindle Storyteller Award gewinnen konnte.

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(Matt Drake Band 3)

David Leadbeater

Copyright © 2015 by David LeadbeaterAll rights reserved. No part of this book may be used, reproduced or transmitted in any form or by any means, electronic or mechanical, including photocopying, recording, or by any information storage or retrieval system, without the written permission of the publisher, except where permitted by law, or in the case of brief quotations embodied in critical articles and reviews.

Widmung und Anmerkung des Autors

Als Erstes möchte ich mich bedanken, indem ich das Buch all den wunderbaren Lesern widme, die mich bis zu diesem Punkt begleitet haben, und allen, die mir E-Mails geschrieben, mich über Facebook und Twitter kontaktiert haben und mir ihre großartige Unterstützung versichert haben. Ich bin euch sehr dankbar dafür.

An diesem Punkt scheint es mir angebracht, ein paar erklärende Zeilen voranzuschicken.

Die Matt-Drake-Reihe war immer als Spannungsbogen geplant gewesen, der vier Bücher umfasst – was ich mittlerweile den Odin-Zyklus nenne. Das heißt nicht, dass es keine weiteren Bücher in der Serie geben wird – die wird es auf jeden Fall geben, sondern nur, dass die Mysterien, die in Buch 1, 2 und 3 ans Tageslicht kamen, aufgelöst sein werden, wenn das ziemlich explosive Ende von Buch 4 erreicht ist! Danke, dass ihr so lange bei der Stange geblieben seid. Es war auf jeden Fall eine Achterbahnfahrt und ich werde mich redlich bemühen, dass Buch 4 »Das Grab der Götter«, sie zu einem stilvollen Ende führt.

Oh, und wie ihr euch sicher schon denken könnt, kann ich leider nicht dafür garantieren, dass alle überleben werden … Ich würde mich freuen, von euch zu hören.

Impressum

überarbeitete Ausgabe Originaltitel: THE GATES OF HELL Copyright Gesamtausgabe © 2024 LUZIFER Verlag Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Philipp Seedorf Lektorat: Astrid Pfister

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2024) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-589-7

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Inhaltsverzeichnis

Das Tor zur Hölle
Widmung und Anmerkung des Autors
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Über den Autor

Kapitel 1

Der Hass in seinem Herzen brannte so heiß wie geschmolzener Stahl.

Matt Drake kletterte auf die Mauer und landete lautlos auf der anderen Seite. Er kauerte sich zwischen die im Wind schwankenden Büsche und lauschte, doch um ihn herum regte sich nichts. Er hielt einen Moment inne und überprüfte erneut seine Glock Subcompact.

Alles war bereit. Die Schergen des Blutkönigs würden heute Nacht elendig verrecken.

Das Haus vor ihm lag im Halbdunkel. Die Küche im Erdgeschoss und das Wohnzimmer waren hell erleuchtet, der Rest hingegen war stockfinster. Er wartete noch einen Augenblick und rief sich den Grundriss noch einmal in Erinnerung, den er von dem nun toten Helfershelfer hatte, bevor er sich lautlos vorwärtsbewegte.

Seine Ausbildung machte sich nun bezahlt und jetzt, wo er sich darauf verlassen musste, kam all das Wissen zurück, als wäre es nie weg gewesen. Er hatte in den letzten drei Wochen drei der Männer des Blutkönigs getötet.

Egal, was auch als Nächstes passierte, Rodriguez würde Nummer vier sein.

Drake erreichte den Hintereingang des Hauses und überprüfte das Schloss. Wenige Minuten später drehte er den Türknauf und schlüpfte hinein. Er hörte einen laut aufgedrehten Fernseher und gedämpften Jubel. Rodriguez, der Massenmörder, sah sich offenbar gerade das Spiel an.

Drake schlich in Richtung Küche, die kleine Taschenlampe brauchte er nicht, denn es drang genug Licht aus dem Hauptraum des Erdgeschosses. Im Flur stoppte er kurz und lauschte.

Befand sich mehr als ein Gegner in dem Raum? Schwer zu sagen bei dem Lärm des Fernsehers. Egal. Er würde sie einfach alle töten.

Die Verzweiflung, die er während der letzten drei Wochen, seit Kennedys Tod verspürt hatte, hatte ihn fast überwältigt. Er hatte seine Freunde zurückgelassen und seitdem nur zwei Menschen kontaktiert. Zuerst hatte er Torsten Dahl angerufen, um den Schweden vor der Vendetta des Blutkönigs zu warnen und ihm zu raten, seine Familie in Sicherheit zu bringen. Als Nächstes hatte er sich die Hilfe eines alten Freundes beim SAS gesichert und ihm aufgetragen, sich um Ben Blakes Familie zu kümmern, denn er hatte keine Zeit dafür.

Nun kämpfte Drake allein.

Er redete wenig, er trank viel, und Gewalt und Finsternis waren seine einzigen Freunde. In seinem Herzen war kein Platz mehr für Hoffnung oder Mitleid.

Ohne ein Geräusch zu verursachen, bewegte er sich den Flur entlang. Das Haus stank nach Feuchtigkeit, Schweiß und Frittierfett. Der Bierdunst war fast mit Händen zu greifen. Drake verzog angewidert das Gesicht.

Macht mir die Sache nur umso leichter.

Seinen Informationen zufolge lebte nur ein Mann hier … Rodriguez, der an der Entführung von mindestens drei der zu trauriger Berühmtheit gelangten Gefangenen des Blutkönigs beteiligt war. Seit sein Schiff gesunken und der Mann geflohen war – offensichtlich eine von langer Hand geplante Flucht –, waren mindestens ein Dutzend hochrangiger Personen zögerlich im Geheimen vorgetreten und hatten berichtet, dass ein Mitglied ihrer Familie von dem Unterweltboss entführt worden war. Der Blutkönig manipulierte die Entscheidungen und Handlungen der Vereinigten Staaten, indem er die Liebe und das Mitgefühl ihrer Führungspersonen ausnutzte.

Der Plan war brillant gewesen, denn keiner der Männer wusste, dass die Angehörigen der anderen in Gefahr gewesen waren, und der Blutkönig hatte sie auf diese Weise alle eisern im Griff gehabt. Egal, was nötig war und egal, was immer auch funktionierte.

Drake vermutete, dass sie erst die Spitze des Eisbergs freigelegt hatten, wenn es um die wahre Anzahl der Entführten ging. Sie konnten nicht wissen, wie weit die perverse Kontrolle reichte, die der Blutkönig ausübte.

Eine Tür öffnete sich jetzt links von ihm und ein unrasierter, dicker Mann kam heraus. Drake handelte, ohne zu zögern, und mit tödlicher Gewalt. Er stürzte auf den Mann zu, zog sein Messer und bohrte es ihm tief in den Unterleib, dann wuchtete er ihn durch die offene Tür ins Wohnzimmer.

Der Dicke riss schockiert die Augen auf. Drake hielt ihn wie ein breites, schreiendes Schild vor sich, und drehte die Klinge in der Wunde herum, bevor er ihn losließ und die Glock zog.

Rodriguez war schnell, obwohl Drake so unvermittelt aufgetaucht war, das musste man ihm lassen. Er rollte sich von der durchgesessenen Couch auf den Boden und fummelte dann an seinem Gürtel herum. Es war aber der dritte Mann im Raum, der Drakes Aufmerksamkeit erregte.

Ein stämmiger, langhaariger Kerl, der mit großen schwarzen Kopfhörern in der Ecke zur Musik groovte. Aber noch während er sich hin und her wiegte und mit dreckigen Fingern den Rhythmus klopfte, griff er nach einer abgesägten Schrotflinte.

Drake duckte sich hastig, sodass der tödliche Schuss in sein übergewichtiges Schutzschild einschlug. Drake schob den zuckenden Körper zur Seite, richtete sich auf und feuerte. Die drei Schüsse rissen dem Mann mit den Kopfhörern den halben Kopf weg und sein Körper wurde gegen die Wand geschleudert. Die Kopfhörer flogen davon, beschrieben einen Bogen in der Luft und landeten dann auf dem riesigen Fernseher, als wären sie ordentlich über die Ecke gehängt worden.

Blut tropfte nun von dem Flatscreen.

Rodriguez kroch immer noch auf dem Boden herum. Verstreute Chips und Bierdosen flogen in alle Richtungen. Drake war einen Wimpernschlag später neben ihm und schob ihm die Glock in den Mund und drückte sie fest gegen seinen Gaumen.

»Schmeckt’s?«

Rodriguez würgte, tastete jedoch immer noch an seinem Gürtel nach einem kleinen Messer. Drake sah mit Abscheu dabei zu, und als der Lakai des Blutkönigs mit brutalem Schwung auf ihn einstechen wollte, fing der Ex-SAS-Soldat das Messer mit Leichtigkeit ab und vergrub es im Bizeps des Angreifers.

»Mach bloß keine Dummheiten.«

Rodriguez hörte sich jetzt an wie ein abgestochenes Schwein. Drake schob ihn rückwärts gegen die Couch und sah dem Mann in die schmerzerfüllten Augen.

»Sag mir alles, was du über den Blutkönig weißt«, flüsterte Drake. Er zog die Glock aus dem Mund des Mannes, hielt sie aber deutlich sichtbar vor sein Gesicht.

»Den … den was?« Rodriguez hatte einen breiten Akzent und nuschelte außerdem vor Schmerzen.

Drake rammte ihm die Glock erneut fest in den Mund. Mindestens ein Zahn brach dabei ab. Er zog die Glock wieder heraus.

»Verarsch mich nicht!« Aus seiner Stimme hörte man mehr als nur Hass und Verzweiflung heraus. Der Mann des Blutkönigs sollte wissen, dass sein brutaler Tod unmittelbar bevorstand.

»Okay, okay. Ich kenne Boudreau. Du willst, dass ich dir was über ihn erzähle? Das kann ich machen.«

Drake tippte mit der Glock leicht gegen die Stirn des Mannes. »Wir können hier anfangen, wenn du willst.«

»Okay. Bleib cool.« Rodriguez’ Stimme klang jetzt schmerzverzerrt. Blut strömte von den Zahnstummeln sein Kinn hinab. »Boudreau ist ein scheiß Freak, Mann. Weißt du, was der einzige Grund ist, wieso der Blutkönig ihn am Leben lässt?«

Drake drückte dem Mann die Pistole nun ins Auge. »Sehe ich aus wie ein Mann, der Fragen beantwortet?« Seine Stimme klang wie Stahl, der auf Stahl reibt. »Oder wie ein Mann, der welche stellt?«

»Okay, okay. Es werden eine Menge Leute sterben, hat der Blutkönig gesagt, und Boudreau kann sich glücklich schätzen, dabei zu sein.«

»Er benutzt Boudreau, um seinen Dreck wegzuräumen. Das überrascht mich nicht. Er wird vermutlich all die Ranches zerstören wollen.«

Rodriguez blinzelte überrascht. »Du weißt über die Ranches Bescheid?«

»Wo ist er?« Drake spürte, wie ihn der Hass erneut übermannte. »Wo?«

Noch eine Sekunde und er würde die Geduld verlieren und Rodriguez zu Brei schlagen.

Was kein großer Verlust wäre. Das Stück Scheiße weiß sowieso nichts. Genau wie der Rest von denen. Wenn man etwas über den Blutkönig sagen konnte, dann, dass er gut darin war, seine Spuren zu verwischen.

In diesem Moment sah er etwas in Rodriguez Augen aufblitzen. Drake rollte sich sofort zur Seite, als etwas Schweres genau an der Stelle vorbeisauste, wo gerade noch sein Kopf gewesen war.

Ein vierter Mann, der vermutlich besoffen in einem anderen Zimmer gelegen hatte und von dem Lärm geweckt worden war, hatte ihn unbemerkt angegriffen.

Drake wirbelte herum, ließ den Fuß nach vorne schnellen und trat dem Angreifer fast den Kopf von den Schultern. Als der Mann zu Boden knallte, musterte Drake ihn. Verquollene Augen, Nadelspuren an beiden Armen und ein siffiges T-Shirt. Er schoss ihm zweimal in den Kopf.

Rodriguez riss panisch die Augen auf. »Nein!«

Drake schoss ihm in den Arm. »Du warst mir keine große Hilfe.«

Ein weiterer Schuss folgte, und dessen Knie explodierte.

»Du weißt anscheinend gar nichts.«

Er feuerte eine dritte Kugel ab, Rodriguez kippte vornüber und hielt sich schreiend den Bauch.

»Genau wie alle anderen zuvor.«

Drake gab einen letzten Schuss direkt zwischen die Augen ab.

Er betrachtete den Tod um sich herum, sog ihn auf, und ließ seine Seele einen Moment lang den süßen Nektar der Rache kosten.

Dann verließ er das Haus, floh durch den Garten und ließ sich von der Dunkelheit verschlucken.

Kapitel 2

Drake erwachte mitten in der Nacht und war schweißgebadet. Seine Augen waren verklebt von halb vergossenen Tränen. Der Traum war stets derselbe.

Er war der Mann gewesen, der sie immer gerettet hatte. Immer derjenige, der als Erster die Worte Vertrau mir ausgesprochen hatte. Aber dann hatte er versagt.

Er hatte bei beiden versagt.

Zuerst hatte er vor Jahren bei seiner Frau Alyson versagt, und nun war auch noch Kennedy tot.

Er schlüpfte aus dem Bett und griff nach der Flasche, die seit einiger Zeit immer neben der Pistole auf seinem Nachttisch stand. Der Deckel war offen und er nahm einen Schluck. Der billige Whiskey brannte sich einen Pfad seine Kehle hinab bis in den Magen. Es war die Medizin der Schwachen und Verdammten.

Als die Schuld ihn wieder fast auf den Knien hatte, tätigte er drei kurze Anrufe. Der erste ging nach Island. Er redete kurz mit Torsten Dahl und hörte die Sympathie in der Stimme des massigen Schweden, sogar dann noch, als der Mann ihm sagte, er solle ihn nicht jede Nacht anrufen. Seine Frau und die Kinder seien in Sicherheit, es gehe ihnen gut und ihnen würde nichts passieren.

Der zweite Anruf galt Jo Shepherd. Mit ihm hatte er bei seiner Zeit im Regiment viele Kämpfe durchgestanden. Shepherd malte ihm höflich dasselbe Bild wie Dahl, gab aber keinen Kommentar dazu ab, dass Drake lallte und heiser klang. Er versicherte ihm, dass man gut auf Ben Blakes Familie aufpasste und er und ein paar seiner Freunde unbemerkt im Schatten saßen und die Bewacher bewachen würden.

Drake schloss die Augen, als er einen letzten Anruf tätigte. Sein Kopf drehte sich mittlerweile und sein Magen brannte wie im tiefsten Kreis der Hölle. Doch das war ihm alles willkommen … alles, was seine Aufmerksamkeit von Kennedy Moore ablenkte, war gut.

Du hast sogar ihre verdammte Beerdigung verpasst!

»Hallo?« Alicias Stimme klang ruhig und selbstsicher. Sie hatte ebenfalls erst vor Kurzem jemanden verloren, der ihr nahegestanden hatte, aber sie ließ sich im Gegensatz zu ihm nichts anmerken.

»Ich bin’s. Wie geht’s euch?«

»Gut. Haydens Wunden verheilen. In ein paar Wochen kann sie wieder zur CIA. Blake geht es auch gut, aber er macht sich Sorgen um dich. Seine Schwester ist gerade ebenfalls aufgetaucht. Das reinste Familientreffen hier. Mai hat sich allerdings, Gott sei Dank, verkrümelt. Ich habe sie aber im Auge, Drake. Wo zur Hölle steckst du gerade?«

Drake hustete und wischte sich über die Augen.

»Danke«, brachte er heraus, bevor er die Verbindung unterbrach. Komisch, dass sie die Hölle erwähnt hatte.

Denn er fühlte sich, als hätte er sein Lager direkt vor ihren Toren aufgeschlagen.

Kapitel 3

Hayden Jaye betrachtete den Sonnenaufgang über dem Atlantik. Den schönsten Teil des Tages verbrachte sie gern allein. Sie schlüpfte behutsam aus dem Bett, doch der Schmerz in ihrer Hüfte ließ sie leise wimmern. Vorsichtig lief sie barfuß zum Fenster.

Sofort machte sich Ruhe in ihr breit. Die Wellen sahen aus wie in Feuer getaucht und für ein paar Minuten schmolzen all ihre Sorgen dahin. Die Zeit stand still und sie fühlte sich einen kurzen Moment lang unsterblich. Doch dann öffnete sich die Tür hinter ihr.

Ben sagte: »Schöne Aussicht.«

Sie nickte in Richtung Sonnenaufgang und drehte sich um. Er sah sie aufmerksam an. »Du brauchst dich gar nicht so ins Zeug legen. Kaffee und ein Bagel mit Butter reichen mir voll und ganz.«

Ihr Freund hielt einen Becherhalter und eine Papiertüte fast wie eine Waffe vor sich. »Wir treffen uns im Bett.«

Hayden warf einen letzten Blick aus dem Fenster und schlenderte dann zum Bett hinüber. Ben stellte den Kaffee und die Bagels in Reichweite ab und sah sie dann mit seinem Hundeblick an.

»Wie …«

»Genauso wie letzte Nacht«, sagte Hayden hastig. »Acht Stunden Schlaf lassen das Humpeln nicht einfach verschwinden.« Ihre Stimme wurde nun sanfter. »Irgendwelche Neuigkeiten von Drake?«

Ben lehnte sich auf dem Bett zurück und seufzte. »Nein. Aber ich habe mit Dad geredet und allen geht es gut. Keine Spur von …« Er zögerte kurz.

»Unsere Familien sind sicher.« Hayden legte eine Hand auf sein Knie. »Der Blutkönig hat an der Front versagt. Jetzt müssen wir ihn nur noch jagen und die Vendetta aufheben lassen.«

»Versagt?«, wiederholte Ben. »Wie kannst du das sagen?«

Hayden atmete tief durch. »Du weißt, wie ich das gemeint habe.«

»Kennedy ist gestorben! Und Drake … er war nicht einmal auf ihrer Beerdigung.«

»Ich weiß.«

»Er ist gegangen, weißt du.« Ben starrte seinen Bagel an, als wäre dieser eine Klapperschlange. »Er wird bestimmt nicht wiederkommen.«

»Gib ihm einfach ein bisschen Zeit.«

»Er hatte schon drei Wochen.«

»Dann gib ihm eben noch drei.«

»Was glaubst du, was er gerade tut?«

Hayden lächelte fast. »Wie ich ihn kenne, wird er uns zuerst den Rücken freihalten und dann versuchen, Dmitry Kovalenko zu finden.«

»Der Blutkönig taucht vielleicht nie wieder auf.« Bens Stimmung war jetzt so gedrückt, dass sie sogar die gute Laune eines neuen Morgens überschattete.

»Und ob er das wird.« Hayden warf dem jungen Mann einen ernsten Blick zu. »Er hat eine Agenda, erinnerst du dich? Er wird nicht wieder untertauchen, so wie vorher. Diese Zeitverschiebungsmaschinen waren erst der Anfang. Kovalenko hat garantiert noch etwas viel Größeres geplant.«

»Das Tor der Hölle?«, fragte Ben nachdenklich. »Glaubst du den Scheiß etwa?«

»Das ist egal. Er glaubt es! Die CIA muss nur herausfinden, was er als Nächstes vorhat.«

Ben nahm einen großen Schluck Kaffee. »Das ist alles?«

»Nun …« Hayden lächelte ihn neckisch an. »Unsere Nerd-Power wurde ja verdoppelt.«

»Karin ist vielleicht das Gehirn der Truppe, aber Boudreau zu befragen, funktioniert nicht. Drake würde ihn in zehn Minuten brechen können.«

»Ich wäre mir da nicht so sicher. Kinimaka hat es auch nicht geschafft, und der ist nicht gerade ein Schmusebär.«

Ben verstummte, als es plötzlich an der Tür klopfte. Sein Blick wirkte sofort ängstlich.

Hayden beruhigte ihn. »Wir befinden uns in einem gesicherten Krankenhaus der CIA, Ben. Die Security hier würde die Parade zur Vereidigung des Präsidenten wie einen Kindergarten aussehen lassen. Entspann dich also.«

Ein Arzt steckte jetzt den Kopf durch die Tür. »Alles in Ordnung?« Er trat ins Zimmer und machte sich daran, Haydens Krankenblatt und ihre Vitaldaten zu studieren.

Als er ging und die Tür hinter sich schloss, fragte Ben: »Glaubst du, der Blutkönig wird wieder versuchen, die Apparate in die Finger zu kriegen?«

Hayden zuckte mit den Achseln. »Du gehst davon aus, dass er den Controller nicht bekommen hat, den ich verloren habe, aber das hat er wahrscheinlich. Und was den Apparat angeht, den wir von seinem Schiff haben ...« Sie lächelte. »Da kannst du deinen Hintern drauf verwetten, dass er es versuchen wird.«

»Sei mal nicht zu selbstgefällig.«

»Die CIA ist nicht selbstgefällig, Ben«, sagte Hayden. »Nicht mehr zumindest. Wir sind jetzt auf ihn vorbereitet.«

»Was ist mit all den Leuten, die er gekidnappt hat, um die Kontrolle und seinen Einfluss zu behalten?«

»Was ist mit ihnen?«

»Das sind hochrangige Personen. Harrisons Schwester zum Beispiel. Die anderen, die du erwähnt hast … er wird sie benutzen.«

»Natürlich wird er das, und auch darauf sind wir vorbereitet.«

Ben aß seinen Bagel auf und leckte sich danach die Finger ab. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass die gesamte Band untertauchen musste«, sagte er wehmütig und meinte damit seine Rockgruppe, bei der er, vor den Ereignissen, die sich rund um ihre Suche nach Odins Knochen abgespielt hatten, aktiv gewesen war.

»Gerade als wir kurz davor waren, berühmt zu werden.«

Hayden schnaufte diplomatisch. »Wie tragisch.«

»Vielleicht werden wir dadurch ja nur noch berüchtigter.«

Ein weiteres leises Klopfen ertönte und Karin und Kinimaka kamen ins Zimmer. Der Hawaiianer sah niedergeschlagen aus.

»Der Bastard Boudreau gibt keinen Piep von sich. Egal, was wir auch machen, der pfeift nicht mal für uns.«

Ben legte sein Kinn auf die Knie und machte ein betrübtes Gesicht. »Verdammt, ich wünschte, Matt wäre hier.«

Kapitel 4

Der Mann aus Hereford hatte alles ganz genau im Blick. Von seinem Beobachtungspunkt auf einem grasbewachsenen Hügel rechts neben einem dichten Wäldchen konnte er mithilfe des Zielfernrohrs seines Gewehrs die Mitglieder von Ben Blakes Familie betrachten. Das militärische Zielfernrohr verfügte über eine Beleuchtungsfunktion, sodass man es auch bei schlechten Lichtbedingungen einsetzen konnte. Außerdem glich es die ballistische Flugbahn des Geschosses mit Bullet Drop Compensation – BDC – aus.

Die Waffe war bis zum Knauf mit jedem Hightech-Extra für Scharfschützen ausgestattet, das man sich vorstellen konnte, aber der Mann hinter dem Zielfernrohr brauchte das alles nicht, denn er war exzellent ausgebildet. Er beobachtete Ben Blakes Vater, der gerade zum Fernseher ging und diesen anschaltete. Mit einer geringen Korrektur hatte er Ben Blakes Mutter ebenfalls im Visier, die mit der Fernbedienung gestikulierte. Das Fadenkreuz seines Zielfernrohrs schwankte keinen Millimeter.

Mit einer geübten Bewegung ließ er das Zielfernrohr nun über das Grundstück schweifen, welches das Haus umgab. Es lag ein Stück von der Straße entfernt, verborgen von Bäumen und einer Mauer. Der Mann aus Hereford zählte lautlos die Wachen, die zwischen den Büschen stationiert waren.

Eins – zwei – drei. Alle da. Er wusste, dass noch vier weitere im Inneren des Hauses waren und zwei, die man nie zu sehen bekam. Trotz all ihrer Fehler schien die CIA sich Mühe zu geben, die Blakes zu bewachen.

Der Mann runzelte die Stirn, denn er registrierte gerade eine Bewegung. Ein dunkler Schatten, schwärzer als die Nacht, schlich an der Mauer entlang … zu groß, um ein Tier zu sein, und zu sehr bemüht, verborgen zu bleiben, um harmlos zu sein.

Hatten die Männer des Blutkönigs die Blakes etwa gefunden? Falls ja, wie gut waren sie?

Eine leichte Brise kam jetzt von links, direkt vom Ärmelkanal, die den salzigen Geruch des Meeres mit sich trug. Der Mann aus Hereford kompensierte geistig die Flugbahn eines Geschosses und zoomte näher heran.

Die schleichende Gestalt war komplett in Schwarz gekleidet, aber die Ausrüstung sah improvisiert aus. Der Mann war offenbar kein Profi, sondern nur ein Söldner.

Kanonenfutter.

Der Finger des Mannes krümmte sich leicht, entspannte sich dann aber wieder, ohne zu feuern. Die entscheidende Frage war: Wie viele Männer hatte der Kerl im Schlepptau?

Ohne das Ziel aus dem Fadenkreuz zu lassen, beobachtete er aus dem Augenwinkel weiter das Haus und die Umgebung. Eine Sekunde später war er sich sicher, dass niemand anderes in der Nähe war. Der schwarz gekleidete Mann war allein gekommen. Der Mann aus Hereford war sich sicher.

Ein Söldner, der angeheuert worden war, um für Geld zu morden.

Kaum die Kugel wert.

Er zog behutsam den Abzug durch und federte den Rückstoß ab. Das Geräusch der Kugel, die den Lauf verließ, war fast nicht zu hören. Er sah, wie der Söldner ohne großen Lärm zu Boden ging und zwischen den dichten Büschen kollabierte.

Die Wachen der Familie Blake bemerkten es nicht einmal. In ein paar Minuten würde er einen verstohlenen Anruf bei der CIA machen und ihnen mitteilen, dass ihr neues Safehouse kompromittiert worden war.

Der Mann aus Hereford, Matt Drakes alter Kumpel vom SAS, bewachte die Wachen weiter.

Kapitel 5

Matt Drake öffnete eine neue Flasche Morgan’s Spiced und tippte auf eine der Schnellwahlnummern auf seinem Handy.

Mai schien erstaunt zu. »Drake? Was willst du?«

Drake nahm einen Schluck aus der Flasche und machte ein finsteres Gesicht. Für Mai war es etwa so ungewöhnlich, sich ihre Gefühle anmerken zu lassen, wie für einen Politiker, seine Wahlversprechen einzuhalten. »Bist du okay?«

»Natürlich bin ich okay. Wieso sollte ich das nicht sein? Was ist los?«

Er nahm einen weiteren kräftigen Schluck. »Ist der Controller, den ich dir gegeben habe, sicher verstaut?«

Sie zögerte kurz. »Ich habe ihn nicht, aber er ist sicher, mein Freund.« Mai klang wieder so ruhig wie immer. »Er ist so sicher, wie es nur geht.« Drake kippte sich noch einen hinter die Binde, als Mai fragte: »War das alles?«

»Nein. Ich glaube, ich habe langsam alle Spuren abgeklappert, aber ich habe noch eine Idee. Eine, die … nahe liegender ist.«

Es knisterte in der Leitung und Mai benahm sich nicht wie üblich. Vielleicht war ja jemand bei ihr.

»Du musst für mich deine japanischen Kontakte anzapfen, auch die chinesischen und ganz besonders die russischen. Ich will wissen, ob Kovalenko eine Familie hat.«

Man hörte, wie sie die Luft einsog. »Meinst du das ernst?«

»Natürlich meine ich das verdammt noch mal ernst.« Er klang schroffer, als er es beabsichtigt hatte, entschuldigte sich jedoch nicht. »Außerdem will ich über Boudreau und seine Familie Bescheid wissen.«

Mai brauchte eine ganze Minute, bis sie antwortete. »Okay, Drake. Ich schau mal, was ich tun kann.«

Drake atmete tief durch, als sie auflegte. Nach einer Minute warf er einen Blick auf die Flasche. Sie war seltsamerweise halb leer. Er sah aus dem Fenster in Richtung Miami, aber das Glas war so schmutzig, dass er kaum hindurchsehen konnte.

Ein Stich fuhr ihm durchs Herz.

Erneut hob er die Flasche an den Mund. Ohne weiter nachzudenken, traf er eine Entscheidung. Er drückte einen weiteren Schnellwahlknopf auf dem Handy. Solange er etwas zu tun hatte, konnte er die Trauer irgendwie unterdrücken. Wenn er eine Aufgabe hatte, konnte er wieder nach vorne blicken.

Das Handy klingelte endlos, doch irgendwann erklang eine Stimme: »Verdammte Scheiße, Drake! Was ist denn los?«

»Wortgewandt wie immer, Bitch«, lallte er und schwieg einen Moment. »Alicia … wie gehts dem Team?«

»Dem Team? Um Himmels willen. Okay, bleiben wir halt bei der dämlichen Fußballanalogie. Die einzige Person, die du im Moment als Stürmer gebrauchen könntest, ist Kinimaka. Hayden, Blake und seine Schwester schaffen es gerade nicht mal auf die Ersatzbank.« Sie machte eine Pause. »Denen fehlt nämlich der Fokus, und das ist deine Schuld.«

Er stockte. »Meine? Willst du damit etwa sagen, wenn ihnen einer an den Kragen wollte, würde er es schaffen?« Sein vernebelter Kopf hatte nun auch noch zu pochen begonnen. »Denn das wird auf jeden Fall passieren, Alicia.«

»Das Krankenhaus ist gesichert und die Wachen machen ihren Job halbwegs zufriedenstellend. Aber es ist gut, dass du mich gebeten hast, zu bleiben, und gut, dass ich ja gesagt habe.«

»Was ist mit dem Mistkerl Boudreau?«

»Munter wie die Made im Speck. Gibt nicht klein bei. Aber denk dran, Drake, die ganze US-Regierung ist mittlerweile an der Sache dran, nicht nur wir.«

»Erinnere mich nicht daran.« Drake erschauderte. »Es ist nämlich eine Regierung, die im Moment kompromittiert ist. Informationen wandern also immer in beide Richtungen entlang der Kontakte in der Regierung, Alicia. Es braucht nur einen, der sie abblockt oder umleitet.«

Alicia schwieg.

Drake dachte einen Moment lang darüber nach. Solange sie den Blutkönig nicht tatsächlich lokalisiert hatten, sollte jede Information als unzuverlässig gelten. Dazu gehörten auch die Details über das Tor der Hölle, die Verbindung nach Hawaii und jede winzige Information, die er von den vier toten Helfershelfern erhalten hatte.

Vielleicht würde ja ein weiteres Teil das Puzzle vollenden.

»Ich habe noch eine andere Spur. Mai recherchiert sowohl Kovalenkos als auch Boudreaus Familienverbindungen. Kannst du Hayden bitten, dasselbe zu tun?«

»Ich bin nur hier, um dir einen Gefallen zu tun, Drake. Ich bin nicht dein verdammter Wachhund.«

Dieses Mal schwieg er.

Alicia seufzte leise. »Okay, ich werde es erwähnen. Was Mai angeht – dieser durchgeknallten Chun Li solltest du nicht einmal so weit trauen, wie du sie werfen kannst.«

Drake schmunzelte über diese Street-Fighter-Anspielung. »Darüber denke ich nach, wenn du mir sagst, welche von euch zwei verrückten Miststücken Wells umgelegt hat … und wieso.«

Er rechnete mit langem Schweigen und wurde nicht enttäuscht. Diese Gelegenheit nutzte er, um ein paar weitere Schlucke der bernsteinfarbenen Medizin zu sich zu nehmen.

»Ich rede mit Hayden«, flüsterte Alicia schließlich. »Wenn Boudreau oder Kovalenko Familie haben, dann werden wir sie finden.«

Sie legte auf. Drakes Kopf wummerte wegen der plötzlichen Stille, als wenn er von einem Vorschlaghammer getroffen worden wäre. Eines Tages würden Alicia oder Mai ihm die Wahrheit über Wells und alles andere erzählen, was vor wenigen Wochen passiert war. Aber fürs Erste musste er damit leben, Kennedy verloren zu haben.

Das Ideal, an das er einst geglaubt hatte, schien so weit entfernt zu sein wie der Mond, und ihre herrliche Zukunft war zu Asche verbrannt. Die Hoffnungslosigkeit schnürte ihm das Herz zusammen. Die Flasche fiel aus seinen gefühllosen Fingern. Sie zerbrach zwar nicht, aber der feurige Inhalt ergoss sich auf den dreckigen Boden.

Einen Moment lang dachte Drake darüber nach, es aufzuwischen und es in ein Glas zu befördern. Doch die verschüttete Flüssigkeit erinnerte ihn an die Versprechen, die er gemacht hatte, und an die Schwüre und Beteuerungen, die sich in Luft aufgelöst hatten, als er Kennedys leblosen Körper gesehen hatte … ihr Leben verschwendet und ruiniert, wie die Flüssigkeit, die sich gerade über den Boden ausbreitete.

Wie könnte er seinen Freunden je wieder versprechen, sie zu beschützen? Alles, was ihm jetzt noch blieb, war, so viele Feinde wie nur möglich zu töten.

Das Böse auszulöschen und das Gute am Leben zu erhalten.

Er setzte sich auf den Bettrand. Er war am Ende. Ihm war nichts mehr geblieben, und außer dem Gedanken an den Tod war alles andere in ihm abgestorben und die zerbrochene Hülle, die übrig geblieben war, erwartete nichts mehr von dieser Welt.

Kapitel 6

Hayden wartete, bis Ben und Karin sich in einen der IT-Räume des Krankenhauses verzogen hatten. Das Bruder-Schwester-Team recherchierte über Hawaii, den Diamond Head, das Tor der Hölle und andere Legenden, die mit dem Blutkönig zu tun hatten. Sie hofften, auf diese Weise irgendeine Theorie zusammenschustern zu können.

Als sie allein war, schlüpfte Hayden in frische Klamotten und ging in ein kleines Büro, in dem ihr CIA-Partner Mano Kinimaka eine kleine Workstation eingerichtet hatte. Der gewaltige Hawaiianer tippte auf der Tastatur herum und wirkte äußerst frustriert.

»Erwischst du immer noch zwei Tasten auf einmal mit deinen Wurstfingern?«, fragte Hayden scherzend und Kinimaka drehte sich mit einem Grinsen auf dem Gesicht zu ihr um.

»Aloha nani wahine«, sagte er und wurde sofort rot, als sie ihm zu verstehen gab, dass sie wusste, was dieser Satz bedeutete.

»Du findest mich also hübsch? Liegt es daran, dass ich von einem Irren abgestochen wurde?«

»Nein, daran, dass ich mich verdammt freue, dass du immer noch bei uns bist.«

Hayden legte Kinimaka eine Hand auf die Schulter. »Danke, Mano.« Sie verharrte einen Moment lang, dann sagte sie: »Was die Sache mit Boudreau angeht … das ist einerseits eine Chance und andererseits ein Dilemma. Wir müssen unbedingt wissen, was er weiß. Aber wie kriegen wir es aus ihm raus?«

»Glaubst du wirklich, der irre Bastard weiß, wo sich der Blutkönig versteckt? Würde ein Mann, der so vorsichtig ist wie Kovalenko, ihm das tatsächlich anvertrauen?«

»Nein, aber Boudreau ist im Vergleich dazu noch irrer und er ist clever. Ich vermute also, der weiß was.«

Eine sarkastische Stimme erklang nun hinter ihnen. »Drake ist der Meinung, wir sollten seine Familie foltern.« Hayden drehte sich um. Alicia grinste sie hämisch an. »Natürlich nur, falls du nichts dagegen hast, CIA.«

»Du hast mit Matt geredet?«, fragte Hayden überrascht. »Wie geht es ihm?«

»Ganz der Alte«, sagte Alicia ironisch und eindeutig nicht ernst gemeint. »So wie man ihn kennt und liebt.«

»Hoffnungslos? Betrunken? Allein?« Hayden konnte sich eine gewisse Gehässigkeit nicht verkneifen.

Alicia zuckte mit den Achseln. »Gereizt. Knallhart. Tödlich.« Sie sah der CIA-Agentin in die Augen. »Glaub mir, Süße, der muss so sein. Nur so kommt er aus der Sache wieder lebend raus und …« Sie stockte, als würde sie überlegen, was sie als Nächstes sagen wollte. »Und es kann sein, dass auch ihr alle nur so wieder aus der Sache lebend rauskommt und euren Familien nichts passiert.«

»Ich überprüfe jetzt, ob Boudreau Familie hat.« Hayden drehte sich zu Kinimaka um. »Aber nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Die CIA wird niemanden foltern.«

Alicia schien enttäuscht zu sein, als sie Hayden angrinste und sich an ihr vorbei in den kleinen Raum zwängte, der fast vollständig von Kinimaka ausgefüllt wurde. »Was machst du gerade?«

»Arbeiten.« Kinimaka schaltete blitzschnell den Bildschirm aus und wich so weit von Alicia zurück, wie er konnte.

Hayden eilte ihm zu Hilfe. »Du warst doch mal Soldatin, als du noch ein Mensch warst, Alicia. Hast du eine Idee, wie wir Boudreau kleinkriegen könnten?«

Alicia sah Hayden herausfordernd an. »Wieso gehen wir nicht mal zu ihm und reden mit ihm?«

Hayden lächelte. »Das hatte ich gerade vor.«

Hayden ging vor ihnen her in Richtung der Arrestzelle. Den fünfminütigen Spaziergang und die Fahrt im Aufzug brachte sie ohne Schmerzen hinter sich, auch wenn sie langsam ging. Ihre Laune stieg daraufhin. Sie fand, abgestochen zu werden, war genauso wie jede andere Krankheit, wegen der man sich krankschreiben ließ. Früher oder später wurde einem einfach langweilig und man wollte wieder mitmischen, dort, wo die Action war.

Der Arrestbereich bestand aus zwei Reihen von Zellen. Sie gingen über den polierten Boden, bis sie zu der einzigen mit einem Insassen darin kamen, die letzte Zelle auf der linken Seite. Die Vorderseite bestand aus einer Reihe von Gitterstäben, die vom Boden bis zur Decke reichten.

Der stechende Geruch von Chlor lag in der Luft. Hayden nickte dem bewaffneten Wachmann zu, der vor Boudreaus Zelle stand, und musterte den Mann, der vor drei Wochen mehrere Male versucht hatte, sie zu töten.

Ed Boudreau saß unten auf dem Stockbett. Er grinste, als er sie sah. »Wie geht es der Hüfte, Blondie?«

»Was?« Hayden wusste, dass sie sich nicht auf seine Spielchen einlassen sollte, aber es war ihr so rausgerutscht. »Ihre Stimme hört sich etwas rau an. Vor Kurzem vielleicht gewürgt worden?« Drei Wochen Hinken und das Trauma der Messerwunde hatten sie leicht reizbar gemacht.

Kinimaka hatte sich hinter sie gestellt und grinste. Boudreau sah ihn mit wütendem Blick in die Augen.

»Manchmal wendet sich das Blatt«, flüsterte er.

Kinimaka spannte die breiten Schultern an, antwortete aber nicht. Alicia machte einen Schritt um den massigen Mann herum und trat nun direkt an das Gitter.

»Der kleine Penner da hat dir also das Höschen verrutschen lassen?« Diese Stichelei war gegen Hayden gerichtet, aber sie wandte den Blick nicht von Boudreau ab. »Ich würde nicht mehr als eine Minute brauchen, ihn in zwei Teile zu zerreißen.«

Boudreau erhob sich von dem Stockbett und trat ans Gitter. »Schöne Augen«, sagte er. »Aber dreckiges Mundwerk. Warst du das nicht, die den Typen mit dem Bart gebumst hat, den meine Männer umgelegt haben?«

»Ja, das bin ich.«

Boudreau umklammerte die Gitterstäbe. »Und wie fühlst du dich so?«

Hayden merkte, dass die Wachen langsam nervös wurden. Diese Art der Konfrontation würde sie nicht weiterbringen.

Kinimaka hatte bereits auf ein Dutzend verschiedener Arten versucht, den Söldner zum Reden zu bringen, daher stellte Hayden ihm jetzt eine einfache Frage: »Was wollen Sie, Boudreau? Was ist nötig, damit Sie über Kovalenko auspacken?«

»Über wen?« Boudreau wandte die Augen nicht von Alicia ab. Sie waren jetzt nur noch durch die Gitterstäbe getrennt.

»Du weißt ganz genau, wen ich meine. Den Blutkönig.«

»Ach, der. Der ist nur ein Mythos. Ich dachte, die CIA wüsste das.«

»Nenn deinen Preis!«

Boudreau brach schließlich den Blickkontakt mit Alicia ab. »Desperation is the English way … um Pink Floyd zu zitieren.«

»Das bringt uns nicht weiter.« Hayden wurde auf verstörende Art und Weise an Drakes und Bens Sprücheklopferei über Dinorock erinnert und hoffte, dass Boudreau einfach nur wahllose Bemerkungen abfeuerte. »Wir sollten …«

»Ich nehme die da«, zischte Boudreau plötzlich. Hayden drehte sich um und sah, wie er erneut Alicia anstarrte. »Wir kämpfen eins gegen eins. Wenn sie mich schlägt, dann rede ich.«

»Alles klar.« Alicia presste sich förmlich durch das Gitter. Die Wachen machten ein paar Schritte vorwärts.

Hayden fühlte, wie ihr Puls schneller ging.

»Stopp!« Sie streckte den Arm aus und zog Alicia zurück. »Bist du verrückt? Dieses Arschloch wird nie reden. Der ist das Risiko nicht wert.«

»Das ist kein Risiko«, knurrte Alicia. »Überhaupt keins.«

»Wir gehen«, sagte Hayden. »Aber …« Sie dachte kurz darüber nach, was Drake über Boudreaus mögliche Familie gesagt hatte. »… wir sind bald wieder zurück.«

Ben Blake lehnte sich zurück und sah zu, wie seine Schwester mit spielerischer Leichtigkeit an dem modifizierten CIA-Computer arbeitete. Sie hatte nicht lange gebraucht, um sich an das spezielle Betriebssystem zu gewöhnen, das die Regierungsbehörde verwendete, aber sie war ja auch das Genie in der Familie.

Karin war hochintelligent, schnippisch und schlug die Zeit ohne irgendeinen Job tot. Ihr Leben war in den Teenagerjahren aus den Fugen geraten, und sie hatte ihre ganze Intelligenz und ihre Bildungsabschlüsse dafür genutzt, um absolut gar nichts damit anzufangen. Sie suhlte sich lieber in ihrem Selbstmitleid und hasste das Leben für das, was es ihr angetan hatte. Ihre Talente zu verschwenden, war anscheinend ihre Art, zu zeigen, dass ihr alles egal war.

Sie drehte sich um und blickte ihn an. »Siehe, staune und huldige dem Genie von Miss Blake. Alles, was du je über den Diamond Head wissen wolltest, ist hier kurz zusammengefasst.«

Ben klickte sich durch die Informationen. Sie arbeiteten schon ein paar Tage daran und hatten unter anderem über Hawaii und den Diamond Head recherchiert – Oʻahus berühmten Vulkan – und die Berichte über die Reisen von Captain Cook gelesen, dem berühmten Entdecker der hawaiianischen Inseln im Jahre 1778. Es war wichtig, dass sie beide so viele Informationen wie nur möglich sichteten und sie sich merkten, denn wenn sie einen Durchbruch erlangten, würden die Behörden schnell vorgehen wollen.

Die Anspielung des Blutkönigs auf das Tor der Hölle war ihnen weiterhin ein Rätsel, besonders in Bezug auf Hawaii. Denn offenbar glaubten die meisten Hawaiianer nicht einmal an die traditionelle Version der Hölle.

Der Diamond Head selbst war Teil einer Ansammlung von Vulkankegeln und Schloten, die als die Vulkankette von Honolulu bekannt waren, deren Ausbrüche die meisten der berühmten Landschaftsmerkmale O’ahus gebildet hatten. Der Diamond Head selbst, die vermutlich bekannteste Landmarke, war nur einmal vor 150.000 Jahren ausgebrochen, aber dann mit einer solch explosiven Kraft, dass dadurch der merkwürdig asymmetrische Kegel entstanden war.

»Ist dir aufgefallen, dass der Diamond Head eine Reihe von Kegeln und Schloten umfasst?« Karin sprach breitesten Yorkshire-Akzent, sodass man sie fast nicht verstehen konnte. Sie hatte bereits jede Menge Spaß gehabt, wenn sie mit den CIA-Mitarbeitern aus Miami redete, und hatte vermutlich mehr als ein paar davon damit in den Wahnsinn getrieben.

Nicht, dass es Karin etwas ausmachte. »Bist du taub, Kumpel?«

»Nenn mich nicht Kumpel«, beschwerte er sich. »So nennen Männer andere Männer. Mädchen sollten diesen Ausdruck nicht benutzen. Besonders nicht die kleine Schwester.«

»Okay, Brüderlein. Friede … fürs Erste zumindest. Weißt du denn, was die Schlote sind?«

Ben fühlte sich plötzlich, als wäre er wieder in der Schule. »Lavaröhren?«

»Das stimmt. Hey, du bist ja gar nicht so blöd, wie du aussiehst, so wie Dad es immer gesagt hat.«

»Dad hat nie …«

»Entspann dich, Alter. Einfach gesagt, bedeutet das, dass diese Lavaröhren Tunnel sind, und sie befinden sich überall auf Oʻahu.«

Ben schüttelte den Kopf. »Willst du damit sagen, dass sich der Blutkönig in einem davon versteckt?«

»Wer weiß? Aber wir sind hier, um zu recherchieren, oder nicht?« Sie tippte auf den Tasten von Bens CIA-Computer herum. »Mach dich an die Arbeit.«

Ben holte tief Luft und drehte sich weg. Wie der Rest seiner Familie vermisste er alle, wenn sie getrennt waren, aber sobald nach einer Stunde alle Neuigkeiten ausgetauscht waren, ging das Gezänk unweigerlich los.

Nichtsdestotrotz hatte sie eine ziemliche Strecke zurückgelegt, um ihm zu helfen.

Er startete eine Suche nach Legenden über Captain Cook und lehnte sich dann zurück, um auf die Ergebnisse zu warten. Gedanklich war er jetzt bei Matt Drake. Er dachte darüber nach, wie es seinem besten Freund wohl ging.

Kapitel 7

Der Blutkönig sah durch eine riesige Fensterscheibe und ließ den Blick über das Gelände dahinter schweifen. Das Fenster erfüllte einzig den Zweck, das Panorama einzurahmen, das man sehen konnte, wenn man hindurchblickte. Ein üppiges, sich sanft dahinziehendes Tal; ein Paradies, durch das niemals menschliche Schritte wanderten außer seine eigenen.

Sein Verstand, der normalerweise messerscharf und fokussiert war, wanderte heute von einem Thema zum nächsten. Der Verlust seines Schiffes, das seit Jahrzehnten sein Zuhause gewesen war, ärgerte ihn. Vielleicht war es auch eher der plötzliche Untergang des Schiffes. Denn auf diese Weise hatte er keine Zeit gehabt, sich zu verabschieden. Andererseits war ihm so etwas aber auch nie besonders wichtig gewesen und er wurde nicht schnell sentimental, wenn es ans Abschiednehmen ging.

Er war ein harter, gefühlloser Mann, der in beschwerlichen Zeiten in Russland aufgewachsen war und in einigen der härtesten Gegenden des Landes gelebt hatte. Dennoch hatte er es geschafft, relativ leicht aufzusteigen und hatte schließlich ein Imperium aufgebaut, das auf Blut, Tod und Wodka ruhte und dabei Milliarden verdient.

Er wusste ganz genau, wieso der Verlust der Sturmbringer ihn so verrückt machte. Er hielt sich für einen König und für unberührbar. Von der US-Regierung so konfrontiert zu werden, war zwar kaum mehr als ein Mückenstich, aber er juckte dennoch.

Der Exsoldat Drake hingegen hatte sich als Stachel in seiner Seite erwiesen. Kovalenko hatte das Gefühl, dass der Engländer es sich persönlich vorgenommen hatte, seine gut ausgearbeiteten Pläne zu durchkreuzen. Pläne, die er seit Jahren ausgetüftelt hatte. Die Einmischung dieses Mannes war daher eine persönliche Beleidigung.

Deshalb auch die Blut-Vendetta. Es war seine ganz persönliche Handschrift, zuerst Drakes Freundin zu erledigen; die restlichen Maden würde er seinen Söldnern auf der ganzen Welt überlassen. Er rechnete bereits mit dem ersten Anruf, dass jemand anderes bald sterben würde.

Am Rande des Tals auf der abgelegenen Seite stand eine seiner drei Ranches. Er konnte gerade noch so eben die getarnten Dächer erkennen und das auch nur, weil er genau wusste, wohin er sehen musste. Die Ranch auf dieser Insel war die größte. Die anderen beiden befanden sich auf anderen Inseln. Sie waren kleiner und besser zu verteidigen und nur dafür da, einen Angriff seiner Gegner dreifach aufzuteilen, falls jemals einer kommen sollte.

Es war deswegen so wertvoll, die Geiseln an verschiedenen Orten festzuhalten, weil ein Feind seine Kräfte aufteilen musste, wollte er sie alle lebend retten.

Der Blutkönig hatte Dutzende Möglichkeiten, diese Insel unbemerkt zu verlassen, aber wenn alles nach Plan lief, würde er nirgendwohin gehen müssen. Er würde hinter dem Tor der Hölle finden, was Cook gefunden hatte, und diese Offenbarungen würden einen König bestimmt in einen Gott verwandeln.

Das Tor selbst war vermutlich schon ausreichend, um das zu bewirken, überlegte er.

Aber der Gedanke an das Tor führte unweigerlich zu Erinnerungen, die äußerst schmerzlich waren – zu dem Verlust der beiden Zeitverschiebungsapparate, ein Affront, den er bald rächen würde. Sein Netzwerk hatte schnell herausgefunden, wo einer der Apparate war, und zwar derjenige, der sich in der Obhut der CIA befand. Er wusste außerdem, wo der Controller war. Diesen hatte Mai Kitano.

Vielleicht war es langsam an der Zeit, beides zurückzuholen.

Er genoss ein letztes Mal die Aussicht. Das dichte Blattwerk wogte in der tropischen Brise. Der tiefe Frieden und die Ruhe erregten zwar seine Aufmerksamkeit, bewegten ihn aber nicht. Was er niemals gehabt hatte, würde er auch nicht vermissen.

Wie aufs Stichwort klopfte es nun an der Bürotür. Der Blutkönig drehte sich um und sagte: »Herein.« Seine Stimme dröhnte wie ein Panzer, der durch eine Kiesgrube fährt.