Die 7 Wege zur Effektivität für starke Familien - Stephen R. Covey - E-Book

Die 7 Wege zur Effektivität für starke Familien E-Book

Stephen R. Covey

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Beschreibung

Stephen R. Coveys zeitlose Prinzipien für ein erfülltes Familienleben "Die Familie ist das Fundament unserer Gesellschaft", schreibt Stephen R. Covey in seinem Vorwort zu diesem Buch. Doch allzu häufig werden heute familiäre Bedürfnisse zurückgestellt, weil anderes vermeintlich Priorität hat: der Job, die Schule, Freunde, Sport, soziale Medien, Hobbys etc. Die Liste ließe sich noch lange weiterführen. Und tatsächlich gibt es viele Dinge, die wir tun müssen und die Zeit beanspruchen. Doch letztlich haben wir es selbst in der Hand, welches Gewicht wir den Beziehungen zu den Menschen in unserem engsten Umkreis geben wollen. In diesem Ratgeber überträgt Stephen R. Covey die universellen Prinzipien seines Weltbestsellers "Die 7 Wege zur Effektivität" auf die besonderen Belange von Familien und gibt Antworten auf die drängendsten Fragen, die sich Familien heutzutage stellen, unter anderem: - Wie finden wir gemeinsame Zeit für die Familie, insbesondere wenn beide Eltern arbeiten? - Wie gelingt uns ein harmonisches Zusammenleben in der Familie? - Wie überwinden wir negative Emotionen und wie geben wir Feedback? - Wie können wir unsere Kinder dazu bringen, ihre Pflichten aus freien Stücken und gern zu erledigen, ohne dass wir sie bestechen oder dazu ermahnen müssen? - Wie bringen wir Spaß, Abenteuer und Abwechslung in die Familie, sodass die Bedürfnisse aller erfüllt werden?Covey veranschaulicht seine weltberühmten Paradigmen eingängig anhand zahlreicher wahrer Beispielgeschichten aus dem familiären Alltag und gibt praktische Tipps, wie man sie anwendet, um ein stabiles und liebevolles Familienleben aufbauen zu können – über mehrere Generationen hinweg. Er zeigt Ihnen, wie Sie Ihre ganz persönliche Situation analysieren und praktische Möglichkeiten im Alltag finden, das Beste aus Ihrem (Familien-)Leben zu machen. Ein inspirierendes und praktisches Buch für alle, die sich starke und harmonische Beziehungen wünschen.

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»Es gibt keinen besseren Weg,

fortlaufend den Geist zu erweitern,

als es sich zur Gewohnheit zu machen,

regelmäßig gute Literatur zu lesen.«

STEPHEN R. COVEY

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Stephen R. Covey

Die 7 Wege zur Effektivität für starke Familien

Aus dem Amerikanischen von Ingrid Proß-Gill

9., gekürzte und überarbeitete Auflage

Die amerikanische Originalausgabe »The 7 Habits of Highly Effective Families« erschien 1997 bei St. Martin’s Press, LLC, USA.

All rights reserved. No part of this work may be reproduced or transmitted in any form or by any means, electronic or mechanical, including photocopying and recording, or by any information storage or retrieval system.

FranklinCovey and the FC logo and trademarks are trademarks of FranklinCovey Co. and their use is by permission.

© 2023 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2023 erschienenen Buchtitel »Die 7 Wege zur Effektivität für starke Familien« von Stephen R. Covey ©2023 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-96739-149-7

ISBN epub: 978-3-96740-002-1

Lektorat: Claudia Franz, Oberstaufen | [email protected]

Umschlaggestaltung: total italic (Thierry Wijnberg), Amsterdam / Berlin | www.totalitalic.com

Titelabbildungen: Shutterstock / Elena Design Studio | Shutterstock / mhatzapa | Shutterstock / Nikolaeva

Abbildungen im Innenteil: Icons S. 24, 69, 149, 181, 225, 252, 288, 336 © Yurii / Adobe Stock, S. 26, 71, 109, 150, 183, 226, 253, 289, 334 © blankstock / Adobe Stock

Satz und Layout: Das Herstellungsbüro, Hamburg | www.buch-herstellungsbuero.de

9., gekürzte und überarbeitete Auflage des unter dem Titel »Die 7 Wege zur Effektivität für Familien« (ISBN 978-3-89749-728-3) erschienenen Titels.

Copyright © der Originalausgabe 1997 by FranklinCovey Company

Copyright © 2023, 2007 by GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

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Inhalt

Die Familie als Schlüssel zum Glück

Einige persönliche Worte zu Beginn

Sie werden 90 Prozent der Zeit nicht »auf Kurs« sein – aber das macht nichts!

1. Weg: Pro-aktiv sein

Positive Veränderungen in der Familie auf den Weg bringen

2. Weg: Schon am Anfang das Ende im Sinn haben

Ein Leitbild für die Familie entwickeln

3. Weg: Das Wichtigste zuerst tun

Die Familie an die erste Stelle setzen

4. Weg: Win-Win-Denken

Aus dem »Ich« ein »Wir« machen

5. Weg: Erst verstehen, dann verstanden werden

Die Kommunikation in der Familie verbessern

6. Weg: Synergie schaffen

Unterschiede schätzen und gemeinsam mehr erreichen

7. Weg: Die Säge schärfen

Gemeinsame Auszeiten für die Familie schaffen

Vom Überleben … zur Stabilität … zum Erfolg … zur Bedeutsamkeit

Anmerkungen

Kurzüberblick: Die 7 Wege zur Effektivität für Familien

Über den Autor

FÜR ALLE KINDER,UNSERE GEMEINSAME LEBENSAUFGABE

Die Familie als Schlüssel zum Glück

Während der letzten 25 Jahre haben wir die Prinzipien und Konzepte der 7 Wege zur Effektivität für Familien unzähligen Menschen auf der ganzen Welt nahegebracht. Dabei haben wir unendlich viel gelernt. Das Wichtigste zuerst: Es steht uns nicht zu, Ihnen vorzugeben, was eine Familie ist. Alleinerziehende Mutter, alleinerziehender Vater, Patchwork-Familien mit Kindern aus unterschiedlichen Beziehungen, Familien mit mehr als zwei erwachsenen Bezugspersonen, Familien mit Adoptivkindern, Großmutter oder Großvater in der Elternrolle: Den gelebten Modellen sind keine Grenzen gesetzt.

»Familie« ist nicht einfach nur ein Begriff, der eine Gruppe von Menschen bezeichnet, die unter einem Dach leben. Es ist weit mehr als das. Sie werden auf der ganzen Welt keine Kultur finden, der die Familie nicht »heilig« ist. Deshalb sollten wir alles Menschenmögliche tun, um unser Familienleben glücklich und erfüllend zu gestalten. Ein effektives, erfolgreiches Familienleben ist nicht nur der Schlüssel für unser persönliches Glück, sondern auch die Voraussetzung für das Wohlergehen unserer Gesellschaft. Ja, es bildet den Grundstein unserer Zukunft.

Vielleicht fragen Sie sich, was die eine Familie effektiver und die andere weniger effektiv macht? Gibt es so etwas wie Prinzipien der menschlichen Effektivität? Die Antwort lautet: Ja!

Vor wenigen Jahren erschien eine Studie mit dem Titel Hardwired to Connect. Darin stellten 33 international anerkannte Kinderärzte und Wissenschaftler interessante neue Forschungsergebnisse vor. Im Mittelpunkt standen zwei Fragen: Warum sind wir Menschen so, wie wir sind? Und: Was brauchen wir, damit es uns emotional gut geht? Das Fazit: Wir werden geboren, um miteinander in Beziehung zu treten. Neben dem reinen Überleben haben wir kein größeres Bedürfnis als das nach menschlicher Nähe. Die Studie hat sogar noch mehr gezeigt: Menschen, die Beziehungen zu anderen aufbauen und pflegen, sind glücklicher und leben länger.1

Dieses Buch stellt Ihnen das Prinzip der menschlichen Beziehung vor und bringt es auf eine höhere Stufe – die effektive menschliche Beziehung. Auch Ihnen wird die menschliche Effektivität helfen, ein glückliches Familienleben zu führen – ganz gleich, aus welcher Kultur Sie stammen oder in welcher Situation Sie sich gerade befinden. Denn das Prinzip der effektiven menschlichen Beziehung ist zeitlos und allgemeingültig.

Anschaulich zeigt Ihnen dieses Buch, wie Stephen und Sandra Covey mit ihren neun Kindern und viele andere Familien die 7 Wege leben. Ich, John, kannte Stephen, seit ich auf der Welt war. Denn Stephen ist mein großer Bruder. Und ich, Jane, kann Stephens Einfluss auf das Leben meines Mannes nur bestätigen. Zudem konnte ich hautnah miterleben, wie Stephen und Sandra das Leben ihrer Kinder und Enkel prägten. Sie waren echte Vorbilder für ein effektives Familienleben. Ich bin den beiden unendlich dankbar für alles, was meine Familie und ich von ihnen lernen durften.

Dieses Buch wurde für Sie und Ihre Familie geschrieben. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen und viel Freude auf dem Weg zu effektiven menschlichen Beziehungen und einem glücklichen, erfüllten Familienleben.

Dr. John und Jane Covey

Einige persönliche Worte zu Beginn

Liebe Leserinnen und Leser,

mit so viel Leidenschaft habe ich noch nie an einem Projekt gearbeitet. Die Familie ist für mich das Wichtigste überhaupt. Deshalb möchte ich Ihnen zeigen, wie Sie die 7 Wege zur Effektivität auch in Ihrer Familie erfolgreich umsetzen können. Sie werden sehen, es funktioniert!

Wie viel soll ich von unserer Familie und unseren ganz persönlichen Erfahrungen mit den 7 Wegen erzählen? Diese Frage beschäftigte mich bei der Arbeit an diesem Buch immer wieder. Natürlich ist jede Familie einmalig. Zudem gibt es nicht für jedes Familienproblem eine einfache Patentlösung. Dennoch sind sich Familien in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich. Oft stehen Familien vor denselben Problemen und Herausforderungen. Auch bei uns herrscht nicht immer eitel Sonnenschein. Deshalb habe ich meine Frau Sandra und unsere Kinder um Beiträge zu diesem Buch gebeten – über das Gute, aber auch über die schwierigen Momente in unserer Familie. Unsere Berichte und Erzählungen dienen zur Veranschaulichung allgemeingültiger, zeitloser Prinzipien, die auch Ihnen und Ihrer Familie eine echte Hilfe sein können.

Mit diesem Buch möchte ich Ihnen vor allem ein Stück Hoffnung vermitteln. Ich möchte Ihnen zeigen, wie stark die 7 Wege gerade im Bereich der Familie sind. Und ich bin sicher: Die 7 Wege werden auch in Ihrer Familie viel Gutes bewirken.

Die Familie ist die wichtigste Aufgabe in unserem Leben. Hier können wir unsere größte Erfüllung finden. Amerikas frühere First Lady Barbara Bush hat das in ihrer Rede vor den Absolventinnen des Wellesley College wunderbar auf den Punkt gebracht: »So wichtig Ihre Aufgaben als Ärztin, Anwältin oder Unternehmerin auch sein werden – Sie sind doch zuallererst Menschen. Ihre Beziehungen zu Ihren Partnern, Kindern und Freunden sind die wichtigsten Investitionen in Ihrem Leben. Am Ende Ihres Lebens werden Sie nicht bedauern, dass Sie nicht noch eine Prüfung bestanden, noch einen Prozess gewonnen oder noch einen Auftrag erfolgreich abgeschlossen haben. Im Gegenteil: Es wird Ihnen um die Zeit leidtun, die Sie nicht mit Ihrem Partner oder Ihren Kindern, Freunden und Eltern verbracht haben … Für unseren Erfolg als Gesellschaft ist nicht entscheidend, was im Weißen Haus geschieht, sondern was in Ihrem Haus passiert.«1

Die Familie ist das Fundament unserer Gesellschaft. Was passiert, wenn wir unsere Zeit und Energie allen anderen Lebensbereichen widmen, die Familie dabei aber vernachlässigen? Für mich ist das so, als würden wir die Liegestühle auf der untergehenden Titanic schön in Reih und Glied aufstellen.

Ihr Stephen R. Covey

Sie werden 90 Prozent der Zeit nicht »auf Kurs« sein – aber das macht nichts!

Auch effektive, starke Familien sind 90 Prozent der Zeit nicht auf Kurs! Der entscheidende Punkt ist, dass sie ein klares Ziel haben. Wir können das mit einem Flug vergleichen. Die Piloten haben einen Flugplan und ein Ziel. Doch unterwegs werden sie durch Wind, Regen, Turbulenzen oder ein hohes Flugaufkommen immer wieder vom Kurs abgebracht. Es gibt ständig irgendwelche Abweichungen vom Flugplan. Die gute Nachricht? Solange es nicht zu dramatischen Zwischenfällen kommt, wird das Flugzeug sein Ziel trotzdem erreichen.

Meiner Ansicht nach sind Flugzeuge das ideale Bild für das Familienleben. Es spielt keine Rolle, ob die Familie vom Kurs abgekommen ist oder ob sogar richtiges Chaos herrscht. Letztlich sind drei Dinge wichtig:

eine klare Vorstellung von Ihrem

Ziel

,

ein konkreter

Plan

und

ein

Kompass

, der Ihnen hilft, Abweichungen zu erkennen, Korrekturen vorzunehmen und immer wieder auf den richtigen Kurs zurückzukommen.

In diesem Buch werde ich die Flugzeug-Metapher immer wieder aufgreifen. Sie soll Ihnen Hoffnung, Mut und Zuversicht geben. Denn auch Sie können eine effektive, starke und glückliche Familie aufbauen!

UNSER SOHN SEAN

Grundsätzlich würde ich sagen, dass es in unserer Familie ebenso viele Kämpfe gab wie in allen anderen. Auch wir hatten Probleme. Ich bin aber überzeugt, dass die Beziehungen in unserer Familie durch die Fähigkeit, Fehler einzusehen, um Verzeihung zu bitten und es noch mal zu versuchen, sehr stark wurden.

Am besten erinnere ich mich daran, dass mein Vater sich immer entschuldigte. Immer! Beispielsweise entschuldigte er sich dafür, dass er die Beherrschung verloren hatte. Dann bekam ich ein schlechtes Gewissen, weil ich tief in meinem Inneren wusste, dass ich ihn provoziert hatte.

Ich glaube, das Besondere an unserer Familie war, dass meine Mutter und mein Vater sich nie entmutigen ließen. Sie gaben nicht auf, auch wenn wir auf Irrwege gerieten und es so aussah, als ob ihre Pläne, ihre Ziele und die Aufgabenverteilung in unserer Familie nie funktionieren würden.

Drei Grundsteine für eine effektive, starke und glückliche Familie

In diesem Buch möchte ich Ihnen drei Dinge an die Hand geben, die Ihnen und Ihrer Familie helfen werden, auf Kurs zu bleiben: ein Ziel, einen Flugplan und einen Kompass.

1. Eine klare Vorstellung von Ihrem Ziel

Mir ist bewusst, dass Ihre familiäre Situation und Ihre persönlichen Wünsche und Ziele einmalig sind. Vielleicht bemühen Sie sich gerade, Ihre Beziehung zu retten? Oder sind Sie alleinerziehend und fühlen sich der Verantwortung nicht gewachsen? Haben Sie Probleme mit einem trotzigen Kind oder einem rebellischen Teenager? Versuchen Sie, aus zwei Familien eine starke Gemeinschaft zu machen?

Vielleicht wünschen Sie sich ja auch, dass Ihre Kinder ihre Hausaufgaben oder ihre Pflichten im Haushalt gerne erledigen, ohne dass Sie sie ständig daran erinnern müssen? Schwanken Sie zwischen Strenge und Nachsichtigkeit und wissen nicht, wie Sie Ihren Kindern klare Grenzen setzen sollen?

Möglicherweise müssen Sie darum kämpfen, finanziell über die Runden zu kommen. Sie arbeiten fast rund um die Uhr und sehen die Menschen, die Sie lieben, nur noch zwischen Tür und Angel. Und ein glückliches Familienleben scheint in weiter Ferne.

Es könnte auch sein, dass in Ihrer Familie großes Konkurrenzdenken herrscht, dass man sich streitet und bekämpft, schreit und brüllt.

Oder ist die Liebe in Ihrer Partnerschaft erloschen? Fühlen Sie sich leer und allein? Obwohl Sie sich bemühen, kommen Sie einander einfach nicht mehr näher? Sind Sie ausgelaugt, haben Sie das Gefühl, dass Sie ja doch nichts ändern können? Fragen Sie sich, was für einen Sinn das alles hat?

Wie Ihre Situation auch aussehen mag: Es ist wichtig, dass Sie Ihre Familie nicht mit anderen vergleichen. Das ganze Ausmaß Ihrer Belastungen kann niemand nachvollziehen. Deshalb werden Ihnen Ratschläge von anderen nicht wirklich helfen. Umgekehrt können auch Sie nicht hinter die Kulissen anderer Familien blicken. Dennoch übertragen wir unsere eigene Situation oft auf andere. Wir meinen es gut und versuchen, ihnen unsere Ratschläge aufzudrängen. Doch was wir an der Oberfläche sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs. Viele Leute glauben, dass alle anderen Familien perfekt sind und nur ihre eigene mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Tatsache ist: Jede Familie muss ihre ganz speziellen Herausforderungen meistern und schleppt ihren eigenen Sack Probleme mit sich herum.

Visionen sind größer als alle Herausforderungen und Probleme.

Die gute Nachricht? Visionen sind größer sind als alle Herausforderungen und Probleme. Ihre Vorstellungen von einer besseren Zukunft sind stärker als alles Negative. Aber wie entwickeln Sie eine gemeinsame Vision für Ihre Familie? Ich werde Ihnen zeigen, wie Sie ein »Leitbild« verfassen und Ihrer Familie so Zusammenhalt und Stärke geben. Ihr Leitbild wird zum gemeinsamen Ziel. Seine Werte werden zum Fixstern für Ihre Familie und geben Ihnen auch in schwierigen Situationen Halt und Orientierung.

Die Vision von einer effektiven, starken und glücklichen Familie kann nur wahr werden, wenn alle von Beginn an miteinbezogen werden. Warum das so wichtig ist? Haben Sie schon mal gemeinsam mit Ihrer Familie ein Puzzle gemacht? Dann wissen Sie: Alle Beteiligten müssen wissen, wie das fertige Bild aussehen soll. Ohne dieses Bild, ohne diese gemeinsame Vision, würden alle in verschiedene Richtungen gehen und das Ergebnis wäre ein riesiges Durcheinander. Nur wenn Ihr Ziel klar ist, können Sie immer wieder Kurskorrekturen vornehmen und zu Ihrem Flugplan zurückkehren.

2. Ein Flugplan

Natürlich brauchen Sie auch einen Flugplan, der Ihnen hilft, Ihr Ziel zu erreichen. Das zeigt auch die folgende Geschichte:

Ich habe einen lieben Freund, der mir eines Tages anvertraute, dass er große Probleme mit seinem Sohn habe.

»Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Ich habe alles versucht, aber der Junge lässt mich nicht an sich heran.«

Damals hielt ich gerade an der Universität einen Kurs zu den 7 Wegen. Ich bot ihm an, daran teilzunehmen: »Wir werden über den 5. Weg sprechen. Dabei geht es darum, dass man anderen erst zuhören muss, bevor man versucht, selbst verstanden zu werden. Ich vermute, dass dein Sohn sich einfach nicht verstanden fühlt.«

»Ich verstehe ihn sehr gut«, antwortete mein Freund. »Und ich weiß, dass er große Schwierigkeiten bekommt, wenn er nicht auf mich hört!«

»Geh davon aus, dass du gar nichts über den Jungen weißt! Fang noch mal von vorn an: Hör ihm einfach zu – ohne ihn zu beurteilen oder zu bewerten. Komm mit in meinen Kurs, dort lernst du, wie man das macht.«

Er kam tatsächlich mit. Allerdings glaubte er, auf Anhieb alles verstanden zu haben. Also sagte er zu seinem Sohn: »Ich muss dir zuhören. Ich verstehe dich wahrscheinlich nicht. Aber ich will dich verstehen.«

»Du hast mich noch nie verstanden!«, erwiderte der Sohn, drehte sich um und lief aus dem Zimmer.

Am nächsten Tag beschwerte sich mein Freund: »Es hat nicht funktioniert, Stephen! Ich habe mich bemüht, aber er hat mich abblitzen lassen!«

»Er testet, ob du es ehrlich mit ihm meinst«, erklärte ich. »Und was muss er feststellen? Dass du ihn gar nicht verstehen willst. Du willst nur, dass er sich ändert.«

»Mit Recht! Er weiß genau, dass es so nicht weitergehen kann!«

Ich sagte: »Du bist wütend, frustriert und voller Vorurteile. Glaubst du, dass du deinen Sohn so dazu bewegen kannst, sich dir zu öffnen? Dass du mit ihm sprechen oder ihn auch nur ansehen kannst, ohne dass er deine Ablehnung spürt? Du musst lernen, ihn bedingungslos zu lieben – einfach so, wie er ist. Du kannst ihm deine Liebe nicht entziehen, wenn er sich nicht so verhält, wie du es möchtest: Du musst daran arbeiten, ihm richtig zuzuhören. Zudem solltest du dich für deine vorschnellen Urteile und Fehler entschuldigen.«

Meinem Freund wurde klar, dass er seinen Sohn nur zurückgewinnen konnte, wenn er sich aufrichtig bemühte, ihn zu verstehen. Er musste aufhören, ihn bewerten und bessern zu wollen.

Er kam weiter in meinen Kurs und arbeitete hart an sich. Schon bald spürte er eine Veränderung: Seine Gefühle für seinen Sohn wurden liebevoller, verständnisvoller und offener.

»Ich bin so weit!«, sagte er schließlich: »Ich will es noch mal versuchen.«

Ich machte ihm klar, dass der Junge ihn erneut testen würde.

»Das macht nichts, Stephen! Es ist in Ordnung, wenn er ablehnend reagiert. Ich werde es trotzdem weiter versuchen. Ich weiß, dass er es wert ist.«

An diesem Abend sagte er zu seinem Sohn: »Ich habe nicht wirklich versucht, dich zu verstehen. Aber du sollst wissen, dass ich mich jetzt ernsthaft bemühe und es auch weiterhin versuchen werde.«

»Du hast mich noch nie verstanden!«, erwiderte der Junge und ging zur Tür. Als er sie fast erreicht hatte, sagte mein Freund: »Bevor du gehst, möchte ich dir noch was sagen: Es tut mir ehrlich leid, dass ich dich kürzlich vor deinen Freunden so blamiert habe.«

Sein Sohn fuhr ihn wütend an: »Du hast keine Ahnung, wie schlimm das für mich war!« Seine Augen füllten sich mit Tränen.

Später erzählte mir mein Freund: »Der Moment, in dem mein Sohn anfing zu weinen, hat alles verändert. Mir war nicht klar, wie verletzlich er ist. In diesem Augenblick wollte ich ihm zum ersten Mal wirklich zuhören.«

Das machte er dann auch. Ganz allmählich kamen sich die beiden wieder näher. Sie sprachen bis weit nach Mitternacht. Als die Mutter hereinkam und sagte, es sei Zeit zum Schlafengehen, erwiderte der Junge sofort: »Wir wollen weiterreden, bitte, Papa!« Dann saßen sie noch bis in die frühen Morgenstunden zusammen.

Am nächsten Tag sagte mir mein Freund unter Tränen: »Stephen, ich habe meinen Sohn wiedergefunden – danke!«

Mein Freund hatte erkannt: Für unsere Beziehungen gelten grundlegende Prinzipien. Ein harmonisches Familienleben kann es nur geben, wenn wir uns an diese Prinzipien halten. Allerdings hatte mein Freund gegen das Grundprinzip des Respekts verstoßen. Sein Sohn auch. Doch dann entschied sich mein Freund dafür, dieses Prinzip künftig zu beherzigen. Er versuchte, seinem Sohn einfühlsam zuzuhören und ihn wirklich zu verstehen. Das veränderte alles.

Menschen, die die 7 Wege verinnerlicht haben, halten sich an das Prinzip des Respekts. Sie wissen: Dieses Prinzip wird sie ans Ziel führen. Wie alle Prinzipien, auf denen die 7 Wege beruhen, ist es universell (allgemeingültig), zeitlos (immer gültig) und offensichtlich (unbestreitbar).

Prinzipien sind wie Naturgesetze. Man kann sie nicht einfach außer Kraft setzen!

Die Prinzipien kann man sehr gut mit Naturgesetzen vergleichen. Genauso unumstößlich wie das Gesetz der Schwerkraft in der Welt der Physik gelten die Prinzipien in der Welt der zwischenmenschlichen Beziehungen. Weder die Naturgesetze noch die Prinzipien kann man einfach so außer Kraft setzen. Letztlich herrschen diese Prinzipien überall im Leben. Sie wurden schon immer von erfolgreichen Menschen, Familien, Organisationen und Zivilisationen angewandt. Die 7 Wege sind keine Tricks oder Patentrezepte und auch keine To-do-Listen, die man einfach abhaken kann. Es sind Gewohnheiten, bewährte Denk- und Handlungsmuster, die alle effektiven, starken Familien gemeinsam haben. Verstöße gegen diese Prinzipien sind praktisch eine Garantie für Misserfolge in der Familie und in allen anderen zwischenmenschlichen Beziehungen.

Zwei Elternteile oder nur einer, zehn Kinder oder gar keins, Vernachlässigung und Streitigkeiten über Generationen oder ein Vermächtnis von Liebe und Treue – glückliche Familien haben bestimmte Gemeinsamkeiten. Genau diese Gemeinsamkeiten beinhalten die 7 Wege.

Bei einem anderen wichtigen Prinzip, das mein Freund lernte, geht es um das Wesen von Veränderungen: Alle echten, dauerhaften Veränderungen verlaufen von innen nach außen. Mein Freund versuchte nicht, die Situation oder seinen Sohn zu ändern, sondern er arbeitete an sich selbst. Seine eigene Veränderung bewirkte schließlich auch die Veränderung seines Sohnes.

Von innen nach außen – diese Vorgehensweise bildet den Kern der 7 Wege. Wenn Sie die Prinzipien aus den 7 Wegen konsequent beherzigen, können Sie in allen Ihren Beziehungen dauerhafte positive Veränderungen herbeiführen. Zudem ist es viel einfacher, sich auf Prinzipien zu konzentrieren, statt krampfhaft zu versuchen, das Verhalten anderer zu ändern. Woran das liegt? Die anderen kennen die Prinzipien intuitiv. Sie sind tief in ihnen verwurzelt. Indem wir uns selbst an die Prinzipien halten, helfen wir den anderen, ihre Möglichkeiten zu erkennen und ihr Potential auszuschöpfen.

Das Vorgehen von innen nach außen ist wichtiger denn je. Mehr noch: Meiner Ansicht nach ist es der einzige Ansatz, der heute noch funktioniert. Früher sagten die Eltern ihren Kindern, was sie zu tun oder zu lassen hatten. Aber Kinder müssen in Entscheidungen, die sie betreffen, einbezogen werden. In einer Welt, in der sie unendlich viele Möglichkeiten haben, müssen sie frühzeitig lernen, wie sie die richtigen Entscheidungen treffen. Dabei dienen ihnen die Prinzipien aus den 7 Wegen als zuverlässige Orientierungshilfe und sicherer Leitfaden.

Bei einer Tagung zum Thema Familie berichtete der Gouverneur eines US-amerikanischen Bundesstaates von einem sehr bedrückenden Vorfall:

WIE SCHÜTZEN WIR UNSERE KINDER?

Ich habe mich neulich mit einem Mann unterhalten, der in meinen Augen ein sehr guter Vater ist. Er hat mir eine furchtbare Geschichte erzählt: Sein siebenjähriger Sohn quälte sich offensichtlich mit irgendetwas herum. Er sagte: »Papa, ich muss einfach immer daran denken!« Der Vater nahm an, dass es sich um einen Albtraum oder einen gruseligen Film handelte.

Nachdem der Vater ihm lange gut zugeredet hatte, rückte der Junge schließlich mit der Sprache heraus: Es ging um Hardcore-Pornographie, die er im Internet gesehen hatte. Natürlich fragte der Vater, wer ihm die Pornos gezeigt hatte. Sein Sohn nannte ihm den Namen eines neunjährigen Nachbarsjungen.

Der Vater ging zu den Eltern des Neunjährigen, die genauso entsetzt waren wie er selbst. Als sie ihren Sohn mit der Sache konfrontierten, bekam er einen Weinkrampf: »Ich weiß, dass es falsch ist, aber ich sehe es mir einfach immer wieder an!«

Die Eltern nahmen an, dass ein Erwachsener hinter der Sache steckte. Das war jedoch nicht der Fall. Der Neunjährige hatte die Internetadresse von einem Sechstklässler in der Schule bekommen. Dieser Junge hatte zu ihm gesagt: »Das musst du dir ansehen, ist echt cool!« Die Adresse hatte sich dann in Windeseile in der ganzen Nachbarschaft verbreitet.

Der Vater meinte noch, sie hätten ihren Kindern gezeigt, wie man einen Computer benutzt, weil sie das für wichtig gehalten hätten. Der Neunjährige hatte alles sehr schnell verstanden und konnte richtig gut mit dem PC umgehen. Natürlich hatten die Eltern versucht, den Internet-Konsum ihres Sohnes zu kontrollieren. Dennoch hatten sie ihm – ohne es zu wollen oder auch nur zu ahnen – den Zugang zu einer Porno-Hölle ermöglicht.1

Wie konnte das passieren? Wie kann unsere Gesellschaft zulassen, dass Kinder, die bei solchen Dingen keine Erfahrung und kein Urteilsvermögen haben, durch moderne Technik und digitale Medien Opfer so gefährlicher, süchtig machender Dinge wie Pornographie werden?

Mit den 7 Wegen bleiben Familien auch in turbulenten Zeiten auf Kurs.

In unserer modernen Welt haben so gut wie alle Kinder Smartphones, die sie mit einer unglaublich spannenden, aber auch sehr bedrohlichen Welt in Kontakt bringen. Hier reicht der Wunsch, eine starke, intakte Familie zu haben, längst nicht mehr aus. Die Herausforderungen, vor denen Familien heute stehen, haben einen Quantensprung gemacht, also müssen wir das auch tun. Was wir brauchen, sind völlig neue Denkmuster, Fähigkeiten und Verhaltensweisen. Die 7 Wege bieten Ihnen genau das. Ich werde Ihnen in diesem Buch zeigen, wie es den verschiedensten Familien gelungen ist, mit Hilfe der 7 Wege auch in unserer turbulenten Zeit den richtigen Kurs einzuschlagen und beizubehalten.

Ich möchte Sie vor allem dazu anregen, jede Woche Ihre ganz spezielle »Familienzeit« einzuplanen. Diese Zeit mit Ihrer Familie sollte Ihnen heilig sein. Hier können Sie gemeinsame Pläne schmieden, in Ruhe miteinander reden, Ihren Kindern wichtige Werte vermitteln oder einfach nur Spaß haben. Ihre Familienzeit wird viel dazu beitragen, dass Sie und Ihre Familie auf Kurs bleiben. Außerdem ist es wichtig, dass Sie regelmäßig Zeit mit den einzelnen Familienmitgliedern verbringen. Diese Zeit gehört nur Ihnen und dem entsprechenden Familienmitglied. Die ungestörte gemeinsame Zeit ist wichtig, um die Bindung zwischen Ihnen zu vertiefen. Was Sie in dieser »Eins-zu-Eins-Zeit« machen, darf sich gewöhnlich der andere wünschen. Sie werden sehen: Wenn Sie diese beiden einfachen Ratschläge befolgen, wird sich die Qualität Ihres Familienlebens schon bald ganz erheblich verbessern.

Alfred North Whitehead hat einmal gesagt: »Wer es sich zur Gewohnheit macht, tragfähige Prinzipien aktiv zu nutzen, der erlangt wahre Weisheit.«2 Es ist nicht nötig, dass Sie sich Dutzende neuer Verhaltensweisen aneignen. Alles, was Sie brauchen, ist ein Grundstock fundamentaler Prinzipien, den Sie in jeder Situation anwenden können.

Diesen Grundstock bieten Ihnen die 7 Wege. In diesem Buch werde ich Ihnen zeigen, wie Sie Ihr Familienleben an den Prinzipien der 7 Wege ausrichten. Wenn Sie das konsequent tun, werden Sie schon bald erste positive Veränderungen in Ihrer Familie sehen.

3. Ein Kompass

Das Modell der 7 Wege zeigt: Sie selbst sind die treibende Kraft in Ihrem Leben. Es liegt an Ihnen, positive Veränderungen in Ihrer Familie anzustoßen. Aber wie bleiben Sie dabei auf dem richtigen Kurs? Ihr Kompass sind vier einzigartige Gaben, die Sie bereits seit Ihrer Geburt in sich tragen. Deshalb nenne ich sie auch Geburts-Geschenke. Sie ermöglichen es Ihnen, fundamentale Prinzipien zu erkennen und Ihr Leben auch in turbulenten Zeiten daran auszurichten.

Ich sage es noch einmal: Niemand kennt Ihre Familiensituation so gut wie Sie. Sie sitzen im Cockpit. Es liegt an Ihnen, mit den Turbulenzen, dem Wetter und den äußeren Einflüssen, die an Ihnen und Ihrer Familie zerren, fertigzuwerden. Deshalb können nur Sie herausfinden, was das Beste für Ihre Familie ist. Und: Sie müssen dafür sorgen, dass es auch geschieht!

Vielleicht kennen Sie die folgende fernöstliche Weisheit: »Wer einem Hungrigen einen Fisch gibt, macht ihn für einen Tag satt. Wer ihn aber das Angeln lehrt, macht ihn für sein ganzes Leben satt.« Mit diesem Buch möchte ich Ihnen keinen »Fisch« geben. Ich möchte Ihnen das Angeln beibringen. Der Schlüssel dazu sind die Prinzipien, die ich Ihnen in den nächsten Kapiteln vorstellen werde. Zudem finden Sie in diesem Buch viele Beispiele, wie Familien die 7 Wege in völlig unterschiedlichen Situationen erfolgreich umgesetzt haben. Die Geschichten werden nicht immer auf Ihre persönliche Situation zutreffen, die Prinzipien aber schon. Das kann ich Ihnen schon jetzt versprechen!

Das Ende im Sinn: Eine effektive, starke Familie

Eine effektive, starke Familie hat den Schritt vom »Ich« zum »Wir« vollzogen. Die Familie an sich ist eine »Wir«-Erfahrung, eine »Wir«-Mentalität. Dennoch gehört der Übergang vom »Ich« zum »Wir« zu den schwierigsten Aspekten des Familienlebens.

Wenn Ihr Glück vor allem darauf beruht, dass Ihre Familie glücklich ist, haben Sie den Sprung vom »Ich« zum »Wir« erfolgreich gemeistert. Sobald bei Ihnen die Familie an erster Stelle steht, eröffnen sich Ihnen völlig neue Perspektiven. Allerdings sind viele Ehen nichts weiter als das Zusammenleben zweier verheirateter Singles. Hier ist das »Wir« in weiter Ferne. Es gibt kein Miteinander, sondern nur ein Nebeneinander. Ganz anders sieht es in effektiven, starken Familien aus. Dort wird die »Wir«-Kultur von allen gelebt. Eine echte »Wir«-Kultur ermöglicht es, gemeinsame Ziele zu haben und diese Hand in Hand zu erreichen. Sie hilft Familien, auch unter schwierigsten Bedingungen auf Kurs zu bleiben und Krisen wie finanzielle Engpässe, Streitigkeiten oder Krankheiten gemeinsam zu meistern.

Beziehen Sie Ihre Familie von Anfang an mit ein

Bevor wir mit den 7 Wegen für effektive Familien starten, möchte ich noch etwas Wichtiges sagen: Ich möchte mich herzlich für die unglaubliche Resonanz bedanken, die ich von Menschen auf der ganzen Welt für die 7 Wege zur Effektivität bekommen habe. Ich habe unglaublich viele Zuschriften von Leuten bekommen, die die 7 Wege gerne in ihrer Familie umsetzen wollten. Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben. Einige der Familiengeschichten aus den 7 Wegen zur Effektivität, die besonders großen Anklang bei den Leserinnen und Lesern gefunden haben, werde ich auch in diesem Buch bringen. Die meisten Geschichten sind jedoch neu. Viele verdanke ich Menschen, die jeden Tag daran arbeiten, die 7 Wege in ihren eigenen Familien anzuwenden.3 Bitte achten Sie beim Lesen genau darauf, welche grundlegenden Prinzipien hier wirken. Das hilft Ihnen, die 7 Wege erfolgreich in Ihrer eigenen Familie umzusetzen.

Ganz wichtig ist, dass Sie Ihre Familie möglichst von Anfang an mit einbeziehen. Wenn Sie alles zusammen entdecken und ausprobieren, wird der Erkenntnisgewinn für alle viel größer sein. Zudem macht es gemeinsam wesentlich mehr Spaß, Neues zu entdecken. Das stärkt den Zusammenhalt in Ihrer Familie und ist eine große Hilfe beim Aufbau einer »Wir«-Kultur. Lesen Sie dieses Buch nach Möglichkeit zusammen. Vielleicht haben Sie ja Lust, es sich gegenseitig vorzulesen? Wenn Sie mögen, können Sie natürlich auch mit Ihrer Familie das Hörbuch, das zu diesem Buch erschienen ist, anhören. Sprechen Sie über die Geschichten und die Ideen. Um Ihre Familie langsam mit den 7 Wegen vertraut zu machen, können Sie einige der Geschichten zunächst auch beim Essen erzählen. Natürlich können Sie auch gleich intensiver über die Geschichten und deren Umsetzungsmöglichkeiten in Ihrer Familie diskutieren.

Gemeinsam macht es mehr Spaß, Neues zu entdecken!

Am Ende der einzelnen Kapitel finden Sie Vorschläge, wie Sie Ihrer Familie die 7 Wege näherbringen und alle intensiv mit einbeziehen können. Zudem finden Sie ganz hinten im Buch ein Diagramm zu den 7 Wegen und ein Glossar mit Erklärungen zu den wichtigsten Begriffen. Beides wird Ihnen helfen, Ihrer Familie die 7 Wege noch besser und anschaulicher zu vermitteln.

Bitte seien Sie geduldig und überstürzen Sie nichts. Es bringt nichts, wie ein Bulldozer durch die 7 Wege zu hetzen. Sie müssen jedes Familienmitglied genau dort abholen, wo es gerade steht.

Vielleicht wollen Sie vorerst niemanden aus Ihrer Familie einbeziehen? Möchten Sie die 7 Wege erst einmal in Ruhe erkunden? Oder geht es um heikle Punkte, die Sie zunächst für sich allein abklären wollen? Das ist alles völlig in Ordnung. Sie kennen Ihre Situation am besten. In den vielen Jahren, in denen ich mit den 7 Wegen gearbeitet habe, habe ich allerdings gelernt, dass es die Bindung innerhalb der Familie enorm festigt, wenn alle die 7 Wege Schritt für Schritt zusammen durcharbeiten. Wenn Sie alles gemeinsam lesen, darüber sprechen, miteinander diskutieren und die neuen Erkenntnisse gemeinsam gewinnen, dann herrscht ein Geist der Gleichheit: »Niemand ist perfekt. Keiner ist den anderen überlegen: Wir lernen und wachsen gemeinsam!«

Jetzt habe ich noch eine Bitte: Geben Sie nicht auf, wenn Sie am Anfang nicht so gut vorankommen, wie Sie sich das erhofft hatten. Rechnen Sie mit Problemen und Widerständen, wenn Sie mit Ihrer Familie etwas Neues ausprobieren wollen. Die folgenden Sätze werden Sie sehr wahrscheinlich zu hören bekommen:

»Weshalb können wir nicht einfach eine ganz normale Familie sein?«

»Was stimmt denn nicht mit uns?«

»Was soll der ganze Kram mit den Veränderungen?«

»Ich habe nur zehn Minuten Zeit, dann muss ich leider weg.«

»Darf ich einen Freund mitbringen?«

»Ich hab gerade eine wichtige Textnachricht bekommen.«

»Ich würde mir jetzt aber lieber die neue Netflix-Serie ansehen.«

Geben Sie nicht auf!

Wenn Widerstände auftauchen, dann lächeln Sie und machen Sie unbeirrt weiter. Oder, um Winston Churchill zu zitieren: »Never, never, never give up!«

Geduld ist ein Zeichen der Liebe. Wenn wir geduldig sind, helfen wir anderen dabei zu wachsen. Doch manchmal reißt uns der Geduldsfaden. Dann sollten wir uns bewusst machen, warum das passiert. So erfahren wir sehr viel über uns selbst, über unsere Schwächen, unsere Motive und Wünsche.

»MAMA, KOMM MICH BITTE IMMER HOLEN!«

Ich kannte ein kleines Mädchen, das immer wieder vor die Haustür lief. Doch die Mutter verlor nie die Geduld. Sie ging nach draußen, umarmte ihre Tochter und holte sie wieder herein. Eines Tages aber war sie so beschäftigt, dass sie vergaß, die Kleine reinzuholen. Nach einer Weile kam die Tochter wieder ins Haus. Ihre Mutter umarmte sie und sagte, dass sie froh wäre, dass sie wieder da sei. Da antwortete die Kleine: »Mama, bitte komm mich immer holen!«

Jeder von uns hat die tiefe Sehnsucht nach einem »Zuhause«, nach der Liebe seiner Familie. Auch wenn wir das Gefühl haben, ganz weit abgetrieben worden zu sein, können wir immer wieder auf Kurs kommen. Die Flugzeug-Metapher erinnert uns daran, dass das Ziel in Reichweite liegt. Unsere Reise kann uns sehr viel Wachstum und Freude bringen. Mehr noch: Sie ist ein fester Bestandteil des Ziels. Denn die Art und Weise, wie man reist, ist genauso wichtig wie der Ort, an dem man ankommt.

Trotz aller gegenläufigen gesellschaftlichen Trends wissen wir tief in unserem Inneren, wie wichtig die Familie für uns alle ist. Wenn ich meine Zuhörer auf der ganzen Welt nach den drei wichtigsten Dingen in ihrem Leben frage, nennen 95 Prozent »die Familie«. Die meisten setzen die Familie sogar an die erste Stelle.

Was sind die drei wichtigsten Dinge in Ihrem Leben?

Auch für mich ist meine Familie das Allerwichtigste in meinem Leben. Ich nehme an, dass es bei Ihnen auch so ist. Unser höchstes Glück und unsere größten Sorgen beruhen auf dem, was in unseren Familien passiert. Man sagt, keine Mutter ist glücklicher als ihr unglücklichstes Kind. Wir wünschen uns tief in unserem Herzen, dass in unserer Familie alles in Ordnung ist. Aber was ist, wenn das nicht der Fall ist? Dann denken wir, dass wir das Familienleben, das wir uns wünschen, niemals bekommen werden.

Doch es gibt Hoffnung, sogar sehr viel Hoffnung! Der entscheidende Punkt ist, dass wir daran denken, unermüdlich von innen nach außen zu arbeiten. Dass wir immer wieder auf unseren Kurs zurückkehren, auch wenn wir Fehler gemacht haben.

Die 7 Wege werden Ihnen helfen, eine effektive, starke Familie zu schaffen. Eine Familie, in der alle glücklich und geborgen sind. Also, fangen Sie gleich an. Nutzen Sie die Anregungen auf den nächsten beiden Seiten, um sich und Ihre Familie mit den 7 Wegen vertraut zu machen.

Wie Sie den Inhalt dieses Kapitels an Erwachsene und Jugendliche weitergeben

Das Familienleben ist wie der Flug eines Flugzeugs

Sehen Sie sich die Flugzeug-Metapher am Beginn dieses Kapitels noch einmal an. Fragen Sie die anderen in Ihrer Familie: »Wieso kann man unser Familienleben mit dem Flug eines Flugzeugs vergleichen?«

Fragen Sie: »Wann habt ihr das Gefühl, dass unsere Familie nicht auf Kurs ist?« Antworten könnten sein: in Stressphasen,

bei Konflikten und lautstarken Auseinandersetzungen, bei Vorwürfen und Kritik oder in Zeiten, in denen wir uns einsam und unsicher fühlen.

Fragen Sie: »Wann habt ihr das Gefühl, dass unsere Familie

auf Kurs ist?« Antworten könnten beispielsweise sein: wenn wir miteinander sprechen, uns Zeit füreinander nehmen und gemeinsam etwas Tolles unternehmen.

Bitten Sie die anderen, sich an eine Zeit zu erinnern, als sie nicht auf Kurs waren. Fragen Sie: »Woran lag das? Welche anderen Dinge beeinflussen unsere Familie negativ?«

Lesen Sie die Geschichte vom Vater und dem Sohn aus diesem Kapitel noch einmal (

Seite 14

). Fragen Sie: »Wie kommen wir wieder auf den richtigen Kurs zurück?« Beispiele wären: durch einfühlsames Zuhören, Eins-zu-Eins-Zeiten, Vergeben und Verzeihen oder wenn wir unseren Stolz beiseiteschieben, uns entschuldigen, unsere Denkweise ändern und uns auf das wirklich Wichtige konzentrieren.

Sprechen Sie darüber, wie alle in Ihrer Familie mithelfen können, wieder auf Kurs zu kommen.

Gemeinsam Neues lernen

Fragen Sie: »Wie lernen wir als Familie gemeinsam und vertiefen unsere Bindung?« Mögliche Antworten könnten sein: indem wir zusammen Geschichten lesen, Musik hören, Ausflüge machen, uns Familiengeschichten erzählen und uns Familienfotos ansehen.

Sprechen Sie darüber, wie Sie alle dazu bringen können, dieses Buch gemeinsam zu lesen und darüber zu diskutieren.

Geduld ist ein Zeichen von Liebe

Lesen Sie die Geschichte »Mama, komm mich bitte immer holen!« noch einmal (

Seite 22

). Fragen Sie: »Wann sollten wir mehr Geduld miteinander haben? Gibt es in unserer Familie Dinge, die einfach noch Zeit zum Wachsen brauchen?«

Buchtipp

Alle Inhalte dieses Buches basieren auf dem Weltbestseller

»Die 7 Wege zur Effektivität«. Es lohnt sich also, wenn Sie die »Die 7 Wege zur Effektivität« lesen. Mehr unter:

www.stephen-covey.de

Wie Sie Kindern den Inhalt dieses Kapitels vermitteln

Spielerisch lernen und den Zusammenhalt in der Familie stärken

Verbinden Sie jemandem aus Ihrer Familie die Augen. Führen Sie ihn an eine Stelle im Haus oder im Garten, von der die Rückkehr zum Ausgangspunkt mit verbundenen Augen nicht einfach ist. Achten Sie darauf, dass der Rückweg ungefährlich ist – ohne Stufen oder andere Hindernisse.

Drehen Sie den Betreffenden ein paarmal im Kreis. Erklären Sie ihm dann, dass er nun den Weg zurück zum Ausgangspunkt finden soll.

Lassen Sie ihn versuchen, den Rückweg zu finden. Fragen Sie ihn nach kurzer Zeit, ob er Hilfe braucht.

Bitten Sie die anderen, dem »Suchenden« zu helfen – beispielsweise mit folgenden Hinweisen: »Nach links – geradeaus – jetzt nach rechts!«

Fragen Sie den Betreffenden nach seiner Rückkehr an den Ausgangspunkt, ob es schwer war, den Weg zu finden, als er nichts sehen konnte und keine Hilfe bekam. Schlagen Sie den anderen vor, sich ebenfalls die Augen verbinden zu lassen und zu versuchen, den Rückweg zu finden.

Gespräch über das Spiel

Erklären Sie Ihren Kindern, dass Sie alle gemeinsam durchs Leben gehen, aber keiner in die Zukunft sehen kann. Sagen Sie ihnen, dass sie oft Hilfe von ihrer Familie brauchen werden, um ihr Ziel zu erreichen.

Sprechen Sie darüber, wie schön es ist, eine Familie zu haben, auf die man sich verlassen kann.

Machen Sie Ihren Kindern deutlich, weshalb ein »Flugplan« für die Familie so wichtig ist. Erklären Sie ihnen, dass der Plan ihnen dabei hilft, eine glückliche und starke Familie zu werden. Zeigen Sie ihnen, dass der Flugplan genauso wertvoll ist wie die Unterstützung, die sie bekommen haben, als sie den Rückweg mit verbundenen Augen finden mussten.

Aktiv werden

Beschließen Sie, sich einmal in der Woche zusammenzusetzen und über Ihren Flugplan zu sprechen. Reden Sie darüber, wie Sie sich gegenseitig unterstützen können, wie Sie gemeinsam Spaß haben und sich das ganze Leben lang eng verbunden bleiben können.

Verteilen Sie im Lauf der Woche an mehreren Stellen im Haus oder in der Wohnung auffällige Zettel zur Erinnerung an das nächste Familientreffen.

Planen Sie Aktivitäten, die die familiäre Bindung stärken – einen Besuch bei Verwandten, eine Radtour zur Eisdiele, einen gemeinsamen Sporttag … Sie können sich auch gegenseitig Geschichten erzählen, die zeigen, wie wichtig Ihnen allen die Familie ist und dass sie für Sie an erster Stelle steht.

1. Weg:

Pro-aktiv sein

Während eines Freisemesters auf Hawaii machte ich eine Erfahrung, die mein Leben von Grund auf veränderte. Eines Tages schlenderte ich gemächlich durch die Regalreihen einer Bibliothek. Plötzlich weckte ein Buch mein Interesse. Ich zog es heraus und blätterte darin herum. Mein Blick fiel auf drei Sätze, die mich wie ein Blitz trafen. Diese drei Sätze brannten sich für immer in mein Gedächtnis:

Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum.

In diesem Raum hat der Mensch die Freiheit zu wählen und seine Reaktion selbst zu bestimmen.

In dieser Freiheit liegen unser Wachstum und unser Glück.

Nur drei Sätze – doch sie hatten eine geradezu magische Wirkung auf mich. Ich genoss die grenzenlose Freiheit, die sie mir schenkten: Was mir im Leben auch passieren würde, ich hatte die Wahl. Es war allein meine Entscheidung, wie ich auf bestimmte Ereignisse reagieren wollte. Und in meiner Entscheidung lagen mein Wachstum und mein Glück.

Je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer erkannte ich: Meine Reaktionen konnten sogar einen Einfluss auf die Reize haben.

Als mir eines Abends bei Videoaufnahmen jemand einen Zettel zusteckte, wurde ich nachdrücklich daran erinnert: Sandra war am Telefon und wollte mich dringend sprechen.

Sie klang ziemlich ungeduldig. »Was ist denn los? Du weißt doch, dass wir heute Abend noch Besuch bekommen. Wo bleibst du denn?«

Sie war ziemlich verärgert. Doch ich war schon den ganzen Tag mit Videoaufnahmen in den Bergen beschäftigt. Als wir endlich zur letzten Szene kamen, wollte der Regisseur unbedingt, dass die Sonne dabei unterging. Deshalb mussten wir eine geschlagene Stunde auf den Sonnenuntergang warten.

Ich hatte mich darüber geärgert, dass wir nicht schneller vorankamen. Diesen Ärger bekam Sandra jetzt ab: »Sandra, es ist nicht meine Schuld, dass du diese Leute zum Essen eingeladen hast. Ich kann es nicht ändern, dass wir beim Dreh so weit hinter dem Zeitplan liegen. Du musst dir überlegen, wie du das alleine regeln kannst. Ich kann hier nicht weg. Und je länger wir jetzt miteinander sprechen, desto später wird es. Ich habe hier meine Arbeit zu erledigen. Ich komme, sobald ich kann.«

Als ich das Gespräch beendet hatte und zurück zum Drehort ging, wurde mir schlagartig bewusst: Ich hatte völlig ungerecht und komplett überzogen reagiert. Sandras Frage war durchaus berechtigt. Aber ich war so mit meinen eigenen Themen beschäftigt, dass ich keinerlei Verständnis für Sandras Anliegen gezeigt hatte. Im Gegenteil!

Je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir: So wollte ich mich meiner Frau gegenüber nicht verhalten! Das waren nicht die Gefühle, die ich mir in unserer Beziehung wünschte. Wenn ich doch bloß geduldiger gewesen wäre, verständnisvoller, rücksichtsvoller!

Das Problem war, dass ich im entscheidenden Moment nicht daran gedacht hatte. Statt auf der Grundlage meiner Prinzipien zu handeln, hatte ich allein aus dem Gefühl des Augenblicks heraus reagiert. Ich hatte mich von meinen negativen Emotionen beherrschen lassen. Sie waren so stark, dass sie mich blind dafür machten, was ich tief in meinem Inneren verspürte und was ich in Wirklichkeit tun wollte.

Zum Glück konnten wir die Aufnahmen schnell abschließen. Auf der Heimfahrt dachte ich nur an Sandra, nicht mehr an das Video. Mein Ärger war verflogen, mein Herz voller Verständnis und Liebe für meine Frau. Ich nahm mir vor, mich sofort bei ihr zu entschuldigen.

Die »Pausentaste« drücken

Es ist so leicht, reaktiv zu sein! Lassen Sie sich auch oft vom Augenblick hinreißen? Sagen Sie dann Dinge, die Sie gar nicht meinen? Tun Sie etwas, das Sie später bereuen? Und dann machen Sie sich Vorwürfe: »Hätte ich doch bloß innegehalten, um nachzudenken. Dann hätte ich nie so reagiert!«

Wir können nachdenken und unsere Reaktion selbst bestimmen.

Unser Familienleben wäre wesentlich besser, wenn wir alle auf der Grundlage unserer innersten Werte handeln würden. Natürlich wissen wir das. Dennoch reagieren wir oft nur auf die Gefühle des Augenblicks. Mit anderen Worten: Wir brauchen eine »Pausentaste«. Dann können wir zwischen dem, was uns gerade passiert, und unserer Reaktion kurz innehalten. Wir können nachdenken und unsere Reaktion selbst bestimmen.

Innehalten und klüger reagieren – das kann jeder von uns lernen. Wie das auch im Familienleben geht, darüber werden Sie in diesem Buch noch einiges erfahren. Denn die Pausentaste ist ein wichtiger Aspekt in den drei ersten Wegen zu Effektivität.

Vier Gaben als Grundvoraussetzung für Pro-Aktivität

Der 1. Weg – Pro-aktiv sein – ist unsere Fähigkeit, auf der Grundlage von Prinzipien und Werten zu handeln, statt nur auf unsere Gefühle oder die Umstände zu reagieren. Diese Fähigkeit verdanken wir vier verschiedenen Gaben, über die nur wir Menschen verfügen.

Um diese vier menschlichen Gaben zu veranschaulichen, möchte ich Ihnen zeigen, wie eine alleinerziehende Mutter sie nutzte, um in ihrer Familie positive Veränderungen anzustoßen:

VIER GABEN FÜR EIN BESSERES FAMILIENLEBEN

Ich habe mich mit meinen Kindern gestritten und sie haben sich untereinander gezofft – jahrelang. Oft habe ich geurteilt, kritisiert und geschimpft. Bei uns zu Hause gab es nur Streit. Ich wusste, dass ich durch meine ständige Nörgelei die Selbstachtung meiner Kinder untergrub. Andauernd nahm ich mir vor, mich zu ändern. Aber ich fiel wieder und wieder in meine alten Verhaltensmuster zurück.

Irgendwann hasste ich mich selbst. Ständig ließ ich meine Wut an den Kindern aus. Deshalb bekam ich immer schlimmere Gewissensbisse. Ich hatte das Gefühl, in einer Abwärtsspirale festzustecken, die schon in meiner Kindheit angefangen hatte. Mir war klar, dass etwas passieren musste – aber was? Ich beschloss, in aller Ruhe über meine Probleme nachzudenken. Allmählich kam ich den wahren Motiven für mein Verhalten auf die Spur.

Zum einen erkannte ich, wie stark sich meine eigenen Kindheitserfahrungen auf mein Verhalten auswirkten. Ich bemerkte, welche Narben meine Erziehung auf meiner Seele hinterlassen hatte: Die Familie, in der ich aufgewachsen bin, war in jeder Hinsicht zerrüttet. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass meine Eltern jemals ruhig miteinander über ihre Probleme gesprochen hätten. Sie stritten sich oder gingen wütend getrennte Wege und schwiegen sich an – manchmal tagelang. Schließlich endete die Ehe meiner Eltern mit der Trennung.

Als es dann in meiner eigenen Familie ähnliche Schwierigkeiten gab, wusste ich nicht, was ich machen sollte. Ich hatte ja kein Vorbild, kein Beispiel, an dem ich mich orientieren konnte. Statt mir Vorbilder zu suchen oder selbst Lösungen zu finden, ließ ich meine Frustration und Hilflosigkeit an meinen Kindern aus. Irgendwann musste ich mir eingestehen, dass ich meine Kinder genauso ungerecht behandelte, wie meine Eltern es mit mir getan hatten.

Meine zweite Erkenntnis war, dass ich meine Kinder benutzte, um Anerkennung für mich selbst zu bekommen. Ich wünschte mir, dass andere mich bewunderten, weil ich so gut erzogene Kinder hatte. Deshalb hatte ich ständig Angst, dass meine Kinder mich durch ihr Verhalten in peinliche Situationen bringen könnten. Da ich kein Vertrauen zu ihnen hatte, machte ich ihnen Vorschriften. Damit sie sich so verhielten, wie ich es wollte, bestach und manipulierte ich sie. Allmählich wurde mir klar, dass mein Hunger nach Anerkennung verhinderte, dass meine Kinder zu selbstbewussten, verantwortungsvollen Menschen heranwuchsen.

Schließlich erkannte ich, dass ich meine Probleme selbst lösen musste. Es war sinnlos, andere dazu zu zwingen, sich zu ändern. Aber ich konnte wählen! Es war meine Entscheidung, mich zu ändern.

Mir das alles einzugestehen war sehr schwer. Doch allmählich schluckte ich die bittere Pille – und entdeckte ein völlig neues Gefühl der Freiheit. Ich hatte die Kontrolle. Ich konnte mich für einen besseren Weg entscheiden. Ich war selbst für mich verantwortlich.

Wenn ich heute in eine schwierige Situation gerate, hole ich erst mal tief Luft. Dann denke ich über meine spontanen Gefühle nach und vergleiche sie mit meinen Zielen. Ich halte mich zurück, sage nichts Unüberlegtes und schlage nicht gleich um mich. Stattdessen bemühe ich mich, die Dinge im richtigen Licht zu sehen und die Kontrolle zu behalten.

Das alles fällt mir nicht immer leicht. Deshalb ziehe ich mich oft in die Einsamkeit meines Ichs zurück. Immer wieder gebe ich mir das Versprechen, meine Kämpfe in meinem Inneren auszufechten und nicht mit der Außenwelt. Ich versuche, nicht spontan aus der jeweiligen Situation zu reagieren. Vielmehr achte ich darauf, mit Bedacht und aus den richtigen Motiven heraus zu handeln.

Diese junge Mutter hat gelernt, die Pausentaste zu drücken. So konnte sie handeln, statt nur zu reagieren. Doch wie hat sie das gemacht? Die Pausentaste half ihr, Abstand zu gewinnen. Sie konnte sich gewissermaßen selbst beobachten und sich ihr Verhalten bewusst machen. Das ist unsere erste menschliche Gabe – Selbstwahrnehmung. Wir können auf Distanz gehen, unser Leben betrachten und unsere Gedanken analysieren. Das ist die Grundlage, um Veränderungen und Verbesserungen in die Wege zu leiten.

Die zweite Gabe, die die junge Frau nutzte, war ihr moralisches Empfinden – das Gewissen. Tief in ihrem Inneren erkannte sie, dass sie ihre Kinder zwang, den gleichen schmerzlichen Weg zu beschreiten, den sie selbst in jungen Jahren gegangen war. Das Gewissen kann man sehr gut mit einem Bild aus der Computer-Welt vergleichen: Unser moralisches Empfinden für das, was richtig und falsch ist, ist fest in unserer »Hardware« verankert. Doch aufgrund der »Software«, die von außen an uns herangetragen wird, können wir den Kontakt zu dieser moralischen Stimme in uns verlieren. Dann ignorieren oder vernachlässigen wir unser Gewissen.

Die dritte menschliche Gabe, die die junge Frau nutzte, war ihre Vorstellungskraft – die Fähigkeit, sich etwas auszumalen, was völlig anders war als ihre bisherigen Erfahrungen. So konnte sie sich die bestmögliche Reaktion in ihren Gedanken vorstellen.

Unsere vierte Gabe ist unser freier Wille – die Fähigkeit, zu handeln.

Achten Sie auf die Sprache der Frau:

»Ich halte mich zurück, sage nichts Unüberlegtes und schlage nicht um mich. Stattdessen bemühe ich mich, die Dinge im richtigen Licht zu sehen und die Kontrolle zu behalten. Das alles fällt mir nicht immer leicht. Deshalb ziehe ich mich oft in die Einsamkeit meines Ichs zurück. Immer wieder gebe ich mir das Versprechen, meine Kämpfe in meinem Inneren auszufechten und nicht mit der Außenwelt. Ich versuche, nicht spontan aus der jeweiligen Situation zu reagieren. Vielmehr achte ich darauf, mit Bedacht und aus den richtigen Motiven heraus zu handeln.«

Was für eine enorme Willenskraft! Sie bekommt ihr Leben in den Griff, weil sie es will. Natürlich ist das schwer.

Wahres Glück bedeutet, dass wir langfristig denken.

Doch das macht wahres Glück aus. Wahres Glück bedeutet, dass wir langfristig denken. Wir ordnen das, was wir jetzt wollen, dem unter, was wir uns auf lange Sicht wünschen. Die junge Frau aus unserer Geschichte hat es geschafft. Sie hat den Drang, andere zu beeindrucken, ihre Kinder zu kritisieren und mit ihnen zu streiten, ihrer Vision von einem harmonischen Familienleben untergeordnet.

Selbstwahrnehmung, Gewissen, Vorstellungskraft und freier Wille: Unsere vier menschlichen Gaben ermöglichen Weiterentwicklung und Wachstum. Als die junge Mutter aus unserer Geschichte lernt, ihre Pausentaste zu nutzen, wird sie pro-aktiv und stößt grundlegende Veränderungen in ihrer Familie an. Sie beendet die Weitergabe schlechter Gewohnheiten von einer Generation auf die nächste. Natürlich ist das ein schmerzlicher Prozess. Doch ihr Vorbild ist ein leuchtendes Beispiel für alle, die ein neues Kapitel in ihrer Familiengeschichte aufschlagen wollen.

Unsere vier menschlichen Gaben ermöglichen es uns, grundlegende persönliche und familiäre Veränderungen herbeiführen. Dank der vier Gaben muss keiner von uns ein Opfer sein. Selbst wenn Sie aus einer zerrütteten Familie kommen, können Sie ein Lebenswerk der Güte und Liebe zu schaffen. Es ist Ihre Entscheidung. Sie haben es in der Hand, der Mensch zu werden, der Sie wirklich sein wollen.

Humor: Die fünfte menschliche Gabe

Im Rückblick auf unser Familienleben sind Sandra und ich zu dem Schluss gekommen, dass man noch von einer fünften Gabe sprechen kann: dem Sinn für Humor. Einerseits verbindet Humor die anderen vier Gaben. Andererseits ist echter Humor ohne diese vier Gaben gar nicht möglich. Wir können die Dinge nur mit Humor betrachten, wenn wir unsere Selbstwahrnehmung einsetzen – die Fähigkeit, das Ironische und Paradoxe zu sehen und zu erkennen, was wirklich wichtig ist. Zudem brauchen wir unsere kreative Vorstellungskraft, um Geschehnisse auf ganz neue, humorvolle Weise zu interpretieren. Und unser Humor wird nur dann nicht in Zynismus oder in die Herabwürdigung anderer abgleiten, wenn wir auch unser Gewissen einschalten. Schließlich benötigen wir auch noch unseren freien Willen, um uns dafür zu entscheiden, eine humorvolle Einstellung zu entwickeln und uns nicht unterkriegen zu lassen.

Für mich sind effektive Familien ohne Humor nicht denkbar. Meiner Ansicht nach ist Lachen sogar der Schlüssel für den starken Zusammenhalt und das glückliche Miteinander in unserer Familie: Witze erzählen, die lustigen Seiten des Lebens sehen und einfach gemeinsam Spaß haben …

Unsere Beziehungen werden durch Humor menschlicher und entspannter. Zudem hilft das Lachen uns, Anspannung zu vermeiden und Stress abzubauen. Wenn wir lachen, produziert unser Gehirn jede Menge Glückshormone. Aber das ist längst noch nicht alles: Humor zeigt uns, dass es gar nicht so schlimm ist, wenn wir mal vom Kurs abkommen. Er rückt die Dinge in die richtige Perspektive. Das hilft uns, nicht bei jeder Kleinigkeit gleich aus der Fassung zu geraten. Humor sorgt dafür, dass wir uns nicht zu ernst nehmen, dass wir nicht übermäßig unausgeglichen, selbstkritisch und verbissen sind.

Wer über seine Fehler lachen kann, kommt schneller wieder auf den richtigen Kurs zurück. Allerdings kann man es mit dem Humor auch übertreiben. Das kann zu Sarkasmus und zynischer Schärfe führen. Zudem besteht so die Gefahr, dass alles nur noch ins Lächerliche gezogen und gar nichts mehr ernst genommen wird.

Doch wahrer Humor, eine von Herzen kommende Fröhlichkeit, ist eine wichtige Grundlage für eine effektive, starke und glückliche Familie. Denn in Gesellschaft humorvoller Menschen fühlen wir uns wohl. Letztlich ist Humor auch ein wichtiger Schlüssel zur Pro-Aktivität. Denn Humor hilft uns, die Höhen und Tiefen des Alltags optimistisch zu meistern, anstatt nur darauf zu reagieren.

Liebe kommt vom Tun

Als ich bei einem Seminar über das Konzept der Pro-Aktivität sprach, kam einer der Teilnehmer zu mir. »Was Sie da sagen, gefällt mir. Aber jede Situation ist anders. Meine Ehe zum Beispiel … Ich mache mir wirklich Sorgen! Meine Frau und ich haben nicht mehr die gleichen Gefühle füreinander wie früher. Ich glaube, ich liebe sie einfach nicht mehr und sie mich auch nicht. Was kann ich tun?«

»Das Gefühl ist nicht mehr da?«, fragte ich.

»Genau! Aber wir haben drei Kinder, die uns sehr am Herzen liegen. Was würden Sie mir raten?«

»Lieben Sie Ihre Frau!«, antwortete ich.

»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass das Gefühl nicht mehr da ist!«

»Lieben Sie sie!«

»Sie verstehen mich nicht. Es ist einfach keine Liebe mehr da.«

»Genau deshalb sollten Sie Ihre Frau lieben. Wenn das Gefühl nicht da ist, ist das ein guter Grund, sie zu lieben.«

»Aber wie liebt man denn, wenn man nicht liebt?«

»Liebe kommt vom Tun. Das Gefühl der Liebe ist das Ergebnis unseres Handelns. Lieben Sie Ihre Frau. Unterstützen Sie sie. Hören Sie ihr zu. Zeigen Sie Verständnis. Schätzen Sie sie. Machen Sie ihr Komplimente. Sind Sie dazu bereit?«

Hollywood gaukelt uns vor, dass Liebe ein Gefühl ist, dass Beziehungen austauschbare Wegwerfprodukte sind und Ehe und Familie auf Verträgen und Annehmlichkeiten beruhen, nicht auf Engagement, innerer Verpflichtung und Integrität. Doch das alles entspricht nicht der Realität. Im Gegenteil: Es bringt unzählige Menschen vom Kurs ab. Das können wir überall beobachten – vielleicht sogar in unserer eigenen Familie. Jeder, der eine Scheidung durchgemacht hat, die Entfremdung von seinem Lebenspartner, einem Kind oder den Eltern, wird Ihnen bestätigen, dass das tiefen Schmerz verursacht. Viele leiden sehr lange an den Folgen einer Trennung.

Eine Beziehung zu beenden, mag auf den ersten Blick vielleicht »einfacher« sein, als sie wieder ins Lot zu bringen. Langfristig gesehen ist es jedoch oft viel schwieriger und schmerzhafter – besonders, wenn Kinder betroffen sind.

Einer meiner Freunde entscheidet sich jeden Tag aufs Neue für die Liebe zu seiner Familie: Wenn er von der Arbeit nach Hause kommt, bleibt er noch kurz im Auto sitzen und drückt auf seine Pausentaste. Er denkt an seine Lieben und daran, was sie wohl gerade machen. Dabei sagt er sich: »Meine Familie ist das Schönste, Beste und Wichtigste in meinem Leben. Ich gehe jetzt voller Liebe zu meiner Familie und zeige ihr das ganz bewusst.«

Glückliche Ehen und starke Familien sind kein Zufall.

Wenn er dann ins Haus geht, nörgelt er nicht herum oder zieht sich einfach zurück. Er ruft: »Hallo, ich bin wieder da! Versucht bitte, mich nicht mit euren Küssen und Umarmungen zu ersticken!« Dann kümmert er sich liebevoll um jedes Familienmitglied – er küsst seine Frau, spielt mit den Kindern oder hilft bei der Hausarbeit und den Hausaufgaben. Er tut alles, um Fröhlichkeit und Glück zu verbreiten. So überwindet er schnell seine Müdigkeit und vergisst seine Probleme im Büro.

Glückliche Ehen und starke Familien sind kein Zufall. Im Gegenteil: Wir müssen hart dafür arbeiten. Wir müssen bereit sein, Mühen auf uns zu nehmen und Opfer zu bringen. Wir dürfen nie vergessen, dass Liebe vom Tun kommt – in guten und in schlechten Zeiten, unser ganzes Leben lang.

Weiterentwicklung ist wie Muskeltraining

Selbstwahrnehmung, Gewissen, Vorstellungskraft und freier Wille: Die vier einzigartigen Gaben haben alle Menschen von Geburt an. Doch sie kontinuierlich weiterzuentwickeln, ist mit Anstrengung verbunden. Es ist genau wie beim Muskeltraining. Wenn Sie sich schon mal damit befasst haben, wissen Sie, dass man die Muskelfasern so beanspruchen muss, dass sie reißen. Bei der Reparatur der gerissenen Fasern meint die Natur es dann besonders gut mit uns: Innerhalb weniger Stunden werden die Fasern stärker als je zuvor. Wichtig ist auch, die schwächeren Muskeln zu trainieren. Es bringt nichts, den Weg des geringsten Widerstands zu wählen und nur die Muskeln zu trainieren, die ohnehin schon gut entwickelt sind.

Im Leben ist es genauso. Dennoch neigen wir dazu, uns auf unsere Stärken zu konzentrieren und unsere Schwächen links liegen zu lassen. Wenn unsere Schwächen durch die Stärken anderer Menschen kompensiert werden, funktioniert das oft sehr gut. Letztlich können wir unsere Fähigkeiten aber nur voll ausschöpfen, wenn wir unsere Schwächen überwinden.

Wollen Sie Ihre Schwächen überwinden und sich weiterentwickeln? Dann sollten Sie erst mal herausfinden, wie es um Ihre Stärken und Schwächen bestellt ist. Der folgende Fragebogen1 hilft Ihnen, ein klareres Bild von der Entwicklung Ihrer persönlichen menschlichen Gaben zu bekommen:

Tausende von Menschen auf der ganzen Welt haben diesen Fragebogen schon ausgefüllt. Dabei hat sich immer wieder gezeigt, welche Gabe am häufigsten vernachlässigt wird: die Selbstwahrnehmung. Vielleicht haben Sie ja schon mal den Ausdruck gehört, dass sich jemand »von seinem Schubladendenken löst«. Das heißt: Er klammert sich nicht länger an seine herkömmlichen Denkmuster, sondern nutzt seine Selbstwahrnehmung. Solange wir das nicht tun, können wir unser Gewissen, unsere Vorstellungskraft und unseren freien Willen immer nur im Rahmen unseres bisherigen Erfahrungshorizonts einsetzen.

Sprengen Sie Ihre Denkgrenzen!

Der Schlüssel, um unsere menschlichen Gaben voll auszuschöpfen, ist die Selbstwahrnehmung. Wer sich vom Schubladendenken löst, kann seine Denkmuster und Paradigmen analysieren und seinen Gedanken, Gefühlen, Stimmungen und Launen auf den Grund gehen. Das ermöglicht es ihm, seine Vorstellungskraft, sein Gewissen und seinen freien Willen auf völlig neue Art und Weise zu gebrauchen. Er wird dann selbst zur kreativen Kraft in seinem Leben und kann sich von den Fesseln der äußeren Umstände befreien.

»Erkenne dich selbst!«2 Diese alte griechische Weisheit besagt, dass Selbsterkenntnis die Grundlage aller Erkenntnis ist. Nur wenn wir uns selbst kennen, können wir uns verändern. Das gilt natürlich auch für unsere Familie. Je besser die Selbstwahrnehmung in einer Familie ausgeprägt ist, desto leichter kann sie von außen in sich hineinblicken. Das hilft allen in der Familie, sich weiterzuentwickeln, positive Veränderungen herbeizuführen und auch Ziele zu erreichen, die jenseits eingefahrener Denk- und Gewohnheitsmuster liegen.

Wer pro-aktiv sein will, muss alle vier menschlichen Gaben weiterentwickeln. Wir dürfen keine unserer Gaben vernachlässigen. Manche Menschen sind zum Beispiel extrem prinzipientreu und hören auf ihr Gewissen. Allerdings haben sie keine Vorstellungskraft, keine Vision. Ja, sie sind gut – doch was erwächst daraus? Wieder andere haben zwar große Willensstärke, aber keine sinnvollen Ziele, die sie anstreben könnten.

Das alles gilt selbstverständlich auch für Familien. Nur wenn alle ihre vier Gaben weiterentwickeln, können wir unsere Familien-Vision verwirklichen und gemeinsam etwas Außergewöhnliches erreichen.

Das macht den Unterschied: Einfluss- und Interessenbereich

Wenn wir pro-aktiv sein und unsere vier menschlichen Gaben richtig nutzen wollen, müssen wir uns auf die Dinge in unserem Leben konzentrieren, bei denen wir wirklich etwas bewirken können. Deshalb sollten wir uns immer an das berühmte »Gelassenheitsgebet« halten:

Herr, gib mir die Gelassenheit, die Dinge zu akzeptieren,

die ich nicht ändern kann,

den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann,

und die Weisheit, den Unterschied zu erkennen.

Wie erkennen wir den Unterschied? Indem wir uns an dem orientieren, was ich den Einfluss- und Interessenbereich nenne. Der Interessenbereich ist ein großer Kreis. Er umfasst alles in unserem Leben, was uns in irgendeiner Weise berührt. Der Einflussbereich ist ein kleinerer Kreis innerhalb des Interessenbereichs. Hier liegen die Dinge, die wir beeinflussen und verändern können.

Reaktive Familien konzentrieren sich in erster Linie auf ihren Interessenbereich. Doch hier können sie nichts bewirken und verschwenden viel Energie. Zudem vernachlässigen sie dadurch ihren Einflussbereich, so dass er immer kleiner wird.

Pro-aktive Familien hingegen konzentrieren sich auf ihren Einflussbereich. Sie gehen die Dinge an, die sie selbst verändern können. Das hat zur Folge, dass ihr Einflussbereich sich kontinuierlich vergrößert.

Einer meiner Bekannten beschloss, sich auf seinen Einflussbereich zu konzentrieren. Dadurch konnte er seinem Leben eine völlig neue Richtung geben:

SCHEIDUNGSKINDER SIND KEINE OPFER!

So mit 17 oder 18 merkte ich, dass es in der Ehe meiner Eltern immer mehr kriselte. Es gab Streit und Tränen. Sie sagten Dinge, die dem anderen wehtaten. Beide wussten genau, wie sie sich gegenseitig am meisten treffen konnten! Zuerst bemühten sie sich, sich wieder zu versöhnen. Doch die Auseinandersetzungen wurden immer heftiger und die Verletzungen gingen immer tiefer.

Als ich 21 war, trennten sie sich. Damals hatte ich das Gefühl, ihnen helfen zu müssen, ihre Ehe zu retten. Ich glaube, das ist bei Kindern eine natürliche Reaktion. Sie lieben ihre Eltern und möchten alles für sie tun, was in ihrer Macht steht.