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Es waren einmal: Eine Prinzessin, die sich langweilt, weil sie immer nur Prinzessin sein darf. Ein König, der nichts begreift und viel befiehlt. Ein Diener, der niemals Zeit zum Träumen hat. Ein Zauberer, der sich selbst für so gefährlich hält, dass er die Gefahr nicht sieht. Ein Hans, der nichts als Müller sein will und aus dem doch ein Graf gemacht wird und – ein sprechender Kater. Außerdem ein paar Musiker, die hartnäckig weiterspielen, obwohl sie wegen der leeren königlichen Kassen längst gefeuert sind … Angelehnt an das Märchen der Brüder Grimm, erzählt Thomas Freyer die Geschichte vom Kater, der seinem Herrn einen besseren Platz in der Welt verschaffen will, als Familienstück im besten Sinne, nämlich ganz und gar ausgehend von seinen Figuren, deren Nöte Kindern und Erwachsenen gleichermaßen nahe sind. Liebenswert und unzufrieden, egoistisch, wohlmeinend und unbedarft versuchen sie, ihr Leben ein Stück besser zu machen. Und wäre der Kater nicht gewesen, wäre es wohl keinem von ihnen je gelungen.
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Seitenzahl: 56
Thomas Freyer
Der gestiefelte Kater
(frei nach den Brüdern Grimm)
Ihr Verlagsname
Es waren einmal: eine Prinzessin, die sich langweilt, weil sie immer nur Prinzessin sein darf. Ein König, der nichts begreift und viel befiehlt. Ein Diener, der niemals Zeit zum Träumen hat. Ein Zauberer, der sich selbst für so gefährlich hält, dass er die Gefahr nicht sieht. Ein Hans, der nichts als Müller sein will und aus dem doch ein Graf gemacht wird, und – ein sprechender Kater. Außerdem ein paar Musiker, die hartnäckig weiterspielen, obwohl sie wegen der leeren königlichen Kassen längst gefeuert sind …
Thomas Freyer, geboren 1981 in Gera, studierte Szenisches Schreiben an der Universität der Künste (UdK) Berlin.
Amoklauf mein Kinderspiel wurde beim Stückemarkt im Rahmen des Berliner Theatertreffens 2006 in szenischer Lesung vorgestellt und gewann den Förderpreis des Theatertreffens. Die Hörspielfassung des Stücks, 2006 produziert vom RBB, wurde im selben Jahr mit dem Prix Europa ausgezeichnet.
Ebenfalls 2006 erhielt Thomas Freyer das Dramatiker-Stipendium des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im BDI
für Paul
KATER
Ein Kater bin ich
Und auch nicht
Denn manches ist recht sonderlich
An mir. Das kann man schnell erkennen
Nicht jagen will ich, lieber pennen
Und sehe ich durch Zufall doch
Ne Maus im Haus, vor ihrem Loch
Streck ich mich kurz und lass sie rennen
Werd darum nicht im Körbchen flennen.
Bin nicht mehr jung und noch nicht alt
Am Ofen sitz ich, ist mir kalt
Ich schlafe viel und schnurre laut
Hab grad erst ich die Milch verdaut
Ich träum mir was und weiß doch eins
Ein Leben ist das und doch keins.
In meinem Alter war der Vater
Ein Kerl
Ein ausgemachter Kater
Ein durch und durch bekanntes Tier
Ein schneller Jäger mit Manier
Ich träume mir, ich wär das auch
Die Sonne scheint mir auf den Bauch
Ich wache auf und bin nur ich
Nur faul und träge innerlich
Ein halber Kater, fürchterlich
Doch eines Tages kommt die Zeit
Bin nämlich unverschämt gescheit
Bin zwar kein Jäger, schnell und leis
Doch stolz
Mit Köpfchen, und ich weiß
Was mit dem Köpfchen anzufangen.
So wart ich auf den Augenblick
Wo ich mit List und mit Geschick
Ein andrer endlich werden kann.
Und Hans, der mir das Bäuchlein krault
Der mir die Milch, die ich verdaut
Ins Schälchen gießt an jedem Morgen
Vertreibe ich zum Dank die Sorgen.
Festliche Musik.
PRINZESSIN
Zum Totlachen ist das. Weißt du, Gustav. Dir zuzuhören. «Es ist die Zeit zum Tanzen nicht.» Wo hast du gelernt, so zu reden? Verrätst du mir das?
GUSTAV
Ich verstehe Sie nicht, Prinzessin.
PRINZESSIN
Verstehen musst du gar nichts. Nur tanzen. Mit mir. Bevor sie mir wieder lang wird. Die Zeit. Komm!
GUSTAV
Zu Befehl, Prinzessin. Auch wenn es eigentlich nicht zu meinen Aufgaben als königlicher Berater gehört, für die Belustigung des Nachwuchses zu sorgen.
PRINZESSIN
Komm!
GUSTAV
Zu Befehl.
PRINZESSIN
Und weg die Falten, Gustav. Ich will da nichts mehr sehen. Auf deiner Stirn.
GUSTAV
Falten weg. Jawohl.
Sie tanzen. Der König betritt den Ballsaal.
KÖNIG
Schluss! Schluss und aus! Und Katastrophe! Katastrophe, hab ich gesagt!
Musik bricht ab.
PRINZESSIN
Was ist denn, Papa? Du zitterst ja.
KÖNIG
Dem Papa gehts ganz wunderbar, mein Mäuschen. Und jetzt. Auf dein Zimmer! Spiel was. Irgendwas.
PRINZESSIN
Ich bin doch kein Kind mehr.
KÖNIG
Das weiß der Papa. Der König. Der weiß alles. Und jetzt. Ab, ab aufs Zimmerchen.
PRINZESSIN
Als ob ich. Ich spiel doch nicht mehr.
Prinzessin ab.
GUSTAV
Mein König, was ist mit Ihnen?
KÖNIG
(leise) Gustav, geträumt hab ich es. Immer wenn Vollmond war. Mein ganzes Leben lang. Dass meinem Gold plötzlich Flügel wachsen.
GUSTAV
Ach, Träume, mein König. Nichts weiter.
KÖNIG
(leise) Kein Traum, Gustav. Es ist ernst. Ganz ernst. Seit einem Jahr schon war ich nicht mehr in der Schatzkammer. Hab mich nicht getraut. Die ganze Zeit. Doch heute Nacht hat mich die Angst gepackt. Hier. Am Hals. Und da. Am Herz. Ganz fest und mitten in der Nacht. Ich musste, musste, musste in die Kammer. Um nachzusehen, obs nur ein Traum war oder nicht. Im Schlafrock bin ich durchs Schloss gelaufen. Gezittert hab ich vor der Kammer. All meinen Mut hab ich zusammengesucht. Hab die schwere Eisentür aufgeschlossen, zurückgezogen. Nichts. Leer. Alles weg. Das heißt. Nicht alles. Aber viel ist nicht mehr da. Der Haufen ist ganz klein. So klein. Mein Herz. Ach.
Es muss gespart werden. Und gespart wird jetzt. Ab sofort. Überall. Und den Anfang macht die Dienerschaft. Es müssen alle entlassen werden.
GUSTAV
Was?
KÖNIG
Alle. Die Musiker zuerst. Sonst spielen die mir noch nen Trauermarsch. Verstanden?
GUSTAV
Aber.
KÖNIG
Wird schon gehen, Gustav. Wird schon gehen. So! Mitteilung machen!
GUSTAV
Aber.
KÖNIG
Mitteilung!
GUSTAV
(laut) Königliche Mitteilung: Die Musiker sind entlassen.
Musiker protestieren instrumental.
KÖNIG
Der Koch, der Jäger, die Diener, die Wachen, die Zofen. Nur nicht zimperlich sein.
GUSTAV
(laut) Der Koch, der Jäger, die Diener. Es sind alle. Alle entlassen.
KÖNIG
Alle. Bis auf einen. Du, mein lieber Gustav, übernimmst ab sofort sämtliche Funktionen am Hof. Verstanden?
GUSTAV
Aber, mein König. Das ist. Ich bin ja nur einer. Und die Arbeit ist für zwanzig, dreißig Mann.
KÖNIG
Papperlapapp. Du hast mein vollstes Vertrauen. Du enttäuschst mich nicht, mein lieber Gustav. Du nicht.
Draußen wird es laut.
GUSTAV
Mein König. Hören Sie. Die Dienerschar rumort. Es werden Rufe laut, man solle den König entlassen. Die Musiker ganz vorn.
KÖNIG
Das ist Verrat! Absolut undankbar! Haben alle gut gelebt in all den Jahren. Sofort Höchststrafe androhen!
GUSTAV
(laut) Jedem, der es wagen sollte, gegen den königlichen Beschluss öffentlich zu protestieren, droht die Höchststrafe.
Es wird gefragt, was das sei. Die Höchststrafe.
KÖNIG
Aha. Nun. Was weiß ich? Das heißt, eigentlich müsst ichs wissen. Als König müsst ichs wissen. Als meine liebe Frau noch, meine geliebte Königin, noch lebte. Wie lang ist das jetzt her? Fünf Jahre schon? So lang? Und immer noch so traurig wie am ersten Tag? Wie die Zeit vergeht. Wo war ich?
GUSTAV
Sie wollten die Höchststrafe näher erläutern.
KÖNIG