Du bist gefährlich für mich - Tödliche Bedrohung Teil 3 von 4 - Sabine Richling - E-Book

Du bist gefährlich für mich - Tödliche Bedrohung Teil 3 von 4 E-Book

Sabine Richling

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Beschreibung

Autorin Sabine Richling für prickelnde Romantik auf www.sabine-richling.com besuchen. Dies ist der 3. Band einer verführerischen, fesselnden Dark Love Romanze in vier Teilen. 1. Band: "Du bist gefährlich für mich - Dunkle Geheimnisse" 2. Band: "Du bist gefährlich für mich - Dunkle Begierden" "Eine atemberaubende Fortsetzung mit sensationeller Wendung, die berührt." "Dramatischer dritter Teil voller ergreifender und funkensprühender Momente." Marc ist zu einem Mistkerl mutiert und völlig verändert. Trotzdem kann ich ihn nicht vergessen, obwohl er aus meinem Leben verschwunden zu sein scheint. Aber da ist ja noch sein Freund Lenny, mein Bodyguard, der mich beschützt und auf mich achtgibt wie ein Luchs. Er ist ganz anders als Marc - ruhig und kontrolliert. Vielleicht sind es diese Eigenschaften, die ihn für mich immer interessanter machen. Doch meine Gefühle schwanken zwischen Marc und Lenny hin und her. Trotzdem sehne ich mich irgendwann danach, von Lenny in Versuchung geführt zu werden. Und tatsächlich gibt er seine Distanziertheit bald auf. Plötzlich ist er entfesselt und bereit, mit mir aufs Ganze zu gehen. Mich befällt die Angst! Über die Konsequenzen habe ich gar nicht nachgedacht. Was tue ich hier? Marc ist der Mann, den ich will! Aber er ist weg! Und Lenny ist hier ... und verdammt heiß! "Die Gefühle sprudeln über."

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

1

Im Joggingdress verlasse ich mein Häuschen und verdrehe im nächsten Moment die Augen, als Nick, mein neuer Bodyguard, hinter mir auftaucht.

„Sie wissen genau, dass Sie nicht ohne Absprache aus dem Haus gehen sollen“, erinnert er mich an die Regeln, die mit jedem Tag, der vergeht, lästiger werden.

„Und Sie wissen genau, dass Sie mich seit zehn Tagen hier einzusperren versuchen und mir langsam die Decke auf den Kopf fällt!“, kontere ich und ziehe den Reißverschluss meiner Laufjacke nach oben.

„Die Betonung liegt auf ‚versuchen‘, da Sie partout nie auf mich hören wollen“, gibt Nick resigniert zurück. „Ihretwegen verliere ich noch meinen Job.“

„Iwo“, zeige ich mich wenig überzeugt. „Sie machen das ganz vorbildlich und kleben an mir wie eine Klette.“

„Wenn Sie mir nicht ständig ausreißen würden, könnte ich meine Arbeit in der Tat vorbildlich machen“, erwidert er und stellt sich mir in den Weg. „Ich möchte ihretwegen keine zweite Verwarnung kassieren, also begeben Sie sich bitte zurück ins Haus!“

„Wer ist denn Ihr Boss?“, frage ich genervt und bewege mich nicht von der Stelle. „Dieser Kümmelspalter scheint uns beiden das Leben unnötig schwer zu machen.“

„Der Kümmelspalter ist Lenny und alles andere als übertrieben vorsichtig, Lea“, klärt mich Nick auf und überrascht mich mit dieser Info. Bisher dachte ich immer, Lenny würde allein arbeiten. Dass er Mitarbeiter beschäftigt, ist mir neu. „Mein Boss mag Ihren Schutz zwar nicht mehr persönlich übernehmen“, fährt Nick fort, „aber er kontrolliert meine Arbeit, da er Ihrer Sicherheit offenbar einen hohen Stellenwert beimisst. Und seine Recherchen geben Grund zur Beunruhigung. Sie befinden sich also weiterhin in Gefahr … ob Sie das nun glauben wollen oder nicht.“

„Also schön, ich gebe mich geschlagen“, bemerke ich, obwohl mir diese dauernde Panikmache überzogen vorkommt. Ich glaube nicht mehr daran, dass Ben noch hinter mir her ist, nachdem er von Marc mit drei Millionen Euro abgefunden wurde. Der General hat keinen Grund mehr, mich zu fürchten, da Marc kein Teil meines Lebens ist. Alles hat sich ganz nach Wunsch meines tyrannischen Vaters entwickelt. Welche Gefahren sollten da draußen also noch lauern?

„Dann hören Sie jetzt auf mich und gehen wieder ins Haus?“, fragt Nick mit zweifelnder Miene und traut dem Braten wohl nicht.

„Klar“, antworte ich und zücke meinen Schlüssel.

„Danke“, sagt mein Bodyguard und wirkt erleichtert.

Ich öffne die Tür und verschwinde im Haus. Meinen Bewegungsdrang konnte ich nicht befriedigen, daher ist nicht auszuschließen, dass ich in einem unbeobachteten Moment ausbüxe. Ich brauche endlich meine Freiheit zurück! Warum will Lenny das nicht verstehen? Er kann mir diesen Wachhund doch nicht ewig zuteilen!

Ich ziehe mein Handy aus der Jacke und erwäge, ihn anzurufen. Doch ich zögere. Seit unserem emotionalen Abschied vor zehn Tagen haben wir uns weder gesehen noch gehört. Ich weiß, dass er etwas für mich empfindet, und ich kann nicht leugnen, ebenfalls Gefühle für ihn zu haben. Aber da ist noch Marc, der wie ein Geist in meinem Kopf herumspukt und sich einfach nicht zurück in die Flasche sperren lässt. Er hat es nicht verdient, dass ich ihm nachtrauere, schließlich hat er mir das Herz gnadenlos gebrochen. Dabei dachte ich immer, dass dies gar nicht möglich wäre, weil ich eh nicht zu Gefühlen fähig bin.

Aber hey, so kann man sich irren!

Ich wünschte, ich könnte mir Marc aus dem Gedächtnis brennen lassen. Dann wäre ich endlich von diesem Bild befreit: wie er mir mit nacktem Oberkörper die Tür öffnet und Larissa wie ein Schreckgespenst dazustößt.

Gott, er hat mich deklassiert … wie ein paar alte Lumpen entsorgt! Und trotzdem kann ich ihn nicht aus meinem Hirnfleisch herausschneiden! Ich bin nicht mehr zu retten!

So wie es aussieht, habe ich mich gegen ein Telefonat mit Lenny entschieden und stecke mein Smartphone zurück in meine Thermojacke. Gelangweilt gehe ich zum Fenster im Wohnzimmer und schaue von meiner immer noch leeren Garage hinüber zur Straße. Nick setzt sich in sein Auto und heftet den Blick auf mein Haus. Herrgott, wie kann man nur so pedantisch sein? Wenn er bloß mal ein paar Sekunden abgelenkt wäre, könnte ich mich heimlich davonstehlen.

Doch was ist das?

Zwei Männer in Schwarz – der eine in Bomberjacke, der andere im Military-Look – stürmen regelrecht auf Nicks Wagen zu und ziehen ihn gewaltsam heraus.

Oh mein Gott!, denke ich, als sie damit beginnen, auf ihn einzuprügeln.

Sofort laufe ich nach draußen, um Nick zur Hilfe zu eilen. Dass ich diesen Schlägern nichts entgegenzusetzen habe, kommt mir gar nicht in den Sinn.

„Verschwinden Sie, Lea!“, ruft mir Nick zu, als er mich sieht, und kontert einen Kinnhaken mit seiner Rechten, sodass einer der Angreifer das Gleichgewicht verliert. Er fällt wie ein Kegel um und bleibt bewusstlos liegen. Jetzt ist es nur noch einer, den Nick abzuwehren hat. Ich bewundere ihn für seinen Mut und die Fähigkeit, sich zu verteidigen. Wären mir ein paar Kampftricks bekannt, hätten weder mein Vater noch Ben Macht über mich gehabt.

„Nun laufen Sie schon weg!“, fordert Nick, dass ich ihn mit der Gefahr allein lasse.

Ich kann mich doch nicht feige auf und davon machen, während ein anderer sein Leben für mich riskiert!

Ich schnappe mir die Eisenstange, mit der ich am Tag des Einbruchs in meine Werkstatt überfallen wurde und die wie ein Denkmal einen Platz in meinem Garten bekommen hat. Damit will ich mich am Kampf beteiligen, als plötzlich jemand von hinten an mir zerrt.

Erschrocken drehe ich mich um und blicke auf einen kahlrasierten Kerl mit reihenweise Piercings im Gesicht.

Herrgott, die kommen von allen Seiten!, denke ich noch, als ich schwungvoll aushole und dem Typen meine schwere Stange gegen die Schienbeine donnere.

„Scheiße!!!“, schreit er auf und knickt zusammen.

Schmerzverzerrt fällt er auf sein Hinterteil und umfasst seine Unterschenkel mit seinen Pranken. Plötzlich wird mir klar, dass ich die Flucht ergreifen muss, bevor mein Angreifer wieder zu sich findet. Ich blicke zu Nick, der sich tapfer im Kampf schlägt und der mir erneut ein Zeichen gibt, endlich das Weite zu suchen. Also mache ich, was er von mir verlangt (wahrscheinlich das erste Mal) und haste mit der Stange in der Hand aus meinem Garten über die Auffahrt auf die Straße. Ich schaue mich noch einmal um und sehe, wie der Kahlköpfige aufspringt und seinen Schmerz zu unterdrücken versucht. Er setzt an, mich zu verfolgen … die ersten Schritte noch humpelnd. Aber dann findet er in seinen Rhythmus und sprintet in meine Richtung.

Mir wird klar, dass ich nur eine Chance zu entkommen habe, wenn ich meinen Ballast loswerde. Ich werfe die schwere Waffe ins Gebüsch, obwohl sie meine einzige Möglichkeit zur Selbstverteidigung ist, und renne um mein Leben. Ich kann gut laufen! Seit Jahren halte ich meinen Körper damit fit und bin nicht bloß hervorragend trainiert, sondern auch schnell.

Ich stürme erst die kaum befahrene Straße runter, bevor ich in einen unscheinbaren schmalen Fußweg abbiege, der zwischen den Hecken der Einfamilienhäuser entlangführt und eine Abkürzung zum Park ist. Ich wage es nicht mehr, mich umzuschauen, da dies womöglich Zeit kosten und den Abstand zu meinem Verfolger verkürzen könnte. Aber mir fällt mein Smartphone wieder ein, das ich mit verschwitzten und zittrigen Händen aus meiner Jacke ziehe. Es glitscht mir endgültig aus den Fingern, nachdem ich es zwei- oder dreimal vor meiner Brust tollpatschig hin und her geworfen habe.

„Oh nein!“, rufe ich aus, als es auch noch neben mir in einer undurchdringlichen Hecke versinkt. Keine Ahnung, wie es meinem dämlichen Handy gelungen ist, einen Weg in dieses Dickicht zu finden!

Jetzt wende ich mich doch um und sehe den Kahlköpfigen näher kommen. Auf einmal hat er etwas in der Hand, was hoffentlich keine Waffe ist. Also setze ich meine Flucht im Laufschritt fort und gebe mein Handy auf, mit dem ich hätte Rettung herbeiholen können. Zum Glück bin ich mit meiner Laufkleidung wenigstens in der passenden Montur, die mir einen kleinen Vorteil verschafft. Somit gelingt es mir, den Abstand zwischen uns wieder zu vergrößern.

Ich kann das Ende des Schleichwegs schon erkennen, der direkt zu einer belebten Straße führt. Dort, so hoffe ich, sicherer zu sein. Aber eine betriebsame Gegend hält nicht jeden Täter davon ab, eine Straftat zu begehen.

Außer Atem erreiche ich das Ende des schmalen Weges und laufe auf einem breiten Gehweg Richtung Hauptstraße weiter. Den Park kann ich auf der anderen Seite schon sehen, wo ich für gewöhnlich mit Vergnügen entlangjogge. Jetzt jedoch meide ich ihn, weil ich mich davor fürchte, plötzlich allein mit meinem Verfolger zu sein.

Ich überlege noch, einfach ein vorbeifahrendes Auto anzuhalten, als plötzlich eines mit quietschenden Reifen auf dem Fußweg zum Stehen kommt und mir den Weg versperrt. Es ist eine schwarze Limousine … aus dem Fuhrpark meines Vaters. Ein großer Typ im Anzug eilt aus dem Fahrzeug und packt mich am Arm.

„Steigen Sie ein!“, erteilt er mir die Order, ohne das geringste Mienenspiel und zieht die hintere Tür des Wagens auf.

„Nein!“, widerstrebt es mir, mich zu fügen, da ich nicht von einer Rettungsaktion ausgehe, sondern von einem Entführungsversuch.

„Machen Sie keine Schwierigkeiten!“, sagt der Handlanger des Generals und drängt mich zum Fahrzeug, während uns der Glatzkopf fast erreicht hat. „Ihr Vater will Sie sprechen.“

„Lassen Sie mich los!“, schreie ich ihn an und wehre mich mit ganzer Kraft, direkt in die nächste Gefahr hineinzuschlittern.

Der Kerl greift unter sein Jackett und zieht eine Pistole hervor. Ich erstarre vor Schreck und gebe meine Gegenwehr auf der Stelle auf.

Doch er zielt nicht auf mich, sondern auf den Glatzkopf, der keine dreißig Meter mehr von uns entfernt ist. Eiskalt drückt er ab … dreimal! Alles geht so schnell! Ich sehe noch, wie mein Verfolger zusammenklappt, als ich auch schon in die Limo gedrückt werde und die Tür zuknallt!

Der Gorilla meines Vaters steigt vorne ein und setzt den Wagen zurück, bevor er mit durchdrehenden Reifen losfährt.

Ich werde in den Rücksitz gedrückt, als würde ich mich in einer startenden Rakete befinden. Dabei blicke ich ängstlich aus den Fenstern in alle Richtungen in der Hoffnung, jemand hätte den Vorfall bemerkt und würde mich retten. Aber keiner der Passanten scheint Notiz von uns oder der Leiche auf dem Bürgersteig zu nehmen … als ginge sie das alles nichts an!

2

„Sie haben ihn kaltblütig erschossen!“, sage ich fassungslos und schlage die Hände über dem Kopf zusammen.

„Er hatte eine Waffe und war im Begriff zu schießen“, klärt er mich emotionslos auf und steuert den Wagen zielsicher zu der Adresse des Generals.

„Aber er gehörte doch zu Ihren Leuten“, bemerke ich aufgewühlt und verstehe nicht mal ansatzweise, was hier soeben passiert ist.

„Nein“, erwidert der Getreue des Generals und steckt sein Smartphone in die Handyhalterung des Fahrzeugs.

„Dann haben Sie nicht gerade drei Bluthunde auf mich gehetzt, die meinen Bodyguard angreifen und mich entführen sollten?“, frage ich verwirrt.

„Keine Ahnung, wovon Sie sprechen“, gibt der Typ zurück und sucht einen Kontakt in seinem Handy. Er wird fündig und drückt auf Wählen. „Ich war gerade auf dem Weg zu Ihnen, um Sie abzuholen, und habe Sie nur zufällig hier gesehen.“

Die Freisprechanlage des Wagens übermittelt das Klingelgeräusch.

„Ja!“, krächzt eine Stimme auf der anderen Seite ins Telefon hinein.

„Es gibt Dreck zu beseitigen!“, klärt der Handlanger meines Vaters den Angerufenen auf.

„Wo?“, fragt dieser und weiß offenbar sofort Bescheid, welcher „Dreck“ gemeint ist.

Die Adresse wird übermittelt und das Gespräch emotionslos beendet.

So läuft das also in den einschlägigen Kreisen. Ein Anruf und jegliche Verbrechen werden vertuscht. Wahrscheinlich wird meine Leiche am Ende auf die gleiche simple Weise entsorgt: im Nu und ohne Aufsehen.

Von jetzt an schweige ich. Entspannt zurücklehnen kann ich mich nicht. Mit verkrampften Fingern versuche ich vorsichtig an der nächsten roten Ampel den Türgriff zu ziehen. Nichts tut sich! Die Tür bleibt verschlossen. Ein spontanes Entkommen scheint aussichtslos.

„Kindersicherung“, bemerkt mein Entführer und hat meinen Ausbruchsversuch wohl im Rückspiegel beobachtet.

Ich sage nichts darauf und verhalte mich besser still. Es ist nicht auszuschließen, dass der General ihm den Auftrag erteilt hat, mich tot oder lebendig bei ihm abzuliefern.

Als wir eine halbe Stunde später auf das schlossähnliche Anwesen meines Vaters fahren und ich das Herrenhaus, in dem ich aufwuchs, erblicke, verengt sich mein Brustkorb. Seit der Trennung von Ben vor zwei Jahren habe ich mich hier nicht mehr blicken lassen, auch wenn der General mein Erscheinen wiederholt gefordert hatte. Zu schmerzlich sind die Erinnerungen an meine Kindheit – an einfach jede einzelne Begebenheit, in der ich zum Opfer wurde.

Der Springbrunnen am Fuße der Auffahrt direkt vor dem Eingang vermittelt einem ein verfälschtes Bild von Harmonie. Auch der Rosenstock, der um die wuchtige, prunkvolle Tür herumwächst, lässt den Betrachter vermuten, es würde sich hier um ein friedliches Heim mit glücklichen Bewohnern handeln.

Niemand ahnte damals, was hinter diesen dicken Mauern geschah. Wenn man es gewusst hätte, säße mein Vater heute vielleicht im Gefängnis und das Haus wäre zu einer Ruine verkommen. Denn nach all den Dramen, die sich hier abgespielt haben, hätte sich nie ein Käufer gefunden, der freiwillig ein düsteres Haus erworben hätte, in dem der herumspukende Geist aus einer tragischen Vergangenheit weiterhin sein Unwesen treibt.

Der Wagen stoppt und der Gorilla steigt aus. Er öffnet meine Tür und wartet darauf, dass ich ebenfalls aussteige.

Einen Moment benötige ich, um mich zu überwinden, den verhassten Grund und Boden zu betreten. Deshalb zögere ich und bleibe vorerst sitzen.

„Wollen Sie selbstständig ins Haus gehen oder soll ich Sie ins Büro Ihres Vaters schleifen?“, droht mir der Kerl, Gewalt anzuwenden.

Statt ihm zu antworten, verlasse ich eingeschüchtert das Fahrzeug und schaue nach oben … zum Fenster in der zweiten Etage. Dort im Westflügel hatte ich mein spartanisch eingerichtetes Zimmerchen, in das ich regelmäßig eingesperrt wurde. Vor allem wenn mein Vater mit mir fertig war und sich danach meine Mutter mit dem Rohrstock vorknöpfte.

Auf dem Boden liegend wand ich mich hin und her vor Schmerz und suchte nach einer Position, die erträglich war. Selten fand ich eine und weinte mich erschöpft in den Schlaf.

Jetzt bin ich also wieder hier und was auch immer mich erwartet, niemand wird kommen, um mich zu retten. Ich bin auf mich alleine gestellt – so schwach und verletzlich wie früher.

Wir gehen gemeinsam ins Haus – der Gorilla und ich. Langsam gehe ich voran. Ich weiß ja, wohin ich mich zu begeben habe.

Alles ist noch so altmodisch eingerichtet wie damals: die dunkelbraunen, hochwertigen Vertäfelungen an Decken und Wänden, orientalische Läufer über dem alten Parkettboden und überall Büsten und Statuen, die Anrichten und Regale verzieren. Erst jetzt wird mir klar, woher mein Hang zur Bildhauerei kommen mag.

„Da bist du ja endlich, Kind!“, sagt mein Vater von seinem Schreibtisch aus, als ich sein Büro durch die offene Flügeltür betrete.

Der Wachhund, der mir bis eben an den Fersen klebte, bleibt vor der Türschwelle stehen.

„Brauchen Sie mich noch?“, fragt er den General ergeben, bereit alles für seinen Boss zu tun.

„Nein, im Moment nicht“, antwortet mein Vater mit einem zufriedenen Blick. „Sie können gehen, Tom. Gute Arbeit.“

Tom nickt ergeben und schließt die Flügeltür.

Nun sind wir allein: mein Vater, ich und die dicken Wände … die stummen Zeugen vergangener Gewalttaten.

3

„Und jetzt setzen wir uns gemeinsam auf die Couch und du erklärst mir deine vielen Fehltritte der letzten Wochen“, sagt der General und erhebt sich von seinem Bürostuhl. Er kommt auf mich zu und zeigt mit der Hand zum ockerfarbenen Ledersofa.

Ich warte auf keine weitere Aufforderung und begebe mich unverzüglich zur Couch. Allerdings setze ich mich erst, als mein Vater den Anfang macht.

Nichts geschah in diesem Haus ohne Einverständnis des Generals. Und Platz nehmen durften wir erst, wenn er es tat.

„Gut, Lea“, bemerkt er mit einem kurzen Lächeln. „Ich sehe, dass noch etwas von meiner Erziehung hängengeblieben ist.“ Er zieht ein Schriftstück heran, das auf dem Couchtisch liegt. „Da du dich seit geraumer Zeit zu irrationalem Handeln verleiten lässt und offensichtlich nicht mehr Herr deiner Geisteskraft bist, ist es das Beste, wenn du dich für einige Zeit in Behandlung begibst. Ich habe eine renommierte Klinik für dich gefunden, dessen Direktor ein guter Freund von mir ist. Er wird dafür sorgen, dass es dir bald wieder besser geht.“

„Es geht mir aber gut“, wage ich, eine andere Meinung zu haben. Doch mein leiser Widerspruch verhallt in dem großen Raum, als hätte es ihn nicht gegeben. Denn mein Vater reagiert nicht weiter auf meinen schwachen Protest und zeigt mit dem Finger auf das Schreiben.

„Ich habe beim Notar mal etwas vorbereiten lassen“, erstaunt er mich mit diesem Satz und nimmt den Kugelschreiber vom Tisch, um ihn mir zu reichen. „Ich möchte, dass du dies jetzt unterschreibst.“

„Was ist das?“, frage ich zaghaft nach, obwohl ich weiß, dass der General es nicht duldet, wenn ich nicht wie gewünscht funktioniere.

Sein Blick verfinstert sich und schon wird mir klar, zu viel riskiert zu haben. Schnell pflücke ich ihm den Stift aus der Hand, den er mir hinhält, und nehme das Dokument auf. Ich überfliege die Zeilen und erbleiche.

„Du beabsichtigst, mich zu entmündigen?“, frage ich tonlos und beginne zu zittern. „Und mein Haus willst du auch?“

„Ich habe nicht vor, darüber zu diskutieren“, ruft mir der General in Erinnerung, dass seine Entscheidungen niemals infrage gestellt werden – jedenfalls nicht ohne Konsequenzen.

„Aber ich bin nicht krank“, begehre ich erneut auf und erwarte, dass mich ein kräftiger Schlag ins Gesicht trifft.

Doch stattdessen durchbohrt mich mein Vater mit seinem gefährlichen Blick und wartet ungeduldig darauf, dass ich mein Todesurteil unterzeichne.

Ich widersetze mich jedoch seinem Vorhaben, mich mundtot zu machen, und nehme meinen ganzen Mut zusammen.

„Du hast nichts vor mir zu befürchten“, versuche ich, ihm klarzumachen, dass ein solch gravierender Schritt unnötig ist. „Ich habe niemandem etwas gesagt – niemals! Und das werde ich auch nie. Marc ist weg und weiß nichts. Lenny auch nicht. Bitte, bitte zwing mich nicht dazu, mein Leben aufzugeben!“

Panik bricht in mir aus, bereits keine Kontrolle mehr über all das hier zu haben – dass der General längst alle Strippen hinter meinem Rücken gezogen hat und ich verloren bin. Lenny wusste, dass meine Sicherheit, ja meine Freiheit auf dem Spiel steht. Doch ich wollte es nicht glauben … machte mir stattdessen einen Spaß daraus, meinen neuen Beschützer Nick zu foppen, indem ich mich immer wieder wegschlich.

Jetzt bin ich eines Besseren belehrt worden. Doch nun ist es zu spät!

„Glaubst du etwa, ich baue nach deinem abstrusen Verhalten der letzten Wochen auf dein Wort?!“, schreit mir mein Vater direkt ins Gesicht.

Er erhebt sich vom Sofa und geht rüber zum Schrank. Der Schrank … in dem er sämtliche Folterwerkzeuge versteckt hält und der stets gut verschlossen ist, um ihn vor fremden Zugriffen zu schützen.

Plötzlich wird die Tür von außen aufgestoßen und Tom, der Gorilla des Generals, stürmt alarmiert herein.

„Ist alles in Ordnung hier?“, fragt er und erdreistet sich, eine Unterredung seines Bosses zu stören. Er kann noch nicht lange für meinen Vater arbeiten, sonst wüsste er, dass so etwas in diesem Hause eine Todsünde ist.

„Habe ich Sie gerufen, verflucht noch mal?!“, brüllt ihn der General an.

„Nein“, antwortet Tom und wechselt seinen Blick zu mir.

Ich könnte schwören, eine Spur Besorgtheit in seinem Gesicht auszumachen, als er die pure Angst in meinen Augen erkennt. Aber womöglich sehe ich etwas, das nicht da ist, weil ich mir so sehr wünsche, jemand käme, um mich zu retten.

„Dann verschwinden Sie endlich aus meinem Büro!“, verlangt mein Vater sofortigen Gehorsam. „Und wagen Sie es nicht, Ihre Unzulänglichkeit zu wiederholen!“

„Tut mir leid“, bemerkt Tom und hört nicht auf, mich anzusehen.

„RAUS!!!“, brüllt der General übermächtig, was Tom dazu veranlasst, sich zurückzuziehen.

Kaum sind wir allein, öffnet mein Vater die Schranktür und wählt zwischen seinen Werkzeugen. Er zieht den Rohrstock hervor und schwingt ihn ein paar Mal wie einen Degen durch die Luft. Das Geräusch, welches der Stock dabei verursacht, lässt mich zusammenfahren. Ich könnte versuchen wegzulaufen, aber einer der Gorillas würde meine Flucht vereiteln. Und die Kraft des Generals ist nicht zu unterschätzen. Auch bin ich über die Jahre von ihm wie ein Hund dressiert worden, weshalb keine Worte mehr nötig sind, meinen Willen zu brechen.

„Du hättest am Tag der Gala auf mich hören sollen, Kind“, gibt er mir das Gefühl, selbst für mein jetziges Schicksal verantwortlich zu sein. „Ich bot dir einen Ausweg an. Ben war mein Angebot für dich, das du achtlos ausschlugst.“

Gut hörbar lässt er den Stock einige Male auf seinen Handballen niedergehen und begibt sich in die Mitte des Raumes.