Die McKettrick-Saga - Wild wie ein Mustang - Linda Lael Miller - E-Book

Die McKettrick-Saga - Wild wie ein Mustang E-Book

Linda Lael Miller

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Beschreibung

Sie sind stolz und können nicht vergessen - doch ihre Liebe ist stärker ...

Arizona, 1885. Als der wildeste der McKettrick-Brüder gerät Jeb immer wieder in Schwierigkeiten. So auch, als er Chloe Wakefield einen Heiratsantrag macht. Die Lehrerin aus Tombstone ist nämlich bereits verheiratet. Wütend und enttäuscht kehrt Jeb auf die väterliche Ranch zurück. Als sie sich schließlich wieder begegnen, fordern die Gefühle ihren Tribut. Hin- und hergerissen zwischen Wut und Leidenschaft, müssen die beiden sich eingestehen, dass sie weit mehr verbindet, als sie zunächst wahrhaben wollen ...

Band 3 der erfolgreichen McKettrick-Saga und der historischen Western-Romance-Trilogie um die drei Cowboys von der Triple M Ranch.

Dieser Liebesroman ist in einer früheren Ausgabe unter dem Titel "Stürmisches Feuer der Liebe" erschienen.

Weitere historische Liebesroman-Reihen von Linda Lael Miller bei beHEARTBEAT:

Die Corbin-Saga. Springwater - Im Westen wartet die Liebe. Die McKenna-Brüder. Die Orphan-Train-Trilogie um die Chalmers-Schwestern.

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.


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Seitenzahl: 529

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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

46. Kapitel

47. Kapitel

48. Kapitel

49. Kapitel

50. Kapitel

51. Kapitel

52. Kapitel

53. Kapitel

54. Kapitel

55. Kapitel

56. Kapitel

57. Kapitel

58. Kapitel

59. Kapitel

60. Kapitel

61. Kapitel

Epilog

Über dieses Buch

Sie sind stolz und können nicht vergessen – doch ihre Liebe ist stärker …

Arizona, 1885. Als der wildeste der McKettrick-Brüder gerät Jeb immer wieder in Schwierigkeiten. So auch, als er Chloe Wakefield einen Heiratsantrag macht. Die Lehrerin aus Tombstone ist nämlich bereits verheiratet. Wütend und enttäuscht kehrt Jeb auf die väterliche Ranch zurück. Als sie sich schließlich wieder begegnen, fordern die Gefühle ihren Tribut. Hin- und hergerissen zwischen Wut und Leidenschaft, müssen die beiden sich eingestehen, dass sie weit mehr verbindet, als sie zunächst wahrhaben wollen …

Über die Autorin

Linda Lael Miller wurde in Spokane, Washington geboren und begann im Alter von zehn Jahren zu schreiben. Seit Erscheinen ihres ersten Romans 1983 hat die New York Times- und USA Today-Bestsellerautorin über 100 zeitgenössische und historische Liebesromane veröffentlicht und dafür mehrere internationale Auszeichnungen wie den Romantic Times Award erhalten. Linda Lael Miller lebt nach Stationen in Italien, England und Arizona wieder in ihrer Heimat im Westen der USA, dem bevorzugten Schauplatz ihrer Romane. Neben ihrem Engagement für den Wilden Westen und Tierschutz betreibt sie eine Stiftung zur Förderung von Frauenbildung.

Mehr Informationen über die Autorin und ihre Bücher unter http://www.lindalaelmiller.com/

Linda Lael Miller

DIEMCKETTRICKSAGA

Wild wie ein Mustang

Aus dem amerikanischen Englischvon Ulrike Moreno

beHEARTBEAT

Digitale Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2004 by Linda Lael Miller

Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Secondhand Bride«

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.

This edition published by arrangement with the original publisher, Pocket Books, a division of Simon & Schuster, Inc., New York.

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2007/2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Titel der deutschsprachigen Erstausgabe: »Stürmisches Feuer der Liebe«

Covergestaltung: Manuela Städele-Monverde unter Verwendung von Motiven © Aleta Rafton; © shutterstock: Lamar Sellers | Johnny Adolphson | Jeanne Provost

eBook-Erstellung: Olders DTP.company, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-5044-9

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

1. Kapitel

Es gab kein Entkommen, kein Versteck mehr. Der sonst immer so unbekümmerte und sorglose Jeb McKettrick sah sich zwischen der Barackenwand und dem Misthaufen gefangen, während eine rothaarige, Peitsche schwingende Furie mit der ganzen Wut einer verschmähten Frau direkt auf ihn zusteuerte.

Chloe Wakefield hatte ihn gefunden, so sicher wie die Nadel eines Kompasses den Norden findet, und war ihm den ganzen Weg von Indian Rock hierher gefolgt. Sie hatte auch kaum Schwierigkeiten gehabt, mit ihm Schritt zu halten, obwohl er auf einem schnellen Pferd geritten war.

Er war ein toter Mann.

Der Wagen, den sie fuhr, hätte ein von den vier Pferden der Apokalypse gezogener Streitwagen sein können statt diesem von einem einzigen schwitzenden, schnaufenden alten Gaul gezogenem Karren, den sie sich im Mietstall in der Stadt besorgt hatte.

Für den Bruchteil von Sekunden glaubte Jeb tatsächlich, sie habe die Absicht, ihn zu überfahren und ihn unter den schmalen Rädern dieses leichten, schwarz gedeckten Gefährts zu Brei zu zerquetschen. Und obwohl er auf seine leichtsinnige Art das Leben durchaus liebte, konnte er nicht umhin zu denken, dass im Vergessen eine gewisse Gnade läge. Zumindest müsste er sich dann diesem Problem nicht stellen.

Das ihm aber offensichtlich nicht erspart bleiben würde.

Nach ein paar Minuten beruhigten sich die Hühner seiner Stiefmutter jedoch ein wenig, glätteten ihre Federn und nahmen ihre Körnersuche wieder auf. Vielleicht war das ja ein gutes Omen.

Mit diesem etwas tröstlichen Gedanken bemühte sich Jeb sein berühmtes Grinsen aufzusetzen, sein Markenzeichen und einziger Talisman, allerdings gelang ihm nur eine ziemlich zittrige Version. Er streckte seine Hände aus und gab sich als Bild der Unschuld und der Freundlichkeit, obwohl er tief in seinem Innersten von äußerst widersprüchlichen Gefühlen beherrscht wurde – süße Furcht, bittere Belustigung und auch Wut, weil er Recht hatte, verdammt noch mal, und sie sich irrte. Und weil er bis zum heutigen Tag nie auf die Idee gekommen wäre, dass sich zwischen seinen vielen geheimen und ständig wechselnden Ichs auch noch ein Hasenfuß verbarg.

»Chloe«, sagte er und ließ es wie eine Bitte und zugleich auch wie einen sanften Vorwurf klingen. Eine rote Henne pickte an der Spitze seines rechten Stiefels; er schob sie ungeduldig beiseite.

Chloe stand jetzt in dem Buggy, hielt die Zügel mit ihren kräftigen, aber dennoch zarten Händen und fixierte ihn mit einem kalten Blick. »Komm mir nicht mit Chloe, McKettrick«, sagte sie. »Du bist ein Lügner und Betrüger und ein Teufel – du hast meinen Ruf und mein Leben fast völlig zerstört, du traurige Entschuldigung für einen Mann, und ich hätte große Lust, dich meine Peitsche spüren zu lassen!«

Er hob einmal mit den Schultern, die in einem braunen Cordjackett steckten, und schob den Hut zurück. Er hatte keine andere Verteidigung als sein gutes Aussehen und seinen Charme, beides schien jedoch im Moment keinen sichtbaren Effekt zu haben. »Darf ich vorschlagen«, entgegnete er mit einer Unbefangenheit, die ganz und gar geheuchelt war, »dass du dir das noch einmal überlegst?«

Sie befestigte die Bremse, schnappte sich die Peitsche und stieg vom Wagen – all das geschah so schnell, dass die einzelnen Bewegungen sich zu einer einzigen zusammenzufügen schienen. Ihr rotbraunes Haar, das sich aus seinen Kämmen und Nadeln gelöst hatte, umrahmte ihr vor Zorn gerötetes Gesicht wie Feuer, als sie auf ihn zukam. »Du Schuft!«, fuhr sie ihn an. »Du Lump! Hast du überhaupt eine Ahnung, was ich deinetwegen durchgemacht habe?«

»Chloe«, sagte er noch einmal mit hoffnungsloser Herzlichkeit.

Sie sah ihn an, als habe sie ihn gewogen und für zu leicht befunden, aber sie schien ihm schon etwas ruhiger. Vielleicht war sie aber auch nur außer Atem von der wilden Fahrt aus der Stadt hierher. Durch eine grimmige Laune des Schicksals war er gerade aus dem Bloody-Basin-Saloon gekommen, als Chloe Wakefield aus der Nachmittagskutsche stieg, und sie waren über diese Begegnung beide gleichermaßen überrascht gewesen. Er hatte den Entschluss gefasst, mit ihr zu reden, zu versuchen, Frieden mit ihr zu schließen, doch als er den Ausdruck des Schocks und der Empörung in ihrem Gesicht gesehen hatte, war er in Panik geraten, auf sein Pferd gesprungen und zur Ranch zurückgeritten, als sei der Teufel höchstpersönlich hinter ihm her.

»Wenn es noch Gerechtigkeit auf dieser Welt gäbe, wären dir inzwischen Hörner und Hufe gewachsen«, entfuhr es ihr. Dunkle Flecken brannten unter ihren makellosen Wangenknochen, und ihr schöner Busen hob und senkte sich im schnellen Rhythmus ihrer Atemzüge.

Jeb wartete. Es war entweder das, oder er hätte in den Misthaufen springen und versuchen können, sich dort zu verstecken.

»Dachtest du wirklich, ich würde dich nicht eines Tages finden?«, fragte sie, und obwohl ihre Augen noch immer zornig funkelten, war ihr Ton schon weniger hysterisch als zuvor. Beruhigte sie sich? Sicher war das nicht, und er durfte auf keinen Fall zu optimistisch zu sein, wozu er von Natur aus neigte.

»Wahrscheinlich bin ich einfach nur nie auf die Idee gekommen, dass du mich suchen könntest«, erwiderte er ehrlich. Zutiefst erschüttert über die Entdeckung, dass das halbe Leben seines Vaters – und dadurch auch ein Großteil seines eigenen – eine Lüge gewesen war, und angesichts der Möglichkeit, dass er verlieren würde, was ihm auf der Welt am liebsten war – die Triple M –, war er nach Tombstone geflohen. Durch eine Verfügung des allmächtigen Angus McKettrick würde die Ranch an den ersten seiner drei Söhne gehen, der heiratete und dem alten Herrn ein Enkelkind schenkte. Es war ein Wettbewerb, den Jebs ältester Bruder Rafe schon fast gewonnen hatte, indem er sich mit Emmeline vermählte. Und nun war auch Kade verheiratet und nach wie vor im Rennen.

Seine eigenen Aussichten waren ihm damals mehr als schlecht erschienen – wer hätte gedacht, dass sie sogar noch schlechter werden könnten?

Damals hatte Jeb vorgehabt, seine Sorgen im Alkohol zu ertränken, so viele Tanzmädchen wie nur möglich zu beglücken und Poker zu spielen, so oft er konnte. Stattdessen war er jedoch der temperamentvollen Miss Wakefield begegnet, und all seine schönen Pläne waren prompt außer Kontrolle geraten. Oh ja, vom Augenblick an, als er mit Chloe vor einem Laden in Tombstone zusammengestoßen war, hatte Chaos sein Leben bestimmt.

Du liebe Güte, er wäre sogar in OK Corral besser dran gewesen, wenn er sich mit den Clantons und McLaurys gegen Doc Holliday und die Earps verbündet hätte. Dann hätte er zumindest eine Chance gehabt, zu kämpfen.

Waren das Tränen, was er da in ihren Augen schimmern sah? Lieber Gott, bloß das nicht. Denn trotz allem würde er sich lieber bei lebendigem Leib die Haut abziehen lassen, als sie weinen zu sehen.

»Du und ich, wir sind verheiratet«, sagte sie und hob ihre linke Hand, an der sein Ring im kühlen Sonnenschein dieses Oktobernachmittags glitzerte. Wieder schoss ihr die Farbe ins Gesicht. »Oder hast du das bereits vergessen?«

Er nahm seinen Hut ab, setzte ihn aber nur einen Moment später wieder auf und zog ihn so tief in die Stirn, dass die Krempe einen Schatten über seine Augen warf. Er hatte mindestens ein Dutzend Mal über das gleiche Thema nachgedacht, sein Gewissen erforscht und all die wenig schmeichelhaften Argumente abgewogen, die gegen ihn erhoben werden könnten, und jedes einzelne abgeschossen wie eine in die Luft geworfene Blechdose. Aber nichts von all dem hatte ihn auf diese eine, unvermeidliche Konfrontation vorbereitet.

Der Misthaufen begann von Minute zu Minute einladender auszusehen.

»Dass wir geheiratet haben, war ein Fehler«, sagte er in einem, wie er hoffte, halbwegs vernünftigen Ton. Für einen Moment war er wieder in Tombstone, ein glücklich verheirateter Mann seit einer knappen Stunde, mit Flitterwochen vor sich, der plötzlich auf der Straße von einem Fremden angesprochen und mit dem unwiderlegbaren Beweis konfrontiert wurde, dass er der größte aller Narren war. »Es hätte gar nicht erst geschehen dürfen.«

Er sah, wie sie bei seinen Worten zusammenzuckte und dann wieder vor Zorn errötete. »Na endlich einmal etwas, worüber wir einer Meinung sind«, sagte sie. »Ich hätte dir nicht einmal die Tageszeit sagen sollen!«

»Fahr zurück nach Tombstone, Chloe«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme.

»Das kann ich nicht«, versetzte sie mit einem empörten kleinen Seufzer. »Dank dir und dieser Szene, die du im Broken-Stirrup-Saloon gemacht hast, habe ich meine Stelle als Lehrerin verloren. Laut der Vorsitzenden der Schulverwaltung übe ich einen schlechten Einfluss auf die Kinder aus. Deshalb bin ich dir hierher gefolgt – um dir zu sagen, dass du mein Leben ruiniert hast!«

»Na ja, mag sein, dass ich ein bisschen überreagiert habe im Broken Stirrup«, gab er widerstrebend zu. Wahrscheinlich hatte er doch mehr von seinem alten Herrn, als ihm lieb war. Er konnte Angus McKettricks Stolz und Sturheit in seinem Herzen spüren, wo sie um Platz neben dem Feigling kämpften. Im Grunde genommen war er aber hauptsächlich wütend auf sich selbst, dass er sich überhaupt erst von Chloe in die Flucht hatte schlagen lassen. So viele Leute in der Stadt hatten ihn zu seinem Pferd rennen und davongaloppieren sehen, dass wahrscheinlich niemals Gras über die Sache wachsen würde. Mal ganz abgesehen von dem Schauspiel, das er zudem auch noch seinen Brüdern vor wenigen Minuten geboten hatte, als er völlig außer sich angeritten gekommen war und Rafe und Kade angefleht hatte, ihn zu verstecken. Und der liebe Himmel wusste, was sie ihr gesagt hatten, als sie angehalten hatte, um mit ihnen zu sprechen! Er trat auf sie zu und empfand eine gewisse Genugtuung, als sie einen Schritt zurücktrat. »Außerdem hatten wir das alles schon geregelt, bevor ich Tombstone verlassen habe. Was mich betrifft, hast du bekommen, was du verdienst.«

Sie erinnerte ihn an einen kurz vor dem Überkochen stehenden Wasserkessel, ihr Kopf schien kurz vor dem Explodieren, und er wappnete sich, um nicht von dem entweichenden Dampf verbrüht zu werden. »Du hast die meiste Zeit geredet, falls du das vergessen hast«, beschuldigte sie ihn. »Du hast mir keine Chance gegeben, irgendetwas zu erklären!«

Er riss ihr die Wagenpeitsche aus der Hand und schleuderte sie weg. Wenn sie sie sich wiederholen wollte, würde sie sich bis zu ihrer hübschen kleinen Nase in Pferdemist wiederfinden, wörtlich und auch im übertragenen Sinne. »Nachdem ich dein Hochzeitsbild gesehen hatte, Miss Wakefield, und der Mann, neben dem du auf dieser Daguerreotypie standst, zufällig nicht ich war, waren ja wohl keine weiteren Erklärungen mehr nötig!«

Ihre Augen weiteten sich, als hätte er sie geschlagen, und ihre Lippen wurden schmal. Sie gab die kleine Distanz auf, die sie gerade noch zwischen sie gebracht hatte, und blieb ganz dicht vor ihm stehen. »Bitte hör auf, dich selbst als den Leidtragenden hinzustellen«, fauchte sie ihn an. »Du hast nichts von all dem ernst gemeint, was du sagtest, als du mich umworben hast, und das weißt du verdammt gut, du … du …«

Schuldgefühle stiegen in ihm wie der Schaum in einem frisch gezapften Bier auf, aber er schob sie beiseite und biss die Zähne so fest zusammen, dass sie schmerzten. »Ja?«

Sie war absolut rebellisch, eine durch nichts einzuschüchternde Texanerin, die ganz allein Fort Aldamo verteidigte. »Du hast mich benutzt«, wiederholte sie. »Du wolltest eine Frau und ein Kind, damit du diese Ranch bekommen konntest!«

Er erlaubte sich ein anmaßendes Achselzucken, obwohl es ihn überraschte, dass sie von der absurden Forderung seines Vaters wusste. »Ich hatte den Eindruck, dass du durchaus willig warst.«

Und da hob sie ihre Hand und schlug ihn mitten ins Gesicht. Wut durchflutete ihn, so rein und intensiv, dass es schon beinahe ein Vergnügen war. Er packte sie an ihren Handgelenken, um einen weiteren Angriff zu verhindern, doch gegen ihre Füße konnte er leider nicht viel ausrichten. Er konnte von Glück sagen, wenn sie ihn nicht mit einem dieser spitzen Schuhe, die sie trug, gegen das Schienbein trat.

»Du Schuft!«, fauchte sie. »Du gewissenloser Lump!«

Er verstärkte seinen Griff, gab sich aber alle Mühe, ihr nicht wehzutun. »Bist du den ganzen weiten Weg gekommen, um mir das zu sagen?«, versetzte er. »Dann hast du das ja jetzt erledigt. Steig in deinen Wagen, Chloe, und fahr heim zu deinem Mann!«

Sie versuchte mit aller Kraft, sich zu befreien, und stotterte, weil sie zu wütend war, um auch nur ein einziges vernünftiges Wort herauszubringen. Ihre Miene ließ keinen Zweifel, dass sie den Wunsch hegte, ihm sämtliche Knochen zu brechen, dennoch ließ Jeb ihre Handgelenke nicht los.

Ihre Augen glitzerten von Tränen, und sie versuchte nicht einmal, sie zu verbergen. »Ich würde dich jetzt am liebsten umbringen«, informierte sie ihn, und er wusste, dass es ihr damit auch ernst gemeint war. »Jack Barrett ist nicht mein Mann – das bist du, Jeb!«

»Was zum Teufel geht hier vor?«

Beim Klang dieser nur allzu vertrauten Stimme wandten Jeb und Chloe den Kopf, und er sah ein paar Schritte entfernt seinen Vater stehen, seine Daumen in die Gürtelschlaufen gesteckt. Angus McKettrick war ein sehr großer Mann und so rau wie die texanische Prärie, der er entstammte, und im Augenblick wirkte er streng genug, um direkt dem Alten Testament entstiegen zu sein.

Aufgebracht und beschämt zugleich ließ Jeb mit einer abrupten Bewegung Chloes Hände los und trat einen Schritt zurück. Er war sich nicht sicher, ob sie die Ablenkung nicht dazu nutzen würde, ihm an die Stelle einen Tritt zu verpassen, wo es am meisten wehtat und das war ganz sicher nicht sein Schienbein. Er wusste, er hätte die scharfe, aber auch durchaus verständliche Frage seines Vaters beantworten sollen, aber ihm fiel nicht eine einzige halbwegs vernünftige Erklärung ein. Wenn er und Chloe zusammen waren, kämpften sie entweder wie Wildkatzen, oder sie liebten sich wie Affen, und zwischen diesen beiden Extremen schien es kein Mittelding zu geben.

Chloe strich ihr Kleid glatt, schenkte dem sich in alles einmischenden alten Herrn ein Lächeln und reichte ihm dann so liebenswürdig ihre Hand, als befänden sie sich auf einer Gartenparty und nicht hinter der Baracke neben dem Misthaufen, umringt von Hühnern. »Guten Tag«, sagte sie strahlend. »Ich bin Chloe McKettrick, Jebs Frau.«

Angus wirkte zunächst verblüfft, aber dann breitete sich ein beglücktes Lächeln auf seinem Gesicht aus. Er nahm die ihm angebotene Hand und drückte sie sehr herzlich. »Nun ja«, sagte der alte Mann, »mein Jüngster hier hat ja schon länger behauptet, er habe sich eine Frau genommen. Ich muss aber gestehen, dass ich so meine Zweifel hatte, da ich dich noch nie zu Gesicht bekommen habe.« Nach einem Blick auf Jeb, der einem Bären das Fell versengt hätte, wandte er sich wieder strahlend Chloe zu. »Ich bin Angus McKettrick, dein Schwiegervater. Komm mit hinein. Die Familie wird entzückt sein, endlich deine Bekanntschaft machen zu dürfen.«

Jeb versuchte, sich einzumischen. »Pa …« Sicher, er hatte seinen Vater und seine Brüder in dem Glauben gelassen, er sei verheiratet, hauptsächlich, um sie zu ärgern und Kades und Rafes Selbstvertrauen ein wenig zu erschüttern, da sie alle so sicher gewesen waren, dass der eine oder andere von ihnen die Triple M übernehmen würde. Doch letztlich war alles nur viel Rauch um nichts gewesen. Chloe war die Frau eines anderen Mannes, und wenn sie noch so oft das Gegenteil behauptete, das war die nackte Wahrheit. »Pa, hör mir zu. Ich … sie …«

Angus zeigte mit einem schwieligen Finger auf seinen jüngsten Sohn. »Kein Wort mehr«, warnte er ihn mit strenger Miene.

Innerlich kochte Jeb vor Empörung, wusste aber, dass es im Moment nicht klug war, seinem Vater die ganze Sache zu erklären. Außerdem würde das bedeuten, ehrlich zuzugeben, dass er reingelegt worden war. Ein solches Eingeständnis wäre ihm in der Kehle stecken geblieben wie eine zusammengerollte Socke.

Wie ein perfekter Kavalier reichte Angus Chloe seinen Arm, und sie legte lächelnd ihre Hand darauf und ließ Jeb stehen, als wäre er plötzlich unsichtbar geworden. Sie schlenderten in Richtung Haus davon, und keiner von beiden zuckte auch nur zusammen, als Jeb den Kopf zurückwarf und einen Schrei ausstieß, der gellend genug war, um den Himmel zu zerreißen.

Allerdings erschreckte er zumindest die Hühner, die mit lautem Gackern aufflogen.

2. Kapitel

Chloe dachte, dass sie, wenn sie ihr Herz und Leben nicht bereits der gewissenhaften Erziehung junger Menschen gewidmet hätte, auch Schauspielerin hätte werden können. Es war ein vollendeter, himmlischen Applaus verdienender Auftritt, den sie bot, als Jebs Vater sie in das große, rustikale Ranchhaus führte.

Sie traten durch die Küche ein, die allem Anschein nach ein viel benutzter und häufig aufgesuchter Raum in diesem Haushalt war: Die beiden Männer, die ihr vorhin draußen begegnet waren, nachdem sie wie von tausend Teufeln getrieben den Bach überquert hatte, saßen jetzt hier an dem langen Tisch. Sie hatten die Ärmel über ihren kräftigen Unterarmen aufgekrempelt, und in ihren Gesichtern stand geheime Schadenfreude.

Chloe wusste, dass der Größere, Dunkelhaarige, der ein schon fast an Arroganz grenzendes Selbstvertrauen ausstrahlte, Rafe McKettrick war. Er erhob sich bei ihrem Eintreten, allerdings etwas verspätet, nachdem der andere Bruder, Kade, bereits aufgesprungen war und ihr freundlich zunickte. Er wirkte solide und selbstbeherrscht, sein Haar war kastanienbraun und seine Augen grün im Gegensatz zu Rafes blauen. Sie waren beide atemberaubend attraktive Männer, wenn auch, oder zumindest doch in Chloes Augen, nicht einmal annähernd so gut aussehend wie Jeb.

Der war der Teufel selbst, der sich als Engel ausgab. Verflucht sei seine nichtswürdige Seele.

Chloe wandte ihre Aufmerksamkeit den beiden Frauen in der Küche zu. Die eine war jung und hatte goldbraunes Haar und kluge blaue Augen; die andere war mittleren Alters, sanft, klein und von spanischer Abstammung. Sichtlich stolz präsentierte Angus Chloe als Jebs Braut, und dann stellte er ihr die erste Frau als Kades Frau, Mandy, vor und die zweite als seine eigene, Concepcion.

Beide Frauen begrüßten sie sehr herzlich, mit freundlichem Lächeln und neugierigen Blicken, die Chloe erröten ließen, wenn auch nicht ganz so heftig wie zuvor bei ihrem Streit mit Jeb. Was sollten die Frauen nur über sie denken, so schrecklich schlampig sie mit ihrem aufgelösten Haar und ihrer zerknitterten und verschmutzten Reisekleidung aussehen musste. Außerdem hatten sie gewiss von Kade und Rafe auch schon die beschämende Geschichte über ihre stürmische Ankunft gehört. Die beiden hatten ja auf dem Hof gestanden, ihre wilde Fahrt zur Triple M beobachtet und waren so nett gewesen, ihr den Weg zu ihrem jüngeren Bruder zu weisen.

»Bitte setz dich doch«, sagte Concepcion, während sie einen Becher aus einem Regal und eine große Kaffeekanne vom Herd nahm, um ihr einzuschenken. Erst in diesem Moment bemerkte Chloe, dass die ältere Frau ein Kind erwartete.

Ein leiser Neid begann Chloe zu beschleichen, als sie nickte und sich auf den ihr von Angus zugewiesenen Platz setzte, den Stuhl gleich rechts von dem, den er für sich selbst zurückgezogen hatte.

»Hast du Hunger, Chloe?«, fragte Mandy höflich. »Concepcion und ich haben Kuchen gebacken – du kannst zwischen Kirsch, Pfirsich und getrockneten Äpfeln wählen.«

Chloe merkte plötzlich, dass sie wirklich hungrig war. Sie hatte nichts mehr gegessen, seit sie Tombstone gestern verlassen hatte, um eine Postkutsche nach Norden zu besteigen, ohne auch nur im Traum daran zu denken, dass sie dem Mann begegnen würde, der sie umworben, geheiratet und verlassen hatte, und das alles in weniger als einem Monat. Sie schluckte, während sie nickte. »Ja, bitte«, sagte sie. »Kirschkuchen wäre wunderbar.«

Concepcion reichte ihr eine dampfend heiße Tasse Kaffee und füllte eine andere auf, die Angus anscheinend hatte stehen lassen, als er hinausgegangen war, um die Auseinandersetzung zwischen ihr und Jeb zu schlichten. Mandy schnitt ein großzügiges Stück Kirschtorte ab, servierte es ihr auf einem hübschen Porzellanteller und gab ihr dann eine Kuchengabel.

»Danke«, sagte Chloe und wünschte, sie hätte sich in dem Hotel in der Stadt die Zeit genommen, zu baden, sich umzuziehen und zu frisieren. Aber sie hatte Jeb sofort gesehen und war so wütend geworden, dass sie den ursprünglichen Grund für die Reise vergessen hatte – das zerknitterte, viel zu spät erhaltene Telegramm in ihrer Handtasche mit der Nachricht, dass John Lewis, ihr Onkel, schwer erkrankt war. Außerdem hatte sie im Epitaph gelesen, dass in Indian Rock eine Lehrerin gesucht wurde.

Ein Blick auf Jeb McKettrick, als er aus dem Bloody-Basin-Saloon schlenderte, hatte all diese edlen Ziele prompt aus ihrem Kopf vertrieben, und sie war voller Wut den ganzen Weg hierhergefahren, um sich seinen Skalp oder zumindest eine elende Entschuldigung von ihm zu holen.

Während ihrer kurzen, aber leidenschaftlichen Verbindung hatte Jeb, dieses verlogene Stinktier, ihr erzählt, er lebe außerhalb von Stockton, Kalifornien. Er hatte gesagt, er liebe sie, hatte ihr Blumen und Süßigkeiten gekauft und sie trotz seiner offenkundigen Unbesonnenheit und Rücksichtslosigkeit um den Finger gewickelt und für sich gewonnen. Bei mehr als einer Gelegenheit hatte er seinen Hals riskiert, um ihr zu imponieren, hatte Pferde geritten, die Satan selbst nicht zu besteigen wagen würde, und einmal war er fast in eine Schießerei mit einem Mann geraten, der es an dem nötigen Respekt ihr gegenüber hatte fehlen lassen. Das Schlimmste jedoch war, dass er sie in sein Bett gelockt hatte, nicht nur einmal, sondern mehrmals, und eine Seite in ihr zum Vorschein gebracht hatte, die sie rückblickend entsetzte und erstaunte.

Jetzt, in der geräumigen, ganz normalen Küche der Triple M, errötete sie heiß, wenn sie sich an die hemmungslose Leidenschaft, mit der sie auf ihn reagiert hatte, erinnerte.

Sie blickte zur Hintertür, die fest geschlossen war, und fragte sich fast gegen ihren Willen, ob ihr davongelaufener Bräutigam sich blicken lassen würde oder ob er schon wieder Fersengeld gegeben hatte, wie er es ja immer tat. Das Letztere erschien ihr angesichts der jüngsten Ereignisse wahrscheinlicher, und obwohl sie es vorgezogen hätte, an alles andere als ihn zu denken, wurde sie von einer ihr unbegreiflichen Traurigkeit übermannt.

Da Angus den Mund voller Apfelkuchen hatte, war es Rafe, der in Worte fasste, was zweifelsohne alle dachten. »Mir scheint, dass du und mein kleiner Bruder euch nicht besonders gut versteht«, bemerkte er mit ausgesuchter Höflichkeit. »Wirst du hier auf der Triple M bleiben oder fährst du weiter?«

Das Letzte, was Chloe vorhatte, war, sich in einem Haus niederzulassen, in dem sie gänzlich unerwünscht sein würde, oder zumindest doch von Jebs Standpunkt aus gesehen. Obwohl er ihr ein bisschen über alle Familienmitglieder erzählt hatte, wozu er sie alle kurzerhand auf eine Ranch namens Double L verfrachtet hatte, waren diese Leute im Grunde Fremde, und sie konnte sich nicht dazu überwinden, die ganze hässliche Geschichte gleich nach dem ersten Kennenlernen vor ihnen auszubreiten.

»Wahrscheinlich werde ich ein paar Tage im Arizona Hotel bleiben«, erwiderte sie ruhig. »Denn eigentlich kam ich nur nach Indian Rock, um meinen Onkel zu besuchen und mich nach einer Stelle als Lehrerin zu erkundigen. Ich hatte nicht erwartet, Jeb zu treffen.«

Rafes Mund verzog sich zu etwas, das verdächtig nach einem Grinsen aussah. »Offensichtlich war auch er recht überrascht.«

Chloe tat einen tiefen, stärkenden Atemzug und ließ ihn langsam wieder aus. Was passiert war, war passiert, aber sie hatte immerhin noch ihre Würde, so ungefähr das Einzige, was ihr noch geblieben war. »John Lewis ist derzeit meine größte Sorge«, erklärte sie im selben Augenblick, als die Hintertür aufging, Jeb eintrat und sie mit einem bösen Blick bedachte. »Mein Onkel ist der liebste Mensch der Welt für mich.«

Jebs Gesichtsausdruck veränderte sich augenblicklich, als er registrierte, was sie gesagt hatte, und ein lastendes Schweigen senkte sich über den Raum. Angus räusperte sich, Rafe und Kade starrten auf ihre Teller, von ihrer früheren Belustigung war ihnen nichts mehr anzumerken. In Concepcions braunen Augen schimmerten Tränen, und Mandy legte eine Hand an ihren Hals.

Chloes Magen verkrampfte sich. »Was ist?«, fragte sie.

Angus’ Blick glitt zu Jeb, der an der Küchentür stand, als wäre er dort festgefroren. »Du solltest mit deiner Frau in mein Arbeitszimmer gehen«, sagte Angus mit ernster Stimme, »und ihr sagen, was passiert ist.«

Chloes Hand zitterte, als sie die Gabel neben den Teller legte. Jeb nickte grimmig, nahm seinen Hut ab und hängte ihn zu den anderen an den Haken an der Tür. »Hier entlang«, sagte er und wies ihr mit einer leichten Kopfbewegung die Richtung.

Ihre Knie zitterten, als sie aufstand. »Was …?«

Jeb sagte nichts, streckte ihr aber seine Hand entgegen, woraufhin sie um den Tisch herumging, um sie zu nehmen. Für einen winzigen Moment lang drückte er sie beruhigend.

Von Furcht durchflutet, ließ Chloe sich von Jeb aus der Küche, einen Flur entlang und schließlich in einen großen Raum im vorderen Teil des Hauses führen. Dort deutete er auf einen Sessel, in den Chloe sich sinken ließ.

Nachdem Jeb leise die Tür geschlossen hatte, kam er zu ihr hinüber, zog sich einen Sessel heran und nahm ihre Hände in seine.

»Chloe«, begann er mit rauer Stimme, hielt inne und begann erneut. »Chloe, John Lewis ist tot. Sein Herz hat versagt.«

Der Raum, eine Bastion der Männlichkeit, begann sich in Übelkeit erregender Geschwindigkeit um sie zu drehen. »Du lügst«, sagte sie, obwohl sie wusste, dass es nicht so war. Das Telegramm, das sie in Tombstone erhalten hatte – sie erinnerte sich nun mit Schwindel erregender Klarheit, dass Kade McKettrick es in seiner Eigenschaft als Marshall geschickt hatte – war wochenlang nicht zugestellt worden. Sie hatte es erst gestern erhalten und daraufhin unverzüglich ihre Sachen gepackt und sich eine Fahrkarte für die Postkutsche gekauft. Sie hatte schon lange vorher der Schulbehörde in Indian Rock auf deren Annonce hin geschrieben und eigentlich vorgehabt, eine Antwort abzuwarten, bevor sie sich auf die anstrengende Reise begab.

Jeb beugte sich weit genug vor, um seine Stirn an ihre legen zu können, und sie wich auch nicht zurück, wie sie es unter anderen Umständen getan hätte. »Ich wünschte, ich würde lügen, Chloe«, sagte er. »Aber es ist die Wahrheit.«

Und da begann sie zu weinen, leise und verhalten, und Jeb zog sie aus dem Sessel und auf seinen Schoß. Er nahm sie in seine starken Arme, und sie legte ihren Kopf an seine Schulter und atmete seinen Duft ein, der nach frischer Luft und Erde roch. »Nein«, flüsterte sie. John konnte nicht tot sein, es war schlicht unmöglich. Er war die einzige Familie, die sie hatte, außer einer ihr fremd gewordenen Mutter und einem Stiefvater, die gerade eine ausgedehnte Europareise unternahmen. John war ihr liebster und treuester Freund gewesen – ihr einziger Freund, schien es ihr oft. Sie hatte alle seine Briefe aufgehoben, zusammen mit den kleinen Geschenken, die er ihr zu Geburtstagen und Weihnachten geschickt hatte. Obwohl seine Besuche eher selten gewesen waren, hatte er ihr Leben stark beeinflusst, ihr Selbstvertrauen gestärkt, wenn es ins Wanken geriet, mit Interesse ihren manchmal haarsträubenden Ansichten gelauscht, ihr versichert, sie könnte mit jedem Problem zu ihm kommen, jederzeit, und auf seine Hilfe zählen …

Und nun war er nicht mehr da.

Sie erschauderte, und Jeb umschlang sie noch ein wenig fester. »John war ein wunderbarer Mann«, sagte er an ihrer Stirn. »Er fehlt uns allen sehr.«

Chloe schluchzte leise.

»Weine nur«, sagte Jeb. »Du hast jedes Recht dazu.«

Chloe Wakefield hatte keine Träne mehr vergossen, seit sie dreizehn Jahre alt gewesen war und ihr Onkel John ihr gesagt hatte, er würde sie nicht mehr in Sacramento besuchen. Eigentlich müsste sie also aus der Übung sein, aber solche Dinge verlernte man wohl nicht. Sie schluchzte in Jebs Hemd und klammerte sich an ihn, und er hielt sie fest in seinen Armen.

Irgendwann nahm Chloe sich zusammen und hob den Kopf. Schatten hatten sich über den Raum gelegt, als fielen sie von den Büchern in den Regalen, den Wänden, der Decke über ihnen. Chloe wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht und löste sich aus Jebs Armen. Du hast zwei Füße, ermahnte sie sich, also steh darauf.

Sie trat ans Fenster, blieb mit dem Rücken zu Jeb stehen und sah hinaus. »Er muss sich gefragt haben, warum ich nicht gekommen bin«, sagte sie traurig. Der Bach, den sie vorhin in solch großer Eile überquert hatte, funkelte in den letzten Sonnenstrahlen, während pinkfarbene, goldene und blaue Flecken auf seiner Oberfläche tanzten. »Ich hätte da sein müssen.«

»Ich denke, er wusste, dass du es gewesen wärst, wenn du es hättest einrichten können.«

Langsam wandte sie sich um und klammerte sich an ihren wieder aufsteigenden Zorn, wie ein Ertrinkender sich an einem überhängenden Ast festklammern würde. »Du kanntest John«, warf sie Jeb vor. »Hast du die ganze Zeit gewusst, dass er mein Onkel war?«

Jeb stand auf. »Nein«, sagte er, und es klang, als sagte er die Wahrheit. Aber das war natürlich kein Beweis dafür, dass es so war – Jeb McKettrick war ein Schwindler, Liebhaber und Poet, und im nächsten Augenblick ein Schürzenjäger, Revolverheld und Poker spielender Verschwender. Er verfügte über einen ganzen Vorrat von Masken, hinter denen er sein gut aussehendes Gesicht verbergen konnte, und er setzte immer die auf, die seinen Zwecken im Augenblick am besten diente.

Chloe durchforschte ihre Erinnerung, aber sie konnte sich nicht entsinnen, je mit Jeb über John gesprochen zu haben. Ihre Beziehung war zu kurz, zu atemlos, zu leidenschaftlich für einen solchen Austausch gewesen. Wenn Jeb ihr gesagt hätte, dass er aus Indian Rock statt aus Stockton stammte, hätte sie die Verbindung erkannt und John erwähnt.

»Wann?«, fragte sie. »Wann ist er gestorben?«

Jeb machte eine Bewegung, als wollte er sie wieder in die Arme nehmen, aber zu ihrer Erleichterung und zugleich Enttäuschung tat er es nicht. Er stand einfach nur da und beobachtete sie. »Nicht lange, nachdem ich Tombstone verlassen hatte«, antwortete er.

Chloe kämpfte wieder gegen ihre Tränen an und hätte am liebsten die Hände vors Gesicht geschlagen und hemmungslos geweint. »Wo ist er begraben?«

»Auf dem Friedhof in der Stadt«, sagte Jeb. »Ich bringe dich morgen hin.«

Chloe versteifte sich. Im Moment war ihr Stolz das Einzige, was ihr geblieben war. Sie hatte weder einen Zufluchtsort noch einen Ehemann und jetzt auch keinen geliebten, stets verständnisvollen Onkel mehr. »Nein, danke«, sagte sie. »Du hast genug getan, scheint mir. Ich werde allein hingehen.«

Sie bemerkte den harten Zug, der um seinen Mund herum erschien, und wie er für einen Augenblick die Fäuste ballte. »Du wirst dort nicht allein hingehen«, stieß er hervor. »Und damit basta, Chloe. Ich werde dieses arme Pferd, mit dem du hierhergekommen bist, über Nacht in die Scheune bringen, aber dann spanne ich ein anderes an, und wir fahren zusammen nach Indian Rock. Tu, was immer nötig ist, um dich bereit zu machen – wir brechen in einer Viertelstunde auf.«

Chloe öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Trotzig verschränkte sie die Arme vor der Brust. Wenn sie gekonnt hätte, hätte sie Wurzeln geschlagen und sie um die Balken unter dem Fußboden geschlungen, nur um Jeb daran zu hindern, seinen Willen durchzusetzen. Aber er war doppelt so stark wie sie und sah aus wie ein Mann, der meinte, was er sagte.

Er ging zur Tür, öffnete mit beiden Händen die Riegel und blickte sich über die Schulter nach ihr um. Er war ein schlanker Mann, kleiner als seine Brüder, aber sehr agil. Mit seinen funkelnden blauen Augen und seinem blonden Haar, in dem sich das letzte Tageslicht fing, sah er wie ein junger und rebellischer Gott aus, der direkt vom Olymp herabgestiegen war.

»Es tut mir leid«, sagte er. »Das mit John. Und alles andere.«

Chloe wagte nicht, ihm laut zu antworten, weil sie nicht wusste, was alles aus ihr herausbrechen würde, wenn sie es riskierte, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Grenzenlose Wut? Liebesbekenntnisse? Und so antwortete sie nur mit einem knappen Nicken und wandte sich wieder ab. Sie starrte zum Fenster und in die Dämmerung hinaus.

Er verließ den Raum, und wenn er die Tür hinter sich schloss, dann hörte sie es nicht.

Vielleicht fünf Minuten waren vergangen, als Mandy ins Zimmer kam und zu ihr trat. Das Schweigen war kameradschaftlich, tröstlich für Chloes verwundete Seele, auch wenn es nicht sehr lange dauerte.

»Ich habe Wasser aufgesetzt«, sagte Mandy. »Falls du dich waschen möchtest, bevor du in die Stadt zurückfährst.«

Chloe wischte sich über die Augen, obwohl sie schon lange aufgehört hatte zu weinen, oder jedenfalls doch äußerlich. »Du bist sehr freundlich«, erklärte sie, ohne Mandy anzusehen.

Die andere Frau berührte ihren Arm. »Du wirst doch nicht gleich wieder fahren?«, fragte sie sanft. »Es wäre eine Schande, wenn du zu früh fortgehen würdest, ohne den Dingen eine richtige Chance zu geben.«

Endlich wandte Chloe sich um und sah Mandy an. Sie hatte gedacht, was für ein unglücklicher Zufall es doch war, dass sie Jeb überhaupt je kennen gelernt hatte, ganz zu schweigen davon, ihn hier in Indian Rock zu treffen und ihn dann auch noch wie eine aufgebrachte Furie übers Land zu jagen.

»Warum sagst du das?«

Mandy lächelte ein bisschen wehmütig. »Weil ich das beinahe auch getan hätte«, erwiderte sie. »Die Beine in die Hand genommen und weggelaufen, meine ich. Und das wäre der schlimmste Fehler gewesen, denn ich je gemacht hätte.«

3. Kapitel

Silbernes Mondlicht erhellte John Lewis’ letzte Ruhestätte, und ein kalter Wind zerrte an den losen Strähnen von Chloes Haar, als sie vor dem Grabstein stand und ihn betrachtete. John Lewis, stand darauf, geliebter Freund und rechtschaffener Mann. Darunter waren seine Lebensdaten eingemeißelt – er war nur vierundfünfzig Jahre alt geworden.

Chloe strich sich mit der Hand über die Wange, und Jeb, der direkt hinter ihr stand, legte vorsichtig eine Hand auf ihre Schulter.

»Es ist kalt hier draußen, Chloe«, sagte er schroff. »Vielleicht wäre es besser, morgen früh noch einmal herzukommen.«

Doch sie schüttelte den Kopf und schlang die Arme um ihre Taille. Da die Kälte mehr aus ihrem Inneren als von außen kam, nutzte ihr die Geste nicht viel. »Das ist ein teurer Grabstein«, sagte sie mit einer etwas trotzigen Bewegung ihres Kinns.

»Becky hat ihn extra aus New York herbringen lassen«, sagte Jeb, ohne seine Hand zurückzuziehen. Chloe spürte etwas von seiner Energie auf sich übergehen und war froh darüber, obwohl sie sie zurückgewiesen hätte, wenn sie gekonnt hätte. So wie Jeb sie zurückgewiesen hatte.

Sie drehte sich ein wenig, um zu ihm aufsehen zu können. »Becky? Wer ist das?«

Jeb atmete tief aus. »Hat er sie in seinen Briefen nicht erwähnt?«

»Nein«, sagte Chloe und fühlte sich ganz eigenartig schuldbewusst. Sie würde sich daran erinnern, wenn John je eine Frau erwähnt hätte. Und er würde ihr etwas derart Wichtiges doch sicher nicht verheimlicht haben, selbst wenn es sehr persönlich gewesen war.

Und dann verspürte sie einen Stich in einem stillen, verborgenen Winkel ihres Herzens. Sie hatte John auch nie von Jeb erzählt, und von Jack Barrett erst recht nicht. Weil sie sich geschämt hatte, zugeben zu müssen, dass sie nicht nur einmal so dumm gewesen war, sondern gleich zweimal.

Jeb zog Chloes Umschlagtuch noch fester um ihre Schultern. Er hatte ihr während der langen Kutschfahrt von der Triple M seinen Mantel mehrmals angeboten, aber sie hatte abgelehnt, teils, weil sie zu stur war, und teils, weil sie wusste, dass es zu viele schmerzliche Erinnerungen mit sich bringen würde, ein Kleidungsstück von ihm zu tragen. Sie hatten sich oft in seinem Tombstoner Hotelzimmer geliebt, und sie hatte danach immer sein Hemd angehabt, wenn sie lachend auf dem zerwühlten Bett saßen und Rommé spielten.

»Sie wollten heiraten«, sagte Jeb leise, während er ihr in die Augen blickte und sie von jenem anderen Ort und aus jener anderen Zeit zurückholte. »Becky – manche Leute nennen sie auch Mrs. Fairmont, und wieder andere Mrs. Harding, je nachdem – ihr gehört das Arizona Hotel. Sie liebten einander und hatten vor zu heiraten.«

»Ich wünschte, er hätte es mir gesagt.« Chloe fühlte sich vollkommen verloren.

»Hast du ihm von uns erzählt?«

»Nein«, antwortete sie. »Natürlich nicht.«

Jeb schüttelte leicht gereizt den Kopf. »Du hast ihm nichts gesagt, weil du ein Spielchen getrieben hast und er wusste, dass du schon verheiratet warst. Seine Gründe, Becky nicht zu erwähnen, waren wahrscheinlich ein bisschen ehrbarer.«

Seine Worte verletzten Chloe, was bestimmt auch seine Absicht gewesen war, und sie hätte auch sicherlich lautstark protestiert, wenn sie nicht an John Lewis’ Grab gestanden hätte. »So war das überhaupt nicht«, erklärte sie deshalb nur. »Ich hatte vor, ihm zu schreiben, aber dann bist du weggegangen, und ich habe meine Stelle verloren …«

Sie sah Jebs ungläubigen Blick und wusste, dass er das für eine Lüge hielt.

Aber sie log nicht. Sie hätte John alles erzählt, wenn sie noch rechtzeitig gekommen wäre. Sie hätte ihm irgendwann auch die Sache mit Jack erklärt. Sie hätte ihrem Onkel erzählt, wie Jack sie in Sacramento umworben und ihr eingeredet hatte, er sei ein angesehener Bankier, und wie er sie überredet hatte, ihn trotz der energischen Einwände ihrer Mutter und Mr. Wakefields nach Tombstone zu begleiten und ihn dort zu heiraten. Weniger als eine halbe Stunde nach der Trauung hatte sie die schreckliche Wahrheit erfahren: dass Jack Barrett nichts als ein ganz gewöhnlicher Revolverheld war. Höchstwahrscheinlich war er nur hinter dem Geld der Wakefields her gewesen – von dem kein einziger Cent ihr gehörte.

Jebs eben noch verkrampfte Kinnmuskeln entspannten sich, allerdings musterte er sie immer noch misstrauisch.

»Und vielleicht hatte er ja auch nie vor, sie zu heiraten«, sagte Chloe scharf und begann um Jeb herumzugehen. Er hielt sie jedoch zurück, indem er nach ihrem Arm griff.

»Moment mal«, sagte er nicht gerade freundlich. »Becky Fairmont ist eine wunderbare Frau. Rafes Frau Emmeline ist ihre Tochter, sie ist daher also auch eine Verwandte der McKettricks. Und falls du vorhaben solltest, sie aus irgendeinem Grund anzugreifen, solltest du dir das besser noch mal überlegen.«

Chloe entzog ihm ihren Arm. »Ausgerechnet dir steht es wohl überhaupt nicht zu, mir zu sagen, wie ich mich zu benehmen habe«, blaffte sie. Dann raffte sie ihre Röcke und ging mit energischen Schritten zum Tor des Friedhofs.

Jeb hielt Schritt mit ihr. »Brauchst du das nicht?«, konterte er rasch. »Man wird mich hier wahrscheinlich nie vergessen lassen, wie du mich aufs Kreuz gelegt und mich verschaukelt hast. Meiner Meinung nach, Miss Chloe, ist das normalerweise nicht die Art und Weise, wie eine Dame sich verhält.«

»Als ob du eine Dame überhaupt erkennen würdest, wenn du einer begegnetest!«, höhnte Chloe und ging einfach weiter. Im Stillen bereute sie nun ihre rachsüchtige Fahrt zur Triple M, aber sie würde verdammt sein, wenn sie das jemandem wie Jeb McKettrick eingestand.

»Es ist zufällig so, dass Becky eine Dame ist«, beharrte Jeb. »Und das sind auch Emmeline, Concepcion und Mandy. Du tätest gut daran, dir ein Beispiel an ihnen zu nehmen!«

Sie hatten den Friedhof inzwischen verlassen und die Hauptstraße der Stadt erreicht. Chloe ignorierte den gemieteten Wagen und das geduldige Pferd, das Jeb auf der Ranch davorgespannt hatte, und ging forschen Schrittes weiter. »Du kannst dir deine Scheinheiligkeit, Mr. Lügner und Betrüger …«

»Du nennst mich einen Lügner und Betrüger?« Er schwenkte empört die Arme, blieb aber neben ihr, statt in den Wagen zu steigen und davonzufahren, wie sie gehofft hatte. »Also, das ist ja zum Schreien komisch!«

»Ich habe nicht gelogen«, sagte sie atemlos, während sie beinahe in einen Laufschritt fiel. »Und ich habe dich auch nicht getäuscht. Du bist derjenige, der behauptet hat, er sei aus Stockton!«

»Ich schätze mal, deine Definition von Täuschung ist ein bisschen anders als die meine«, knurrte Jeb, nahm seinen Hut ab und klatschte ihn gegen seinen Schenkel, bevor er ihn wieder aufsetzte. »Meiner Meinung nach ist der Gipfel aller Täuschung, mehr als einen Ehemann zu haben!«

»Jack Barrett und ich wurden vor zwei Jahren geschieden!«

Andere Passanten drehten sich nach ihnen um, als sie ihren unharmonischen Weg zum Arizona Hotel fortsetzten. Aber Chloe pfiff darauf, was die Leute dachten, obwohl ihr durchaus bewusst war, dass sie das womöglich noch bereuen würde, falls irgendeiner von ihnen in der Schulverwaltung beschäftigt sein sollte. Soweit sie es beurteilen konnte, machte Jeb sich genauso wenig Sorgen um einen möglichen Skandal wie sie.

»Komisch, dass du das nicht erwähnt hast – oder wenigstens doch ihn –, bis du mich ganz sicher an der Angel hattest!«, brüllte Jeb. Zum Glück senkte er die Stimme, bevor er weitersprach, anderenfalls hätte Chloe ihm vermutlich jedes seiner Haare einzeln ausgerissen. »Als ich das erste Mal mit dir ins Bett ging, hast du so getan, als wärst du noch Jungfrau, Chloe.«

Sie war mehr als dankbar, dass es bereits dunkel war, denn eine heiße Röte schoss ihr bei der Erinnerung an diese Nacht ins Gesicht. Ihr Blut schien unter ihrer Haut zu glühen und pochte und pulsierte an den Stellen, wo er sie berührt hatte. »Ich habe nicht nur so getan«, zischte sie. »Jack und ich haben nie …«

Jeb nahm ihren Arm und zwang sie, mitten auf dem Bürgersteig stehen zu bleiben. »Ihr habt nie was?«, fragte er gefährlich ruhig.

Chloe biss sich auf die Lippe. »Warum soll ich dir das sagen? Du würdest mir ja sowieso nicht glauben.«

»Da hast du verdammt Recht, ich würde dir in der Tat nicht glauben«, sagte er. »Wie du mit einem anständigen, hart arbeitenden Mann wie John Lewis verwandt sein kannst, ist mir unbegreiflich!«

Chloe wehrte sich, aber Jeb hielt sie unerbittlich fest. »Lass mich los, verdammt noch mal!«, fauchte sie. »Ich habe genug von deinen Beleidigungen!«

»Glaub mir, Lady, ich habe noch nicht einmal begonnen, dich zu beleidigen!«, versetzte er, ließ sie aber dann doch endlich los. »Komm. Lass uns gehen, damit du ins Hotel kommst und ich zur Ranch zurückfahren kann. Wo ist dein Gepäck?«

»Der Postkutschenfahrer wird es wohl vor dem Laden stehen gelassen haben, denke ich«, sagte Chloe, ein bisschen ernüchtert und den Tränen schon wieder gefährlich nahe. Es war eine Sache, wegen Johns Tod in Gegenwart von Jeb zu weinen, und eine völlig andere, sich von seinen eigennützigen Beschuldigungen provozieren zu lassen. »Ich hatte etwas anderes im Kopf, als ich dich heute aus dem Saloon kommen gesehen habe.«

Er stieß einen theatralischen Seufzer aus. »Ich werde zurückgehen und den Wagen holen, um deine Sachen einzusammeln. Nachdem ich dich ins Hotel gebracht habe allerdings erst.«

»Ich finde das Hotel allein. Du liebe Güte, es ist doch gleich dort drüben!«, sagte sie und zeigte zur anderen Straßenseite, falls er zu dumm war, um zu merken, dass sie schon fast davor standen.

»Ich werde mich vergewissern, dass du auch hineinfindest«, informierte Jeb sie, »und dafür sorgen, dass du anständig zu Becky bist.«

Chloe schlug mit ihrer kleinen Handtasche nach seinem Kopf, aber er hatte anscheinend eine Menge Übung darin, solchen Angriffen auszuweichen. In diesem Fall war das auch ganz gut so. Sie hätte beinahe vergessen, dass sich auf dem Boden ihrer Tasche ein mit einem stählernen Griff versehener Derringer befand, der sogar seinen Schädel hätte spalten können.

Ein großer Mann, der gerade einen schönen Wallach vor dem Bloody-Basin-Saloon besteigen wollte, ließ sein Pferd stehen und schlenderte auf sie zu. Chloe fielen seine breiten Schultern und harten Gesichtszüge auf, und sie fragte sich, wieso er ihr so merkwürdig bekannt vorkam.

Er tippte an die Krempe seines Huts, und aus dem Augenwinkel bemerkte Chloe mit Genugtuung den feindseligen Blick, mit dem Jeb den Mann anstarrte.

In diesem Moment beschloss sie, freundlich zu dem Mann zu sein.

»Macht mein kleiner Bruder Ihnen Schwierigkeiten, Ma’am?«, fragte der Fremde.

Jeb trat einen Schritt auf ihn zu und blieb dann stehen. »Halt dich da raus, Holt.«

Holt? Jeb hatte ihr, wenn auch nur kurz, von Rafe und Kade erzählt, aber einen dritten Bruder hatte er nie erwähnt. Und zwischen den beiden floss offenkundig böses Blut.

Chloe setzte ihr einnehmendstes Lächeln auf.

Holt, der bei Jebs Worten eine Braue hochgezogen hatte, wandte seine ganze Aufmerksamkeit nun ihr zu. Sie registrierte in diesem Moment seine Ähnlichkeit mit Angus McKettrick. Jebs Vater musste genauso ausgesehen haben, als er jung war; kein Wunder, dass er vier solch gut aussehende Söhne hervorgebracht hatte.

»Ist alles in Ordnung, Ma’am?«, erkundigte sich Holt und formulierte seine ursprüngliche Frage um, wobei er Jeb, der inzwischen so wütend war, dass seine Augen Funken sprühten, ganz offenkundig ignorierte.

»Ihr Bruder hat mich belästigt, Sir«, erwiderte Chloe und warf den Kopf hoch. Sie konnte Jebs Zorn in heißen Wellen von ihm ausgehen spüren und freute sich diebisch darüber. »Ich würde es sehr zu schätzen wissen, wenn Sie ihn dafür ordentlich verprügeln würden.«

Es zuckte um Holts Mundwinkel, und seine Augen glitten zuerst zu Jebs Gesicht und dann wieder zu Chloes. »Ist das wahr?«, fragte er freundlich. Dann stieß er einen tief empfundenen Seufzer aus und drehte seinen Hut in seinen Händen. »Aber so gern ich Ihnen auch den Gefallen täte, Ma’am, kann ich doch leider nicht guten Gewissens mein eigenes Fleisch und Blut so demütigen.«

»Das ist doch …«, fauchte Jeb und stürzte sich auf Holt.

Chloe trat zwischen die beiden Männer, obwohl sie sich selbst nicht erklären konnte, warum, da ihre Bitte wirklich völlig aufrichtig gemeint gewesen war. Vielleicht würde sie es später verstehen, nach einer Tasse Tee und wenn sie in Ruhe darüber nachgedacht hatte.

Beschwichtigend legte sie ihre Hand auf Holts starken Unterarm. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, mich in das Arizona Hotel zu begleiten«, sagte sie mit ausgesuchter Höflichkeit, »wäre ich Ihnen überaus dankbar für Ihre Gesellschaft. Denn heute Abend scheinen ja einige zweifelhafte Elemente auf den Straßen von Indian Rock unterwegs zu sein.«

Holt warf einen weiteren Blick in Jebs Richtung, der nicht weniger ironisch als sein letzter war. »So ist es«, stimmte er ihr lächelnd zu. »Mir ist auch schon mindestens ein Hitzkopf aufgefallen.«

Obwohl Jeb Chloe nicht einmal berührte, konnte sie dennoch spüren, wie er sich versteifte. »Ja, bring sie nur hin«, schnaubte er. »Und möge Gott dir beistehen.« Damit trat er vom Bürgersteig auf die Straße und marschierte zum Friedhof zurück, weil er vermutlich vorhatte, das Pferd und den Wagen zu holen und zur Ranch zurückzukehren.

»Was für ein brummiger kleiner Bursche«, bemerkte Holt, während er Jeb nachblickte.

»Also klein würde ich ihn nun nicht gerade nennen«, stellte Chloe fest.

»Das kann ich mir vorstellen«, gab Holt zurück. Aber da er ganz offensichtlich ein Gentleman war, begleitete er sie zum Arizona Hotel und öffnete die Tür für sie.

»Jeb hat Sie nie erwähnt«, sagte Chloe, während sie eintraten.

»Das glaube ich Ihnen gern«, erwiderte Holt trocken.

Chloes Neugier war geweckt, doch da sie schließlich immer noch ihren Onkel betrauerte und gerade einen weiteren Streit mit Mr. McKettrick hinter sich hatte, beschloss sie, ihre Kraft zu schonen, für den Fall, dass sie noch mehr Gefechte erwarteten. Sie war nicht naiv genug, zu denken, sie wäre ihren Ehemann so leicht losgeworden; er würde nicht eher zufrieden sein, bis er sie in eine Postkutsche gesetzt und sie die Stadt verlassen hatte.

In der Eingangshalle des Hotels glitt Chloes Blick sofort zu der schönen dunkelhaarigen Frau hinter der Rezeption, die aufschaute, als Holt und Chloe eintraten. Ihre Augen weiteten sich, und Chloe hatte das Gefühl, dass ihre Lippen zitterten, obwohl sie lächelte.

»Hallo, Becky«, grüßte Holt, den Hut noch immer in der Hand. »Ich bringe dir einen Gast mit. Nur weiß ich leider noch nicht, wie die junge Dame heißt.«

Dann war dies also die Frau, die John hatte heiraten wollen – die Frau, die ihr Onkel sich nie die Mühe gemacht hatte zu erwähnen. Chloe war seltsam erschüttert darüber, dass er ihr ein solches Geheimnis vorenthalten hatte. Hatte er sich geschämt, so wie sie sich Jack Barretts wegen geschämt hatte?

Becky bewegte sich sehr anmutig, als sie um die Rezeption herumkam und sich ihnen näherte. Sie wirkte elegant und selbstbewusst und überhaupt nicht wie die Art von Frau, mit der ein Mann leichtfertig umgehen würde. »Sie sind Chloe, nicht wahr?«, fragte sie mit etwas heiserer Stimme, und ihre Augen schimmerten von Tränen. »Johns Mädchen.«

»Er war mein Onkel«, hörte Chloe sich sagen.

»Ja«, sagte Becky, und es klang irgendwie ein bisschen resigniert. Dann blickte sie fragend zu Holt auf. »Hast du sie hergebracht?«, erkundigte sie sich verwundert.

Er schüttelte den Kopf. »Ich habe sie nur aus den Klauen meines jüngsten Bruders befreit«, sagte er. »Und wenn ich mich nicht sehr verschätze, wird auch Jeb schon bald erscheinen. Um des lieben Friedens willen sollte ich besser zur Circle C zurückkehren, bevor er kommt.«

»Danke, dass Sie mich gerettet haben«, sagte Chloe.

Holt lächelte über ihren aufrichtigen Dank, aber es war mehr ein amüsiertes als zuvorkommendes Lächeln. »Jederzeit«, sagte er und überließ sie Beckys Obhut.

»Haben Sie kein Gepäck?«, fragte Becky, nachdem sie Chloe lange angesehen hatte. Sie hielt immer noch ihre Hände in einem viel zu festen Griff.

Wie in Beantwortung ihrer Frage flog der erste von Chloes Koffern durch die Eingangstür herein, und kurz darauf folgte eine kleine Kleidertruhe.

Chloe spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg. »Es ist soeben eingetroffen«, erklärte sie.

Stirnrunzelnd ließ Becky Chloes Hände los und ging zur Tür hinüber, wobei sie beinahe über eine große, mit Kordel zusammengebundene Hutschachtel gestolpert wäre.

Chloe schloss für einen Moment die Augen und wappnete sich für die Begegnung, aber Jeb kam nicht herein. Becky fragte ihn, was er sich bei dieser Aktion gedacht habe, worauf er ihr nur etwas Unverständliches zur Antwort gab. Er schleuderte auch noch den Rest von Chloes Sachen in die Halle, und damit war die Angelegenheit scheinbar für ihn erledigt.

»Du liebe Güte«, sagte Becky und zog die Tür nach dem letzten Gepäckstück hinter sich zu. »In so einem Zustand habe ich Jeb noch nie erlebt. Normalerweise ist er immer so gelassen. Was um Himmels willen ist denn nur passiert?«

Chloe seufzte. »Das ist eine sehr lange Geschichte«, erwiderte sie, »und offen gestanden habe ich nicht die Kraft, sie jetzt gleich zu erzählen. Im Augenblick will ich nur ein Zimmer, eine Tasse Tee und vielleicht ein heißes Bad.«

Becky lächelte, und diesmal war nichts Unsicheres an der Geste, obwohl ihre Augen eine ganze Reihe von Bedenken verrieten. »Dann sind Sie an den richtigen Ort gekommen«, sagte sie. »Wir haben viel miteinander zu besprechen, Chloe, aber das kann sicher auch bis morgen warten.«

In Chloe brannten so viele Fragen, doch dank der jüngsten Auseinandersetzung mit Jeb McKettrick war sie nahezu total erschöpft. Deshalb nickte sie einfach nur zustimmend.

Becky führte sie zu einem kleinen, aber hübschen Zimmer im ersten Stock, und kurz darauf brachte ein Chinese ihr Gepäck hinauf. Während Chloe auspackte, erschien Becky mit einem Tablett, stellte es auf den kleinen Tisch unter dem Fenster und betrachtete ihren neuesten Gast mit nachdenklichen Augen.

»Wir haben das Hotel renoviert«, sagte sie schließlich. »Es gibt eine Badewanne mit heißem und kaltem fließendem Wasser, nur ein Stückchen weiter unten auf dem Korridor.«

Seit sie sich aus Sacramento davongestohlen hatte, hatte Chloe sich keinen solchen Luxus mehr gegönnt. Vor ihrer schmachvollen Entlassung als Lehrerin in Tombstone, die sie Jeb zu verdanken hatte, hatte sie in einer billigen Pension gewohnt. Dort hatte sie einen Schwamm und eine Waschschüssel für ihre persönliche Hygiene benutzt, nachdem sie das Wasser selbst hatte erhitzen und in ihr Zimmer hinauftragen müssen.

»Das klingt himmlisch«, sagte sie.

Becky beobachtete sie. Eine kleine Furche hatte sich zwischen ihren perfekten Augenbrauen gebildet. »Chloe …«

»Ja?«, fragte Chloe und unterdrückte einen Seufzer.

»Sie wissen, dass John vor ein paar Monaten verstorben ist, nicht wahr?« Die Frage war behutsam formuliert und hatte einen ängstlichen Unterton.

Chloes Kehle war mit einem Mal wie zugeschnürt. Sie blinzelte, um ihre Tränen zu verdrängen, und nickte. »Jeb hat es mir gesagt«, konnte sie gerade noch erwidern.

»Dann haben Sie also das Telegramm nicht bekommen, das Kade Ihnen geschickt hat?«

Chloe hielt mit einem Nachthemd in den Händen inne und sah Becky direkt an. »Es kam mit einiger Verspätung«, antwortete sie. »Jemand im Telegrafenamt hatte es wohl vor ein paar Tagen zufällig gefunden. Gebracht wurde es mir allerdings erst gestern. Ich habe mich natürlich sofort auf den Weg gemacht.«

»Das erklärt es dann«, sagte Becky leise, und ihre Augen glitzerten schon wieder feucht. Dann riss sie sich offensichtlich mit ihrer ganzen Kraft zusammen und fuhr mit ruhigerer Stimme fort: »Setzen Sie sich und trinken Sie Ihren Tee, meine Liebe. Ich werde in der Zwischenzeit dafür sorgen, dass das Badezimmer vorbereitet wird.« Sie ging zur Tür und legte eine Hand auf die Klinke.

»Becky?«, fragte Chloe.

Becky blieb stehen, ohne sich jedoch zu Chloe umzudrehen.

»Ich würde alles dafür geben, wenn ich hier gewesen wäre, um mich von ihm zu verabschieden.«

»Ich weiß«, sagte Becky, bevor sie hinausging und die Tür hinter sich schloss.

4. Kapitel

Als Chloe am nächsten Morgen ausgeruht, mit einem Bärenhunger auf der Suche nach dem Frühstücksraum in die Eingangshalle hinunterging, war sie sehr erstaunt, Jeb dort auf einem der kleinen, lederbezogenen Sofas schlafend anzutreffen. Er hatte sich den Hut über das Gesicht gelegt und war voll bekleidet. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, seine Stiefel auszuziehen, die über die Armlehne des Sofas baumelten.

Chloe widerstand dem ungebührlichen, aber zwingenden Bedürfnis, seine Füße von der Armlehne zu stoßen. Schließlich stand zu befürchten, dass er im Halbschlaf glauben könnte, er würde von Banditen angegriffen. Womöglich würde er dann am Ende noch auf sie schießen. Sie hatte in Tombstone gesehen, wie schnell er seine .45er in der Hand haben konnte, und ihr schauderte jetzt noch bei der Erinnerung daran. Bestimmt hatte er, derart stolz auf seine Schnelligkeit, nie auch nur daran gedacht, dass es durchaus jemanden geben konnte, der ein noch besseres Reaktionsvermögen als er hatte.

Sie schob den Gedanken jedoch beiseite, fuhr sich über ihr Haar, das nun gewaschen, gebürstet und zu einem ordentlichen Chignon aufgesteckt war. Dann strich sie mit beiden Händen ihren schwarzen Satinrock glatt, zu dem sie ihre beste weiße Bluse trug. Am Hals hatte sie sie mit der Brosche ihrer Großmutter verschlossen. Sie wollte vor allem von Becky als Dame wahrgenommen werden.

»Jeb McKettrick«, sagte sie spitz, »wach auf. Sofort.«

Er tastete mit einer Hand nach dem Hut und hob ihn gerade genug an, um ein Auge freizulegen. »Du«, sagte er beinahe vorwurfsvoll.

Als wäre sie diejenige, die aus dem Rahmen fiel, nicht er. »Was tust du hier?«

Er gähnte ausgiebig und streckte sich, und die Kombination aus beidem war so verdammt sinnlich, dass Chloes Körper sich prompt wieder erinnerte, wie es gewesen war, mit ihm intim zu sein. Dann schwang er seine Beine von dem Sofa und richtete sich auf. »Ich habe dir gestern Abend gesagt, dass ich Becky vor dir beschützen werde«, sagte er, aber seine blauen Augen zwinkerten dabei.

Chloe überlegte, ob sie ein Sofakissen nehmen und ihn damit schlagen sollte. Aber sie brauchte diese Lehrerinnenstelle, da sie den größten Teil ihrer Ersparnisse verbraucht hatte, seit sie aus Tombstone vertrieben worden war. Und das bedeutete, dass ein Minimum an Schicklichkeit unabdinglich war, wenn sie nicht wollte, dass die Schulverwaltung etwas Negatives über sie erfuhr. Vorausgesetzt natürlich, dass sie sich ihre Chancen nicht schon durch das Spektakel am Tag zuvor verdorben hatte. »Nach dem, was ich von Becky gesehen habe«, sagte sie, »ist sie durchaus in der Lage, auf sich selber aufzupassen.«

Jeb grinste, was ihn nur noch attraktiver machte und jähe Wut in Chloe weckte. »Das ist sie«, stimmte er ihr zu. »Du hast mich ertappt, Miss Chloe. Ich glaube, in Wahrheit bin ich wohl doch nur hier, um dich zu ärgern.«

»Das ist vermutlich der erste wahre Satz, den du von dir gegeben hast, seit wir uns begegnet sind«, gab Chloe zurück. »Aber du kannst jetzt ruhig wieder gehen, denn du hast mich schon genug geärgert.«

Er ließ seinen Blick über sie gleiten, bevor er sich lässig von der Couch erhob. »Du siehst ja wieder ganz passabel aus«, bemerkte er.

Chloe verschränkte ihre Arme und klopfte mit einem Fuß auf den Boden.

Er lachte und schüttelte den Kopf. »Du kleiner Wildfang«, neckte er. Dann beugte er sich ein wenig vor und senkte seine Stimme. »Ich habe gestern Abend schon überlegt, ob ich auf meinen ehelichen Rechten bestehen soll, aber dann dachte ich mir, dass du mir wahrscheinlich die Augen auskratzen würdest, wenn ich in dein Bett gekrochen käme.«

»Da hast du ver … völlig Recht«, versetzte Chloe, obwohl sie sich insgeheim gar nicht so sicher war. Sie neigte dazu, jegliche Vernunft zu verlieren, wenn er sie küsste und sie sich liebten …

Aber dann schüttelte sie im Stillen den Kopf. Sie hatten sich nie »geliebt«, sie hatten sich nur gegenseitig die Kleider vom Leib gerissen und sich gepaart, mehr nicht.

Chloe fächelte sich mit einer Hand Luft zu, und Jeb grinste, als wüsste er ganz genau, woran sie gerade dachte.

Sie hätte ihn wahrscheinlich umgebracht und auf die Schulbehörde gepfiffen, wenn Becky nicht in diesem Augenblick die Treppe hinuntergekommen wäre.

»Na so was«, sagte diese beeindruckende Frau. »Wenn das nicht Mr. McKettrick ist! Man sollte meinen, du wärst inzwischen im Gefängnis, so wie du dich aufgeführt hast, als ich dich das letzte Mal sah.« Sie lächelte ihn an. »Möchtest du mit uns frühstücken?«

»Ich würde nicht einmal im Traum daran denken, dieses Angebot auszuschlagen«, sagte er und schaute nicht Becky, sondern Chloe dabei an.

Sie bedachte ihn mit einem Blick, der jedem außer Jeb das Blut in den Adern hätte gefrieren lassen. »Ich kann mir nicht vorstellen, warum du dich mit einer verlogenen, hinterhältigen Betrügerin wie mir an einen Tisch setzen solltest«, fauchte sie dann.

»Ach du meine Güte«, wandte Becky augenscheinlich erschrocken ein. »Das hast du doch nicht wirklich gesagt, Jeb?«

Er lächelte gewinnend. »Doch, Ma’am«, sagte er. »Genau das habe ich gesagt. Und habe jedes Wort auch so gemeint.«