Der Frühling bringt den Tod - Molly Flanaghan - E-Book
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Der Frühling bringt den Tod E-Book

Molly Flanaghan

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Beschreibung

Besondere Gäste im Bed & Breakfast.

Die geheimnisumwitterten Schwestern Marge, Kate und Eva sind aus Amerika nach Ballinwroe gereist, um den Geburtsort ihrer Eltern zu besuchen. Fiona genießt die Zeit mit den schrulligen und liebenswerten Damen – bis kurz nacheinander mehrere ältere Männer tot aufgefunden werden. War es Mord oder ein tragischer Zufall? Fiona  versucht, sich diesmal wirklich aus allem herauszuhalten. Doch dann wendet sich der junge Pater Michael mit einer ungewöhnlichen Bitte an sie ...

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Über das Buch

Um den Besuch der drei Schwestern Marge, Kate und Eve in dem beschaulichen Ballinwroe ranken sich so einige Gerüchte. Was zieht die drei Frauen zurück an den Geburtsort ihrer Eltern, die vor vielen Jahren nach Amerika ausgewandert sind? Fiona kann über das Misstrauen der Dorfbewohner nur schmunzeln. Doch dann gibt es nacheinander zwei Todesfälle. Da die Opfer anscheinend Verbindungen zur Familie der Schwestern hatten, wird der Argwohn gegen sie größer. Fiona will sich aus den Verwicklungen heraushalten, aber als sie sich plötzlich beobachtet fühlt und jemand ein totes Tier vor ihr Bed & Breakfast legt, steckt sie schon mitten in den Ermittlungen.

Über Molly Flanaghan

Molly Flanaghan, geboren 1978, reiste vor Jahren während der Semesterferien mit dem Rucksack durch Irland und verliebte sich Hals über Kopf in das Land. Während einer zweiten Reise lernte sie ihren späteren Ehemann kennen, mit dem sie inzwischen in Deutschland lebt. Irland ist ihr zur zweiten Heimat geworden.

Im Aufbau Verlag sind bisher ihre Kriminalromane »Der Tag beginnt mit Mord« und »Der Tod bleibt über Nacht« erschienen.

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Molly Flanaghan

Der Frühling bringt den Tod

Ein Krimi in Irland

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Informationen zum Buch

Newsletter

Kapitel 1

Ballinwroe, Irland — 1963

Kapitel 2

Ballinwroe, Irland — Heute

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Impressum

Wer von diesem Kriminalroman begeistert ist, liest auch ...

»Come away, O human child!

To the waters and the wild

With a faery, hand in hand

For the world’s more full of weeping than you can

understand.«

Butler Yeats

»The Stolen Child«

1

Ballinwroe, Irland

1963

Rhena Brown spürte den kühlen Nachtwind auf ihren Wangen, der vom Atlantik her die Klippen herauf über die Felder bis an den Rand des kleinen Dorfes wehte. Sie hatte den ganzen Abend getanzt und es genossen, mit ihrem frisch angetrauten Ehemann Cormac unter den bewundernden Blicken der anderen Mädchen und Frauen über den Tanzboden hinter dem Pub ihre Runden zu drehen. Cormac war schon immer ein guter Tänzer gewesen, und in seinem neuen Hemd und dem von ihr bestickten blauen Halstuch sah er besonders schneidig aus. Sie lachte leise auf, als sie an die Worte ihrer Mutter dachte, die gegen die Hochzeit gewesen war.

»Er sieht zwar gut aus, Rhena, aber er und seine Familie sind arm wie die Kirchenmäuse. Ein gutes Aussehen sorgt nicht für volle Teller.«

Aber sie hatte ihn trotzdem geheiratet. Wegen seines Aussehens, o ja. Und wegen der Süße seiner Küsse. Aber auch, weil sie wusste, dass Cormac hinter seinen blauen Augen einen schnellen Verstand hatte. Sie würden nicht lange arm bleiben, das hatten sie sich vor der Hochzeit geschworen. Auch wenn sie noch in einem der kleinen Häuschen wohnten, das der alte McGowan, der Besitzer des großen Sägewerks, seinen Arbeitern zur Verfügung stellte. Sie hatten Pläne und würden bald das schäbige und feuchte Häuschen, das Dorf und sogar das Land verlassen. Noch war es ein Geheimnis, ihre Eltern würden sie nur schweren Herzens gehen lassen. Aber in Amerika würden sie neu anfangen können, wären Mr und Mrs Brown und nicht der arme, vaterlose Junge und die kleine Rhena mit den verträumten Augen. Dort würden sie ernst genommen werden, und sie würden hart arbeiten, um sich ein neues Leben aufzubauen.

Sie hatte nun das Dorf hinter sich gelassen und die kleine Anhöhe erreicht. Nur noch die mit niedrigen Büschen und Gestrüpp überwucherte Senke trennte sie von ihrem Häuschen. Die Senke, an deren tiefster Stelle im Frühjahr das Wasser stand und im Sommer die Mücken auf den verbliebenen Pfützen tanzten. Der Legende nach sollte sich unter einem der Tümpel der Zugang zum Reich der Kobolde befinden, der kleinen Plagegeister, die die Menschen im Dorf in Gewitternächten heimsuchten und die Milch sauer und die Tiere krank werden ließen. Humbug – aber trotzdem zögerte sie kurz und drehte sich um. Im hellen Mondlicht lag das Dorf vor ihr, das achtzehn Jahre lang ihr Zuhause und Mittelpunkt ihres Lebens gewesen war. Sie war schon öfters in der nächstgrößeren Stadt gewesen, im Kino und im Kaufhaus und in den vielen anderen Läden. Doch ohne Geld waren auch das nur Orte, vor denen sie mit großen Augen hatte stehen können. Und Dublin war zwar nur eine Tagesreise entfernt von ihrem kleinen Dorf unweit der Klippen von Moher, aber sie war kein einziges Mal dort gewesen.

Also war Ballinwroe der Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens – und doch würde sie bald ihre Taschen packen und zusammen mit ihrem Ehemann – immer noch kribbelte ihr Bauch, wenn sie daran dachte, dass sie und Cormac wirklich verheiratet waren – nach Amerika reisen. Er hatte über Verwandte einen Job in New York bekommen. Das heutige Feuer am Abend des St. John’s Day und der anschließende Tanz waren ihr erstes Fest als Cormacs Frau gewesen – und würden gleichzeitig das letzte sein, das sie hier besuchte.

Cormac hatte sich noch für ein letztes Bier mit den Männern in den Pub begeben, aber sie wollte schon einmal nach Hause und würde dort auf ihn warten. Mit einem letzten wehmütigen Blick auf ihre Heimat drehte sie sich um und ging den Weg in die dunkle Senke hinab.

Ein Geräusch ließ sie erstarren. Tiere, die sich im Gestrüpp ihren Weg bahnten? Aber nur wenige Sekunden später hörte sie ein Lachen und dann eine Stimme hinter sich.

»Schöne, schöne Rhena.«

Sie waren zu zweit, nein, zu dritt. Hinter den ersten beiden Gestalten trat noch eine weitere auf den Weg. Rhenas Hände wurden eiskalt, und sie merkte, wie die Angst ihr die Kehle zuschnürte. Sie versuchte trotzdem, ihre Stimme fest klingen zu lassen. Sie kannte die Männer. Sie kannte sie doch.

»Was macht ihr denn so weit weg vom Dorf noch?«

Ihre Stimme zitterte trotz aller Anstrengung. Sie schluckte. Bitte, bitte lass sie weitergehen.

»Hast du Angst, schöne Rhena?«

»Wovor? Ihr seid doch Freunde, wir sind zusammen zur Schule gegangen. Haben zusammen in der Kirche gesessen.«

Irgendwie hoffte sie, dass ihre Worte durch den Alkohol und durch das, was sie nicht benennen konnte, aber was wie eine böse Welle von den Männern ausgestrahlt wurde, hindurchdringen könnten. Aber nun war der Anführer so nahe, dass sie seine Augen sehen konnte. Es war zu spät. Sie war wirklich auf Tiere gestoßen.

»Schöne, schöne Rhena. Damals warst du ja noch klein. Jetzt bist du eine Frau. Eine Ehefrau.«

Sie wusste, was passieren würde, und Panik ergriff sie. Sie wollte schreien, doch einer der Männer war mit einer schnellen Bewegung vorgetreten und hielt ihr den Mund zu. Sie wehrte sich, versuchte, ihn zu beißen, trat um sich, aber in wenigen Sekunden hatte sie keine Kraft mehr und spürte nur noch, wie sie von mehreren Händen zu Boden gedrückt wurde. Sie konnte den Alkohol in ihrem keuchenden Atem riechen, den Schweiß spüren, der ihre Hände bedeckte, sie hörte das Lachen und das Stöhnen. Sie schloss die Augen und ließ Dunkelheit auf sich sinken. Versuchte, so tief wie möglich in sich zu verschwinden und den Schmerz auszublenden, der ihren Körper und ihre Seele erfasste.

2

Ballinwroe, Irland

Heute

Fiona O’Connor stolperte verschlafen die kleine Treppe hinab, die von ihrem winzigen Häuschen in den alten Obstgarten führte. Es war fünf Uhr früh, und vor ihr lag ein langer Tag. Kaffee – mit Glück hatte ihre Aushilfe Millie im kleinen, aber feinen B&B mit dem schlichten Namen The Cottage, das sie vor einem halben Jahr in ihrem Heimatdorf eröffnet hatte, schon die große Espressomaschine angewärmt. Sie wollte hinter sich nach einer dünnen Strickjacke greifen, die an einem Haken neben der Tür hing, als sie mit einem heftigen Ruck von den Füßen gerissen wurde. Gerade noch konnte sie sich am Geländer der Treppe festklammern, stieß sich schmerzhaft den Ellenbogen und fluchte laut.

»Eanáir, du Teufel!«

Ihre Hündin Eanáir, knapp ein Jahr alt, war ungestüm an ihr vorbei nach draußen gestürmt, wo sie freudig jeden einzelnen Apfelbaum, jede Hummel und jeden frühen Singvogel mit einem Schwanzwedeln und kleinen, spitzen Jauchzern begrüßte. Die Jauchzer waren Eanáirs Lösung dafür gewesen, dass Fiona ihr wegen der Gäste schon früh das Bellen am Morgen verboten hatte. Schlau, wie sie war, hatte die Hündin aber einfach immer weiter die Lautstärke gesenkt, bis dieser besondere Ton übrig blieb, der wirklich mehr wie das Jauchzen eines fröhlichen Kindes als wie das Bellen einer Hündin klang. Einer leider immer größer werdenden Hündin, dachte Fiona, als sie ihren Ellbogen rieb. Eanáir war in ihrer Größe nicht angemessen für das kleine Häuschen. Eigentlich für gar keine Innenräume. Die irische Wolfshündin räumte regelmäßig mit einem freudigen Schwanzwedeln ganze Tische ab und hatte eine hohe Treffsicherheit darin entwickelt, Vasen mitsamt Wasser und Blumen umzustoßen. Aber Fionas Freundin Katelyn, die ihr Eanáir geschenkt hatte, war der festen Überzeugung, dass sich das mit etwas Zeit legen würde. Eanáirs Mutter, Katelyns Hündin, war von eleganter Gelassenheit – aber da ihr Vater der wie ein Gummiball hüpfende Border Collie der Murphys war, schien sich das väterliche Erbe durchzusetzen. Fiona musste kurz lachen, wie immer, wenn sie sich vorstellte, wie Eanáir wohl gezeugt worden war. Aber wie bei Menschen schien auch bei Hunden Liebe Unmögliches möglich zu machen.

Fiona hob ihren Blick und atmete tief ein. Jetzt im Juni war die Luft am Morgen noch kühl und klar. Sie trug den Duft der blühenden Stauden zu ihr, die rings um die steinernen Mauern des Cottages wuchsen. Lavendel und wilder Salbei mischten sich mit dem Geruch der ersten kleinen Äpfel an den Bäumen. Auch die salzige Luft vom Meer, das einige Kilometer vom Cottage entfernt gegen die hohen Klippen schlug, trug dazu bei, dass Fiona wohlig aufseufzte. Hier am westlichsten Ende Irlands warteten nicht die Geräusche des Verkehrs und die einer erwachenden Großstadt auf sie. Hier begrüßten sie die ersten Stimmen der Vögel, das Rascheln der kleinen Tiere im hohen Gras der Wiese, das entfernte Blöken einer Kuh, das aus den Ställen von O’Reilys Milchfarm über die grünen Hügel ihrer Heimat ihren Weg zu ihr fand. Der Tag würde warm und sonnig werden – und sie freute sich auf das, was vor ihr lag.

Sie folgte der Hündin, die mittlerweile an dem alten Gatter angekommen war, das den Obstgarten vom Rest des Grundstücks trennte. Früher, als das Cottage noch Fionas Eltern gehört hatte, war der Zaun dafür dagewesen, die Tiere ihres Vaters davon abzuhalten, das Obst und Fallobst zu fressen. Heute diente er, zusammen mit dem kleinen Schild Privat, dazu, die Gäste aus Fionas eigenem Bereich fernzuhalten. Sie war froh, dass die Architektin, die die Pläne für den Umbau des Cottages entwickelt hatte, die Idee mit dem Tiny House hatte und sie nicht mit ihren Gästen unter einem Dach wohnen musste. Auch das wäre gegangen, in ihrer Zeit in Dublin hatte Fiona lange in einer separaten Wohnung in dem edlen Hotel gewohnt, in dem sie sich vom Zimmermädchen bis zur Managerin hochgearbeitet hatte. Aber dort hatte sie auch viele Angestellte gehabt, die sich um die Gäste kümmerten. Hier, in ihrem eigenen Bed & Breakfast, war sie meist alleine und damit für alles zuständig. Und Gäste, egal ob in einem schicken Fünf-Sterne-Hotel in Dublin oder in einem B&B am Ende der Welt, hatten nun mal ständig Anliegen und Wünsche. Und ihre Aufgabe war es, diese zu erfüllen. Sie hatte den Ehrgeiz, The Cottage innerhalb der ersten fünf Jahre unter die zehn besten Bed & Breakfasts Irlands zu bekommen. Was ihr auch sicher gelingen würde, wenn nicht das Schicksal sich schon mehrmals gegen sie gestellt hätte. Zuerst die Ablehnung aus dem Dorf, die Versuche der Konkurrenz, sie zu vertreiben oder ihr das Leben zumindest so schwer wie möglich zu machen. Und dann die Morde …

Sie schüttelte den Kopf und pfiff leise durch die Zähne nach Eanáir, die sofort von der verheißungsvollen Duftspur eines Kaninchens abließ und mit großen Sprüngen auf sie zukam.

Fiona öffnete das Gatter und blickte auf ihr Cottage, das in der Morgendämmerung wie eine sichere und warme Burg auf dem Hügel vor ihr lag. Millie musste schon da sein, denn aus den Fenstern der Küche, die im Erdgeschoss des modernen Anbaus untergebracht war, schien Licht auf den Küchengarten mit seinen niedrigen Steinmauern heraus. Für einen Moment meinte sie, das helle Lachen eines Mädchens zu hören, die tiefe Stimme eines Mannes. Der Traum, der sich in der Nacht wie eine schwere Decke auf sie gelegt hatte, fiel ihr wieder ein. In ihm hatte das Cottage noch keinen Anbau, keine neuen Fenster gehabt. Es hatte ausgesehen wie zu der Zeit, als sie selbst dort groß geworden war. Doch das Lachen und die Stimmen waren nicht die von ihr und ihrem Vater gewesen. Keine Erinnerung, nein. Sie hatte gewusst, auf diese besondere Art, wie man es nur in einem Traum konnte, dass dort ihre Tochter lachte und ihr Mann auf sie wartete.

Ihre Tochter. Fiona war als junges Mädchen schwanger geworden und aus ihrem Heimatdorf und vor ihren Eltern, die sie zur Hochzeit zwingen wollten, geflohen. Sie hatte in Dublin ihre Tochter zur Welt gebracht und nach wenigen Minuten, in denen sie den Herzschlag auf ihrer Brust spüren konnte, weitergegeben an eine Familie, die ihr alles würde bieten können, was Fiona mit ihren sechzehn Jahren und als Zimmermädchen in einem Hotel ihr nie hätte geben können. Vor allem, und das wünschte sie sich sehr, Liebe.

Das Dorf, ihre Eltern und Dylan, der sie geschwängert hatte in einer Nacht, in der er ihre kindliche Naivität und ihre Verliebtheit in ihn ausnutzte, hatten angenommen, sie hätte abgetrieben. Und sie ließ sie bis heute in dem Glauben. Wollte nicht, dass Dylan, mittlerweile Besitzer des Sägewerks und verheiratet mit Leah, sich auf die Suche nach seiner Tochter machte. Wo auch immer sie lebte, weder Fiona noch jemand anderes hatte ein Recht, in dieses Leben einzudringen.

Und doch stahlen sich das Lachen eines Mädchens und die tiefe Stimme eines Mannes in ihre Träume. Familie. Sie träumte davon, eine Familie zu haben.

Fiona schüttelte heftig den Kopf, wie um sämtliche Träume und Bilder zu vertreiben. Mach die Augen auf, Fiona! Sieh dir an, was du alles geschafft hast und was du noch schaffen kannst! Verdammt …

Bevor sie noch länger wütend auf sich selbst sein konnte, wurde sie von einem erneuten fröhlichen Jauchzen Eanáirs abgelenkt, die mit einem großen Sprung über die niedrige Steinmauer setzte und auf einen Mann in dunkelblauen Shorts und T‑Shirt zurannte.

Eanáir hatte ihr Ziel schnell erreicht und sprang auf ihre freundliche Art an dem Jogger hoch, um ihm ihre großen Pfoten auf die Schultern zu legen.

Der Mann schwankte und bemühte sich sichtlich, unter dem Gewicht der Hündin nicht umzufallen. Sie hörte ihn mit seiner warmen Stimme beruhigend auf Eanáir einreden und sah dann, wie diese ihre Pfoten löste und sich brav und schwanzwedelnd neben den frühen Besucher setzte. Sie seufzte, kletterte über die Mauer und begrüßte den Neuankömmling.

»Und er sprach mit Tieren und Vögeln oder so ähnlich, richtig?«

»Franz von Assisi? Ja, so heißt es. Wobei ich ja glaube, er hat einfach die ewig gleichen Erzählungen seiner Mitbrüder nicht ausgehalten und ist daher in die Natur gegangen …«

Ein verschmitztes Lächeln legte sich über das junge Gesicht des Mannes, und Fiona merkte, wie sehr sie sich freute, ihn zu sehen.

»Oder seine Mitbrüder hatten sein beseeltes Lächeln satt und haben ihn rausgeworfen. Wer weiß, ich glaube, ein Zuviel an Sanftmut kann auf die Dauer ganz schön anstrengend sein.«

Pater Michael Moran, seines Zeichens Pastor von Ballinwroe und der umliegenden Gemeinden, strich sich die verschwitzten blonden Locken aus der Stirn. Der junge Priester war vor zwei Jahren nach Ballinwroe gekommen. Völlig unerwartet hatte er eines Morgens vor dem schon seit Jahren nicht besetzten Pfarrhaus gestanden, einen Koffer in der Hand und ein Lächeln im Gesicht, das seine für sein Alter erstaunlich müden Augen nicht erreichte. Er hatte ihr einmal erzählt, er selbst habe um seine Versetzung in das kleine, weit von Dublin und dem Rest der Welt entfernte Dorf gebeten. Und so hatte die Gemeinde plötzlich wieder einen Priester – und Fiona einen Freund zum Reden.

Sie wusste nicht genau, was Michael in seinem Leben schon alles erlebt hatte, spürte aber, dass er deutliche Narben auf dem Körper und auf seiner Seele mit sich trug. Ballinwroe war sein Versuch, sowohl im Leben als auch im Glauben wieder an Stabilität zu gewinnen – und soweit sie es beurteilen konnte, machte er Fortschritte. War er in den ersten Monaten, als sie ihr Elternhaus nach und nach in ein modernes B&B verwandelt hatte, noch jeden Morgen mit rasselndem Atem und schweißnassem Gesicht wie vom Teufel gehetzt seine Runden gelaufen, so hatte er mittlerweile sein Tempo verlangsamt und schien Freude am Laufen gefunden zu haben. Und seit jenem Morgen im Februar, an dem er das erste Mal seinen Lauf vor ihrer Tür beendet hatte und von ihr zu einem Frühstück in die warme Küche des B&B eingeladen worden war, leistete er ihr regemäßig in den stillen und ruhigen Morgenstunden Gesellschaft.

Das Dorf hatte, wie zu erwarten gewesen war, seinen Klatsch über die in ihren Augen verdächtige Freundschaft zwischen der ledigen Pensionswirtin und dem so jungen und schönen Priester verbreitet. Etwas, was Fiona mehr störte, als sie sich einzugestehen bereit war. Und etwas, über das Michael nur lachen konnte.

Gerade blickte er über ihre Schulter hinweg zu den Nebengebäuden, deren Umbau in zwei Apartments erst vor wenigen Tagen endgültig abgeschlossen worden war. Das eigentliche Cottage, ihr Elternhaus, bot einem Dutzend Gäste Platz. Neben dem Cottage stand ein moderner Anbau, in dessen Erdgeschoss sich die Küche und alle Versorgungsräume befanden, dessen eigentliches Highlight allerdings der erste Stock war, in dem ein großer Raum, fast vollständig verglast, eine grandiose Sicht auf das Dorf, den Fluss und – bei gutem Wetter – bis fast zu den Klippen bot. Der moderne Anbau mit seinen unbehauenen Steinen und dem vielen Glas war von Weitem zu sehen.

Zuletzt hatte Fiona dann noch die alten Scheunen des Cottages umgebaut, die neben den kleinen Ställen früher vor allem als Garagen und Heuboden genutzt worden waren. Die Architektin hatte nur einen Blick auf das verwitterte Nebengebäude aus Holz und Stein geworfen und dann in wenigen schnellen Strichen auf ihrem Zeichenblock für Fiona skizziert, wie sich zwei Apartments dort einfügen würden. Um ihr B&B rentabel zu machen und sich über die schwierigen Wintermonate zu retten, brauchte Fiona möglichst viel Platz für Gäste – und dort konnten bis zu zehn Personen unterkommen. Und zwar, wie sie mit einem Lächeln dachte, elegant und gemütlich zugleich.

»Und, schon aufregt ob des hohen Besuches?«

Michael riss sie mit seiner Frage aus ihren Gedanken, und sie wandte sich ihm zu.

»Ja. Erstaunlich, oder? In Dublin hatte ich sogar einmal den französischen Präsidenten als Gast im Hotel. Und war null aufgeregt deswegen. Oder zumindest kaum. Aber hier in Ballinwroe – ich weiß nicht. Ich hoffe, es gefällt ihnen …«

»Das Dorf ist in heller Aufregung, weil die Schwestern kommen. Es gibt seit Tagen kein anderes Gesprächsthema mehr.«

Fiona dachte an die drei Schwestern, Drillinge sogar, die am Nachmittag bei ihr ankommen und als erste Gäste in eines der neuen Apartments der umgebauten Scheune ziehen würden.

»Ich habe ja auch schon einiges von ihnen gehört. Es klingt für mich immer wie ein Märchen. Was sagen denn die anderen?«

Sie sah Michael an.

»Erzählst du es mir?«

3

Michael lächelte. Er hatte wie so oft auch an diesem Morgen seine Laufstrecke so gelegt, dass sie ihn am Ende an Fionas B&B vorbeiführte. Er genoss die Zeit mit ihr – und gegen ein warmes und vor allem selbst gekochtes Frühstück war auch nicht das Geringste einzuwenden. Die Leute im Dorf redeten, aber das taten sie seit dem Tag seiner Ankunft – und die Gerüchte über eine Liebelei waren in seinen Augen fast tröstlich normal. Er hatte in seinem Leben schon so viele Dinge erlebt, die sich die meisten Menschen hier nicht vorstellen konnten oder vorstellen mochten, daher nahm er es mit Humor. Es hatte einige kurze Momente gegeben, in denen er seine Gefühle Fiona gegenüber kritisch hinterfragt hatte, aber er war sich mittlerweile sehr sicher, dass das, was er spürte, Freundschaft war und nichts anderes. Auch wenn es ihm zu denken gegeben hatte, dass er den Mann beneidete, den sie augenscheinlich liebte. Aidan Connolly, seines Zeichens Inspector der Garda aus Dublin. Michael war sich nicht sicher, ob die beiden wussten, wie deutlich ihnen bei Aidans letztem Besuch in Ballinwroe im Mai ihr Liebe ins Gesicht geschrieben gestanden hatte. Sein Neid hatte aber nicht Fiona gegolten, so viel war ihm mittlerweile klar, sondern dem Umstand, dass die beiden eine Nähe zueinander hatten, die ihm aus so vielen Gründen – und das Zölibat war der kleinste davon – verwehrt war.

Auf jeden Fall war er froh, sie als Freundin zu haben, und daher tat er ihr gerne den Gefallen und begann zu erzählen.

»Es war einmal ein junger Ire, der in den wenigen Jahren seines Lebens schon eine Menge Unglück erlebt hatte. Geboren in den letzten Jahren des großen Krieges, der ihm seinen Vater genommen hatte, wuchs er als einziges Kind bei seiner Mutter und Großmutter auf. Der Junge war schlau, er konnte lesen, bevor er in die Schule ging, und jonglierte besser mit Zahlen als so mancher der Vorarbeiter im Sägewerk. Aber die Familie war arm, bettelarm, und so verließ der Junge die Schule und heuerte eben in jenem Werk an. Seine Arbeit war es, die Baumstämme in die großen Mäuler der Sägen zu schieben, eine gefährliche Arbeit, eine laute und dreckige Arbeit, die seinen Körper forderte, aber nicht seinen Geist. Zum Glück wurde die Sägemühle von einem weisen und gerechten Mann geleitet …«

Fiona brach an dieser Stelle in Lachen aus.

»Michael, du hast den alten McGowan nicht gekannt. Aber niemand mit einem Fünkchen Verstand würde Dylans Großvater als weise oder gerecht bezeichnen. Der alte McGowan war ein fürchterlicher Geizhals, der sogar für seine eigene Beerdigung auf einen billigen Sarg aus Abfallholz bestanden hatte. Ich kann mich noch erinnern, wie die Sargträger damals Mühe hatten, das wackelige Ding mitsamt seinem nicht unerheblichen Gewicht zu tragen. Es fehlte nicht viel, und der klapprige Kasten wäre auseinandergebrochen wie eine Streichholzschachtel. Wahrscheinlich hätten ihn die Sargträger dann in seine letzte Ruhestätte rollen müssen wie ein Fass Bier.«

Michael lachte. Fiona wirkte zwar oft noch sehr städtisch, aber egal, ob sie eine Geschichte erzählte oder mit ihrer Geige im Pub stand und Musik machte, ihre Wurzeln kamen doch immer wieder durch – und vielleicht mit jedem Monat in Ballinwroe mehr. So wie auch der breite Singsang der Westküste immer mehr in ihren Worten durchschien. Ob er wohl auch schon etwas von der Klangfarbe seiner Umgebung angenommen hatte? Zumindest hatte er sich noch nie seit seiner frühen Kindheit, die ihm dann so brutal geraubt worden war, an einem Ort so sicher gefühlt wie hier. Was nicht bedeutete, dass die Alpträume verschwunden waren. Aber sie krochen seltener unter seinem Bett hervor. Heute zum Beispiel war er am frühen Morgen durch den Gesang der Vögel aufgewacht und laufen gegangen um des Laufens willen. Und nicht, um die Schrecken der Nacht abzuschütteln.

Er sah zu Fiona, die lächelnd neben ihm stand und ihren Blick über die Wiesen schweifen ließ. Er schätzte neben ihrem Humor, ihren Kochkünsten und dem einfachen Fakt, dass sie es schaffte, in ihm nicht immer einen Priester zu sehen, vor allem ihre Fähigkeit, entspannt zu schweigen. Er wusste, dass auch sie Wunden mit sich trug, die noch lange nicht verheilt waren, aber er bewunderte es, dass sie trotzdem in der Lage war, den Frieden eines frühen Sommermorgens zu genießen. Auch, wenn sie ihn gerade wieder auffordernd ansah.

»Ich wäre schon neugierig, wie deine Geschichte weitergeht?«

»Nun gut. Also anders. Die Sägemühle, die von einem dicken und fürchterlich geizigen Mann, der niemandem, noch nicht einmal sich selbst, die Butter auf dem Brot gönnte, geleitet wurde, stand mitten im Dorf. Und der Besitzer, der sich nie eine Gelegenheit durch die Finger gleiten ließ, die ihm mehr Geld versprach, erkannte zum Glück, dass der Junge mehr konnte, als nur die Maschinen zu bedienen, und machte ihn innerhalb kürzester Zeit zu einem seiner Vorarbeiter.«

»Wusstest du, dass mein Vater auch über Jahrzehnte neben dem kleinen Hof hier im Sägewerk gearbeitet hat? Er war nicht dumm, aber ist nie zum Vorarbeiter geworden. Meine Mutter hat stets gesagt, er hätte es weiter schaffen können, wenn er in seinem Kopf nicht immer lauter Geschichten und Lieder gehabt hätte.«

Er sah, dass es Fiona immer noch schwerfiel, über ihre Eltern zu sprechen. Also nickte er nur und fuhr mit seiner Geschichte fort.

»Und auch, wenn die meisten Arbeiter nicht erfreut waren, einen vorwitzigen Jungen von gerade mal achtzehn Jahren vor die Nase gesetzt zu bekommen, so erregte die schnelle Beförderung die Aufmerksamkeit einer jungen Frau. Sie war schon oft gefragt worden, ob sie mit einem der Männer aus dem Dorf tanzen gehen wollte, hatte aber immer nur stumm den Kopf geschüttelt. Als jedoch der junge Cormac vor ihr stand, sah sie in seine Augen, sah dort mehr Leben und mehr Zukunft als in allen anderen Männern zuvor und willigte ein. Ein Jahr später heirateten die beiden und verließen wenige Wochen nach der Hochzeit das Dorf und das Land, um in Amerika einen neuen Anfang zu wagen.«

Michael wandte seinen Blick weiter nach Westen, wo nur wenige Kilometer entfernt unterhalb der gewaltigen Cliffs of Moher der Atlantik seine Wellen an die Küste schlug. Wie viele Iren waren in den letzten zweihundert Jahren wohl auf ein Schiff geklettert, um das Meer zu überqueren und im Westen ihr Glück zu suchen? Er konzentrierte sich wieder auf seine Erzählung.

»Und sie schafften, wovon andere nur träumten. Cormac las in seiner neuen Heimat New York jeden Schnipsel Zeitung, den er bekommen konnte. Tagsüber arbeitete er auf den Baustellen der boomenden Stadt, nachts büffelte er über Büchern, um einen Abschluss zu bekommen. Er lieh sich Geld und kaufte Grundstücke in Stadtteilen, die dann wenige Zeit später begehrt wurden. Er investierte und konnte das geliehene Geld wenig später mit einem fetten Gewinn zurückzahlen. Und so wurde aus dem armen irischen Arbeiter Cormac Brown einer der erfolgreichsten Bauunternehmer der Stadt New York. Die junge Frau hatte recht behalten mit dem, was sie in seinen Augen gesehen hatte.«

Er machte eine Pause. Mit dem nächsten Teil seines Märchens würde er einen wunden Punkt bei Fiona berühren, aber es gehörte zu der Geschichte dazu.

»Das Einzige, was dem Glück der beiden jetzt noch fehlte, waren Kinder. Rhena, so hieß die junge Frau, wurde nicht schwanger. Aber auch da ging der schlaue Cormac seinen eigenen Weg, sprach mit Ärzten und Forschern, und schließlich wurden einige Jahre später die Drillinge Marge, Kate und Eve als laut schreiendes Ergebnis medizinischer Innovation geboren.«

Fiona sah ihn neugierig an.

»Künstliche Befruchtung? Woher weiß man das? Oder ist das eine Vermutung, weil die Mädchen Drillinge waren?«

Der junge Pater schüttelte den Kopf.

»Es ist keine Vermutung. Cormac Brown hat der Presse in einigen legendären Interviews von seinen Töchtern erzählt – und davon, wie dankbar er der modernen Medizin sei. Das Krankenhaus, in dem die Drillinge zur Welt kamen, hat von ihm eine sehr große Summe Geld bekommen, um seine Arbeit fortzusetzen. Er wollte wohl anderen Paaren Hoffnung machen, und ich denke, auch gegen die Kirche austeilen, die damals noch um einiges ablehnender in ihrer Haltung war und heute zum Teil ja auch noch ist. Er war bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Er hat in einem der Interviews gesagt, dass es dem lieben Gott scheißegal sei, ob ein neues Leben unter einer Bettdecke oder in einem Reagenzglas entstehe. Der Satz wurde dann oft zitiert»

»Und genau diese Drillinge kommen heute bei mir in der Pension an.«

»Ja. Das Dorf wartet gespannt auf die drei Frauen.«

Fiona schnaubte nur.

»Du meinst, alle stehen in Edna McCarthys Laden und versuchen, irgendwie an Informationen zu kommen. Und wenn sie nichts wissen, erfinden sie einfach etwas.«

Es gab Wahrheiten, denen nichts hinzuzufügen war. Michael lachte.

»Ja.«

»Ich hoffe, sie sind nett zu den drei Frauen.«

Er schüttelte den Kopf.

»Ich glaube, nett ist nicht die richtige Kategorie. Die drei Frauen sind steinreich. In Amerika gehören sie zu den obersten Zehntausend, und hier bei uns …«

»Könnten sie wahrscheinlich das halbe Land kaufen.«

»In etwa.«