Die Schule der magischen Wesen - Jahr 2 - Lucía Ashta - E-Book
BESTSELLER

Die Schule der magischen Wesen - Jahr 2 E-Book

Lucia Ashta

5,0

Beschreibung

Der zweite Band der großen Serie von Lucia Ashta! Die Akademie für magische Wesen nimmt nur die Übernatürlichen mit dem größten magischen Potenzial auf. Rina ist sich jetzt sicher, dass sie das Zeug dazu hat ... mehr als nur das Zeug. Sie hat mehr Macht, als sie erwartet hat. Wenn sie nur lernen könnte, ihre wilden Kräfte zu beherrschen, bevor sie sie beherrschen. Ob es ihr nun gefällt oder nicht, Rina wird bald herausfinden, dass sie ihren Platz an der Akademie zu Recht verdient hat und verteidigen muss.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 307

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
5,0 (3 Bewertungen)
3
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.

Beliebtheit




DIE SCHULE DER MAGISCHEN WESEN

JAHR 2

LUCÍA ASHTA

INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

1

Ich beeilte mich, aus dem Portal herauszutreten, das den Goldenen Wald der Feen mit Sedona verband, der Stadt der roten Berge in der Wüste von Arizona. Obwohl das von den Feen geschaffene Portal die einzige Möglichkeit für einen Wandler wie mich war, in die Dimension zu reisen, die allen Feen als Heimat diente, konnte ich den kreisförmigen Tunnel mit seinen funkelnden Lichtern nicht einen Augenblick länger ertragen. Er erinnerte mich an eins dieser klapprigen Fahrgeschäfte, die sich drehten und blinkten, bis mir von der Reizüberflutung übel wurde.

Ich trat auf den Platz und stolperte zur Seite, um der bunt zusammengewürfelten Gruppe von Feen aus dem Weg zu gehen, die hinter mir durch das Portal tänzelte.

Ja richtig, sie tänzelten, ich stolperte. Das Leben war nicht fair.

Keuchend beugte ich mich vor, die Hände auf den Knien abgestützt, als hätte ich die Strecke zwischen dem Feenwald und Sedona im Dauerlauf zurückgelegt. Die Sonne schien hell und warm vom Himmel, obwohl es noch früh am Morgen war.

"Oh, Gott sei Dank", keuchte ich und flehte meinen Magen an, seinen Inhalt bei sich zu behalten. Damit mich zu übergeben, wollte ich mein zweites Semester an der Akademie für magische Wesen nicht beginnen. Und vor allem wollte ich mich nicht vor Leander Verion, dem Elfenprinzen, übergeben, schon gar nicht nach dem Sommer, den wir zusammen verbracht hatten.

Mein Bruder Ky erschien neben mir. "Geht’s dir gut, Rina?", fragte er keuchend.

"So gut wie dir, vermutlich." Ich war froh, dass es offenbar nicht nur mir so ging.

Er stöhnte. "Wie zum Teufel machen die Feen das nur? Sie sind so gut drauf wie immer. Naja, Leo ist normalerweise eher nicht fröhlich ..."

Das stimmte allerdings. Der Elfenprinz war eher launenhaft, eine Tatsache, die ihn eigentlich nicht noch anziehender für mich machen sollte.

"Boone", stöhnte mein Bruder, als der große Werwolf neben uns auf seinen Hintern plumpste und sich die Knie an die Brust presste. "Geht's dir gut?"

"Mmm", brummte Boone unverbindlich und konzentrierte sich dann darauf, tief durch die Nase ein- und durch den Mund auszuatmen. "Ich hoffe, ich muss das nie wieder machen."

Ich nickte, mein langes blondes Haar glitt um mein Gesicht. "Geht mir genauso. Das war fürchterlich."

"Das war es", stimmte Boone zu. "Aber jetzt haben wir es geschafft." Er seufzte erleichtert - dann stockte ihm der Atem.

"Was ist los?”, fragte Ky. Wir schauten uns um, um herauszufinden, was Boone zum Erstarren gebracht hatte. Aber alles, was ich sehen konnte, waren die vielfarbig funkelnden Lichter von Leanders Portal. Sie strahlten so hell, dass sie alles dahinter verdeckten.

Boone rappelte sich auf, schwankte ein wenig und stapfte dann mit schwerfälligen Schritten zum Rest der Gruppe. Ky sah mich mit großen Augen an, bevor er seinem Freund hinterherlief. Ich blieb, wo ich war. Es gab nichts Ungewöhnliches zu sehen - abgesehen von ein paar Dutzend Feen aller Arten und Größen. Die kleinsten Feen unserer Gruppe waren höchstens 30 cm groß, die größten etwa so wie Leander, der knapp 190 cm groß und ein echtes Sahneschnittchen von Mann ... äh, Elf, war. Alle Feen hatten spitze Ohren, und die meisten von ihnen Flügel, allerdings nicht alle. Adalia, die während meines Sommerferien-Aufenthalts bei den Feen eine enge Freundin geworden war, hatte zum Beispiel keine. Ich war immer noch dabei, die vielen verschiedenen Arten von Feen kennenzulernen. Ihre Rasse war die vielfältigste unter allen magischen Geschöpfen.

"Stehenbleiben!"

Boones dröhnende Stimme schallte über den Parkplatz, der um diese Uhrzeit bis auf unsere Gruppe eigentlich leer sein sollte.

Wir waren extra so früh zurückgekommen, um vor den übrigen Schülern der Menagerie einzutreffen, die genau wie wir heute anreisen würden.

"Bleibt zurück, oder ihr werdet es bereuen!" Boone war der zukünftige Alpha des Werwolf-Rudels aus dem Nordwesten und seine donnernde Stimme hatte schon jetzt Autorität. Obwohl ich nicht einmal gemeint war, verspürte ich den Drang, ihm zu gehorchen.

Ich mischte mich unter die anderen und ignorierte dabei meine wackeligen Beine.

Einige der Worte, die als Antwort zurückgerufen wurden, drangen in mein Bewusstsein, aber ich konnte ihren Sinn nicht erfassen. Leanders Portal funkelte und flackerte noch einen Moment, dann war es verschwunden.

In diesem Moment begann mein Herz wie wild zu schlagen.

Vier Männer und eine Frau, alle groß und muskulös, starrten Boone, Leander und meinen Bruder an, während unsere bunte Feen-Truppe einen losen Halbkreis hinter ihnen bildete.

Es mussten Wandler sein, es sei denn, eine Gruppe von Bodybuildern hatte beschlossen, am Ausgangspunkt des Wanderwegs einen spontanen Wettkampf abzuhalten – und das war nicht sehr wahrscheinlich.

"Was wollt ihr?" forderte Leander die Gruppe heraus, seine Stimme war eine Mischung aus Autorität und Macht.

Die Frau machte einen Schritt nach vorne und schlich vor den Männern auf und ab, den Blick stets auf uns gerichtet. Ihre Schultern bogen sich nach vorne als sie sich ein wenig in unsere Richtung beugte und sie erinnerte mich in diesem Moment an eine Hyäne. Das krause, kinnlange Haar, das ihr wild vom Kopf abstand, unterstrich diesen Eindruck nur.

Sie verzog das Gesicht zu einem fiesen Grinsen. "Du weißt, was ich will, und wenn du schlau bist, übergibst du sie mir, dann bekommen du und deine kleinen Freunde keine Probleme."

Leander lachte spöttisch. "Glaubt ihr wirklich, wir würden zwei von unseren Leuten einfach ausliefern? Dann wisst ihr nichts über uns. Vor allem wisst ihr nichts über mich."

"Oh, ich weiß alles über dich, Leander Verion, Prinz der Elfen." Ihre Lippen kräuselten sich, als hätte sie einen besonders üblen Geruch in der Nase. "Ich weiß auch alles über deinen Vater, Dillmon Erion, König der Feen."

So, wie sie es sagte, klang es, als wollte sie bei „König der Feen“ Anführungszeichen in die Luft malen.

"Ihr seid großartig im Reden schwingen, aber wir alle wissen, dass die Macht der Feen rapide schwindet. Dein Vater ist der König eines schwachen Volkes."

Boone knurrte und machte einen Schritt auf die Frau mit den bunt gefärbten Haaren zu.

Leander hielt den Werwolf mit einer Hand zurück. "Was auch immer du für eine fehlgeleitete Meinung über meinen Vater, mich oder unser Volk hast, interessiert mich nicht. Ihr werdet auf der Stelle verschwinden und uns den Weg freimachen."

"Oder was?"

"Oder wir zwingen euch." Boones Worte waren kaum zu verstehen, er knurrte eher, als dass er sprach.

Bunthaar starrte der Reihe nach Boone, Leander und schließlich Ky an. Als sie mich in der Gruppe ausmachte, verzogen sich ihre schmalen Lippen zu einem bedrohlichen Lächeln. Die Männer hinter ihr kicherten höhnisch und erinnerten mich einmal mehr an ein Rudel Hyänen.

"Oh, ich denke nicht, dass wir verschwinden werden. Stattdessen nehmen wir uns, was wir haben wollen, nicht wahr, Jungs?"

Die Männer johlten zustimmend.

"Genauso wird es laufen", fuhr Bunthaar fort. "Also liefert Kylan und Rina Mont aus, oder ihr werdet für ihren Schutz einen hohen Preis bezahlen." Ihr Lächeln wurde breiter. "Es wird keine Überlebenden geben, nicht wahr, Jungs?"

"Nicht einen!", brüllte einer der Männer, dessen Schultern mindestens doppelt so breit waren wie meine. Bunthaar strahlte, während sie die Augenbrauen zusammenzog, was sie geistesgestört genug wirken ließ, den Versuch zu wagen, dutzende Wesen auszulöschen, nur um Ky und mich in die Finger zu bekommen.

Ich verlagerte mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Sollte ich mich ausliefern? Es war eine Sache gewesen, Leanders Vater zu erlauben, Ky und mich über den Sommer zu beschützen. Er hatte die Mittel dazu, ohne ihn oder sein Volk in Gefahr zu bringen - zumindest ging ich davon aus. Aber die Feen und der Werwolf, die meinen Bruder und mich umringten, waren keine Soldaten. Sie waren Schüler, die gerade erst lernten, ihre magischen Kräfte zu nutzen.

Bevor ich etwas sagen konnte, trat Ky vor. Leander versuchte ihn aufzuhalten, aber mein Bruder schlug seine Hand weg, ging zu der freien Fläche zwischen den gegnerischen Gruppen und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Er war ebenso groß wie Boone und Leander und strahlte Stärke aus. Seine breiten Schultern waren breit, der Rücken gerade und der Bizeps wölbte sich, als er seine Muskeln anspannte - er war genauso beeindruckend wie seine beiden Freunde.

"Wenn ich mich euch ausliefere, werdet ihr dann friedlich von hier abziehen, ohne jemandem etwas anzutun?", fragte er.

"Nein", keuchte ich, während Leander und Boone einige Schritte auf ihn zu machten.

Er hob eine Hand, um sie davon abzuhalten näherzukommen. "Ihr werdet meine Schwester in Ruhe lassen, von hier verschwinden und nie zurückkommen."

"Natüüüüürlich", grinste Bunthaar. "Genauso wird es ablaufen."

Die Männer in ihrem Rücken brachen in keuchendes Gelächter aus und mir wurde noch mulmiger zumute.

So, wie Boone in die Knie ging und seinen Hals zu beiden Seiten dehnte, war auch ihm klar, dass die Männer nicht die Absicht hatten, kampflos von hier zu verschwinden. Leander zeigte keine sichtbare Reaktion, aber im vergangenen Sommer hatte ich gelernt, dass der Prinz nur selten seine Gedanken preisgab.

Adalia trat an meine Seite und schenkte mir ein nervöses Lächeln. Ich erwiderte es, mindestens doppelt so nervös wie sie. Auf keinen Fall konnte ich zulassen, dass Ky sich für mich opferte.

"Ihr riskiert also lieber den Tod eurer gesamten Gruppe, als auf mein Angebot einzugehen?”, fragte Ky. "Es ist ein echt gutes Angebot. Ihr solltet es annehmen. Ansonsten werden meine Freunde und ich euch in Stücke reißen."

"Ist das der Grund für dein Angebot? Weil ihr uns nicht verletzen wollt? Das ist so rücksichtsvoll von dir." Sie lachte höhnisch. "Ich werde dir sagen, wie das hier ablaufen wird. Meine Jungs und ich werden dich und deine Schwester mitnehmen, und wir werden jeden töten, der uns daran hindern will. Ist das klar genug für dich?"

"Klar wie Kloßbrühe", knurrte Boone, während er sich an Bunthaar heranpirschte.

Ky stürzte vor und bekam Boone im letzten Augenblick an der Schulter zu fassen. "Letzte Chance", verkündete er. "Nehmt mich, und ihr kommt ungeschoren davon."

"Das geht nicht, Kumpel", sagte Bunthaar. "Rage will euch beide, und Rage bekommt immer, was er will."

Ein paar Sekunden lang starrte sie Ky, Boone und Leander an. Die Drei starrten zurück und rückten näher zusammen, bildeten eine Wand, die den Rest unserer Gruppe von Bunthaar und ihren Kumpanen trennte.

Bunthaar beugte sich zur Seite, um mir einen letzten Blick zuzuwerfen, bevor sie über ihre Schulter rief: "Los geht's, Jungs."

Ein Chor aus Knurren und Grollen ertönte aus beiden Gruppen, bevor das Knacken von Knochen und Knorpeln die vier "Jungs" zum Schweigen brachte. Sie krümmten sich zusammen und ihre Gesichtszüge verzerrten sich vor Schmerz, während sich das gesprenkelte Fell einer Hyäne über die entblößte Haut ihrer Arme, Hälse und Gesichter kräuselte - ich hatte Recht gehabt.

Jetzt verschwanden auch die Umrisse von Boones und Kys Körpern. Ihre gesamte Gestalt vibrierte so stark, dass ihre Zähne für ein paar Sekunden klapperten, bevor ihre Körper unscharf flackerten.

Das Flackern war die letzte Phase ihrer Verwandlung. Ihre Körper erstarrten kurz und offenbarten dann einen prächtigen Berglöwen und einen Wolf mit dickem, grau geflecktem Fell, der genauso groß war wie der Löwe.

Ky und Boone hatten sich komplett verwandelt, während die "Jungs" noch mittendrin steckten. Der riesige Wolf und der wüstenfarbene Löwe stürzten sich ohne Verzögerung auf die halbverwandelten Wesen. Ky schlug mit seiner massiven Pranke nach einer der Hyänen und schlitzte ihren Bauch auf. Blut strömte aus der Wunde, während die Kreatur sich wimmernd zurückzog.

Der Wolf sprang die zweite Hyäne an, und schnappte mit seinen tödlichen Zähnen nach ihrem Hals. Die Augen des erst zur Hälfte Verwandelten wurden glasig, als Boone ihm die Kehle aufriss.

Ich riskierte einen Blick auf Bunthaar, die mit großen Augen auf die Szene starrte. Offensichtlich hatte sie nicht damit gerechnet, dass Ky und Boone sich deutlich schneller verwandeln würden als ihre Männer. Je stärker die Magie eines Wandlers war, umso schneller verwandelte er sich. In der Menagerie waren nur die besten Wandler der Welt, das hätte sie wissen müssen.

Doch Bunthaar überwand ihr Entsetzen schnell. Ohne weiteres Zögern riss sie ein großes Schwert aus der Schwertscheide auf ihrem Rücken und stürzte sich in den Kampf.

Auch Leander stürmte vor, und einige der Feen eilten ihrem Prinzen nach. Der Rest von ihnen war zu klein und zerbrechlich, um viel Hilfe zu leisten. Adalia drückte sich an mich und schützte mich mit ihrem Feenschild. Ich wusste die Absicht zu schätzen, aber ich konnte auf keinen Fall zulassen, dass sich eine Freundin für mich opferte, also schob ich sie sanft zur Seite.

Mittlerweile hatten auch die beiden letzten Hyänen ihre Verwandlung beendet und griffen Ky und Boone frontal an währen Leander sich Bunthaar entgegenstellte – scheinbar unbewaffnet.

Mir stockte der Atem. Ich griff nach Adalias Hand, ohne den Blick auch nur für einen Moment von dem Kampf vor uns abzuwenden und drückte sie fest. Sie erwiderte den Druck mit gleicher Heftigkeit. Adalia betete ihren Prinzen an, genau wie ich ... allerdings aus ganz anderen Gründen. Auch wenn ich noch nicht bereit war, das irgendjemandem zu gestehen, schon gar nicht Leander.

Bunthaar packte ihr Breitschwert mit beiden Händen und ging auf Leander los. Er parierte den Angriff, indem er ihr beide Hände entgegenstreckte und ihr einen silbrigen Blitz entgegen schleuderte. Die Wucht ihres Angriffs wurde dadurch nicht gestoppt, aber er wurde langsamer. Bunthaar verzog den Mund, als sie ihre ganze Kraft in den Schwung ihres Schwertes legte.

Leander breitete seine Handflächen aus, und ließ noch mehr mondlichtfarbene Magie pulsieren. Bunthaar watete durch den Nebel seiner Macht, als würde sie durch flüssigen Teer stapfen. Ihr Schwert zielte auf Leanders Kopf, als dieser der Klinge auswich und seine Magie losließ.

Das Schwert schlug zu Boden und warf Bunthaar damit aus dem Gleichgewicht. Leander drehte sich weg. Er hatte sie besiegt, zumindest für den Augenblick. Den Rest erledigten die drei Feen, die ihm zur Hilfe eilten.

Ich blickte wieder zu Ky und Boone, mein Puls raste. Adalia klammerte sich an meinen Arm, während Boone und Ky sich um die beiden noch unverletzten Hyänen kümmerten. Sie umkreisten einander mit gefletschten Zähnen und ständigem Knurren.

Die Hyänen waren ungewöhnlich groß. Obwohl sie genauso aussahen wie eine normale Hyäne, waren sie bestimmt doppelt so groß, und damit mindestens einen Kopf größer als der Berglöwe und der Wolf.

Mir stockte der Atem, als Ky mit ausgefahrenen Krallen nach einer der Hyänen schlug. Das Tier wich dem Angriff aus und kicherte dabei auf beunruhigende Art und Weise – es klang geistesgestört.

Der Wolf und die zweite Hyäne knurrten bösartig und stürzten sich mit aufgerissenen Mäulern aufeinander, während sie gleichzeitig versuchten, sich am jeweils anderen festzukrallen. Ich hielt den Atem an, mein Herz konnte diesen Mist nicht ertragen.

Ky landete mit einem Sprung auf dem Rücken der anderen Hyäne und warf sie zu Boden, wo beide sich auf dem Pflaster wälzten und verzweifelt versuchten, den Gegner am Boden zu fixieren.

Da hallte ein Schuss durch den Morgen.

Mein Herz setzte einen Schlag aus, Adalia kreischte und riss mich in eine feste Umarmung, während sie den Hals reckte, um zu sehen, welche weitere Bedrohung aufgetaucht war.

"Jacinda, befiehl deinen Leuten, sich sofort zurückzuziehen, oder ich werde sie erschießen."

2

"Ich meine es ernst", sagte der Mann gelassen und richtete sein halbautomatisches Gewehr mit ruhiger Hand auf Bunthaar-Jacinda. Er wirkte wie eine Mischung aus Mad Max und Captain Jack Sparrow, vorausgesetzt die beiden hatten ebenholzfarbene Haut und hüftlange Dreadlocks und trugen zerrissene Jeans zu einem verblichenes Guns N' Roses-T-Shirt.

Ich hoffte inständig, dass er auf unserer Seite stand und nicht hier war, um Jacindas Job zu übernehmen. Seine warmen, schokoladenfarbenen Augen zeigten seine Überzeugungskraft. Wenn er uns mitnehmen wollte, würde er das tun. Außerdem war er der Einzige mit einer Waffe.

"Du weißt, dass ich das durchziehen werde", sagte er beiläufig, während die Frau, die ihn begleitete, an seine Seite trat.

Sie war von durchschnittlicher Größe und Statur, aber wie ihr Begleiter strahlte sie Erfahrung und Zielstrebigkeit aus. Mit ihrem schmutzig-blonden Haar und ihrem hübschen, aber unauffälligen Gesicht hätte sie leicht in einer Menschenmenge untertauchen können. Das tat sie aber nicht. Ich war mir nicht sicher, woran es lag - ganz sicher nicht an ihrem Schlumpf-T-Shirt -, aber ich wusste instinktiv, dass sie genauso gefährlich war wie ihr Begleiter.

Jacinda ließ nervös ihren Blick zwischen ihnen hin und her schweifen, während die beiden verbliebenen Mitglieder ihrer Mannschaft sich so positionierten, dass sie Ky, Boone und die Neuankömmlinge gleichzeitig im Auge behalten konnten. Ihre gefallenen Kumpane lagen stöhnend auf dem Boden. Sie hatten schwere Verletzungen und ihre Wunden klafften tief, aber vielleicht konnten ihre Wandler-Heilkräfte sie noch retten.

Jacinda wirkte für einen Augenblick unschlüssig, bevor sie schließlich ein Lächeln aufsetzte, das wohl beschwichtigend wirken sollte. "Es gibt keinen Grund für so extreme Maßnahmen, Damon. Du kannst die Waffe weglegen und wir reden darüber."

"Wie gut, dass du mir erklärst, was ich tun kann", sagte Damon, "obwohl du weißt, dass ich es nicht tun werde."

"Können wir nicht wie Freunde darüber reden?" Sie wedelte in gespielter Unschuld mit der Hand.

Schlumpfine stieß ein bellendes Lachen aus. "Freunde. Als ob."

"Wir sind schon lange keine Freunde mehr", erklärte Damon. "Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass wir das nie waren. Ich neige dazu, es Leuten übel zu nehmen, wenn sie mir in den Rücken fallen."

Schlumpfine sah mit zusammengekniffenen Augen zu Jacinda, vielleicht dachte sie gerade an das verräterische Ereignis. Als sie ihre Arme über der Brust verschränkte, bemerkte ich, dass sie gefährlich aussende Messer an beiden Hüften trug.

"Entschuldigt bitte", mischte Leander sich in die Unterhaltung, "aber wer seid ihr? Und was wollt ihr hier?"

Ja, das wollte ich auch unbedingt wissen. Jeder Muskel meines Körpers war angespannt, und Adalia hielt mich so fest, dass ich blaue Flecken bekommen würde.

Damon hielt den Lauf seiner Halbautomatik auf Jacinda gerichtet, blickte aber zu Leander und dann zum Rest von uns. Schlumpfine starrte weiterhin Jacinda an, die seit dem Eintreffen der beiden keinen einzigen Blick auf ihre gefallenen Kameraden geworfen hatte.

"Wir sind Vollstrecker", sagte Damon, und mir stockte der Atem. Ich hatte nicht gewusst, ob überhaupt einer von ihnen den Angriff der Stimme im letzten Schuljahr überlebt hatte, sondern war davon ausgegangen, dass alle tot waren.

"Ihr seid Kakerlaken, und sonst gar nichts", brummte Jacinda. "Ihr hättet mit den Übrigen sterben sollen."

Schlumpfine ging drohend auf Jacinda zu. "Sag das noch mal, Schlampe", knurrte sie.

Ich wich ein Stück zurück und zog dabei die verängstigt dreinblickende Adalia mit mir, ohne es überhaupt zu merken. Schlumpfine war knallhart. Wenn Jacinda keine Angst vor ihr hatte, dann war sie verrückt.

"Ihr wolltet ja nicht aufhören." Jacinda spuckte die Worte geradezu aus. "Also habt ihr uns zum Handeln gezwungen. Ihr hättet auf uns hören sollen, aber dafür wart ihr zu dämlich."

Jetzt war es amtlich: Jacinda war definitiv durchgeknallt.

Schlumpfine musste ein paarmal ansetzen, bevor sie es endlich schaffte zu antworten. "Ihr musstet handeln? Du nennst es handeln, dass ihr uns mitten in der Nacht im Schlaf abgeschlachtet habt?"

Jacinda zuckte mit den Schultern. "Hey, wir haben getan, was wir tun mussten. Ihr habt uns keine Wahl gelassen."

Schlumpfine knurrte so bösartig, dass alle mit Ausnahme von Damon einen Schritt zurückwichen, während sie langsam auf Jacinda zuging, die unbeirrbar stehenblieb. Der Vollstreckerin schienen die Worte zu fehlen. Sie wirkte, als würde ihr Rauch aus den Ohren steigen.

"Ihr habt keine Spur von Ehrgefühl", sagte Damon, der hinter Schlumpfine aufragte.

Jacinda zuckte mit den Schultern und strich sich über die krausen Haare. "Ehre ist etwas für Schwächlinge und Schlachtfelder. Wir sind Überlebenskünstler."

"Macht euch nicht wichtiger als ihr seid. Ihr seid allesamt machtgierige Widerlinge, nichts weiter."

"Ihr habt kein Recht, jeden unserer Schritte zu kontrollieren! Ihr könnt nicht ..."

"Wir können. Und wir werden." Er richtete seine Waffe abwechselnd auf sie und ihre Begleiter. "Also, wie soll es weitergehen? Ergibst du dich oder soll ich Sadie auf dich hetzen?"

Schlumpfine – oder besser Sadie - knurrte wie ein wütendes Tier, während ein orangefarbener Zauber über ihre nackten Arme flimmerte. Was war das? Ich drehte mich zu Adalia um, deren Augen vor Schreck geweitet waren. Sie hatte so etwas also auch noch nie gesehen ... nicht bei einem Wandler. Magie wie diese sollte eigentlich Magiern vorbehalten sein, und außergewöhnlichen Wesen wie Leander ... und vielleicht mir.

Jacinda warf einen Blick über die Schulter auf ihre Begleiter. Die Atmung des einen Verwundeten beschränkte sich auf ein gelegentliches flaches Einatmen, vermutlich waren seine Wunden zu schwer, um durch seine Wandler-Magie zu heilen. Der andere kämpfte noch, ein Speichelfaden hing aus seinem Maul, während er unaufhörlich keuchte.

Ky und Boone waren in unmittelbarer Nähe der beiden anderen Hyänen geblieben, Leander und die drei Feen hinter ihm befanden sich in Schlagdistanz zu Jacinda.

Ihre Schultern sanken minimal nach unten, doch sie schaffte es, einen gleichmütigen Gesichtsausdruck aufzusetzen. "Wir werden uns nicht ergeben."

Damon hob seine Waffe ein wenig, sodass der Lauf auf ihre Brust gerichtet war. "Aber ich bin bereit, über die Bedingungen zu verhandeln", beeilte sie sich zu sagen.

"Bedingungen?", blaffte Sadie ohne den geringsten Funken Belustigung in der Stimme. "Hast du den Verstand verloren? Du hast unsere Freunde im Schlaf ermordet. Ich werde dich in winzige Stücke reißen, sodass dich niemand mehr erkennt, wenn ich mit dir fertig bin."

"Sadie", warnte Damon. "Lass sie leben."

"Das haben sie nicht verdient."

"Wir bringen sie zu Thane. Er wird Antworten aus ihr herausbekommen. Wir müssen wissen, was die Stimme und die Wandler-Allianz planen, das ist wichtiger, als sie zu töten."

Sadie knurrte.

"Nur so verhindern wir einen weiteren Angriff wie den, bei dem unsere Freunde getötet wurden", drängte Damon.

Sie knurrte wieder, diesmal leiser, es klang resigniert.

Damon nickte auffordernd, wodurch seine schweren Dreadlocks gegen die Rückseite seines schwarzen T-Shirts klatschten. "Auf geht´s, Jacinda. Wenn ihr keine Schwierigkeiten macht, bekommt ihr vielleicht sogar medizinische Hilfe für deine Kumpane."

"Ich gehe nirgendwo hin, wenn du vorhast, uns an Thane auszuliefern", entgegnete Jacinda.

Damon lächelte kalt. "Entweder das oder ich töte dich auf der Stelle. Du hast die Wahl. Sadie würde dich ohnehin lieber tot sehen. Und der da wird innerhalb einer Stunde sterben, wenn er keine Hilfe bekommt."

"Er könnte so oder so sterben." In ihrer Stimme schwang ein leiser Hauch von Sorge mit.

"Ja, das könnte er, und er hätte es verdient. Aber wenn du mit uns kommst, hat er wenigstens eine Chance."

In der Ferne heulten Polizeisirenen, die sich schnell näherten. Vermutlich hatte jemand den Schuss gemeldet, der in unmittelbarer Nähe der kleinen Stadt viel zu auffällig gewesen war.

"Du hast zehn Sekunden, dich zu entscheiden", sagte Damon. "Wir müssen verschwinden, bevor die menschlichen Polizisten hier eintreffen."

Sadie schlich sich näher an Jacinda heran, und sofort schlossen Leander und die drei menschengroßen Feen die entstandene Lücke. Boone und Ky pirschten sich näher an die beiden kampffähigen Hyänen heran.

"Also gut", sagte Jacinda knapp. "Wir kommen mit euch, aber ich bekomme Hilfe für meine Männer. Wenn ihr dieses Versprechen nicht einhaltet, dann helfe euch ..."

"Nein", sagte Sadie ein wenig zu fröhlich. "Dann helfe dir. Thane hat nur darauf gewartet, einen von euch in die Finger zu bekommen. Ihr Widerlinge habt seine Frau getötet." Sie grinste, wirkte dabei aber leicht durchgeknallt und Adalia umklammerte meinen Arm.

Jacinda schluckte sichtlich. Wer zum Teufel war dieser Thane?

"Im Gegensatz zu euch halten wir unser Wort", sagte Damon. "Kommt schon. Los geht’s ." Mit dem Lauf seiner Waffe deutete er in die Richtung, aus der sie gekommen waren.

Jacinda zögerte einen Moment, bevor sie seiner Anweisung folgte. Die beiden nur leicht verletzten Hyänen schoben sich um Boone und Ky herum und stellten sich hinter sie.

"Übernimmst du die anderen?”, rief Damon Sadie über die Schulter zu, während er die drei vor sich her trieb.

"Kein Problem", sagte Sadie. "Mit denen werde ich schon fertig." Sie schnippte mit je einer Hand in Richtung der gefallenen Hyänen und murmelte etwas Unverständliches, worauf ein orangener Lichtschein aus dem Nichts erschien, der die beiden Verletzten in der Luft schweben ließ.

"Wow", flüsterte ich.

"Bis später, Kinder", rief sie uns zu, während sie die Kreaturen über den Parkplatz schob, in die entgegengesetzte Richtung der kleinen Wohnsiedlung, die an den Ausgangspunkt des Thunder Mountain Wanderwegs grenzte. Von beiden Körpern tropfte Blut und markierte deutlich ihren Weg. Hoffentlich hatten sie einen Plan, ansonsten würde die Blutspur die Polizei direkt zu ihnen führen.

Wir sahen den beiden Vollstreckern und ihren Gefangenen hinterher, bis sie um eine scharfe Linkskurve bogen ... die ins Nirgendwo zu führen schien.

"Wohin gehen sie?”, fragte ich.

"Ich weiß es nicht", antwortete Leander, "aber wir sollten lieber verschwinden, bevor die Polizei uns hier neben einer Blutlache stehen sieht."

"Auf alle Fälle. Das ist eine hervorragende Idee. Last uns abhauen."

Ich verlagerte nervös mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. So hatte ich mir den Beginn des neuen Schuljahres ganz sicher nicht vorgestellt.

Leander kam zu mir, seine silbernen Augen musterten mich forschend. Ich errötete prompt, und Adalia, die stets aufmerksam war, löste ihren Klammergriff um meinen Arm und trat zur Seite, damit Leander ihren Platz einnehmen konnte.

Er legte mir eine Hand auf die Schulter und drückte sie sanft. "Geht es dir gut?"

Nein, definitiv nicht. Ky und Boone haben gerade zwei Hyänen getötet!

"Ja, mir geht's gut."

Das Mitgefühl, das ich in seinen Augen aufblitzen sah, verriet mir, dass er mir nicht glaubte. "Du sagst mir, wenn ich dir helfen kann, nicht wahr?"

Ich nickte ein wenig zu heftig. "Ja klar, und ich bin sicher bald wieder auf dem Damm." Im Grunde hatte ich damit zugegeben hatte, dass es mir nicht gut ging.

Ich seufzte erleichtert auf, als Boone und Ky in dieselbe Richtung liefen, die Damon eingeschlagen hatte, direkt auf den hoch aufragenden, undurchdringlichen Berg zu - der längst nicht so massiv war, wie ich früher geglaubt hatte. Leanders Blick, der bis in mein Inneres zu dringen schien, blieb auf mir haften, während Wolf und Löwe den Fuß des rötlichen Berges umrundeten. Als wir die Stelle passierten, an der Damon nach links abgebogen war, gingen sie weiter nach rechts. Wir waren bestimmt mehrere Minuten gelaufen, in denen wir immer wieder Büschen, freiliegenden Wurzeln und Kakteen ausweichen mussten, als die Polizeisirenen verstummten. Vermutlich waren die Streifenwagen am Tatort angekommen.

Ky und Boone begannen, am Boden Witterung aufzunehmen, während sie uns weiter um den Berg herumführten, bis Ky an einer Stelle stehen blieb und schnüffelte. Aber Boone ging weiter.

"Was ist los, Ky?”, fragte ich. Er sah auf, und wenn ein Berglöwe lächeln könnte, dann hätte er es in diesem Moment getan. Sein majestätisches Gesicht leuchtete, und eine fast sehnsüchtige Aura umgab ihn, die ihn ... magisch erscheinen ließ. Er zögerte noch einen Moment, dann trabte er Boone hinterher.

Als beide an derselben Stelle anhielten, wusste ich, dass wir den Eingang zur Schule erreicht hatten. Er war völlig unsichtbar, niemand ohne Magie war in der Lage, ihn zu finden. In unmittelbarer Nähe von Sedona befand sich ein weitläufiger Campus für höhere magische Bildung, und keiner der Einwohner hatte je etwas bemerkt.

Kys und Boones Körper verschwammen, als sie unverzüglich mit der Rückverwandlung begannen. Wir übrigen scharrten uns um sie, jederzeit bereit, den Berg zu betreten. Wenn die Polizisten dem Wanderweg folgten bestand die Gefahr, dass sie uns entdeckten und eine große Gruppe von Menschen nahe der Stelle, an der ein Schuss gefallen war, war definitiv verdächtig.

Ky und Boone waren wieder in ihrer menschlichen Gestalt. Boone nickte Leander zu, drehte sich zum Berg um, macht einen Schritt darauf zu ... und verschwand.

Die Feen blieben ihm dicht auf den Fersen.

Leander und mein Bruder waren die letzten. Mein Bruder kam an meine Seite.

"Was ist da vorhin passiert?”, fragte ich. "Was hast du gesucht?"

Er lächelte, und wieder legte sich ein Hauch von Wehmut auf sein Gesicht. "Ich habe die Fährte eines echten Berglöwen aufgenommen."

"Oh." Das hatte ich nicht erwartet. "Das klingt ziemlich aufregend."

"Es war unglaublich." Er starrte nachdenklich in die Ferne, bevor er sich zusammenriss.

"Bereit?”, fragte Leander an uns beide gerichtet.

"Natürlich", sagte Ky, aber ich schwieg. War ich bereit für ein weiteres aufregendes Schuljahr an einer verrückten Schule für magische Wesen? Ich war mir nicht sicher.

Ky lief an Leander vorbei, und der Elfenprinz zwinkerte mir zu.

Na gut, ich gab es ja zu: Ich würde dem sexy Prinzen überallhin folgen, auch wenn sein Vater mir sehr deutlich klargemacht hatte, dass er eine Beziehung zwischen uns nicht dulden würde - offenbar gehörte ich zur falschen Rasse; mir fehlten die spitzen Ohren.

Mit einem Fuß im Inneren des Berges streckte Ky seine Hand nach mir aus.

War es mir peinlich, vor Leander die Hand meines großen Bruders zu nehmen? Ja, absolut. War es mir peinlich genug, um sein Angebot abzulehnen? Auf keinen Fall. Im Stockdunkeln durch festen Fels zu laufen war unheimlich; daran würde ich mich niemals gewöhnen.

Ich ergriff Kys Hand und ließ mich von ihm in den Thunder Mountain ziehen. Leander war direkt hinter mir. Seine Anwesenheit ließ meinen Nacken kribbeln, ansonsten fühlte ich nichts.

Die Luft war zu dünn, zu substanzlos, die Dunkelheit zu dicht, der Boden zu weich. Ich schlurfte hinter Ky her und kämpfte gegen meine Panik. Jetzt, da ich wusste, was sich auf der anderen Seite der Felswand befand, war es nicht mehr ganz so schlimm, wie beim ersten Mal.

Die Akademie für magische Wesen – unter den Schülern auch Menagerie genannt - war nun mal einzigartig.

3

Gierig saugte ich die frische Luft der Menagerie ein. Ich war mir nicht ganz sicher, ob es sich um echte Luft handelte - schließlich befand sich der gesamte Campus im Inneren eines Berges -, aber mein Körper schien es zu glauben.

Ky ließ meine Hand los und wir liefen den mit Kieselsteinen gepflasterten Weg entlang, der von Blumen in allen Farben gesäumt war. Ihr Duft und der azurblaue, wolkenlose Himmel besserten meine Laune. Die Weiden, die über den gesamten Campus verstreut standen, neigten sich in unsere Richtung, als wir vorbeigingen, als wollten sie uns begrüßen. Ich hätte schwören können, dass einer der Bäume uns sogar zuwinkte, jedenfalls schwangen seine Äste eindeutig hin und her.

Die Sonne glitzerte auf Leanders schulterlangem Haar und ließ es silbern leuchten. Seine Flügel waren so weiß wie frisch gefallener Schnee, mit einem silbernen Schimmer an der Spitze. Genau wie mein Bruder trug er Jeans und ein T-Shirt, und unter dem dünnen Stoff konnte ich die Linien seiner festen Schultern und seines Rückens erkennen. Sein Anblick war genau die Ablenkung, die ich brauchte, um das miese Gefühl zu vertreiben, das Jacinda und ihre Schergen hinterlassen hatten.

Ohne Vorwarnung blieb ich plötzlich stehen, so dass Ky und Leander sich zu mir umdrehten.

"Was ist los?", fragte Ky, während Leander meinen schockierten Gesichtsausdruck musterte. Er trat mit gerunzelter Stirn einen Schritt näher und legte eine Hand auf meine Schulter.

Ich hob zitternd den Arm und deutete nach vorne. "D-dort."

"Da sind Boone und der Rest der Feen", sagte Ky.

Ich schüttelte so heftig den Kopf, dass meine langen Haare umherflogen, während ich versuchte, nicht auszuflippen. "Die meine ich doch nicht. Seht ihr denn nicht? R-Rasper, das Kaninchen, ist von den Toten auferstanden."

"Was?" Ky und Leander fuhren herum, kniffen die Augen zusammen und versuchten, über unsere Freunde hinwegzusehen.

"Wie ist das möglich?", flüsterte Ky.

"Ist es nicht." Leanders voller Mund verzog grimmig. "Ich meine, theoretisch schon, aber Sir Lancelot würde das niemals erlauben. Die Magie, die man braucht, um jemanden wieder zum Leben zu erwecken, ist die dunkelste, die es gibt. Er würde so etwas auf dem Campus niemals dulden. Wenn jemand auf diese Weise zurückkommt, ist er abgrundtief böse. Und Rasper war von Anfang an nicht gerade ein fröhlicher Zeitgenosse."

Ich schauderte. Rasper war geradezu furchterregend gewesen, und das schon, bevor er gestorben und wieder zum Leben erwacht war.

"Komm schon, Kleines", sagte Ky sanft. "Je schneller wir Raspers Inspektion hinter uns haben, desto schneller können wir es vergessen."

Ich nickte eifrig, aber meine Beine bewegten sich nicht.

"Ich lasse nicht zu, dass er dir Angst macht, Rina", sagte Leander und drückte beruhigend meine Schulter. "Das verspreche ich dir."

Wieder nickte ich wie im Traum – wobei das hier eher ein Albtraum war.

Nicht, dass ich mich gefreut hatte, als der arme Rasper gestorben war, noch dazu eines grausamen Todes, während er uns verteidigte und bis zu seinem letzten Atemzug gegen die Wandler kämpfte, die in die Menagerie eingedrungen waren. Ich hatte seinen Tod auf meine Weise betrauert, denn es war einfacher, ihm seine furchteinflößende Art zu verzeihen, nachdem er nicht mehr da war.

Ky nahm erneut meine Hand und zerrte mich sanft in Richtung der riesigen Schultore. "Es hat keinen Sinn, das Unvermeidliche aufzuschieben."

Ich nickte abwesend und ließ zu, dass er mich weiterzog ... in Richtung der furchterregendsten Kreatur auf dem gesamten Schulgelände.

Doch nach einigen Schritten keuchte ich auf und stemmte die Füße in den Boden.

Ky blieb stehen, ließ meine Hand fallen und drehte sich zu mir um. "Komm schon, Rina. Ich verstehe, dass du Angst hast, aber langsam wird es lächerlich."

Ich nahm es meinem Bruder nicht einmal übel, dass er mich vor Leander als ängstlich bezeichnete, sondern hob erneut den Arm und zeigte in Richtung Tor.

Ky riss der Geduldsfaden. "Schluss mit der Theatralik. Wir haben ..."

"Was zum ...?" Leander brach ab und schielte in Richtung des Tores.

Mein Bruder drehte sich um, und seine Kinnlade klappte für einen Moment herunter. "Was zum Teufel ist hier los?"

"Es sind zwei", sagte der Elfenprinz.

"Nein", quietschte ich. "Sie sind zu dritt. Man kann den dritten hinter der Säule kaum erkennen. Seht ihr?"

Leanders einzige Reaktion bestand darin, seine Lippen fest aufeinander zu pressen. Vor uns zögerten auch Adalia und der Rest der Feen, die Köpfe zueinander geneigt, während sie vermutlich über die Rasper-Drillinge diskutierten.

"Jetzt komm endlich." Ky packte mich am Arm und zog mich hinter sich her. Ich ließ zu, dass er mich zu den Feen führte. Es war besser, sich dem dreifachen Schrecken als Gruppe zu stellen.

Ich hatte geglaubt, wir würden darüber reden, aber weder Ky noch Leander wurden langsamer, als wir die Feen erreichten, die sich sofort hinter ihrem Prinzen einreihten.

Adalia trat an meine andere Seite, als Leander an das mindestens zwanzig Meter hohe, prächtige Tor herantrat. Die kostbaren Metalle, die sich in geflochtenen Mustern um die hohen Stangen schlängelten, glänzten im frühen Morgenlicht. Riesige Edelsteine glitzerten und warfen farbige Strahlen auf den Boden.

Trotzdem beachtete ich das Tor nicht, denn ich war zu sehr damit beschäftigt mir vorzustellen, wie meine Albträume in den kommenden Nächten aussehen würden.

Leander blieb stehen, und zwei der Kaninchen stellten sich ihm in den Weg, das dritte umrundete die Säule, um sich den anderen anzuschließen. Als Ky sich neben Leander stellte, kauerten Adalia und ich uns hinter ihn.

"Guten Morgen", sagte Leander mit seiner königlichen Stimme. "Ich bin Leander Verion, Prinz der Elfen. Und wer seid ihr?"

Die drei Kaninchen stellten sich nebeneinander auf und richteten sich zu ihrer vollen Größe auf, womit sie – ihre aufgerichteten Hasenohren nicht eingerechnet - genau so groß waren wie Leander und mein Bruder.

"Wir sind Raspers Brüder", sagte der in der Mitte mit einer Stimme wie Schmiergelpapier. "Wir sind hier, um Raspers Tod zu rächen."

Ich schluckte trocken und war unendlich dankbar, dass sich ihr Zorn nicht gegen mich richtete. Ihre schwarzen, glänzenden Augen musterten unsere Gruppe, während sie ihre Arme zeitgleich über der Brust kreuzten.

"Wir sind auch hier, um euch alle zu beschützen", ergänzte der links von uns. "Rasper glaubte, es sei eine wichtige Mission, also glauben wir das auch."

Seine beiden Brüder knurrten, und ich fragte mich, ob sie nicht einverstanden waren, oder ob sie uns einfach nur fressen wollten oder etwas ähnlich Schreckliches. Bei diesen Kaninchen war das schwer zu sagen.

Die drei sahen aus, wie eineiige Zwillinge von Rasper, bis hin zu ihrer Kleidung. Alle trugen dieselben weißen Button-Down-Hemden und unterschieden sich nur darin, wie viele Knöpfe geschlossen waren. Mit ihren schlichten schwarzen Hosen, nackten Füßen mit scharfen Krallen und großen, nadelspitzen Zähnen machten sie meinen Albtraum komplett.

"Wir werden niemanden reinlassen, der unseren Test nicht besteht", sagte Links.

"Und ihr seid verdammt viele", sagte Rechts, "also kooperiert lieber, bevor wir euch aufschlitzen."

"Wir schlitzen keine Schüler auf", mahnte Links. "Wir erschrecken sie nur, wenn es nötig ist." Er klang, als würde ihn diese Aussicht fröhlich stimmen, dabei hatte ich ihn bis gerade für den Vernünftigeren gehalten.

"Wir haben einen Zeitplan einzuhalten", schimpfte Rechts, "also Schluss mit dem Rumgequatsche."

Adalia umklammerte meinen Arm ein wenig zu fest, während wir versuchten, uns vor den Mafia-Kaninchen zu verstecken.

"Wir quatschen nicht 'rum', wie du es so elegant ausgedrückt hast", sagte Leander. "Wir warten darauf, eure Namen zu erfahren, damit wir mit der Eintrittsprüfung fortfahren können."