Eine besondere Kraft - Anagarika Kassapa - E-Book

Eine besondere Kraft E-Book

Anagarika Kassapa

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Beschreibung

Eine besondere Kraft enthalten die Vorträge Kassapas über die Buddhalehre sowie seine Übertragungen aus dem Pali, insbesondere die Schutzverse (Parittas), die hier zum ersten Mal in deutscher Sprache vorliegen. Zusammen mit seinen eigenen Dichtungen, seinen Berichten von den Aufenthalten in Asien und ganz persönlichen Briefen an seine Freunde legen sie Zeugnis ab über einen, der unbeirrt seinen Weg ging – den Weg des Buddha. Gleichzeitig sind sie Inspiration und Wegweiser hin zu Einsicht und Erkenntnis. Anagarika Kassapa war 20 Jahre lang buddhistischer Mönch in Myanmar (Burma), Sri Lanka und Roseburg. Themen dieses Bandes sind unter anderen: Wozu lebe ich überhaupt? Was ist Buddhismus? Sein Leben in den Griff bekommen, oder Möglichkeiten buddhistischer Praxis für viel Beschäftigte. Buddhistische Lebensgestaltung in der modernen Welt. Der Geist als heilende Kraft. Was ist Karma? Die Parittas, schützende Verse und ihre Bedeutung. Die Entfaltung liebender Güte als schützende Kraft. Die Bedeutung der Freude im Buddhismus. Schicksalsgestaltung im Sinn der Buddhalehre. Was geschieht mit uns beim Sterben und nach dem Tod? Rechte Einstellung zu Leben und Tod. u. v. a.

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Seitenzahl: 549

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Zweite, durchgesehene und korrigierte Auflage, mit freundlicher Genehmigung des Hauses der Stille e. V., Roseburg, zuerst erschienen im Jahr 2003 in der «Roseburger Schriftenreihe». Copyright © Werner Kristkeitz Verlag, Heidelberg 2013. Umschlagabbildung © Wasan Ritthawon/shutterstock.com.

Alle Rechte für sämtliche Medien und jede Art der Verbreitung, Vervielfältigung, Speicherung oder sonstigen, auch auszugsweisen, Verwertung bleiben vorbehalten.

ISBN 978-3-932337-89-5 (eBook)

ISBN 978-3-932337-56-7 (gebundenes Buch)

www.kristkeitz.de

INHALT

Vorwort zur ersten Auflage

Vorwort des Verfassers

Der Weg

Wozu lebe ich überhaupt? *

Die Buddhalehre in der Form ganz einfacher Botschaften

Was ist Buddhismus?

Sein Leben in den Griff bekommen, oder Möglichkeiten buddhistischer Praxis für viel Beschäftigte

Buddhistische Lebensgestaltung in der modernen Welt

Die Kraft des Wahrspruchs in der Buddhalehre

Rechtes und falsches Verständnis der Leidenstatsache

Was wir von unserer Meditation erwarten dürfen und was nicht

Wegzehrung

Der Geist als heilende Kraft

Was ist Karma? *

Die Parittas, schützende Verse, und ihre Bedeutung

Schutz von innen, Schutz von außen im Dharma

Schutz von innen, Schutz von außen im Dharma: Der Praktische Aspekt

Die Entfaltung liebender Güte als schützende Kraft

Die Bedeutung der Freude im Buddhismus

Die vier schützenden Meditationen

Der eigene Weg – Biografische Notizen

Der Tod zeigt sein Gesicht

Der westliche Buddhist zwischen zwei Welten

Wiederbegegnung mit Burma

Wiederbegegnung mit Burma – zum zweiten Mal

Ende des Weges

Gibt es Rückerinnerungen an vergangene Existenzen? *

Schicksalsgestaltung im Sinn der Buddhalehre *

Was geschieht mit uns beim Sterben und nach dem Tod? *

Rechte Einstellung zu Leben und Tod *

Betrachtungen über den Teufel

Verse zur meditativen Betrachtung

Briefe

Kassapas Leben

Mein Freund Kassapa

Die mit * gekennzeichneten Texte wurde mit freundlicher Genehmigung des Verlages Zen-Edition, Verlag für Zen-Buddhismus, Zell am Main, folgenden Schriften entnommen: Anagarika Kassapa: Zum Leben und zum Tode, (2001) sowie Karma, Tod und Wiedergeburt (2001).

VORWORT ZUR ERSTEN AUFLAGE

Für jeden Menschen gibt es Menschen, Orte und Momente, die ihm Kraft und Ruhe geben, und die eine große, zeitlose Magie ausstrahlen. So ein Ort ist auch das Haus der Stille in Roseburg. Die gewaltige Bibliothek, den angrenzenden See und die Äste der uralten Bäume kann man zwar fotografieren, aber nicht so leicht beschreiben. Am besten aufgehoben sind sie, wie auch seine meditative Stimmung, im Herzen. Und dass das so ist, hat das Haus der Stille auch Kassapa zu verdanken.

Als ich ihn kennen lernte, war ich fünfzehn. Damals wurde gerade die Meditationshalle von freiwilligen Helfern gebaut, im Haus regierte Frau Hager, und in einem der Zimmer wohnte eine hagere, strenge Gestalt in oranger Kutte, die morgens bedächtig ihre Stoffbahnen um sich schlug, im Haus Andachten auf Pāli veranstaltete und sich meistens in der alten, malerischen Meditationsklause aufhielt. Damals sprach Kassapa oft über Abhidhamma, die psychologische Seite des Buddhismus, eine vertrackte Angelegenheit. Aber streng war er eigentlich nur zu sich selbst und ansonsten ein fröhlicher Rheinländer, der gern zeichnete und in seinen Vorträgen immer wieder handfeste Beispiele und Vergleiche aus dem täglichen Leben brachte. Damit prägte er wesentlich den Geist des Hauses und wurde eine wichtige Institution – auch bei Hamburger Buddhisten.

Als ich Kassapa in den 90er-Jahren wieder begegnete, hatte er die Robe schon seit Jahren abgelegt. Er führt seitdem ein einfaches Leben im Buddhistischen Haus in Berlin-Frohnau. Bis vor ein paar Jahren unterrichtete er dort Schulklassen, aber in letzter Zeit widmet er sich mehr der Meditation. Ab und zu hält er einen Vortrag – und der hat es dann in sich. Vielleicht ist es seiner burmesischen Schulung zu verdanken, mit Sicherheit aber seiner Disziplin und dem, was er den «Kampf gegen die schleichende Verblödung des Alters» nennt, dass er ganze Versteile des Pāli-Kanons auswendig kann und immer noch weitere auswendig lernt. Und genau übersetzt. Und klug kommentiert. Und mitreißend erklärt.

In diesem Jahr wird Kassapa 75 Jahre alt. Er ist nun den größten Teil seines Lebens auf einem Weg unterwegs, der vor über 2.500 Jahren entdeckt wurde und den man sich schon immer selbst neu freihauen musste:

«Im Innern Dickicht, außen Dickicht,

Verstrickt im Dickicht ist die Welt;

D’rum frage ich dich, Gotama:

Wer mag dies Dickicht wohl entwirr’n?»

Wenn man sich anschaut, was Kassapa in dieser Zeit alles bewirkt und beeinflusst hat, dann gehört er in eine Reihe mit Buddhisten wie Nyānaponika, Paul Dahlke und Hellmuth Hecker. Nur, dass Kassapa fast gar nichts veröffentlicht hat. Aber das wird sich mit diesem Buch, das eine Auswahl aus seinem Werk darstellt, ändern.

Dank gilt es zu sagen an Sigrid Kowalewski, die das Buch gestaltet hat, an Marion Schulz für Redaktion und Lektorat und an Dr. Helmtrud Rumpf für die Idee zu diesem Buch und das Besorgen vieler Manuskripte. Die Pāli-Texte wurden von Kassapas Kopien übernommen, und etwaige Fehler bitten wir nachzusehen oder, noch besser, das Haus der Stille darauf hinzuweisen. [→ 1]

Mögen alle Wesen glücklich sein!

München 2546/2003, Achim Szymanski

VORWORT DES VERFASSERS

Wie dieses Buch entstanden ist

Schon seit längerer Zeit halte ich regelmäßig Vorträge über buddhistische Themen, meistens im Buddhistischen Haus in Berlin-Frohnau, das auch mein Wohnsitz ist. Die fast unleserlichen, mit Bleistift geschriebenen Manuskripte habe ich in Ordnern sorgfältig aufbewahrt. Hin und wieder las ich sie durch, und einige fand ich so gut, dass ich mir selber hätte Beifall klatschen können.

Ich bin ein sehr altmodischer Mensch. Von Computern, Disketten, Scanning, E-Mail usw. verstehe ich absolut nichts, und jeden der Vorträge mit meiner alten, mechanischen Schreibmaschine ins Reine tippen – entsetzlich allein der Gedanke. Wohl träumte ich davon, wie schön es doch wäre, wenn das ganze Material einmal in Buchform vorläge, statt in meinen Ordnern dahinzugammeln. Aber wie sollte ich das bloß in die Tat umsetzen?

Unmerklich, einer nach dem anderen, stellten sich gute Geister ein und eilten mir zur Hilfe. Die Erste war Helmtrud Rumpf, die einen Vortrag nach dem anderen ins Reine tippte und auf Diskette aufnahm. Von ihr stammte auch der Gedanke, meine Geistesprodukte bei einem «richtigen Verlag» zu veröffentlichen, und das leitete sie in die Wege. Als Erstes erschienen zwei kleinere Hefte mit insgesamt 6 Vorträgen bei einem Zen-Verlag. «Aber eigentlich müssten wir die wichtigsten deiner Vorträge in der Form eines größeren Buches veröffentlichen», meinte sie.

Sie wandte sich an den Verein Haus der Stille in Roseburg, der in der Roseburger Schriftenreihe bereits ähnliche Bände publiziert hat. Marion Schulz, erste Vorsitzende des Vereins Haus der Stille und Herausgeberin der Schriftenreihe, ließ sich von Helmtrud Rumpf die betreffenden Disketten zusenden und übernahm die Zusammenstellung des Buches. Erfreut nahm ich dies zur Kenntnis und ließ der Sache ihren Lauf.

Wie überrascht war ich, als ich bei einem Besuch bei meinen Freunden Achim Szymanski und Sigrid Kowalewski, seiner Ehefrau, die im Verlagswesen arbeiten, feststellte, dass beide aktiv an der Gestaltung des Buches beteiligt waren und die Arbeit schon weit gediehen war. Artikel, Versübersetzungen aus dem Pāli, Gedichte, ja sogar Briefe, die ich Sigrid und Achim im Lauf der Zeit geschrieben hatte, fanden in dem Buch ihren Platz.

Von jeher war es mein Anliegen, schwierige Dinge im Hinblick auf die buddhistische Weltsicht und die geistige Praxis auch den weniger Bewanderten verständlich zu machen. Das habe ich in den Vorträgen versucht. Es ließ sich nicht vermeiden, einmal Gesagtes im Rahmen verschiedener Vorträge der Vollständigkeit halber zu wiederholen.

Und die Versübersetzungen aus dem Pāli? Ich stellte mir die Frage, ob es in der Buddhalehre nicht Sinnsprüche gäbe, die man sich einprägt, damit sie einen als Hintergrundwissen ständig begleiten. Ich verfiel auf die Parittas, das sind Verse, denen eine schützende Wirkung zugeschrieben wird. Ich schaute sie mir an und stellte fest, dass in ihnen Sentenzen vorhanden sind, an denen die gesamte Buddhabotschaft gleichsam «aufgehängt» ist. Ich lernte die elf in Myanmar (früher Burma) gebräuchlichsten Parittas auswendig, wovor ich mich während meiner Mönchszeit in Myanmar hartnäckig gedrückt hatte, und übersetzte sie ins Deutsche.

Nun ist es kaum möglich, Pāliverse mit linguistischer Exaktheit ins Deutsche zu übersetzen. Ich verfuhr nach dem Grundsatz «so exakt wie nötig, aber so frei wie möglich», damit eine fließende, ansprechende Übersetzung entstände. Leider ist es heute nicht mehr üblich, Gedichte und Sprichwörter auswendig zu lernen, wie es frühere Generationen getan haben, aber es lohnt sich insbesondere, wenn es sich um Wegweisungen aus der Buddhalehre handelt.

Doch nicht für alles, was mich bewegte, fand ich die entsprechenden Merkverse, obwohl es sie gibt. Aber die mühselige Suche! Da kam mir der Gedanke: «Mach dir selber welche.» So sind dann die Gedichte entstanden.

Nicht alle Verse, die ich übersetzt habe, genügen dem Anspruch der Experten nach Authentizität, aber das stört mich nur wenig. Ich habe das gebracht, was ich für einen Suchenden und Praktizierenden für wichtig hielt. Das trifft besonders auf die kleineren Versfolgen zu, die sich an die Parittas anschließen. Von den 12 Parittas, die in Myanmar gebräuchlich sind, habe ich, von der «Großen Einleitung» abgesehen, nur sechs gebracht. Vieles in ihnen bedürfte einer ausführlichen Erklärung, die aber zum Teil in den Vorträgen gegeben ist. Stellen, die unklar bleiben, möge der Leser nur auf sich wirken lassen. Die ausführliche Wiedergabe aller in Myanmar gebräuchlichsten Parittas samt ausführlicher Erklärung sei Gegenstand einer späteren Arbeit.

Ich stelle fest, dass Helmtrud, Marion, Sigrid und Achim mit großer Sorgfalt und Hingabe das Buch zusammengestellt haben. Dafür sei ihnen aufs Herzlichste gedankt.

August 2003,

Kassapa

DER WEG

WOZU LEBE ICH ÜBERHAUPT?

Fragen: Warum bin ich in dieses Leben gelangt?

Was erwartet das Leben von mir?

Hat das Leben einen Sinn?

Was mache ich aus meinem Leben?

Wie gebe ich ihm einen Sinn?

Was ist der höchste Sinn, den ich dem Leben geben kann?

Was ist das höchste zu erstrebende Glück?

Die Frage «Wozu lebe ich überhaupt?» lässt sich nur beantworten, wenn wir uns vorher die Frage stellen: «Warum lebe ich?», das heißt: «Wie kommt es, dass ich in diesem Leben stehe?»

Die Antwort auf diese Fragen lautet in Kürze: Wir leben, weil wir es nicht anders gewollt haben. Ein Sinn für unser ganzes Streben, Tun und Trachten ist nicht von vornherein gegeben, wir müssen ihn uns selbst setzen. Unsere Lebenswelt – Menschen, Tiere, Gesellschaft, Kultur usw. – umgibt uns in ihrer ganzen Rätselhaftigkeit. Wir sind gefordert, empfangen von anderen und müssen dafür etwas zurückgeben. Was wir empfangen und dafür zurückzugeben haben, steht oft in krassem Missverhältnis zueinander. Wir leiden und fragen uns: Wie kommt das bloß? Es kann doch nicht sein, dass sich der Sinn des Lebens nur darin erschöpft, dass wir geboren werden, altern, erkranken, sterben und uns quälen, bloß weil wir «da» sind. Ist das Leben etwa ein reiner Selbstzweck? Und wenn wir uns als Teil eines kosmischen Werdeprozesses betrachten, was für einen Sinn hat er? Das Leben erscheint als ein sinnloser Teilprozess in einem ebenso sinnlosen universalen Prozess.

Wie wir uns auch drehen und wenden mit unseren Zweifelsfragen, jede Antwort ist spekulativ und widersprüchlich. Unser Leben ist eben «da» und wir haben uns mit ihm herumzuschlagen. Tun wir es auf eine Art und Weise, dass es zu unserem eigenen, zu fremdem und beiderseitigem Wohl gereicht! Aber ist dies nicht ebenso sinnlos wie der ganze universale Prozess? Es sieht so aus. Doch wir sind gezwungen, für uns selbst zu sorgen, und können nicht erwarten, dass andere dies für uns tun. Wir sind in ihrer Schuld und müssen diese Schuld begleichen. Tun wir dies mit Liebe, kommt Licht in unser Leben, nicht aber, wenn wir wie Parasiten nur auf unser eigenes Wohl bedacht sind. Es gibt kein Wesen, das uns in der Folge der Wiedergeburten nicht schon Vater, Mutter, Lebensgefährte, Bruder, Schwester, Freund gewesen oder uns sonst wie nahe gestanden hätte. Wir haben von ihnen empfangen, also wenden wir ihnen unsere guten Energien zu! Was wir auch immer tun, sei es gut oder böse, tun wir uns letztlich selber an. Durch unsere Mitwesen kommt es auf uns zurück. Mag das Leben noch so sinnlos erscheinen, die Möglichkeit, aus eigener Kraft unser und anderer Los zu verbessern, haben wir und sollten wir nutzen.

Wollen wir unser Leben besser verstehen, müssen wir uns die vier edlen Wahrheiten des Buddha anschauen. Sie lauten in Kürze:

1) Dasein und Leiden sind untrennbar;

2) Leiden hat eine Ursache: Begehren in jeder Form;

3) es gibt eine Aufhebung des Leidens: die Aufhebung des Begehrens, und

4) es gibt einen Weg zur Aufhebung des Leidens: den achtfachen edlen Pfad.

Zur ersten Wahrheit: Wieso sind Dasein und Leiden untrennbar? Immer wieder gibt es Geburt, Alter, Krankheit, Tod, Sorge, Kummer, Schmerz, Trübsal und Verzweiflung. Mit Ungeliebtem werden wir vereint, von Geliebtem werden wir getrennt, Gewünschtes erlangen wir nicht. Als Letztes heißt es: «Kurz gesagt, die fünf Anhaftungsgruppen sind leidhaft.» Was bedeutet dieser Satz?

Als lebende Wesen bestehen wir aus fünf Gruppen von Dingen, an denen wir hängen oder anhaften: Körperlichkeit, Gefühle, Wahrnehmung, Willensregungen und Bewusstsein. Diese fünf Gruppen sind – ob wir sie einzeln für sich betrachten oder in ihrer Gesamtheit – vergänglich, siech und unwesenhaft, und somit das Gefäß alles oben genannten Leidens. Was wir Person nennen und mit einem Namen belegen, ist wie eine empfindliche Wunde, die immer wieder von zahllosen Eindrücken wie von Giftpfeilen getroffen wird. Wohl gibt es auch Erfreuliches, doch es ist kurzlebig, auch das höchste Glück vergeht einmal, und das ist eine leidige Tatsache. Wie zutreffend sind Schillers Worte:

Wohin nur ein Samenkorn des Vergnügens fiel, sprossen schon tausend Keime des Jammers. Wo nur eine Träne der Freude liegt, liegen tausend Tränen der Verzweiflung begraben. Hier an der Stelle, wo der Mensch jauchzte, krümmten sich tausend sterbende Insekte. In ebendem Augenblick, wo unser Entzücken zum Himmel wirbelt, heulen tausend Flüche der Verdammnis empor. Es ist ein betrügliches Lotto, die wenigen armseligen Treffer verschwinden unter den zahllosen Nieten. Jeder Tropfe Zeit ist eine Sterbeminute der Freuden, jeder wehende Staub der Leichenstein einer begrabenen Wonne. Auf jeden Punkt im ewigen Universum hat der Tod sein monarchisches Siegel gedrückt. Auf jeden Atomen les’ ich die trostlose Aufschrift:  V e r g a n g e n !  

Was haben wir damit nur auf uns geladen, und warum? Darüber gibt uns die zweite Wahrheit des Buddha Aufschluss, die Wahrheit von der Entstehung des Leidens. Doch merken wir uns noch vorab: Es gibt einen Weg, so mit der Leidenstatsache umzugehen, dass wir tief im Inneren ein Glücksgefühl empfinden, das immer wiederkehrt, auch wenn wir von Zeit zu Zeit regelrecht «durchhängen».

Zur Wahrheit der Leidensentstehung sagte der Buddha – das heißt «der Erwachte» – Folgendes: «Es ist jenes Wiederdasein erzeugende, von Gier begleitete, bald hier, bald dort sich ergötzende Begehren – taṇhā: das Sinnesbegehren, das Daseinsbegehren und das Selbstvernichtungsbegehren.»

Was heißt «Sinnesbegehren»? Es ist die Gier, zu genießen, was wir durch unsere fünf Sinne und den Geist erfahren. Sie geht so weit, dass wir nie still sind, sondern ständig von Eindrücken des Sehens, Hörens, Riechens, Schmeckens, Tastens und Denkens getroffen werden wollen. Besitzgier, Machtgier, Vergnügungsgier, Sexgier usw. versteht man unter Sinnesbegehren. Diese Gier ist wie ein Tiger: Solange er klein ist, frisst er wenig, doch je größer er wird, desto gefräßiger wird er. Wer sich dieser Gier ergibt, hat selten genug, ständig quält ihn ein Gefühl des Mangels. Wie wohltuend ist es dagegen, wenn die Gier einmal schweigt!

Das Daseinsbegehren ist Lebensgier schlechtweg, und das Selbstvernichtungsbegehren ist der Wunsch, dass unser vermeintliches Ich oder Selbst mit dem Tod vernichtet werde. Dass mit dem Tod alles zu Ende sei, ist ein weit verbreiteter Aberglaube. Selbst wenn man dies wünscht und vor lauter Lebensüberdruss Selbstmord begeht, ist der wahnhafte Drang nach Dasein damit längst nicht erloschen. Hätte das Leben des Selbstmörders mehr seinen Wünschen entsprochen, hätte er wohl nie Selbstmord begangen. Sein nicht erloschenes Daseinsverlangen motiviert den Willen, sich in einem neuen Dasein wieder zu verkörpern. Dieser Wille, Karma genannt, belebt den Embryonalkeim irgendeines Wesens, bringt ihn zum Auswachsen, und in dieser Gestalt geht das Leben weiter. So ist der Tod kein Ende, sondern nur eine Verwandlung. Was wir im vorigen Leben und früher getan haben, trifft uns jetzt, auch die zerstörerische Kraft eines Selbstmordes. Ob wir uns selbst oder irgendjemanden anders umbringen, die Gewichtigkeit der Tat ist die gleiche und mag Kurzlebigkeit, Krüppelhaftigkeit und Kränklichkeit nach sich ziehen, vielleicht sogar den gewaltsamen Tod. Wir sehen, es gibt kein Entrinnen von einem Übel, indem man sich selbst ein Übel antut.

Bevor wir uns die Daseinsgier näher anschauen, sei erwähnt, dass uns das Erlöschen jeglicher Gier über alles Leiden erhebt. Wohl kann uns der Körper noch mit Schmerzen plagen, aber geistig-seelischen Schmerz gibt es nicht mehr. Erloschen ist die Kraft, die uns in neues Dasein hineinschleudert, der zu erwartende Tod wird der letzte sein, und damit ist Ruhe. Der Taumel von einem Dasein zum anderen ist zu Ende und damit alles mit dem Dasein verbundene Leiden. Das ist Nibbāna, die absolute Leidfreiheit. In diesem Sinn lautet die dritte Wahrheit des Buddha: «Was ist die edle Wahrheit von der Leidenserlöschung? Es ist ebendieses Begehrens restloses Erlöschen, Aufgeben, Loslassen, die Befreiung und Loslösung von ihm.»

Ordnen wir unser ganzes Leben diesem Ziel der Befreiung unter, geben wir ihm den höchsten Sinn, den wir ihm geben können. Lauteres Verhalten – sīla –, innere Stille und klares Erkennen sind der Weg. Er ist beglückend am Anfang, in der Mitte und am Ende. Acht Geisteseigenschaften gewinnen an Kraft, bis sie den Durchbruch zur höchsten Erleuchtung bewirken. Es sind rechte Erkenntnis, rechte Gesinnung, rechte Rede, rechte Tat, rechter Lebensunterhalt, rechte Anstrengung, rechte Achtsamkeit und rechte Sammlung. Die Entfaltung dieser acht Dinge durch einwandfreies Verhalten – sīla –, Sammlung – samādhi – und Einsicht – paññā – nennt man den achtfachen edlen Pfad, der zur Lebenserlöschung führt. Er ist die vierte der vier edlen Wahrheiten.

Wenden wir uns nun wieder der Daseinsgier zu, damit wir verstehen, warum wir hier sind und was uns in Fesseln schlägt. Sie äußert sich als dumpfes, unwissendes Drängen, um jeden Preis zu leben, so elend das Leben auch sein mag. Nehmen wir einmal an, jemand käme und sagte: «Was soll dein miserables Leben? Ich will dich jetzt umbringen, dann bist du von der Last deines Lebens befreit. Mit diesem Messer werde ich dir jetzt den Hals abschneiden, es tut zwar ein bisschen weh, doch nach kurzer Agonie ist alles zu Ende.» Wie würden wir reagieren? Würde sich nicht etwas in uns maßlos gegen den Tod aufbäumen?

Es ist der Daseinsdrang, die Lebensgier. Fühlt sie sich bedroht, reagiert sie mit Panik. Ein innerer Stau äußert sich in einer maßlosen Angst. Wohl hat es Menschen gegeben, die dem Tod gelassen ins Auge geschaut haben, doch dazu gehört eine große innere Klärung, die wir uns zu erarbeiten haben. Es ist die gleiche Klärung, die auf dem achtfachen edlen Pfad ihre höchste Vollendung erreicht.

Was ist der Ursprung unseres jetzigen Lebens? Das Gleiche, das sich jetzt ans Leben klammert, reine Gier. Nach buddhistischer Auffassung kommt unser Leben nicht aus dem Nichts und vergeht auch nicht in Nichts. Die Auffassung, dass unser Leben nichts Einmaliges sei, sondern nur ein Glied in einer anfanglosen Kette von Wiedergeburten, stößt auf den Widerstand eingefleischter Denkgewohnheiten. Sie gehen auf frühkindliche Indoktrinierung zurück. Dass es im Bereich des Physischen einen die Zeiten übergreifenden Wirkungszusammenhang gibt, sieht wohl jeder ein, doch nicht, dass die Hauptursache unseres Lebens eine geistige ist, nämlich ein vorgeburtliches Drängen und Wollen nach unserer jetzigen Existenz. Ebenso ist unser jetziges Drängen und Wollen nach künftigem Dasein die Hauptursache für unser nächstes Leben und gestaltet Geist, Körper und Lebensschicksal. Es gibt hoch entwickelte Menschen, die diesen Zusammenhang intuitiv durchschauen können. Es gibt verbriefte Fälle der Rückerinnerung an vergangene Leben, doch sie entziehen sich naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden und werden darum als Spinnerei abgetan, während man andererseits die absurdesten Glaubenslehren für «wahr» erklärt. So mancher würde uns für verrückt erklären, wenn wir ihm sagen: Du lebst, weil du es seit anfangloser Zeit so gewollt hast, und wirst noch unzählige Male leben, wenn du es weiter so willst. Wie die meisten von uns hast auch du nicht begriffen, dass du im Leben stehst wie von einer Feuerwand umgeben, deren Hitze dich immer wieder ansengt. Wie eine Motte in eine Flamme fliegt, bist du in dieses Leben hineingeflogen und glaubtest, sie hätte dich erwärmt, doch sie hat dich verbrannt. Solange du nicht begreifst, dass Dasein und Leiden eins sind und nur die Suche nach dem Ausweg einen Sinn hat, fliegst du immer wieder in neues Dasein hinein wie eine Motte in eine Flamme. Du glaubst, es stände dir Herrliches bevor, doch was gibt es? Mühsal, Heulen und Zähneklappern. Die paar Freuden und Höhepunkte sind nur trügerische Begleitmusik. Am Ende schüttelst du den Kopf und sagst: Das soll es gewesen sein? Aber zum Aufgeben und Loslassen hat dein Verständnis nicht gereicht, darum: Auf zum nächsten Leben mit all seinen Höhen und Tiefen!

Betrachten wir weiter das Elend der Gier! Immer wieder sehen wir, dass die Reichsten auch die Habgierigsten sind, sonst wären sie nicht reich geworden. Je größer die Gier, umso größer das Gefühl des Mangels, das nach mehr schreit. Es gibt Zwistigkeiten, Streit um Besitz, Übervorteilung, gerichtliche Prozesse, Interessenkonflikte, gnadenlosen Konkurrenzkampf, Ausbeutung, Raubbau an der Natur. Es kommt zu Kriegen, Machtkonflikten, Folter, Straflager usw. Ganze Landstriche veröden, Millionen von Menschen verhungern, während sich andere an ihrem Elend bereichern und zu Milliardären und Multimillionären werden. Stellen sich der Gier Hindernisse in den Weg, regt sich Hass und will das Hindernis vernichten. Es wird Gewalt angewandt. Je gedankenloser der Einzelne mitspielt, umso mehr trägt er zum Leiden aller bei, macht er sich mitschuldig. Und was steht hinter Gier und Hass? Verblendung, die blind für Tat und Folgen ist.

Wollen wir da mitmachen? Das sollten wir uns gut überlegen. Dass wir menschliche Wesen geworden sind, ist bei aller Unterschiedlichkeit von Gestalt, Charakter und Lebensschicksal ein großes Glück, denn nichts ist besser als menschliche Geburt, um den Weg zur endgültigen Leidfreiheit zu finden. Die Tiere sind dazu zu stumpf, hungrige Geister, eifersüchtige Dämonen und Höllenwesen sind zu sehr von ihrem Leiden niedergedrückt, um sich zur befreienden Tat aufraffen zu können. Die Götter sind zu sehr von ihrem Glück betört, um über das Leiden, seine Ursache, seine Aufhebung und den Weg zu seiner Aufhebung nachzudenken. Sie genießen das Leben in ihren erhabenen Welten wie ein Urlaubsparadies, das sie sich durch Verdienste in der Vergangenheit geschaffen haben. Doch wenn ihre Verdienste erschöpft sind, fallen sie in niedere Welten ab. Nur wenn sie schon vor ihrer göttlichen Geburt Vorstufen der großen Erleuchtung verwirklicht haben, sind sie geneigt, sich durch ihr Glück nicht mehr von ihrem Streben abhalten zu lassen.

Schwer ist es, menschliche Geburt zu erlangen, darum sollten wir unser Menschentum nicht vertun, indem wir uns durch Gier, Hass und Verblendung zu falscher Tat, falscher Rede und falschem Lebensunterhalt verleiten lassen. Falsche Tat bedeutet, lebende Wesen umzubringen, zu stehlen und ein verantwortungsloses Sexualleben zu führen. Falsche Rede und Lüge, Verleumdung, Beschimpfung und nutzloses Geschwätz; und ein falscher Lebenswandel besteht im Ausüben eines Berufes, durch den andere Wesen getötet, um ihre Habe gebracht, sexuell missbraucht, belogen, betrogen, verleumdet, beschimpft oder durch Klatsch und Tratsch geschädigt werden. Man betrachte die vielen Arten von legalisiertem Betrug und Schwindel, durch die in der modernen Welt Milliarden verdient werden. Was tun sich die Mächtigen, Einflussreichen damit selbst an! Sie sind zu bedauern statt zu bewundern. Wir sollten beherzigen, was wir im Śāntiśataka («Hundert Verse vom Seelenfrieden») Śilhaṇas lesen können:

Mit einem großen Kostenaufwand von verdienstlichen Werken hast du dieses Schiff, deinen Leib gekauft, um ans jenseitige Ufer des Meeres der Leiden zu gelangen. Fahr hinüber, ehe es zerschellt!

Sein Menschentum zu verspielen ist leicht, man braucht nur leichtsinnig und bedenkenlos genug zu sein, und schon landet man auf einer Abwärtsfährte, weil man sich über seine Taten, Worte und Gedanken zu wenig Rechenschaft ablegt. Während des Sterbens zieht das ganze Leben in Zeitraffertempo am geistigen Auge vorüber. Die Schlussbilanz wird gezogen. Hat man Miese auf seinem Konto, gelangt man gar nicht erst in die Menschenwelt, sondern wir werden je nach der Schwere unserer Taten als Tier, Hungergespenst oder noch unglücklicheres Wesen wiedergeboren.

Die Schlussbilanz des vergangenen Lebens wird zur Eröffnungsbilanz des neuen. Zur Geburt in der Menschenwelt gehört ein gewaltiger Aktionssaldo an Verdiensten durch Geben, einwandfreie Lebensführung und geistige Vervollkommnung. Das Startkapital eines jeden Menschen ist verschieden. Das zeigt sich an den Verhältnissen, in denen er geboren wird, an körperlichen und geistigen Fähigkeiten und Vorzügen, die in ihm angelegt sind. Der eine wird in wohlhabender Familie wiedergeboren und erhält als Heranwachsender die denkbar beste Förderung, der andere dagegen in drückender Armut ohne Zukunftschancen. Der eine ist wohlgestaltet, kräftig und gesund, der andere missgestaltet, schwächlich und kränklich. Der eine ist intelligent und voll Energie, der andere geistig behindert und willensschwach. Zwischen diesen Extremen gibt es alle erdenklichen Abstufungen. So sind auch die Entwicklungs- und Erfolgsaussichten sehr verschieden. Doch nun kommt es darauf an, was man daraus macht, ob man zu eigenem, fremdem oder beiderseitigem Wohl wirkt und dabei seine Anlagen positiv weiterentwickelt oder ob man zu eigenem, fremdem oder beiderseitigem Schaden wirkt und sie zurückentwickelt. Wie die Saat, so die Ernte; wir allein tragen die Verantwortung.

Wie gestalten wir unser Leben? Es soll nochmals betont werden: Ob wir in dem gesamten Weltprozess, von dem wir ein Teil sind, einen «An-sich-Sinn» sehen oder nicht, spielt keine Rolle. Nur zwei Fragen sind wichtig: Wie lebe ich, damit es zum eigenen, fremden und beiderseitigen Wohl gereicht, und was tue ich, um der großen Befreiung ein Stück näherzukommen?

Unsere Hauptaktionsfelder sind Beruf, Familie und Freizeit. In ihnen müssen wir unser Leben gestalten. Auf allen drei Gebieten können wir so wirken, dass wir dabei eine Erfüllung finden oder auch nicht. Wir müssen die rechte Wahl treffen. Zunächst zum Berufsleben. Wir arbeiten und werden dafür bezahlt, das ist ein normaler Prozess des Gebens und Nehmens. Allerdings stehen oft Arbeit und Entlohnung in krassem Missverhältnis zueinander. Da schuftet sich jemand zu Tode und kann kaum seine Familie durchbringen. Er muss damit leben, wenn ihm nichts Besseres einfällt. Es kommt auf sein Können an, und das ist bei jedem Menschen verschieden begrenzt. Im Allgemeinen ist der Beruf nichts als ein Mittel zum Zweck, um sein Leben zu fristen. Nicht jeder findet in seinem Beruf eine Erfüllung. Er tut gut daran, wenn er auf anderen Gebieten seine Erfüllung sucht, nämlich im Privatleben. Wer mit sich selber nichts anfangen kann, ist übel dran. Wie bringt man Licht in sein Leben, wenn man arbeits- oder obdachlos ist? Es kann nur derjenige, der sich darauf vorbereitet hat, als er noch Gelegenheit dazu hatte. Im Beruf lernt er dies in den seltensten Fällen.

Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn jemand in seinem Beruf aufgeht! Verfehlt ist es allerdings, wenn man nur noch für seinen Beruf lebt und das Zwischenmenschliche zu kurz kommt. Was interessiert uns am Mitmenschen? Sind es seine Fertigkeiten, ist es sein Erfolg, sein Reichtum oder??? Uns interessiert vielmehr, wie er auf uns als Mitmensch und Gefährte wirkt, was an positiven Energien von ihm zu uns herüberkommt. Wie viel Not gibt es unter den materiell Gesättigten? Wie geht so mancher Wohlhabende mit Frau, Kindern, Mitarbeitern und anderen Mitmenschen um? Er kann eine noch so tüchtige Führungskraft sein, als Mitmensch versagt er. Als Mitmenschen nicht zu versagen, darum sollten wir bestrebt sein. Brauchen wir nicht alle in erster Linie die Seelenhilfe des anderen? Gewähren wir sie ihm, so macht das auch uns glücklich. Schon auf diese Weise gewinnt unser Leben an Qualität.

Oft greifen Berufs- und Privatpläne eng ineinander über. Insbesondere ist dies bei humanitären Berufen in verantwortlicher Stellung der Fall. Es kommt darauf an, in welche Richtung man sein Leben steuert. Berufe, die man nicht ausüben soll, sind alle diejenigen, durch die man anderen Wesen schadet. Wie viele moderne Berufe gibt es, durch die andere ihres Lebens beraubt, um ihre Habe gebracht, sexuell ausgebeutet, belogen, verleumdet, beschimpft oder durch Schwatz geschädigt werden, direkt oder indirekt? Wie viele Berufe beruhen auf legalisiertem Betrug und Schwindel? Um seines eigenen Glückes willen sollte man solche Berufe nicht ausüben. Wer möchte sagen, dass Mafiabosse, Ausbeuter, Spekulanten, Betrüger nicht zum eigenen, fremden oder beiderseitigen Schaden wirken, sofern man versteht, dass man alles, was man tut, man sich letzten Endes selber antut? Worin besteht das wirkliche Glück eines Menschen, wenn er um seiner Macht und seines Reichtums willen bezahlte Killer auf andere hetzt? Wehe, wenn sie nach dem Tod für ihre Untaten zur Kasse gebeten werden! Bringen wir sie in diesem Leben hinter Schloss und Riegel oder aufs Schafott, so büßen sie damit nur einen verschwindend geringen Teil dessen ab, was sie angerichtet haben. Eigentlich brauchte man sie überhaupt nicht zu bestrafen, weil sich ja Taten durch ihre Folgen selber bestrafen, doch kann sich keine Gesellschaft erlauben, Verbrechen keine Grenzen zu setzen. Auch in buddhistischen Ländern gibt es eine Gerichtsbarkeit.

An sich heilsame Berufe sind die eines Arztes, Krankenpflegers, Lehrers, Sozialarbeiters und alle solche, die um das Wohl des Menschen bemüht sind. Auch Handwerker, Gärtner, Landschaftspfleger, Wissenschaftler, Techniker schaffen etwas, was wir brauchen, und somit geben sie. Doch auch an sich heilsame Berufe können ins Kriminelle abgleiten, wenn der Gewinn zur Hauptsache wird.

Das moderne Leben ist zu komplex, als dass man allen Verzahnungen zwischen heilsamen und unheilsamen Aktivitäten in Beruf und Privatleben auf den Grund gehen könnte. Um sich selbst und andere vor Schaden zu bewahren, braucht man einen Ethos. In buddhistischem Sinn bedeutet dies, keine lebenden Wesen umzubringen, nicht Gegebenes nicht zu nehmen, kein verantwortungsloses Sexualleben zu führen, bei der Wahrheit zu bleiben und weder dem Alkohol- noch dem Drogenmissbrauch zu frönen. Darüber hinaus sind Verleumdung, Beschimpfung und unüberlegtes Geschwätz zu vermeiden. Wer so lebt, schützt sich selbst und andere und erfährt eine grundlegende innere Stabilisierung. Sollten alle Menschen sich dazu entscheiden, lebten wir in paradiesischen Verhältnissen. Doch warten wir nicht darauf, dass sich alle anderen dazu entschließen, sondern tun wir es selbst! Es ist wesentlich, wenn man nicht im Sumpf des modernen Lebens versacken will. Anderen gewähren wir dadurch unermessliche Sicherheit, die auf uns zurückwirkt. Es entsteht eine auf Schutz und Schonung bedachte innere Grundhaltung, die sich durch viele Leben hindurch fortsetzt. So wirken wir – banal, wie es klingt – als Lebens- und Weltverbesserer. Das nächstliegende Übungsfeld sind Eltern, Lebenspartner, Kinder, Verwandte, Freunde, Kollegen usw. Gegenwärtiges und zukünftiges Wohlsein gibt diesem Verhalten einen Sinn. Es führt zu einer inneren Gesundung.

Je mehr wir im Weltgetriebe aufgehen, umso mehr frisst es uns auf. Wir müssen unseren Schwerpunkt im Inneren wiederfinden. Innere Stille bedeutet, dass wir unabhängiger werden von den lärmigen und oberflächlichen Vergnügungen, die uns überall angepriesen werden. Wir werden auf diese Weise wieder fähig, von feineren Dingen ergriffen zu sein. Ob sich der Schein der aufgehenden oder untergehenden Sonne über die Erde breitet, das Herbstlaub rot und gelb von den Bäumen fällt, der Wind durch die Kiefern streicht oder die Kraniche ziehen, wir können wieder schauen und lauschen. Wolfgang Brezinka, Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Konstanz, sagt Folgendes:

Es ist notwendig, aus dem Lärm und der Betriebsamkeit herauszutreten und zu schweigen. Ohne Stille gibt es keine Sammlung. Man muss lernen, freiwillig allein zu sein, um sich selbst zu finden. Man muss die Einsamkeit aufsuchen und dem triebhaften Drang zu den anderen standhalten. Ein einziger Tag, an dem man allein gewandert ist, oder ein stiller Abend über einem guten Buch können für lange Zeit Spannkraft und innere Klarheit schenken.

Hier liegen die Anfänge des meditativen Lebens. So mancher möchte sagen: «Dazu habe ich keine Zeit», doch man sollte ihm die Gegenfrage stellen: «Wie viel Zeit verbringst du täglich vor dem Fernseher und lässt dich mit einem Leben aus zweiter Hand berieseln? Du ahnst nicht, welch geistzersetzendes Gift du damit in dich hineinträufeln lässt. Würdest du es verstehen, deine Zeit sinnvoller zu nutzen, fühltest du dich erfüllter.»

Es gibt nichts, was einem umsonst in den Schoß fiele, alles hat seinen Preis, und der heißt auch «Zeit». Ohne Zeitaufwand geht nichts. «Zeit ist Geld» – welch ein Unsinn! Es gibt Dinge, die man mit Geld nicht erkaufen kann, wohl aber mit Zeit, nämlich inneres Glück und inneren Frieden. Je mehr in einem das Lebensfieber brennt und nach «Action» drängt, umso weniger wird man der Stille teilhaftig. Je mehr man aber in sich selber ruht, umso glücklicher ist man und umso beglückender wirkt man auf andere. Wir können nicht erwarten, dass der junge Mensch sich nicht auslebt, doch sollte man ihm beibringen, dass es auch noch etwas Anderes, Erbaulicheres gibt, sofern er überhaupt hören will.

Meditatives Leben bedeutet nicht, dass man stundenlang auf dem Kissen sitzt und sich quält, weil man auf ein bestimmtes Ziel fixiert ist und deshalb nicht mehr merkt, was im Geist und Körper vor sich geht. Bei der echten Meditation öffnet sich ein Erleben ganz besonderer Art. Der erste Schritt ergibt sich aus Vertrauen zum Buddha, seiner Lehre und Gefolgschaft. Er entspringt aus einer inneren Ergriffenheit für den Heilsweg, den er uns gezeigt hat. Wer diese Ergriffenheit besitzt, braucht sich nur bei Kerzenlicht vor einem Buddhabild niederzusetzen und es auf sich wirken zu lassen, um zu sehen, wie glücklich ihn das stimmt. Er braucht nur in sich hineinzusprechen:

Der Buddha leuchtet mir voran, ich atme seinen Frieden ein. Friede bis ins kleinste Teilchen strömt vom Kopfe bis zum Fuß aus des Herzens Mitte und zu ihr zurück.

Dies geschieht wirklich, wenn er sich dies vorstellt. Es ist eine Art Meditation, bei der man sich auf einem Gedanken sammelt und ihn wirken lässt. Wir müssen verstehen, dass unser Geist bis in den kleinsten Winkel in den Körper hineinwirkt. Wird der Geist ruhig und still, wird es auch der Körper. Je nachdem, was man denkt und wie man denkt, geht davon eine heilende oder krank machende Wirkung aus. Gerade beim stillen Sitzen gewinnen Gedanken, die mit dem Buddha, seiner Lehre und Gefolgschaft zusammenhängen, eine besondere Kraft. Es ist eine Möglichkeit, die viel zu wenig genutzt wird. Sie setzt eine gute Verankerung in der Buddhalehre voraus, und die besitzen die wenigsten Menschen.

Ist man durch Gedanken an die erlösende Kraft des Buddha, seine Lehre und Gefolgschaft oder die Entfaltung liebender Güte glücklich gestimmt, ist die Zeit gekommen, dass man alle Gedanken fallen lässt und nur in sich hineinlauscht. Der Wunsch, sich zu sammeln, wird stark, und nun mag es sein, dass man wie von selbst in die Atembetrachtung hineingleitet. Gelingt es nicht, kehrt man wieder zu einem erhebenden Gedanken zurück und unternimmt dann einen neuen Anlauf zur Gedankenstille.

Der Weg der Meditation führt natürlich noch weiter. Durch gesteigerte Sammlung entsteht ein inneres Glück, das den ganzen Organismus durchstrahlt. Es steigert sich, wenn es einem gelingt, in die so genannten Versenkungen (jhāna) einzutreten. Der Geist gewinnt eine Klarheit, die ihn befähigt, wunschlos in sich zu ruhen und «fahren zu lassen». Was soll er fahren lassen?

Geist und Körper, du wirst sehen, sie sind nicht dein Eigen. Vergänglich sind sie, unzulänglich, kein Ich, kein Selbst sind beide. Nichts als ein leeres Flimmerspiel kannst du da entdecken, nur Leeres kommt und geht, ein Wahn, nach ihm zu greifen.

Schau achtsam hin, so wird dein Geist dereinst für immer erwachen. Von allem Haften und Halten frei lässt er die Daseinsbürde fallen. Dein Tod, er wird der letzte sein, kein neues Dasein steht bevor. Das ist das Ende allen Leids, durchschritten ist Nibbānas Tor.

Hiermit ist in Kürze der meditative Weg von den allerersten Anfängen bis zur endgültigen Befreiung skizziert. Er ist ein innerer Wachstumsprozess, der sich wie das Wachsen einer Pflanze vollzieht, wenn man bewusst lebt und übt. Ein bewusstes Leben nach den Prinzipien des Gebens, innerer Zucht (sīla) und der Entfaltung von Sammlung und befreiender Erkenntnis ist ein erfülltes Leben und führt zur Befreiung aus der Daseins- und Leidensverkettung. So gibt man seinem Leben einen Sinn, und die Frage «Wozu lebe ich überhaupt?» wird gegenstandslos.

Vortrag am Sonntag, den 30. 9. 1997 im Buddhistischen Haus

DIE BUDDHALEHRE IN DER FORM GANZ EINFACHER BOTSCHAFTEN

Du hast also schon davon gehört, dass es einen Weg zur Überwindung der Welt und des mit ihr verbundenen Ungenügens gibt, und möchtest diesen Weg gehen. Es ist ein Weg der Tat. Stell dir die Welt als einen Dschungel mit unzähligen verschlungenen Pfaden vor. Die meisten Menschen wissen nicht, dass es außerhalb des Dschungels weites, freies Land gibt, und darum haben sie auch nie daran gedacht, wie schön es wäre, aus dem Dschungel hinauszugelangen. So irren sie auf verschlungenen Pfaden hin und her. Andere haben diesen Wunsch, wissen aber den Weg nicht. Andere wieder wissen den Weg, haben aber nicht den festen Willen, ihn auch zu gehen. Die Botschaft des Buddha ist für diejenigen, die aus dem Dschungel hinauswollen, aber den Weg nicht wissen. Sie ist wie Karte und Kompass, die man nur zu benutzen braucht, um den Weg zu finden.

Genau wie wir zuerst die Karte zu studieren haben, müssen wir die Daseinsrealität kennen lernen. Genau wie man sich immer wieder im Dschungel verläuft, so auch im Leben. Geburt, von vielen bejubelt, endet in Alter, Krankheit und Tod; ein Entrinnen gibt es nicht. Die Menschen hoffen immer, dass ihnen im Dasein ein unvorstellbares Glück bevorstände, und was gibt’s? Sorge, Kummer, Schmerz, Trübsal, Verzweiflung. Von Lieben wird man getrennt, mit Unlieben vereint, auch wenn man sie nicht ausstehen kann, und wie vieles Gewünschte erlangt man nicht! Betrachten wir einmal unsere Person. Seien wir noch so verzückt von der rassigen Figur, die wir da im Spiegel vor uns sehen. In Wirklichkeit ist sie eine Zielscheibe für unzählige Eindrücke, die sie treffen wie Giftpfeile. Wie müssen wir diesen Körper ernähren, waschen und pflegen, damit er nicht stinkt! Man ziehe nur die Haut von ihm ab – wie eklig, was da übrig bleibt. Auch das schönste Mädchen wird einmal eine hässliche alte Geiß oder eine pampelige Matrone, auch der sportlichste junge Mann wird einmal hager oder ein unförmiger, unbeholfener Fettwanst sein, bevor er ins Gras beißt. Wir sehen: Alle Dinge dieser Welt sind vergänglich, unzulänglich und ohne bleibenden Kern, doch wer will das wahrhaben? Da verrennt man sich lieber in Illusionen, und mögen sie alle noch so bitter enttäuscht werden.

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