Ein Weihnachtshund auf Probe - Petra Schier - E-Book

Ein Weihnachtshund auf Probe E-Book

Petra Schier

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Beschreibung

Ein Hund aus dem Tierheim? Tommi ist begeistert, als seine Eltern den süßen Mischling Otter adoptieren. Allerdings zunächst nur auf Probe. Während Tommi und seine ältere Schwester Emma von dem quirligen Familienzuwachs begeistert sind, freuen sich ihre Eltern weniger. Otter liebt nämlich nichts mehr als Bäche, Flüsse und schmutzige Pfützen und richtet jeden Tag ein neues Chaos an. Tommis Vater droht, den Hund zurück ins Tierheim zu bringen, doch dann ist Otter plötzlich verschwunden. Tommi will ihn retten und erlebt das größte Abenteuer seines Lebens …

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Table of Contents

Buchtitel
Impressum
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
Nachspiel
Über Petra Schier
Petra Schier
 
Ein Weihnachtshund auf Probe
Impressum
 
6. Auflage August 2022
Copyright © 2007 by Petra Schier
Petra Schier, Lerchenweg 6, 53506 Heckenbach
www.petra-schier.de
Covergestaltung unter Verwendung von Adobe Stock:
© adogslifephoto
© ASTA Concept
ISBN 978-3-967110-36-4
 
Alle Rechte vorbehalten.
Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin möglich.
Die Personen und Handlungen im vorliegenden Werk sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Erwähnungen von historischen bzw. realen Ereignissen, realen Personen oder Orten sind rein fiktional.
Das zärtlichste Wesen auf der ganzen Welt ist ein nasser Hund!
(Ambrose Bierce)
Prolog
 
Die Nacht war stockfinster. Durch die Wipfel der Bäume strich ein leichter Wind, der sich weiter unten zwischen den Baumstämmen verfing und zu einem hohlen Pfeifen wurde.
Ein paar Schneeflocken segelten durch die eisige Luft und gesellten sich zu der weißen Pracht, die bereits den Boden bedeckte.
In seinem einsamen Versteck hatte sich Otter fest zusammengerollt, die Schnauze auf die Pfoten gepresst.
Nach Hause, war sein einziger Gedanke. Ich will zurück nach Hause.
Doch wie sollte er zurückfinden?
Unglücklich blinzelte er in die Dunkelheit, die ihn wie ein schweres schwarzes Tuch umfing.
In seinem Magen nagte der Hunger, seine Pfoten schmerzten vor Kälte. Ab und zu kroch er aus seinem Unterschlupf, lief ein wenig auf und ab, erleichterte sich und leckte Schnee.
Doch jetzt, mitten in der Nacht, wagte er sich nicht hinaus. Wie so oft in den letzten Stunden setzte er zu einem traurigen Winseln an, froh, wenigstens seine eigene Stimme zu hören.
Plötzlich hielt er inne. Aus der Ferne ertönte ein leises helles Klingeln. Hatte er das nicht schon einmal gehört?
Otter hob den Kopf und lauschte. Das Klingeln wurde lauter, schien sich jetzt direkt über ihm zu befinden.
Vorsichtig kroch er aus seinem Versteck und bellte, doch weit und breit war nichts zu sehen. Das Schellen schwebte unsichtbar über ihm in der Luft. Aufgeregt hüpfte Otter auf und bellte wieder.
Im nächsten Moment verstummte das Klingeln, und alles war wieder still.
Verwirrt sah Otter sich um. Was mochte das gewesen sein?
Er merkte, dass der Schnee wieder heftiger vom Himmel fiel, und zog sich in sein Versteck zurück. Dort rollte er sich erneut zusammen und schloss die Augen. Seltsamerweise fühlte er sich jetzt nicht mehr ganz so allein und mutlos.
Morgen, morgen kann ich bestimmt nach Hause, war sein letzter Gedanke, bevor er einschlief.
1. Kapitel
 
Wasser!
»Wag es ja nicht!«
Herrliches, warmes, duftendes Badewasser!
»Bleib, wo du bist!« Andrea Rehlmann fixierte den struppigen braunschwarzen Mischling mit bösem Blick.
Otters Hinterteil wackelte hin und her, seine Rute klopfte im Stakkato gegen die Badezimmertür. Dann machte er ein paar Schritte rückwärts.
»Nein, Otter!«
Doch!
Mit einem Satz war der Hund in der Wanne, Wasser schwappte mit lautem Platschen über den Wannenrand, Badeschaum spritzte umher.
»Au, verdammt!« Andrea japste nach Luft. Otter war geradewegs auf ihrem Bauch gelandet, seine Hinterpfoten bohrten sich schmerzhaft in ihren Unterleib. »Runter von mir, raus aus der Wanne, du Scheusal!«, schrie sie aufgebracht.
Otter leckte ihr begeistert das Gesicht.
Warum denn, ist doch toll hier drin!
»Was ist denn hier ...? O je, Otter!« Emma unterdrückte ein Lachen und kam ihrer Mutter zur Hilfe, indem sie versuchte, den freudig bellenden Hund aus der Wanne zu heben. »Wie bist du denn bloß in die Badewanne gekommen?«, gluckste sie.
Na, wie schon, so ein Wannenrand ist doch kein Hindernis für mich.
Mit vereinten Kräften schafften sie es, Otter aus der Wanne und auf den Badteppich zu hieven. Andrea schnappte sich ein Handtuch und wickelte sich darin ein. »Dieses Vieh ist einfach losgesprungen! Nicht mal im Bad ist man vor ihm sicher. Das geht wirklich zu weit, Emma. Und schau, was er hier für eine Sauerei angerichtet hat. Alles ist nass und ...«
»Ich wische das auf, Mama.« Emma streichelte Otter über das triefende Fell. »Aber zuerst muss ich Otter abtrocknen, damit er nicht das ganze Haus nass macht. Sonst schimpft Papa nachher wieder.«
Sie nahm ein altes fleckiges Badetuch aus dem Regal und begann, Otter abzurubbeln, was er sich nur allzu gerne gefallen ließ.
»Papa schimpft also? Und was ist mit mir? Soll ich vielleicht alles ruhig hinnehmen?«, fragte Andrea. Ihre Wangen waren noch immer gerötet vor Arger. Fahrig strich sie sich ihr dunkelblondes kinnlanges Haar hinter das Ohr. »Erst heute Morgen hat er sich in irgendeiner Pfütze gewälzt und mit seinen Dreckpfoten den ganzen Flur versaut. Und jetzt das.« Andrea machte eine ausholende Geste, die das gesamte Badezimmer einschloss. »Ich bin doch nicht seine Putzfrau!«
»Ach Mama! So schlimm ist das doch auch wieder nicht.«
Finde ich auch. Wasser ist einfach toll. Wozu die ganze Aufregung?
Emma faltete das nasse Badetuch und legte es auf die Heizung. Dann machte sie sich daran, den Boden zu wischen. »Otter mag halt Wasser so gerne.« Sie beobachtete, wie ihre Mutter sich abtrocknete und anzog. »Du hast da einen Kratzer am Bauch.«
Andrea sah sie finster an.
»Okay, okay, wir gehen ja schon. Komm, Otter.« Emma wrang den Wischlappen aus und hängte ihn über den Wannenrand, nahm den Hund am Halsband und zog ihn mit sich in ihr Zimmer.
Vorsichtshalber schloss sie die Tür.
»Was bist du nur für einer.« Sie drohte ihm scherzhaft mit dem Finger.
Hä? Warum?
Otter ließ sich auf sein Hinterteil sinken und hechelte. Es sah aus wie ein breites Grinsen.
»Du weißt doch, dass du nicht ins Bad darfst. Jetzt ist Mama sauer und wird Papa davon erzählen, und dann ...« Emma seufzte und setzte sich vor ihre altmodische Frisierkommode, die noch von ihrer Uroma stammte und auf die sie sehr stolz war.
Ach komm, kein Grund, so traurig zu schauen.
Otter stand auf, kam auf sie zu und leckte ihr die Hand. Dann kroch er unter die Kommode und legte sich auf Emmas Füße.
Sie gluckste und wackelte mit den Zehen.
Vor zehn Tagen hatten sie Otter aus dem Tierheim geholt. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, zumindest bei Emma und ihrem kleinen Bruder Tommi. Ihre Eltern waren etwas zurückhaltender gewesen und hatten mit dem Tierheim eine vierwöchige Probezeit vereinbart. Zwischen Weihnachten und Neujahr würde die Entscheidung fallen, ob Otter für immer bei ihnen bleiben durfte.
Wenn das allerdings so weiter ging ...
Dabei war Otter wirklich ein lieber Hund und gut erzogen obendrein. Er war als Welpe ins Tierheim gekommen, und die Pfleger hatten das komplette Programm der Hundeschule mit ihm absolviert. Er gehorchte aufs Wort ... außer, wenn er Wasser sah. Dann geriet er außer Rand und Band. Wasser war Otters Element. Gleich am ersten Tag war er in den Dorfweiher gesprungen, obwohl dieser fast schon zugefroren war. Sie hatten sich aber nichts dabei gedacht, denn Otter hatte zur Hälfte Labradorblut in sich, und diese Rasse war ja bekannt für ihre Vorliebe für Wasser. Aber inzwischen war klar, weshalb man Otter seinen ungewöhnlichen Namen gegeben hatte.
Wieder seufzte Emma und begann, ihr halblanges kastanienbraunes Haar zu bürsten. Sie liebte den Hund mittlerweile von ganzem Herzen, aber die Zeichen standen derzeit wirklich übel für ihn.
2. Kapitel
 
»Stimmt es, dass Otter zu Mama in die Wanne gesprungen ist?«, fragte Tommi, während er sich aus seinem Winteranorak schälte und sich die Mütze so heftig vom Kopf zog, dass sein dunkelblondes Haar wild nach allen Seiten abstand.
Rasch legte Emma einen Finger an die Lippen. »Pst! Fang bloß nicht davon an, wenn Papa in der Nähe ist.«
»Schade, dass ich über Nacht bei Jannik war«, redete er jedoch unbekümmert weiter. »Das hätte ich gerne gesehen.«
»Aber auf Papas Donnerwetter hättest du bestimmt gerne verzichtet. Wasch dir die Hände und geh dann schon mal in die Küche, es gibt gleich Essen.« Emma sah Tommi kopfschüttelnd nach. Hoffentlich fing er nicht gleich wieder davon an. Aber böse konnte man ihm auch nicht sein, immerhin war er erst elf, vier Jahre jünger als sie.
Emma folgte ihrem Bruder in die Küche und nahm ihrer Mutter einen Stapel Teller aus der Hand. Während sie den Tisch deckte, sagte sie in Tommis Richtung: »Kannst du morgen Nachmittag mit Otter spazieren gehen? Andy hat mich zum Schlittschuh fahren in die Eishalle eingeladen.«
»Oh oh!« Tommi grinste abfällig. »Andy-Schmandy! Ist der jetzt dein Freund? Der hat doch mehr Gel in den Haaren, als in eine Tube reingeht! Klebst du dann an ihm fest? Bussi, Bussi!« Tommi spitzte die Lippen und machte laute Kussgeräusche.
Andrea schüttelte den Kopf. »Tommi, es reicht. Emma hat dich nur etwas gefragt.«
Tommi streckte Emma die Zunge raus. »Klar geh ich mit Otter spazieren. Macht doch viel mehr Spaß, als in die blöde Eishalle zu fahren.«
»Das sagst du nur, weil ich besser Schlittschuh laufen kann als du.« Emma grinste. »Und Andy hat gar nicht so viel Gel in den Haaren. Du meinst Andre, aber der«, ihr Blick verdunkelte sich kurz, »ist auf diesen Frankreichaustausch gefahren und hat sich nicht mal von mir verabschiedet.«
»Ich sag doch, der ist blöd!« Tommi ließ sich auf seinen Platz fallen.
Nachdem Emma den Tisch fertig gedeckt hatte, setzte auch sie sich. Andrea trug Schüsseln mit Eintopf und Weißbrot auf. »Wo bleibt Karl denn nur?«, murmelte sie vor sich hin. »Ich habe ihm doch vorhin schon Bescheid gesagt.«
»Andrea!« Karl Rehlmann stieß die Küchentür auf und sah zuerst seine Frau, dann Emma und Tommi äußerst misstrauisch an. »Warum ist die Tür zu meinem Arbeitszimmer abgeschlossen?«
»Setz dich erst mal.« Leicht nervös schöpfte Andrea ihm Suppe auf den Teller. Dabei bemühte sie sich, ungezwungen zu lächeln. »Weißt du, ich habe sauber gemacht und den Teppich mit Teppichreiniger ...«
»Den teuren neuen Teppich? Der war doch gar nicht schmutzig«, wunderte sich Karl und schob sich einen Löffel Eintopf in den Mund.
»Ach, weißt du ...«
»Papa, Jannik hat mir seine Eisenbahn gezeigt«, rief Tommi dazwischen. »Er sagt, er wünscht sich vom Weihnachtsmann einen richtigen Bahnhof und Teile für die Landschaft und einen zweiten Zug mit richtigen Güterwaggons.«
Andrea sah ihren Sohn dankbar an. Emma musste ein Schmunzeln unterdrücken. Manchmal war Tommi doch fixer, als man glaubte. Das erneute Donnerwetter wegen der Schlammspuren in Pfotenform, die den Teppich im Arbeitszimmer seit dem Mittag verunzierten, würde noch früh genug über sie hereinbrechen.
 
 
»Ich schmeiß ihn raus!«, brüllte Karl eine knappe Stunde später im Arbeitszimmer und stemmte die Hände in die Seiten. »Wisst ihr, was der Teppich gekostet hat? Dieser Köter ist unmöglich. Nein, schlimmer, er ist ein Ungeheuer! Er kommt sofort zurück ins Tierheim.«
»Aber Papa, guck doch mal, wenn der Teppich trocken ist, sieht man doch gar nichts mehr«, versuchte Emma ihren Vater zu beruhigen. Sie sah ihn, der mehr als einen Kopf größer war, mit schräg gelegtem Kopf von unten an und setzte dabei ihr schönstes Lächeln auf. Das half normalerweise immer. »Wir haben nur vergessen, die Tür zuzumachen, das kann doch mal vorkommen. Und schau, ich habe Otter ganz sauber gewaschen und sogar gefönt.« Sie wies auf den Verursacher der Teppichflecken, der adrett und nach Fichtennadelshampoo duftend im Flur stand und ihnen freundlich zuwedelte. Auch er legte den Kopf auf die Seite und klimperte zwei-, dreimal mit den Augenlidern.
Das Bad war wirklich toll Nur dieser Schaum ist blöd, der juckt in den Augen.
Karl stieß gereizt die Luft aus. »Also gut, er scheint ja wirklich einigermaßen sauber zu sein. Seht zu, dass es so bleibt. Beim nächsten Mal ...« Er vollendete den Satz nicht, sondern ging hinüber ins Wohnzimmer. Doch alle wussten, was er damit für das nächste Mal androhte.
Andrea zuckte mit den Schultern, als sie Emmas und Tommis unglückliche Blicke sah. »Er hat nicht ganz Unrecht. Wenn der Hund nicht bald aufhört, das Haus in ein Chaos zu verwandeln, ist er schnell wieder im Tierheim.«
»Otter, er heißt Otter!« protestierte Tommi. Er kniete sich neben dem Hund in den Flur und umarmte ihn. Otter stupste ihn mit der Nase an und leckte ihm übers Ohr.
Ich mag, dich, Junge. Komm, lass uns spielen!
Tommi lachte. »Das kitzelt!«
Andrea verdrehte amüsiert die Augen. »Los, nehmt ihn mit nach oben! Tommi, noch eine halbe Stunde, dann musst du ins Bett!«
3. Kapitel
 
»So ein Mistkerl! Shit!« Emma knallte die Haustür ins Schloss und stürmte an ihrer erstaunten Mutter vorbei die Treppe hinauf. Otter, der sie freudig hatte begrüßen wollen, bellte aufgeregt hinter ihr her.
Hey, was ist denn los? Kriege ich keine Streicheleinheiten zur Begrüßung? Da stimmt doch was nicht.
Auch ihre Zimmertür schlug Emma mit lautem Knall hinter sich zu, drehte ihre Stereoanlage beinahe bis zum Anschlag auf und warf sich aufs Bett.
Himmel, war sie wütend! Und sauer und ... enttäuscht. Mit einem Wutschrei presste sie ihr Gesicht in das kleine herzförmige Kuschelkissen mit dem weichen roten Samtbezug. Ihr Herz pochte heftig. »Ich hasse ihn, hasse ihn, hasse ihn!« grollte sie dumpf und versuchte, die Tränen zurückzuhalten, die ihr langsam aber sicher in die Augen stiegen.
Der Rocksong, der aus den Lautsprechern dröhnte, war ohrenbetäubend, doch auch das half ihr im Augenblick nicht. Verzweifelt boxte sie auf ihr Kopfkissen ein, drückte aber gleich darauf ihr Gesicht wieder in das Kuschelherz. Das leise Klopfen an der Tür vernahm sie nur, weil der Song gerade zu Ende war.
»Geh weg!«, brüllte sie gegen den Trommelwirbel an, der das nächste Lied ihrer Lieblingsband einläutete. Dennoch öffnete sich die Tür, und Andrea trat in das Zimmer. Gemächlich ging sie zur Stereoanlage und drehte die Lautstärke aufs Minimum zurück.
»Kannst du mich nicht einfach in Ruhe sterben lassen?«, brummte Emma genervt in ihr Kissen.
Andrea lächelte fein und setzte sich auf die Bettkante. »Ich bin auch mal mit einem Jungen zum Schlittschuhlaufen gegangen. Er war schon achtzehn und sah so toll aus, dass ich dachte, alle würden mich um ihn beneiden.«
Emma rührte sich nicht und tat, als höre sie gar nicht zu.
»Wie Recht ich damit hatte, merkte ich, als ich in der Eissporthalle ankam. Die Mädchen aus den höheren Klassen haben uns dermaßen belagert, dass ich mich gar nicht mehr mit ihm unterhalten konnte, geschweige denn ... du weißt schon.« Andrea verstummte. Ihr Lächeln wurde bei der Erinnerung breiter. »Das stärkste Stück aber war, als seine Exfreundin kam und mit ihm eine Bahn nach der anderen durch die Halle gezogen hat.«
Emma merkte auf, hob den Kopf und sah ihre Mutter an. Ihre Wangen waren gerötet und fühlten sich heiß an. »Und dann?«, fragte sie.
»Dann kam er zu mir und sagte, er würde seine Exfreundin rasch nach Hause fahren, weil sie sonst keine Fahrgelegenheit hätte, und danach würde er wiederkommen.« Andrea zuckte mit den Schultern. »Er kam natürlich nicht wieder.«
»Echt? Und was hast du dann gemacht?« Emma setzte sich auf und sah ihre Mutter neugierig an.
»Ich bin zu Fuß nach Hause gegangen, in mein Zimmer gestürmt, habe die Türen geknallt und meine Nena-Platte bis zum Anschlag aufgedreht, dass meiner Mutter die Ohren geplatzt sein müssen.« Andrea nahm das Herzkissen auf, drehte es in den Händen und reichte es dann Emma, die es fest an sich drückte. »Andy?«, fragte sie sanft.
Emma nickte unglücklich. »Erst sind wir ganz lange zusammen gefahren, aber dann kamen ein paar Leute aus meiner Parallelklasse. War eigentlich ganz witzig. Nur die Elke und die Jenny haben ihn dann immer aufgezogen, er würde sich nicht trauen, mit ihnen beiden um die Wette zu fahren. Hat er dann natürlich doch gemacht. Und danach ist er nur noch mit Elke gefahren und hat schließlich zu mir gesagt, er würde mit den beiden noch auf einen Cappuccino zu Ernesto’s gehen. Das ist das Cafe in der Eishalle.«
»Ich weiß.«
Emma kaute auf ihrer Unterlippe herum. »Mich hätte er doch einladen müssen! Aber ich wollte sowieso nicht mit denen gehen. Die Elke ist total hinter Andy her. Das hat auch Stefan gesagt.«
»Stefan?«
»Aus der Parallelklasse. Er hat gesagt, so was hätte Andy schon mal gemacht.« Jetzt traten Emma doch wieder die Tränen in die Augen. Diesmal ließ sie sie laufen. »Stefan wollte, dass ich trotzdem noch bleibe, aber ich konnte nicht. Dieser Mistkerl!«
»Stefan?«
Emma zog eine Grimasse. »Andy! Der ist ein ... Egal. Stefan ist nur ... Stefan.«
Andrea nickte verstehend. »Ich geh mal wieder runter. Tommi kommt gleich vom Fußball. Musik wieder laut?«
Emma schüttelte den Kopf. »Musik leise«, murmelte sie und hatte sich bereits wieder in ihr Kopfkissen gewühlt, noch bevor ihre Mutter den Raum verlassen hatte. Erst jetzt konnte sie sich so richtig ausweinen.
Ihr Herzkissen war schon ganz durchnässt, als Emma plötzlich ein Kratzen an der Tür und dann leises Pfotentapsen hörte.
Hey, ich will reinkommen!
Otter stupste sie mit seiner feuchtkalten Nase an und winselte leise.
Was ist denn los mit Emma? Sie weint ja, das bedeutet, sie ist traurig. Das mag ich aber gar nicht.
Als Emma sich umdrehte, saß er neben dem Bett, den Kopf schräg gelegt, und sah sie aufmerksam an.
Sag mir, wie ich dir helfen kann.
»Hallo Otter.« Emma lächelte kläglich und strich ihm über den Kopf. Daraufhin legte er eine Pfote auf die Bettkante und stupste sie wieder an.
Soll ich zu dir raufkommen?