Einsame Schwestern - 4-teilige Titan-Serie + Vorgeschichte - Susan Mallery - E-Book

Einsame Schwestern - 4-teilige Titan-Serie + Vorgeschichte E-Book

Susan Mallery

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Beschreibung

DOPPELT GEKÜSST HÄLT LÄNGER

Willkommen in Titanville, wo küssen schon immer geholfen hat! Die Liebesgeschichte des Ur-Ur-Urgroßvaters der Titan-Schwestern Lex, Skye und Izzy!

Wie alles begann: Zeke Titan ist nicht nur der erfolgreichste Geschäftsmann und größte Wohltäter, sondern auch der charmanteste Schürzenjäger von Titanville. Besonders Lehrerinnen machen ihn schwach, genau genommen eine bestimmte. Doch die bezaubernde und reichlich emanzipierte Alethea Harbaugh erweist sich als echte Herausforderung für den texanischen Schwerenöter. Sie kämpft nämlich nicht nur für die Rechte der Frauen und jagt damit den Männern eine Heidenangst ein. Sondern sie kennt sich auch mit so komplizierten Dingen aus wie der Liebe …

WER ZUERST KOMMT, KÜSST ZUERST

Lexi Titan kann die Schlagzeilen schon förmlich vor sich sehen: Reiche Tochter heiratet noch reicheren Geschäftsmann, um ihr Unternehmen zu retten. Aber sie weiß, dass sie keine andere Wahl hat. Cruz Rodrigues braucht sie, um in der High Society von Texas akzeptiert zu werden - und sie braucht ihn, um ihre Wellnessfarm nicht zu verlieren. Also willigt Lexi ein, für sechs Monate seine Frau zu werden. Dass sie damit den Zorn ihres einflussreichen Vaters auf sich zieht, ist noch das kleinste Problem. Denn je näher der Tag rückt, an dem ihre Ehe enden soll, desto weniger ist Lexi bereit, Cruz wieder gehen zu lassen.

REDEN IST SILBER, KÜSSEN IST GOLD

Skye Titan dachte immer, aller guten Dinge sind drei ... Ihr Vater will sie erneut an einen reichen Mann verheiraten, der es aber auch auf ihre Schwester abgesehen hat. Über ihre Stiftung werden üble Gerüchte gestreut, die ihr Lebenswerk zerstören könnten. Und Mitch, der einzige Mann, den sie je geliebt hat, kehrt nach neun Jahren endlich wieder in seine Heimat zurück. Nur leider erkennt sie ihn in dem verbitterten Mann überhaupt nicht wieder. Wäre da nicht ihre achtjährige Tochter Erin, hätte Skye überhaupt nichts mehr zu Lachen. Also beschließt Skye, ihr Leben endlich wieder selbst in die Hand zu nehmen - für Erin, für sich und für ihre große Liebe.

FRISCH GEKÜSST, IST HALB GEWONNEN

Ein klarer Fall von Stockholm-Syndrom! Anders kann Izzy sich nicht erklären, wieso der umwerfende Nick darauf besteht, sie zu lieben. Schließlich hat er sie entführt und ohne ihre Zustimmung auf seine Ranch verschleppt. Hier soll sie sich von der Explosion erholen, bei der sie beinahe komplett erblindet ist - und endlich zustimmen, sich der notwendigen Operation zu unterziehen, die ihr das Augenlicht wiedergeben kann. Doch Izzy hat zum ersten Mal in ihrem Leben Angst. Davor, dass die Operation schief geht und sie nie wieder sehen kann. Und davor, das größte Abenteuer ihres Lebens zu wagen … einen Mann aus ganzem Herzen zu lieben.

WER ZULETZT KÜSST, KÜSST AM LÄNGSTEN

Garth Duncan kann sich gar nicht mehr daran erinnern, wie es sich anfühlt, nicht komplett von Rache erfüllt zu sein. Zwanzig Jahre ist es her, dass sein Vater ihn verstoßen hat, und endlich ist der Tag da, an dem er den alten Milliardär zu Fall bringen kann. Wäre da nicht die eifrige Polizistin Dana. Sie ist fest entschlossen, seinen Plan zu vereiteln. Je mehr er versucht, sie einzuschüchtern, desto gewillter scheint sie, die gute Seite an ihm zu sehen. Und je öfter er ihr in die Augen schaut, desto sehnlicher wünscht er sich, der Mann zu sein, den sie verdient.

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EPUB

Seitenzahl: 1858

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Susan Mallery

Einsame Schwestern - 4-teilige Titan-Serie + Vorgeschichte

Alle Rechte, einschließlich das der vollständigen oder auszugsweisen Vervielfältigung, des Ab- oder Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten und bedürfen in jedem Fall der Zustimmung des Verlages.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich

Susan Mallery

Doppelt geküsst hält länger

Übersetzung aus dem Amerikanischen von Ivonne Senn

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Jürgen Welte

Copyright dieser Ausgabe © 2019 by MIRA Taschenbuch

in der HarperCollins Germany GmbH

Deutsche Erstveröffentlichung

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Wild Hearts

Copyright © 2009 by Susan Macias Redmond

erschienen bei: HQN Books, Toronto

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l

Titelabbildung: Getty Images / Deagreez

ISBN eBook 9783745751659

www.harpercollins.de

eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

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EINLEITUNG

Willkommen zu Doppelt geküsst hält länger, dem exklusiv nur als E-Book erhältlichen Vorläufer der vierteiligen Serie um die Titan-Familie von Bestsellerautorin Susan Mallery!

Wer schafft es, den wildesten Mann in Titanville zu zähmen?

Zeke Titan hat den Ruf, Herzen zu brechen, aber die Einwohner von Titanville können auch nicht bestreiten, wie viel Gutes er für sie getan hat. Also drücken sie ein Auge zu, als er eine Lehrerin nach der anderen verführt. Bis Alethea Harbaugh in die Stadt kommt.

Die Leidenschaft, mit der die neue Lehrerin für die Rechte der Frauen eintritt, wirkt auf die Frauen der Stadt ansteckend – und auf die Männer Furcht einflößend. Zeke hat sich in den Kopf gesetzt, Alethea zu verführen, und sei es nur, damit sie danach Hals über Kopf aus der Stadt flieht und alles wieder seinen gewohnten Gang geht. Aber Zeke scheint das erste Mal in seinem Leben eine würdige Gegnerin gefunden zu haben … und zwar in mehr als einer Hinsicht!

Treffen Sie den Mann, der eine Dynastie gegründet hat … und lesen Sie danach die in der heutigen Zeit spielenden Romane aus Susan Mallerys Serie um die Familie Titan, die mit Wer zuerst kommt, küsst zuerst beginnt.

1. KAPITEL

Texas, 1882

Zeke Titan hatte lange geglaubt, dass es nichts Schöneres geben könnte als Texas … vielleicht abgesehen von einer willigen Frau. Auf beides musste er nun schon seit gut sechs Monaten verzichten. Das war der Grund, warum er als Fahrgast auf einem Frachtwagen unterwegs war, anstatt auf die tägliche Kutsche zu warten, die zwischen Dallas und Titanville verkehrte.

Seine Geschäfte und der kalte Yankee-Winter hatten ihn viel zu lange von zu Hause ferngehalten. Und die schönen Ladys in New York und Boston hatten ihn auch nicht mehr so in Versuchung geführt wie früher. Er wusste nicht, ob ihm der Spaß an der Jagd abhandengekommen war oder ob er einfach nur Titanville vermisste.

Er war unter einem Glücksstern geboren worden, zumindest behaupteten das alle. Er konnte sich mit jedem anfreunden, dem er begegnete, hatte noch nie Geld bei einem Geschäft verloren und war beim Kartenspielen einfach nicht zu schlagen. Ein gutes Leben, sagte er sich. Aber wieso fühlte er sich trotzdem so rastlos?

Der Frachtwagen bog um eine Kurve. Vor sich sah Zeke die vertraute Silhouette der Stadt. Wie immer hatte sich eine Gruppe Menschen versammelt, um auf die Wagen zu warten, die alle zwei Wochen in Titanville eintrafen. Sie brachten Nachschub für den Lebensmittelladen, ein bis zwei Nähmaschinen, Baumaterial, Stoffe und all die Dinge, die man sonst brauchte, um einen Haushalt zu führen. Was genau das war, wusste Zeke nicht. Er lebte im Titanville Hotel, seit ihn mit sechzehn ein Pikass von einem armen Waisenjungen zu einem reichen Mann gemacht hatte.

Als Erstes fuhren sie an den Ställen vorbei. Billy Wade wollte ihm etwas sagen, aber Zeke konnte ihn nicht verstehen. Dann rief Big John, der Hufschmied, ihm etwas zu. Zeke hielt eine Hand wie einen Trichter an sein Ohr. Aber es half nichts. Big John lief dem Wagen hinterher.

Als Zeke sich umdrehte, sah er weitere Männer auf sich zulaufen. Die meisten kannte er, einige nicht. Die Menge, die dem Wagen folgte, wuchs stetig an. Als der Fahrer die Pferde zum Stehen brachte, sprang Zeke vom Kutschbock. Er hielt seine Winchester locker in der Hand, nur für den Fall, dass es Ärger gab.

Sein Freund Billy erreichte ihn als Erster. Er rang nach Luft und hielt sich die Seite.

„Du bist zurück. Wir haben auf dich gewartet, Zeke. Gewartet und die Tage gezählt. Du musst uns helfen. Wir wissen nicht, was wir tun sollen.“

„Weswegen?“ Zeke trat einen Schritt beiseite, um Platz für die Leute zu machen, die ungeduldig ihre Waren aus dem Frachtwagen holten.

„Es gibt Ärger. Großen Ärger.“ Die anderen Männer gesellten sich zu Billy und bildeten einen Kreis um Zeke. Sie nickten.

„Es ist schrecklich“, sagte einer der Männer.

„Du wirst nicht glauben, wozu sie uns zwingen!“

Zeke malte sich mögliche Schreckensszenarien aus: von Indianern bis zu Viehdieben.

„Zwei Tage, nachdem du weggefahren bist, ist die neue Lehrerin angekommen“, sagte Billy. Seine Augen waren geweitet, und er blickte ängstlich drein.

Zeke entspannte sich. „Ihr sprecht von einer Frau?“

Die Männer blickten sich gegenseitig an.

„Nicht von irgendeiner Frau“, erklärte Billy. „Sie ist anders, Zeke. Mrs Harbaugh hat mehr als nur Bücher mit in die Stadt gebracht.“ Er schaute sich um, als hätte er Angst, dass sie belauscht würden. Dann senkte er die Stimme. „Sie hat sie verändert.“

Die anderen Männer nickten.

„Wen verändert?“

„Die Frauen. Molly hat mir nie widersprochen. Jetzt hat sie Flausen im Kopf und …“ Billy schluckte. „Sie will, dass ich ihr gehorche. Ich habe ihr erzählt, dass ich noch mehr Rinder kaufen will, und sie hat Nein gesagt. Sie sagt, wir müssen unser Geld sparen, um unsere Jungs aufs College zu schicken. In Maryland.“

Es erfolgte ein kollektives Aufkeuchen.

„Sie sind Tgfwbuh“, sagte Big John und schüttelte sich.

„Sie sind was?“

„Tgfwbuh“, wiederholte Billy. „Titanvilles Gesellschaft für Wissen, Bildung und Hingabe – Tgfwbuh. Wenn wir etwas tun, das ihnen nicht gefällt, machen sie ‘buh’, um uns daran zu erinnern, uns richtig zu benehmen.“

Die Männer sahen wie geprügelte Hunde aus. Zeke konnte nicht anders: Er lachte. Das Lachen kam aus seinem tiefsten Inneren und fühlte sich gut an.

„Ich bin sechs Monate weg, und ihr alle habt wegen einer Frau die Hosen voll?“ Zeke lachte weiter, bis er Seitenstechen bekam. „Das ist wirklich gut. Hast du dir das ausgedacht, Billy? Wirklich eine nette Art, mich willkommen zu heißen. Gut gemacht.“

Billy packte seinen Arm. „Das ist kein Witz, Zeke. Du musst etwas tun, um uns zu helfen. Du bist der Einzige, der das kann. Wir wollen, dass du Alethea Harbaugh umgarnst. Bring sie dazu, sich in dich zu verlieben. Das sollte dir nicht schwerfallen. Hab deinen Spaß mit ihr, brich ihr das Herz und schick sie dahin zurück, wo sie hergekommen ist.“

„Ich bin nicht sicher, ob ihr Ehemann es gutheißen wird, wenn ich ihr den Hof mache.“

„Sie ist verwitwet“, warf Big John ein. „Und sie hat diese Gabe, Zeke. Es ist direkt unheimlich, wie sie die Männer ansieht. Als wenn sie alles Schlechte erkennen würde, was man jemals getan hat.“

Zeke glaubte noch immer, dass die Männer einen Witz machten. Es konnte gar nicht anders sein.

„Allein die Bücher, die sie mitgebracht hat“, klagte einer der Männer. „Und Theaterstücke von einem toten Engländer und irgendwas mit einem Hammel. Meine Jungen laufen herum und plappern den Kerl die ganze Zeit nach. Dem müssen wir ein Ende bereiten.“

Billy atmete tief durch. „Zeke, wir sind verzweifelt. Wir tun alles, was du sagst, wenn du nur diese Xanthippe vertreibst.“

Der Kutschfahrer hievte Zekes Reisetruhe vom Wagen. Big John nahm sie auf seine Schulter, als wöge sie weniger als ein Huhn. Die Männer marschierten in Richtung Hotel.

„Du sorgst dafür, dass sie die Stadt verlässt, und dann wird alles wieder so, wie es war“, sagte der alte Sam. „Zeke, wir brauchen dich. Wenn meine preisgekrönte Sau wieder wirft, hast du auch die erste Wahl bei den Ferkeln.“

„Ich werde das Schwein kostenlos für dich schlachten“, bot ein anderer Mann an.

„Wir bauen dir sogar ein Haus, wenn du willst. Das größte Haus, das Titanville je gesehen hat. Aber bitte sorg dafür, dass sie geht.“

Billy nickte. „Alles, was du willst, Zeke. Du kannst deine Stuten vorbeibringen und von meinen besten Hengsten decken lassen.“

Das sind gute Angebote, dachte Zeke. Großzügige. Verzweifelte. Er hatte in seinem Leben oft genug Karten gespielt, um zu merken, wann ein Mann am Ende war. Diese Männer waren am Ende. Er konnte nicht fassen, dass sie solche Angst vor einer Frau hatten. Vor allem vor einer Lehrerin. Frauen, die Bücher den Männern vorzogen, waren normalerweise einsam und in sich gekehrt. Sie ähnelten Knospen, sie benötigen ein wenig Sonnenschein, um aufzublühen, und er war nur zu gerne bereit, für die nötige Hitze zu sorgen. Aber diese Mrs Harbaugh kannte längst die Berührungen eines Mannes. Sie musste also ein anderes Problem haben.

„Die Stadt bezahlt ihr Gehalt“, sagte Zeke. „Warum berufen wir nicht einfach eine Versammlung ein und stimmen darüber ab, sie zu feuern?“

Big John schüttelte den Kopf. „Das können wir nicht. Unsere Frauen haben uns gewarnt. Wenn wir das machen, werden sie nicht mehr das Bett mit uns teilen. Du weißt, wie sehr ein Mann die Wärme seiner Frau braucht, Zeke.“

Ja, Zeke wusste es. Das war eine ernst zu nehmende Drohung. Ihn faszinierte diese Lehrerin, der es in so kurzer Zeit gelungen war, die Frauen der Stadt auf ihre Seite zu ziehen.

„Wie ist sie so?“, fragte er.

Billy verzog das Gesicht. „Sie hat eine unheimliche Ausstrahlung. Ihre Augen sind kalt und dunkel.“

„Ihre Haut ist ganz vernarbt.“

„Sie bewegt sich so steif, als wäre sie tot.“

„Die Katzen laufen vor ihr davon.“

„Meine Bessy hat an dem Tag aufgehört, Milch zu geben, als sie zu Besuch bei uns war.“

Zeke holte seine Taschenuhr heraus. Es war kurz nach drei Uhr nachmittags. „Wo ist sie jetzt?“

„Im Schulhaus.“

Er wandte sich an die Männer. „Ich kümmere mich um Mrs Harbaugh. In einem Monat wird sie fort sein.“

Die Männer fingen an zu jubeln, hielten dann abrupt inne und blickten sich um. Als wäre es ihnen verboten, Spaß zu haben.

„Schwörst du es?“, fragte Billy.

„In dreißig Tagen wird Mrs Harbaugh kein Problem mehr sein. Darauf gebe ich dir mein Wort.“

Er ließ die Männer zurück, die sich wie eine Herde Vieh bei Gewitter zusammendrängten, und ging die schmale Straße hinunter. Die Geschäfte schienen gut zu laufen. Anerkennend betrachtete er die beiden neuen Läden und die Menschen auf der Straße. Da ihm mehr als die Hälfte der Stadt gehörte, bedeutete dies, dass sein Konto auf der Bank gut gefüllt war.

Neben dem Aufschwung des Handels hatte es auch allerlei bauliche Verbesserungen in der Stadt gegeben hatte. Die Leute hatten begonnen, hölzerne Gehwege zu bauen, und vor vielen Läden hingen hübsch bepflanzte Blumenkästen. Ein großes Schild im Gemischtwarenladen kündigte eine Lesung von Shakespeares Viel Lärm um nichts für den nächsten Abend an. Er nahm an, dass es sich bei dem „Hammel“, über den sich einer der Männer beschwert hatte, um Hamlet handelte. Nicht viele Lehrerinnen, die nach Titanville kamen, hatten Shakespeare gelesen. Er musste es wissen. In den vergangenen acht Jahren war er mit den meisten von ihnen im Bett gewesen.

An der Titanville First Baptist Church wandte er sich nach links, in Richtung Stadtrand. Dort stand das Schulhaus mit seinen zwei Klassenzimmern. Als das ursprüngliche Gebäude vor drei Jahren niedergebrannt war, hatte er das Geld für einen neuen, größeren Bau gestiftet.

Zwei Jungen rannten über den Schulhof, einen Drachen hinter sich herziehend, der im Wind flatterte. Ein paar Mädchen hockten zusammen und spielten mit Murmeln. Als er sich näherte, trat eine Frau aus dem Schulhaus, blickte kurz in seine Richtung und beschattete dann ihre Augen, um ihn besser sehen zu können.

Nach allem, was man ihm erzählt hatte, hatte er erwartet, dass die neue Lehrerin groß, alt und spindeldürr sei. Die Frau, die nun vor ihm stand, reichte ihm jedoch kaum bis zur Schulter. Sie war jung und hatte angenehme Rundungen mit einem vollen Busen. Als er bei ihr ankam, ließ sie ihre Hand sinken. Die Narben, über die jemand geklagt hatte, entpuppten sich als Sommersprossen. Sie passten sehr gut zu ihren flammend roten Haaren. Und die angeblich kalten Augen hatten die Farbe von frischem Frühlingsgras. Sie wirkten sehr groß und wurden von dichten, langen Wimpern eingerahmt.

Ihre vollen Lippen schienen wie fürs Lachen geschaffen zu sein … oder fürs Küssen. Sie war ausgesprochen hübsch, und es überraschte ihn, dass eine so feminine Person die Männer in die Knie gezwungen hatte.

„Mrs Harbaugh? Ich bin Zeke Titan.“ Er tippte sich zum Gruß an den Hut.

„Sind Sie gekommen, um mich zu erschießen, Mr Titan?“

„Wie bitte?“

Sie zeigte auf die Winchester, die er immer noch in der Hand hielt. „Ich erlaube keine Gewehre auf dem Schulgelände. Oder überhaupt irgendwelche Waffen.“

„Welchen Schaden kann ein Junge mit einem Messer schon anrichten?“

„Sehr viel, Sir. Wenn es stimmt, was man über Sie sagt, haben Sie selber ausreichend Erfahrung mit der Gefahr, die von Messern und Schusswaffen ausgeht.“

„Was man über mich sagt?“ Exzellent. „Also haben Sie schon von mir gehört?“

„Es ist unmöglich, in Titanville zu leben und nicht von Ihnen und Ihrem zweifelhaften Ruf zu hören.“ Sie runzelte leicht die Stirn. „Ich gebe zu, ich hatte Sie mir ein wenig älter vorgestellt.“ Sie musterte kurz seinen flachen Bauch. „Und mit etwas mehr Körperumfang.“

Er schenkte ihr ein träges Lächeln. „Enttäuscht?“

Sie kniff die grünen Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. „Das Wort ‘enttäuscht’ würde implizieren, dass Ihre Anwesenheit irgendeine Bedeutung für mich hat. Ich versichere Ihnen, dass dies nicht der Fall ist.“

„Sind Sie allen Ihren Besuchern gegenüber so stachelig?“

„Sie verwechseln meinen Unwillen, Zeit zu vergeuden, mit meinem Temperament, Mr Titan. Sie sind derjenige, der zum Schulhaus gekommen ist. Darf ich erfahren, was der Grund dafür ist?“

„Na, ich wollte Sie kennenlernen, Mrs Harbaugh.“

Dieses Bekenntnis schien sie ein wenig zu verwirren. „Das haben Sie ja jetzt. Ich habe immer noch Schüler hier, die meiner vollen Aufmerksamkeit bedürfen.“

„Dann werde ich Sie nicht weiter stören.“ Er tippte sich erneut an den Hut. „Bis heute Abend.“

„Was ist heute Abend?“

„Wir werden zusammen dinieren, Mrs Harbaugh. Sie wohnen doch auch im Hotel, oder nicht?“

Er wusste bereits, wie ihre Antwort ausfallen würde. Alle Lehrer blieben ihr erstes Jahr im Hotel. Sollte es jemand ins zweite Jahr schaffen – was bislang niemandem gelungen war –, würden die Einwohner dem standhaften Lehrer ein Haus bauen. Zeke übernahm die Kosten für die Unterkunft der Lehrer, was ihm nicht schwerfiel, weil ihm das Hotel ohnehin gehörte. Die Mahlzeiten wurden in einem kleinen Speisesaal im hinteren Bereich des Gebäudes eingenommen.

„Ich wohne dort“, sagte sie, „aber das geht Sie nichts an.“

„Jetzt schon“, widersprach er sanft. „Wir sehen uns um sechs.“

„Ich werde nicht mit Ihnen zu Abend essen. Das ist nicht angebracht.“

„Ein öffentlicher Ort, umgeben von Leuten in einem respektieren Restaurant? Was könnte angemessener sein? Das gibt Ihnen die Möglichkeit, meine Seele zu retten, Mrs Harbaugh. Ich kann mir kein hehreres Ziel vorstellen.“

Verärgerung blitzte in ihren grünen Augen auf. „Ich bin an Ihrer Seele nicht interessiert.“

„Aber das ist der einzige Teil von mir, den Sie haben können … zumindest für den Moment.“

Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Ihre Wangen röteten sich. Zeke unterdrückte ein Lachen und machte sich auf den Weg zurück in die Stadt. Er wusste alles, was er über Alethea Harbaugh wissen musste. Sie war eine größere Herausforderung als die bisherigen Kandidatinnen. Ein Umstand, der ihm sehr gut gefiel. Doch das Ergebnis stand bereits fest – er würde sie in sein Bett locken. Und damit hätte er das Spiel gewonnen. Sobald sie sich ihm hingegeben hatte, würde sie es vorziehen, die Stadt zu verlassen, anstatt den aufrechten Frauen der Gemeinde gegenüberzutreten. Und als Witwe würde sie vermutlich sehr leise gehen.

Er würde ihr irgendwo ein Haus kaufen. Sie könnte im Osten des Landes als Lehrerin arbeiten. Dort würden die Menschen ihre formelle Art und ihre Liebe zu Shakespeare zu schätzen wissen. Bis es so weit war, würde er jeden Schritt auf dem Weg zu ihrer Verführung genießen – angefangen mit dem Dinner heute Abend.

2. KAPITEL

Es gab nichts, was Alethea mehr hasste als Unentschlossenheit. Ein Mensch sollte eine Entscheidung treffen und dann dazu stehen. Aber in den letzten zehn Minuten hatte sie sich drei Mal auf den Weg zum Dinner gemacht, um dann an der Treppe umzudrehen und in ihr Zimmer zurückzugehen.

Daran war nur dieser Mann schuld. Dieser Zeke Titan – der ihr gesagt hatte, sie würden miteinander essen. Als wenn er darüber zu entscheiden hätte. Typisch Mann! Aufgebracht wanderte sie in ihrem Zimmer auf und ab. Er hatte kein Recht, sich ihr aufzuzwingen. Ohne Zweifel nahm er an, dass sie dankbar für seine Gesellschaft war und jede Aufmerksamkeit begrüßen würde, die dem heutigen Abend folgte.

Oh, sie wusste alles über Zeke Titan. Die Frauen der Stadt liebten es, zu klatschen, und Zeke war ihr Lieblingsthema. Sie hatte davon gehört, dass sein Vater davongelaufen war und Frau und Sohn sich selbst überlassen hatte. Dass Zeke schon als kleiner Junge alle möglichen Arbeiten angenommen hatte, um seine kranke Mutter zu unterstützen. Als sie starb, war er erst sechzehn, ohne Familie, ohne Geld und ohne Zukunft. Die Menschen hatten ihr erzählt, wie eine Spielkarte sein ganzes Leben veränderte.

Seinen Gewinn hatte er benutzt, um Land zu kaufen und in Geschäfte zu investieren. Durch außergewöhnliches Glück oder ein Wissen, das weit über seine Jahre hinausging, war er mit zwanzig Jahren zu einem der wohlhabendsten und erfolgreichsten Männer der Stadt geworden.

Was alles für ihn sprach, wie sie zugeben musste. Sie ging zur Tür, zog sie auf und schloss sie dann doch wieder. Doch Zeke Titan hatte mehr als nur seinen Reichtum. Er hatte einen gewissen Ruf. Über seine Eroberungen wurde immer nur im Flüsterton gesprochen, aber dafür gab es umso mehr zu erzählen. Zu seinen bevorzugten Opfern schienen sämtliche Lehrerinnen zu gehören. Noch keine war ihm entkommen, und sie ahnte, dass das Abendessen nur der Anfang war.

Sie fürchtete diese Herausforderung nicht – so weit, so gut. Aber zu wissen, dass alle Einwohner dem Wettstreit zuschauen und über Zeke Titans Erfolgsaussichten spekulieren würden, war etwas ganz anderes.

Alethea hatte die Stelle als Lehrerin in Titanville angenommen, um ihrer Familie in Baltimore zu entkommen, die sie mittlerweile fast erdrückte. Ihre Mutter hatte nach Wesleys Tod gerade die obligatorischen neun Monate abgewartet, bevor sie Andeutungen machte, dass Alethea über eine Wiederheirat nachdenken sollte. Aletheas beiden Schwestern wollten, dass sie zu ihnen zog – vordergründig zu ihrem eigenen Besten, aber in Wahrheit brauchten sie nur jemanden im Haus, der sich um ihre Kinder kümmerte. Als Einziger hatte Aletheas Vater, ein freundlicher und großzügiger Mann, seine Wünsche beiseitegeschoben und sie gefragt, was sie selbst wollte. Er hatte sie auch ermutigt, in den Westen zu ziehen und ein Leben zu beginnen, das sie wirklich glücklich machen würde.

In den sechs Monaten, die sie schon in Titanville wohnte, hatte sie die kleine Stadt lieben gelernt. Sie hatte Freunde gefunden, ihre Arbeit erfüllte sie und in einem halben Jahr bestand die Aussicht, ein eigenes Haus zu bekommen. Sie hatte noch nie ein eigenes Haus besessen und freute sich schon darauf. Doch all das konnte von einem Mann mit zweifelhaftem Ruf zerstört werden.

Alethea atmete tief durch und hob das Kinn. Sie war noch keiner Herausforderung aus dem Weg gegangen, und sie weigerte sich zuzulassen, dass ein einzelner Mann sie allein durch seine Anwesenheit in ihrem Zimmer gefangen hielt. Sie würde zum Essen gehen, und sollte Zeke Titan sich zu ihr gesellen, würde sie seine Gesellschaft so gut es ging ertragen. Wenn er glaubte, er könnte sie mit seinen Charme und seinem attraktiven Äußerem verführen, unterlag er einem tragischen Irrtum.

Sie verließ ihr Zimmer, stieg die Treppe hinab und betrat den Speiseraum. Die üblichen Besucher hatten sich bereits eingefunden. Ein paar ältere Witwer auf der Suche nach einem schmackhaften Essen und einige Geschäftsmänner auf der Durchreise. Atheas Lieblingstisch stand in der hinten Ecke am Fenster. Hier hatte sie morgens ausreichend Licht, damit sie die Unterrichtsstunden für den Tag noch einmal durchgehen konnte. Abends wurden die Vorhänge vorgezogen, um die Kälte draußen zu halten.

An diesem Abend war der Tisch für zwei Personen gedeckt. In der Mitte stand eine kleine Vase mit zwei Rosen – ein seltener Anblick zu dieser Jahreszeit.

Alethea kniff angesichts dieser intim wirkenden Szenerie die Augen zusammen. Mr Titan ist fleißig gewesen, dachte sie. Glaubte er wirklich, sie wäre so leicht herumzukriegen? Sie war keine junge Unschuld mehr, die sich ohne Weiteres vom Charme eines selbstbewussten Mannes verführen ließ. Aber das wird Mr Titan schon noch selber herausfinden, dachte sie mit grimmiger Befriedigung, während sie zum Tisch ging und sich setzte.

Nur wenige Augenblicke später betrat Zeke den Speisesaal und ging direkt auf sie zu. Er war groß und dunkelhaarig und hatte ein attraktives Gesicht. Seine maßgeschneiderte Kleidung stand ihm vorzüglich. Er bewegte sich mit der Lässigkeit eines selbstsicheren Mannes.

„Mrs Harbaugh.“ Er neigte den Kopf. „Darf ich Ihnen Gesellschaft leisten?“

„Warum fragen Sie überhaupt? Sie haben doch schon alles vorbereitet. Haben Sie auch schon mein Essen bestellt? Wollen Sie mein Fleisch klein schneiden und mein Glas halten, während ich trinke?“

Zeke überraschte sie mit seinem Lachen. „Das hatte ich zwar nicht vor, aber wenn es Sie glücklich macht, tue ich es gerne.“

„Das würde es nicht.“ Sie musste sich anstrengen, ihren frostigen Ton beizubehalten. Irgendetwas an dem Lächeln des Mannes sprach sie an. Aber auch wenn ihre Lippen drohten, schwach zu werden, würde ihr Geist stark bleiben.

Zeke zog sich einen Stuhl heran und setzte sich ihr gegenüber. Alethea merkte deutlich, dass die anderen Gäste sie beobachteten, aber sie ignorierte ihre Blicke.

„Ich habe gehört, dass es heute Abend Roastbeef gibt“, sagte er mit einem Lächeln. „Mary macht das beste Roastbeef in der Stadt.“

„Mary?“

„Die Köchin hier im Hotel.“

„Oh.“ Alethea hatte bisher nie daran gedacht, einmal in die Küche zu gehen, um die Köchin kennenzulernen, auch wenn sie ihr nach jedem Essen einen Dankesgruß sandte.

„Lange bevor ich im Hotel gewohnt habe, bin ich immer in die Küche geschlichen und habe die köstlichen zum Abkühlen ausgebreiteten Biskuits und Kuchenstücke geklaut. Eines Tages hat Mary mich erwischt. Ich war damals zehn oder elf. Sie war so wütend, dass ich dachte, sie würde mich auf der Stelle häuten und zum Abendessen servieren.“ Sein Lächeln wurde breiter. „Ich fing an zu weinen. Was für einen Jungen in dem Alter äußerst beschämend ist, das versichere ich Ihnen. Mary hat meine Entschuldigung angenommen. Im Rückblick denke ich, dass sie wusste, wer ich war und wie wenig wir zu Hause zu essen hatten. Sie fing an, Mahlzeiten für mich zuzubereiten. Seitdem sind wir Freunde.“

Alethea wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Sie hatte noch nie einen Mann kennengelernt, der zugab, mit einer Köchin befreundet zu sein. Die Küche war ein Ort, den die meisten Männer mieden.

Eine junge Frau kam mit einem Tablett an ihren Tisch. Darauf befanden sich eine Flasche Wein, ein Korkenzieher und zwei Gläser.

„Falls Sie vorhaben, mich betrunken zu machen“, sagte Alethea, nachdem die Kellnerin gegangen war, „bin ich mehr als enttäuscht.“

„Mein Plan wäre viel subtiler, glauben Sie mir. Aber keine Angst. Ich habe die letzten Monate geschäftlich in New York und Boston zu tun gehabt. Ich hatte die einmalige Gelegenheit, diesen hervorragenden Wein zu kosten und habe mir zwei Kisten mit nach Hause gebracht. Würden Sie mir die Ehre erweisen und ein Gläschen mit mir trinken?“

Eine elegante Einladung, so viel stand fest. Sie nickte, weil ihr kein höflicher Weg einfiel abzulehnen, aber sie würde mit dem Wein sehr vorsichtig sein.

„Welche Art von Geschäft hat sie von hier fortgelockt?“, fragte sie.

Er öffnete die Flasche und goss ihnen beiden einen kleinen Schluck ein. „Ich besitze in beiden Städten Anteile an Reedereien und an einer Eisenbahn, dazu bin ich Teilhaber verschiedener Handelsgesellschaften.“

„Sie sind sehr vielseitig.“ Und sehr interessant, dachte sie. Die Aussicht auf einen finanziellen Erfolg interessierte sie dabei weniger als die Vielfalt seiner Geschäfte. Wie es wohl wäre, so einen Erfolg zu genießen? In der Lage zu sein, auf ein Büro oder ein Ladengeschäft zu zeigen und zu wissen, dass man es aus dem Nichts aufgebaut hat?

„Ich liebe die Herausforderung“, sagte er und schaute ihr tief in die Augen.

Ohne es zu wollen, lachte sie. „Bitte, Sir. Können wir die Verführung bis nach dem Essen aufschieben? Ich habe wirklich Appetit auf Marys Roastbeef.“

Zeke schien ihre Bitte nicht im Geringsten beleidigt zu haben. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und nahm sein Weinglas in die Hand. „Ist es so offensichtlich?“

„Nun, ein wenig ist es auch Ihrem Ruf geschuldet.“

Die junge Frau kam mit zwei Tellern Suppe an ihren Tisch. Sie stellte sie hin und blickte Zeke dabei sehnsüchtig an. Er entließ sie mit einem kurzen „danke, Ella“.

Alethea sah der jungen Frau hinterher. „Noch eine Eroberung?“

Er runzelte die Stirn. „Auf keinen Fall. Sie ist zu jung und hat Familie in der Stadt.“

„Machen Sie sich Sorgen, dass die Familie hinter ihnen her wäre, oder wollen Sie nicht vor ihren Augen Schande über sie bringen?“

„Mir geht es hauptsächlich um ihr Alter und ihren Stand in der Gemeinde.“

„Also gibt es Regeln?“

Da war es wieder, dieses träge, leichte Lächeln. „Es gibt immer Regeln, Mrs Harbaugh. Oder darf ich Sie Alethea nennen?“

„Nein, dürfen Sie nicht.“

Er lachte. „Und wenn ich Ihnen sage, dass Ihr Name von dem griechischen Wort für Wahrheit abstammt?“

„Beeindruckend“, gab sie zu. „Sie sprechen Griechisch?“

„Ich habe diese Sprache studiert. Meine kümmerlichen Fähigkeiten reichen aber gerade fürs Lesen. Ich bezweifle, dass ich auch nur ein Wort sprechen kann. Aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet.“

Sie spürte eine seltsame Hitze auf ihren Wangen. Sie wusste, wenn sie ihm erlaubte, sie bei ihrem Vornamen zu nennen, würde sie damit eine Vertraulichkeit zulassen, die er sich nicht verdient hatte und die auch nicht ganz angemessen war. Und doch faszinierte sie die Art, wie er ihren Namen ausgesprochen hatte. Wie jede Silbe einen Augenblick auf seiner Zunge verweilt hatte, als würde er ihrem Namen eine besondere Bedeutung beimessen. Vielleicht hatte sie aber auch nur zu viel Wein getrunken.

„Nicht vor den anderen“, forderte sie, bevor sie sich zurückhalten konnte.

„Danke“, sagte er. „Ich würde es vorziehen, wenn Sie mich Zeke nennen, außer wenn Sie böse auf mich sind. Dann nennen Sie mich besser Mr Titan.“

„Bitten Sie mich darum oder ordnen Sie es an?“

„Ich sage es voraus.“ Er griff nach seinem Löffel. „Was halten Sie von unserer kleinen Stadt?“

„Ich finde sie ganz bezaubernd.“ Sie war froh über den Themenwechsel. „Hier herrscht so viel Leben. Eine Gemeinde aufzubauen macht viel Arbeit, aber alle hier sind gewillt, mitzuhelfen. Die Kinder wirken auf mich gelehrig, bemüht und gesund. Die Luft ist frisch und der Himmel klar.“ Sie sah ihn an. „Ich glaube, die Stadt ist nach Ihrer Familie benannt?“

Zeke zögerte kurz, bevor er nickte. „Woher kommen Sie?“

„Aus Baltimore.“

„Ich habe gehört, dass Sie verwitwet sind. Mein Beileid für Ihren Verlust.“

„Danke. Mein Ehemann ist seit fast fünf Jahren tot. Der Schmerz über den Verlust hat im Laufe der Zeit etwas nachgelassen, auch wenn ich ihn immer noch vermisse.“

„Fünf Jahre sind eine lange Zeit, um allein zu bleiben. Wie haben Sie sich kennengelernt?“

Sie aß ein wenig Suppe und legte dann ihren Löffel weg. Sie erinnerte sich an glückliche Tage. „Wesley hat englische Literatur unterrichtet. Er hielt einen Vortrag über Shakespeare. Meine Mutter wollte nicht, dass ich hingehe. Sie fand, dass ich sowieso schon zu viel Zeit mit Lesen verbringe, anstatt mir einen passenden Ehemann zu suchen. Aber schließlich gab sie doch ihre Erlaubnis, und ich ging hin. Er las mit einer solchen Leidenschaft aus Shakespeares Werk vor, dass er die Worte förmlich zum Leben erweckte. Ich wollte nicht, dass der Abend jemals endet. Nach der Lesung gab es noch einen Empfang. Ich war zu schüchtern, um mit ihm zu sprechen.“

Sie lächelte, als sie daran dachte, wie sie sich in den Ecken des Raumes herumgedrückt und sich mit Leuten unterhalten hatte, die sie kannte, während sie gleichzeitig versuchte, Wesley unbemerkt zu beobachten.

„Meine Tante hat uns einander vorgestellt. Wir waren beide unglaublich nervös. Keiner von uns konnte mit dem anderen reden. Ich nehme an, es war Liebe auf den ersten Blick.“

Zeke musterte sie über den Rand seines Weinglases hinweg. „Ihre Schönheit wird noch offenkundiger, wenn Sie über ihren verstorbenen Ehemann sprechen. Er war ein glücklicher Mann.“

„Danke“, murmelte sie. Sie spürte, dass er seine Worte ernst meinte. „Es ist sehr nett von Ihnen, das zu sagen. Wir haben vier Monate später geheiratet. Wesley hat mich ermutigt zu lesen, hat mir Bücher empfohlen und sich nie darüber beschwert, wenn das Abendessen noch nicht fertig war, weil ich ganz vergessen hatte zu kochen. Nachdem er von uns gegangen war, schlug mein Vater vor, dass ich Lehrerin werde, um mein Wissen mit anderen teilen. Und so bin ich hier gelandet.“

„Ein Gewinn für Titanville.“

Sie lachte. „Hoffentlich. Lesen Sie viel, Zeke?“

In seinen braunen Augen blitzte es humorvoll auf. „Sie haben meinen Namen gesagt.“

„Oh, bitte tun Sie nicht so, als hätte das irgendeine Bedeutung.“

„Für mich schon. Ich werde heute die ganze Nacht wach bleiben und bis zum Morgengrauen über diesen Augenblick nachdenken.“

„Das täte mir leid für Sie, weil sich so nur ein sehr dummer Mann verhalten würde. Ich weiß aber, dass Sie das nicht sind. Ein Spieler wie Sie muss über eine gewisse Intelligenz verfügen, um erfolgreich zu sein.“

„Sie wissen von meinem Spiel?“

„Ich weiß vieles.“

„Sie haben mit den Leuten über mich gesprochen.“

„Ich habe zugehört“, korrigierte sie ihn. „Das ist ein Unterschied. Die Frauen aus der Stadt finden, dass Sie ein wunderbares Gesprächsthema abgeben. Ich bin vor Ihnen gewarnt worden.“

Er beugte sich vor. „Ausgezeichnet. Dann ziehen wir als ebenbürtige Krieger in die Schlacht, meine liebe Alethea. Ein glücklicher Umstand für uns beide.“

3. KAPITEL

„Ein glücklicher Umstand? Für Sie vielleicht“, erwiderte Alethea kühl. „Aber ich bin keine Frau, die sich von Ihrem Charme und Ihrem Witz bezirzen lässt, Mr Titan.“

Zeke unterdrückte ein Lachen. „Ich kann mich nicht entscheiden, was ich reizender finde. Ihr Eingeständnis, dass ich Charme und Witz besitze, oder den Beweis dafür, dass sie verärgert sind.“

„Sie wollen mich verärgern?“

„Ich kann mir Sie in keinem Zustand vorstellen, der mich nicht gefallen würde.“

„Wie schön zu wissen, dass ich Ihnen noch auf dem Totenbett Freude bereiten kann.“

Er lachte laut und prostete ihr dann mit seinem Wein zu. „Gut pariert. Sie haben mich geschlagen, aber nur für den Moment.“

„Ich werde meinen kleinen Sieg genießen.“

„Möge er der erste von vielen sein.“

Ella kehrte an ihren Tisch zurück, um die Vorspeisenteller abzuräumen. Keiner von ihnen hatte viel gegessen. Bei Zeke lag es daran, dass er es viel zu sehr genossen hatte, sich mit Alethea zu unterhalten. Sie war intelligent und humorvoll. Er fand Gefallen an ihren Gesichtszügen: die leicht schräg nach oben verlaufenden Augen, die Fülle ihres Mundes. Sie war eine schöne Frau. Er konnte sich nicht an einen Abend erinnern, an dem er sich besser amüsiert hatte. Auch wenn es ihm niemals gelingen sollte, sie in sein Bett zu locken, würde er trotzdem gern Zeit mit ihr verbringen, sich mit ihr unterhalten. So etwas hatte er bisher noch nie empfunden. „Also, Alethea, was haben Sie für Pläne für diese Stadt?“, fragte er. „Die Männer haben Sie schon ganz schön eingeschüchtert. Bei meiner Rückkehr war ich überzeugt, sie wären von Indianern oder Piraten angegriffen worden.“

„Piraten wären hier, wo es kein Meer gibt, ein wenig im Nachteil, finden Sie nicht?“

„Aber die sind ein zäher Haufen. Sie würden schon einen Weg finden.“

„Sie vergleichen mich mit gemeinen Männern, die stehlen und plündern? Ich bin mehr als bestürzt.“ Humor blitzte in ihren grünen Augen auf, während sie ihre Lippen zu einem leichten Schmollmund verzog.

„Dann vergleiche ich Sie lieber mit einem Wirbelsturm oder mit einem Tornado. Sie haben so gut wie alle Männer der Stadt in helle Aufregung versetzt. Ich würde gern wissen, wie so etwas möglich ist.“

„Ganz einfach“, sagte sie. „Ich habe ihren Frauen Ideen in den Kopf gesetzt.“

„Durch Ihre Gesellschaft?“

„Sie haben davon gehört?“

„Es wurde über kaum etwas anderes gesprochen. Sollten Sie mich jetzt nicht ausbuhen?“

Sie lachte. Ihr angenehmes Lachen weckte in ihm den Wunsch, mit einzustimmen. Er genoss es, ihre Belustigung zu sehen. Er wollte sie immer wieder zum Lachen bringen.

„Ich war gerade in der passenden Stimmung“, gab sie zu. „Der Name fiel mir einfach so ein. Es ist nicht so, dass ich die Männer hier nicht mag, aber sie sind typische Beispiele für Männer überall im Land. Warum ist die Vorstellung von einer Frau, die ihren Kopf gebraucht, so entsetzlich? Wussten Sie, dass hier in Texas eine Frau ihren Grundbesitz behalten darf, nachdem sie geheiratet hat? Aber das ist nicht überall der Fall. Meistens ist es so, dass der Besitz einer Frau nach der Heirat an ihren Ehemann übergeht. Warum? Die Frau war vor der Eheschließung klug genug, sich allein um ihre Finanzen zu kümmern, also warum nicht danach? Spricht das nicht eher dafür, dass die Männer sich davor fürchten, ihr Einfluss könnte schwinden, als für die Dummheit der Frauen?“

Sie nahm ihr Weinglas in die Hand, setzte es aber gleich wieder ab. „Ich glaube, dass Frauen genauso fähig sind wie Männer. Wir sind nicht so stark, das stimmt, aber andererseits würden die meisten Männer niemals die Härten einer Geburt überstehen oder die Geduld haben, Kinder großzuziehen. Ist es falsch, dass eine Mutter bezüglich der Zukunft ihrer Kinder ein Mitspracherecht haben möchte? Was, wenn sie intelligenter ist als ihr Mann? Was, wenn sie eine bessere Weltsicht hat? Muss das allein aufgrund ihres Geschlechts ignoriert werden?“

„Sie sind, was dieses Thema betrifft, sehr leidenschaftlich.“ Er wusste, er könnte ihren Ansichten bis tief in die Nacht lauschen. Sie war viel charmanter, als er es für möglich gehalten hatte.

„Ja, aber meine Leidenschaft ändert leider gar nichts. Wenn die Gesellschaft den Männern ein wenig Angst einjagt, bin ich zufrieden. Sollen sie ruhig zittern. Das schadet gar nichts. Vielleicht hören sie dann endlich auf ihre Frauen.“

„Hat Wesley auf Sie gehört?“

„Wenn er nicht damit beschäftigt war zu lesen.“ Sie seufzte. „Er war ein guter Mann.“

„Aber nicht stark genug für Sie.“

Sie blinzelte. „Wie meinen Sie das?“

„Ihrer Beschreibung nach klingt es nicht so, als ob Wesley Sie je herausgefordert hätte.“

Das war nur geraten, auch wenn sein Instinkt ihm verriet, dass er recht hatte. Alethea bestätigte seine Vermutung, indem sie seine Bemerkung einfach ignorierte und an ihrem Wein nippte.

„Der Sieg ist umso süßer, wenn man einen würdigen Gegner hat“, sagte er.

Sie stellte ihr Glas ab. „Das ist das zweite Mal, dass Sie sich auf einen Kampf beziehen. Ist für Sie das ganze Leben eine Schlacht?“

„Nein. Mich interessieren lediglich die Gefechte zwischen Mann und Frau.“ Er senkte die Stimme. „Sie waren verheiratet. Sie wissen, wovon ich spreche. Vielleicht würden Sie es vorziehen, es als Tanz zu betrachten. Er führt, sie folgt. Er drängt, sie widersteht. Aber beide wissen, wie es ausgeht. In der Dunkelheit. Die Vermischung des Atems, die Berührungen, die endgültige Kapitulation.“

Alethea hielt seinem Blick stand. Ihr Körper war stocksteif, abgesehen von den Händen, die ein wenig zitterten. Plötzlich schaute sie weg, dann verschüttete sie beinahe ihren Wein, als sie versuchte, das Glas auf dem Tisch abzustellen.

„Sehen Sie“, sagte sie erleichtert. „Ella bringt unser Essen. Ich freue mich am meisten auf das Roastbeef.“

Sie sprachen wenig, während sie aßen. Oder treffender, während er aß und sie mit ihrem Essen spielte und es auf dem Teller hin und her schob. Sie wirkte nervös.

Er hatte nicht vorgehabt, sie so durcheinanderzubringen, auch wenn es ihn freute, zu sehen, wie heftig sie auf seine Worte reagiert hatte. Das verhieß Gutes für seine Pläne.

Zeke begehrte sie mit einer Leidenschaft, die er lange nicht verspürt hatte. Vielleicht lag es an der seltenen Kombination aus Intelligenz und Schönheit. Oder an dem Umstand, dass sie schon einmal verheiratet gewesen war. Seine Verführungen hatten immer eher Jungfrauen oder jenen Damen gegolten, die man für einen Abend kaufen konnte. Die einen bedeuteten zu viel Aufwand und die anderen nicht genug. Alethea hingegen kannte den speziellen Zauber bereits, würde die Erfahrung aber dennoch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Eine faszinierende Möglichkeit. Er musste daran denken, Billy dafür zu danken, dass er ihn auf diese Idee gebracht hatte. Auch wenn er glaubte, dass ihm eine Frau wie Alethea unter allen Umständen aufgefallen wäre.

Als sie mit dem Essen fertig waren, erhoben sie sich und verließen den Speisesaal. Am Fuß der Treppe wandte sie sich zu ihm um.

„Ich bin durchaus in der Lage, die Stufen allein zu bewältigen. Danke für das Essen.“

„Mir macht es nichts aus, Sie zu begleiten. Mein Zimmer liegt auf der gleichen Etage.“

Ihre Augen verengten sich. „Auch wenn das stimmen mag, gibt es doch keinen Grund für uns, darüber zu sprechen oder es überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.“

„Mr Titan“, flüsterte er.

„Was?“

„Sie haben vergessen, am Ende ‘Mr Titan’ hinzuzufügen. Sie sind genervt, das merke ich.“

„Sie sind genauso anmaßend und überheblich, wie Sie charmant sind. Wie auch immer, ich bin durchaus in der Lage, meine Gefühle unter Kontrolle zu halten.“

Er nahm ihre Hand und genoss das Gefühl ihrer warmen, weichen Haut. „Ich hatte einen zauberhaften Abend, Mrs Harbaugh, und ich freue mich schon auf viele weitere gemeinsame Mahlzeiten mit Ihnen.“

Sie presste die Lippen zusammen, um ein Lächeln zu unterdrücken. „Ich weiß das zu schätzen, aber ich habe einen sehr vollen Kalender.“

„Haben Sie?“

„Ja. Mit unzähligen Verabredungen.“

„Mein Verlust.“

„Aber einer, den Sie tapfer ertragen werden, da bin ich mir sicher. Gute Nacht.“ Sie entzog ihm ihre Hand und stieg die Treppe hinauf.

Zeke nickte und schaute ihr nach, bis sie seinen Blicken entschwunden war. Dann lachte er laut auf. Verdammt, es war gut, wieder zu Hause zu sein.

„Wie war das Abendessen?„, fragte Daisy.

Alethea hielt sich an ihrer Teetasse fest. Sie hatte, wie jeden Morgen vor der Schule, bei ihrer Freundin vorbeigeschaut.

„Du weißt von meinem Dinner mit Mr Titan?“

Daisy sah von dem Brotteig auf, den sie gerade knetete. „Jeder weiß davon. Zeke hat einen gewissen Ruf, wie du weißt, aber …“ Daisy holte tief Luft. „Das wird dir nicht gefallen.“

Alethea verspannte sich. „Erzähl es mir trotzdem.“

„Die Männer schließen Wetten ab. Anscheinend hat Zeke sich bereit erklärt, dich aus der Stadt zu vertreiben.“

„Wie bitte?“ Beinahe hätte Alethea ihre Tasse fallen lassen. „Wer will, dass ich Titanville verlasse?“

War das möglich? Am gestrigen Abend war er so charmant gewesen. Sein vielschichtiger Charakter hatte sie fasziniert und sie sogar glauben lassen, dass sie sich in ihrem vorschnellen Urteil über ihn geirrt hatte.

„Nicht so sehr Zeke als vielmehr die anderen Männer. Die Gesellschaft ist schuld.“

„Natürlich“, murmelte Alethea. „Große, starke Männer wollen niemanden, der ihre Autorität infrage stellt. Aber wie soll Zeke dafür sorgen, dass ich wegziehe?“ Und wenn das sein Ziel war, warum war er dann gestern Abend ihr gegenüber so warmherzig gewesen?

Daisy wischte sich die Hände an einem Tuch ab und trat an den Holztisch, an dem Alethea saß. Sie setzte sich ihrer Freundin gegenüber. „Du weiß, dass Zeke spielt. Er hat schon in ganz jungen Jahren angefangen und damit den Grundstein für sein Vermögen gelegt.“ Sie runzelte die Stirn. „ Heute besitzt er einige erfolgreiche Unternehmen, aber damals hatte er den Ruf weg, unschlagbar zu sein. Von überallher kamen Spieler, um mit ihm Karten zu spielen. Wenn sie verloren, wurden sie wütend. Es gab Schießereien. Die Straßen waren nicht sicher.“

Alethea konnte sich Titanville überhaupt nicht als so einen Ort vorstellen.

„Zeke hatte außerdem sehr viel Schlag bei den Frauen. Einige Töchter wurden kompromittiert. Auch wenn dabei keine Kinder entstanden, war der Ruf doch erst einmal ruiniert. Die Mädchen wurden fortgeschickt. Irgendwann führten die Mitglieder des Stadtrats ein ernstes Gespräch mit Zeke“, fuhr Daisy fort. „Ihn aus der Stadt zu jagen war unmöglich. Ihm gehört das meiste Land hier. Also schlossen sie einen Kompromiss. Er gab das Spielen auf, bis auf die eine oder andere Partie mit Freunden, und versprach, die Frauen der Stadt nicht mehr zu verführen. Im Gegenzug wurde die Stadt nach ihm benannt und ihm wurde …“ Daisy zögerte. „Das war, bevor wir dich kennengelernt haben, Alethea. Bevor wir Freunde waren. Die anderen Lehrerinnen waren so jung und dumm. Sie waren nicht an unseren Kindern interessiert – sie wollten einfach nur einen Mann finden.“

„Was hat das mit der ganzen Sache zu tun?“

Daisy räusperte sich. „Zeke wurde gestattet, mit den Lehrerinnen zu verfahren, wie er will, allerdings unter der Bedingung, dass er ihnen einen guten, liebevollen Ehemann sucht, wenn er mit ihnen fertig ist.“

Alethea sprang vom Tisch auf. „Wie bitte? Die Stadt unterstützt die Verführung unschuldiger junger Frauen? Ihr konntet euer Problem nicht lösen, also habt ihr die Töchter anderer Leute hergelockt und deren Leben ruiniert?“

„Wir alle mögen Zeke.“

„Und das macht die Angelegenheit akzeptabel? Natürlich. Wie dumm von mir, eure Motive zu hinterfragen.“ Noch nie in ihrem Leben hatte sie etwas so Abstoßendes gehört. „Ich dachte, Titanville wäre eine ehrbare Stadt. Ich dachte, hier würden gute Menschen leben.“

„Wir sind gute Menschen. Es ist nur …“

„… dass jemand Zeke Titans Lust geopfert werden muss? Und lass mich das Offensichtliche genauso offen aussprechen: Ich bin auserkoren, sein nächstes Opfer zu sein.“ Sie war schockiert, aber mehr noch verletzt. „Ich dachte, du und ich wären Freunde.“ Sie sammelte ihre Handtasche und ihre Bücher ein. „Ich sehe, dass ich mich geirrt habe.“

Daisy stand auf und fasste Alethea am Arm. „Nein, Alethea. Du hast dich nicht geirrt. Unsere Freundschaft ist mir wichtiger als alles andere. Bei deiner Ankunft hat sich niemand über dieses ungewöhnliche Arrangement Gedanken gemacht. Zeke war weg, und du warst so anders. Zum ersten Mal hatten unsere Kinder Spaß am Lernen. Mein eigener Sohn erzählt, dass er aufs College gehen will. Dann hast du mit der Gesellschaft angefangen, und wir Frauen haben uns zusammengeschlossen. Wir haben neue Möglichkeiten für uns entdeckt. Dein Vorbild hat uns inspiriert. Unser Leben hat sich deinetwegen verändert. Wir haben dir nichts erzählt, weil wir dich nicht verlieren wollen.“

Daisy senkte den Kopf. „Es tut mir so leid.“

Alethea wusste nicht, was sie davon halten, was sie glauben sollte. „Soll ich Mr Titan geopfert werden?“

„Nein.“ Daisy sah sie an. „Niemals. Wir wollen, dass du bleibst. Deshalb erzähle ich dir von der Abmachung, die Zeke mit den Männern der Stadt getroffen hat.“

Zeke hatte eine Abmachung getroffen? Er versuchte nicht nur, sie zu verführen, weil er es wollte?

„Er hat einen Monat Zeit, um dich loszuwerden. Die Männer fühlen sich von den Veränderungen durch dich bedroht. Sie mögen es nicht, wenn ihre Frauen ihnen widersprechen.“ Daisy lächelte. „Wir werden zusammen einen Weg finden, um Zeke und die übrigen Männer in ihre Schranken zu verweisen.“

Der gestrige Abend ist nur Teil eines Plans gewesen, der damit zu tun hatte, mich in sein Bett zu locken, dachte Alethea. Sie war überrascht, wie sehr sie diese Erkenntnis enttäuschte. Zeke tat einfach nur, was er tun musste, um eine Wette zu gewinnen. Sein Charme, die interessante Unterhaltung – alles nur Mittel zum Zweck.

„Jeder geht davon aus, dass du beschämt die Stadt verlässt, nachdem er bekommen hat, was er will“, fügte Daisy hinzu.

„So wäre es auch gekommen“, sagte Alethea zögernd. „Da ich schon einmal verheiratet war, wäre ich zwar nicht komplett ruiniert gewesen wie meine Vorgängerinnen. Aber ich hätte niemandem mehr ins Gesicht sehen können. Ich hätte meine Autorität bei den Kindern verloren. Ich bin sicher, die Männer halten mich für leicht verführbar. Eine einfache Frau von zeitweilig schwachem Charakter.“

„Wir zeigen ihnen, dass sie sich irren.“

„Einverstanden.“ Alethea zwang sich zu einem Lächeln. „Auch wenn ich dein Angebot, mir zu helfen, sehr zu schätzen weiß, glaube ich, dass der einfachste Weg zum Erfolg der ist, den ich alleine beschreite. Ich werde Mr Titans Spiel mitspielen. Den nächsten Monat über werde ich so tun, als stünde ich kurz davor, mich ihm hinzuzugeben. Aber das werde ich nicht tun. Und wenn die Zeit reif ist, werden wir die Scharade aufdecken und so die Männer in ihrem eigenen Spiel schlagen.“

Daisy lachte. „Ja. Das ist perfekt! Wenn jemand Zeke widerstehen kann, dann du. Du bist die stärkste Persönlichkeit, die ich kenne.“

„Danke.“ Alethea sah auf die Uhr. „Ich begebe mich dann mal zu meinen Schülern.“

Sie umarmten sich kurz, dann ging Alethea. Sie versuchte sich einzureden, dass sie sich freuen könne. Der Plan war gut, ihr Triumph beinahe sicher. Aber in Wahrheit wollte sie in dieser Angelegenheit gar nicht gewinnen. Vor die Wahl gestellt, hätte sie es vorgezogen, dass Zeke Titan genau der war, als der er sich ihr gestern ausgegeben hatte. Ein charmanter, intelligenter Mann, ein kleiner Schwerenöter, der ihre Gesellschaft so sehr genoss wie sie die seine.

Gestern Abend allein in ihrem Zimmer hatte sie sich erlaubt, ein wenig zu träumen – etwas, das sie seit Wesleys Tod nicht getan hatte. Sie hatte davon geträumt, sich wieder zu verlieben.

Aber es soll nicht sein, ermahnte sie sich energisch, während sie in Richtung Schule marschierte. Am Ende würde sie ein eigenes Häuschen haben. Ein Leben, auf das sie stolz sein konnte. Das würde genügen. Irgendwie würde sie dafür sorgen, dass es genügte.

4. KAPITEL

Zeke betrat die Leihbücherei durch die Hintertür. Er war nach der Lesung mit Alethea verabredet, aber dann hatte er sich dabei ertappt, schon früher zur Bücherei zu schlendern, weil er neugierig auf ihre Fähigkeit war, den Bewohnern von Titanville Shakespeare nahezubringen.

Etwa dreißig Personen saßen auf den Holzstühlen, viele von ihnen beugten sich interessiert nach vorne und hörten Alethea gebannt zu, die gerade den lebhaften Schlagabtausch zwischen Beatrice und Benedickt aus Viel Lärm um Nichts vortrug. Sie lachten über die Dickköpfigkeit der beiden Figuren und ihre Unfähigkeit, das zu sehen, was für jeden anderen offensichtlich war.

Alethea beendete die Szene und schloss das Buch.

„Die Bücherei hat zwei Ausgaben dieses Stücks zum Ausleihen“, sagte sie mit einem Lächeln. „Vielleicht möchte jemand von Ihnen selber herausfinden, wie es weitergeht.“

Es gab einen kräftigen Applaus, dann erhoben sich die Anwesenden. Die Bibliothekarin erwähnte etwas von Eiscreme, die es im Laden nebenan gab.

Zeke wartete, bis die meisten Besucher gegangen waren, und gesellte sich dann zu Alethea. Sie sah ihn kommen und lächelte – ein warmes, einladendes Lächeln, das er bis in seinen Magen spürte. Es weckte in ihm den Wunsch, sie an sich zu ziehen und sie zu küssen. Mehr noch, er wollte Shakespeares Unterhaltung fortführen, die sie in ihrer Lesung begonnen hatte.

Er schüttelte diesen Gedanken ab und stellte sich neben sie.

„Ihre Auswahl überrascht mich“, sagte er anstatt einer Begrüßung. „Kein König Lear?“

„Ich versuche, meine Zuhörer zu unterhalten und zu inspirieren“, erwiderte sie. „Das gelingt mit einer Komödie besser. Die Menschen sind fasziniert von den Welten, die sie in diesen Büchern kennenlernen. Sie lesen erst eins, dann das nächste.“

„Sie locken sie also in die Falle, bis sie ihr Leben dem Lesen verschriebenen haben?“

„Ich sehe darin nichts weiter als ein einziges Vergnügen.“ Sie sah ihn an, in ihren grünen Augen blitzte der Schalk. „Und woher kennen Sie Shakespeare und können Griechisch lesen? War der Schulstoff so viel umfangreicher, als Sie jung waren? Vernachlässige ich meine Schüler, indem ich ihnen nur Englisch beibringe?“

„Ich habe schon immer großen Spaß an Büchern gehabt“, gab er zu. „Allen Arten von Büchern. Als ich noch jünger war, hatte ich viel Zeit zum Lesen.“ Er zeigte auf die Bücher in den Regalen. „Das sind alles alte Freunde von mir.“

„Sie haben sie alle gelesen?“

„Mehr als einmal. Einige der Geschichtsbände waren lang und langweilig, aber ich habe durchgehalten.“

„Beeindruckend.“

Er bot ihr seinen Arm an. „Ich weiß.“

Sie lachte und gestattete ihm, sie aus der Bücherei zu geleiten. Ihre kleine Hand lag in der Beuge seines Armes. Sie blieben auf dem Bürgersteig stehen und schauten auf die Menge, die vor dem Eisladen wartete.

„Haben Sie Hunger?“, fragte Zeke. „Oder möchten Sie lieber einen Spaziergang machen?“

„Ein Spaziergang wäre schön.“

Sie wandten dem Eisladen den Rücken zu und gingen in Richtung Stadtrand. Die Nacht war sternenklar und still, die Luft kühl, aber ohne den eisigen Wind der letzten Tage.

„Was wird Ihr nächstes Stück sein?“, fragte er.

„Romeo und Julia.“

„Einer Ihrer Favoriten?“

„Es ist besonders bei den jungen Damen sehr beliebt“, erwiderte sie. In ihrer Stimme lag Humor. „Es gibt nichts, was junge Frauen so sehr genießen wie eine tragische Liebesgeschichte.“

„Und Sie sind dem schon entwachsen?“

„Ich habe meinen eigenen Verlust erlitten. Ich muss nicht auch noch darüber lesen.“

Stimmt. Der tote Ehemann. Den hatte er ganz vergessen.

„Vermissen Sie ihn noch immer?“

„Manchmal“, gab sie zu. „Wenn ich ein neues Buch lese, sehne ich mich danach, mit ihm darüber zu sprechen. Oder wenn es kalt ist und mir einfach nicht warm wird.“ Sie schaute ihn unter ihren langen Wimpern hervor an. „Ein Ehebett hat durchaus auch seine praktischen Seiten.“

Zeke war noch nie verliebt gewesen. Er hatte seine Mutter von Herzen geliebt, aber das war etwas anderes. Einen Ehepartner zu verlieren war etwas, das er sich nicht vorstellen konnte. Wenn Alethea ihren Ehemann vermisste, bedeutete das dann, dass sie ihn immer noch liebte?

„Meine Mutter will, dass ich wieder heirate“, fuhr sie fort. „Ihr Drängen, mich mit einem anderen Ehemann zu sehen, ist einer der Gründe, warum ich Baltimore verlassen habe.“

„Und Sie wünschen nicht, erneut zu heiraten?“

„Doch. Ich dachte immer, dass es irgendwann passieren würde. Ich sehne mich nach Kindern, und dafür brauche ich wohl einen Ehemann.“

Er lächelte sie an. „Fänden Sie es besser, wenn Sie das eine ohne das andere bekommen könnten?“

„Nein. Ich denke, ein Ehemann ist etwas Gutes. Vorausgesetzt, er ist der richtige Typ Mann.“

„Was wünschen sich Frauen denn von einem Mann?“, fragte er.

„Das ist verschieden, nehme ich an. Ich zum Beispiel wünsche mir einen Mann mit gutem Charakter. Jemanden, der stark genug ist, seine Fehler zuzugeben. Der einen regen Geist und so viel Humor besitzt, dass ich nie weiß, was ich von ihm zu erwarten habe. Jemanden, der mich und unsere Kinder liebt. Und natürlich bedarf es dieser unerklärlichen Anziehung.“

Zeke blieb stehen und sah sie an. „Leidenschaft.“

Es war beinahe Vollmond. Das sanfte Licht fiel auf Aletheas Gesicht und ließ ihre geröteten Wangen leuchten.

Sie räusperte sich. „Ja. Leidenschaft.“

„Ein weiterer praktischer Aspekt des Ehebetts?“

Sie wandte sich ab. „Mr Titan, das ist kein angemessenes Thema für eine Unterhaltung.“

Er lächelte. „Vielleicht nicht angemessen, aber interessant. Ich habe gehört, dass manche verheiratete Frauen die Aufmerksamkeit ihres Ehemannes gar nicht genießen.“

„Das habe ich auch gehört. Aber wir sprechen hier nicht von irgendwelchen Frauen, oder? Sie versuchen, herauszufinden, ob ich diesen Teil meiner Ehe genossen habe.“ Sie hob leicht ihr Kinn. „Das habe ich, Sir.“

Sie drehte sich um und ging zurück zum Hotel. Zeke holte sie schnell ein und spazierte neben ihr her. Ihm war bewusst, dass er zu weit gegangen war.

„Es tut mir leid“, sagte er und meinte es beinahe auch so. „Sie haben recht. Das ist kein Thema für eine höfliche Unterhaltung.“

„Was vermutlich der Grund dafür ist, dass Sie darüber sprechen wollen.“

Er lachte. „Wie wahr. Ich spiele nur den Gentleman. Ich kann die richtigen Worte wählen, bei einem vornehmen Dinner die korrekte Gabel benutzen. Ich bin belesen und erfolgreich, aber in meinem Herzen bin ich Texaner. Ich reite lieber, als dass ich mit der Kutsche fahre, schieße mein Essen, anstatt es zu kaufen, und spiele lieber Karten, als ins Ballett zu gehen.“

„Waren Sie schon einmal im Ballett?“

„Nein.“

„Wunderschöne Frauen, die tanzen, Mr Titan. Sie sind elegant und zeigen manchmal sogar ihre Beine. Es würde Ihnen gefallen.“

„Sie glauben, mich zu kennen.“

„Ich kenne Sie.“

„Und?“

Sie hatten das Hotel fast erreicht. Alethea blieb stehen.

„Und es ist an der Zeit, einander gute Nacht zu sagen.“

Auch wenn er wusste, dass er nichts überstürzen sollte, war er noch nicht bereit, sie gehen zu lassen. Alethea überraschte ihn, und es war lange her, seitdem ihn irgendetwas in seinem Leben überrascht hatte. Sie strahlte eine unglaubliche Stärke aus, eine Entschlossenheit. Zu schade, dass sie sich von ihm nicht küssen lassen würde.

Er schaute in ihre großen, grünen Augen und suchte nach einem Zeichen für ihre Gefühle. Entweder war es nicht hell genug, oder sie war sehr gut darin, ihre Gedanken für sich zu behalten.

Er berührte ihre Wange. „Sagen Sie meinen Namen.“

„Wie bitte?“

„Sie haben mich den ganzen Abend Mr Titan genannt. Sagen Sie meinen Namen. Meinen Vornamen. Nur einmal.“

Er betrachtete ihren Mund und stellte sich vor, wie es wäre, seine Lippen auf ihre zu pressen. Ihre Süße zu schmecken. Würde sie zögernd küssen, darauf wartend, überzeugt zu werden? Oder würde sie sich stürmisch und leidenschaftlich zeigen?

„Mr Titan, ich …“

Er legte einen Zeigefinger auf ihre Unterlippe und streichelte sie sanft bis zum Kinn. Ihre Augen weiteten sich.

„Ich sage es zuerst, falls es das einfacher macht“, murmelte er. „Alethea.“

„Gute Nacht“, sagte sie mit fester Stimme. Dann drehte sie sich um und ging ins Hotel.

Er blieb stehen und sah ihr hinterher. Das Spiel war noch nicht vorbei, das spürte er. Und richtig, als sie an der Tür war, drehte sie sich noch einmal um. Sie sah ihm in die Augen, dann auf seinen Mund.

„Zeke“, flüsterte sie und verschwand.

Alethea erwachte erfrischt und bereit, in einen neuen Tag zu starten. Sie war zufrieden mit ihrer gestrigen Vorstellung. Und damit meinte sie nicht so sehr die Lesung als vielmehr das, was danach mit Zeke geschehen war.

Abgesehen von einer unerklärlichen Sehnsucht am Ende ihrer gemeinsamen Zeit, hatte sie die ganze Zeit über die Kontrolle behalten. Sie hatte ihr Bestes gegeben, um ihn davon zu überzeugen, dass er sich auf dem richtigen Weg befand, sie zu verführen. Wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie ihn nur schwer abweisen könnte, wenn er ihr ernsthaft den Hof machen würde.

Er ist überhaupt nicht wie Wesley, aber dennoch sehr anziehend, dachte sie traurig. Aber sie kannte den wahren Mann ja nicht – sondern nur denjenigen, der sie dazu bringen wollte, die Stadt zu verlassen. Sosehr sie auch seine Gesellschaft genoss, sie musste stets im Hinterkopf behalten, dass Zeke Titan es sich zum Ziel gesetzt hatte, sie zu besiegen, nicht, sie für sich zu gewinnen.

Sie machte sich auf den Weg zur Schule und beschloss, ihre ganze Aufmerksamkeit den Schülern zu widmen. Matthew kam auf sie zugerannt und drehte sich dann vor ihr im Kreis. Sie bemerkte sein neues Hemd und den Mantel. Er lächelte verlegen, aber stolz.

„Du siehst heute Morgen ja ganz besonders schmuck aus“, lobte sie den Achtjährigen.

„Meine Mom hat eine neue Nähmaschine“, verkündete er stolz. „Sie hat Tag und Nacht gearbeitet, um mir das hier zu machen.“

Eine beeindruckende Leistung für die knappe Zeit, dachte Alethea. „Ich hoffe, du hast dich bei ihr bedankt.“

„Ja, Ma’am, das habe ich. Sie wird jetzt Arbeit als Näherin annehmen.“

„Ausgezeichnet.“ Sie wusste, dass Matthews verwitwete Mutter, mit sehr wenig Geld auskommen musste. Jetzt, da sie länger darüber nachdachte …“Eine Nähmaschine ist sehr teuer“, sagte sie mehr zu sich als zu dem Jungen. „Sie muss sehr lange dafür gespart haben.“

Matthew grinste. „Onkel Zeke hat sie ihr gekauft. Sie ist mit dem letzten Wagen gekommen, genau wie er. Er besucht uns oft zu Hause.“

Matthew entdeckte einen seiner Freunde und rannte davon. Alethea blickte ihm nachdenklich hinterher. Onkel Zeke? Da ihr bisher nicht zu Ohren gekommen war, dass Zeke in der Gegend noch Familie hatte, musste es sich wohl um einen Ehrentitel handeln. Aber was genau hatte Mr Titan getan, um ihn sich zu verdienen?

Später am Vormittag musste sie zwei Mädchen trennen, die nicht aufhören wollten, miteinander zu schnattern. Sie merkte schnell, dass die beiden auch neu eingekleidet waren. Kleider frisch aus Boston, dank Onkel Zeke.

Alethea ignorierte das ungute Gefühl in ihrer Magengegend und gab den Kindern ihre morgendliche Leseaufgabe. Während sie zwischen den Tischen umherging und einigen Schülern bei den besonders schwierigen Wörtern half, suchte sie nach Ähnlichkeiten zwischen Matthews braunen Haaren und Augen und denen der Mädchen. In Anbetracht von Zekes Ruf, was Frauen betraf, sollte es sie nicht überraschen, dass er uneheliche Kinder gezeugt hatte. Offensichtlich waren die guten Menschen von Titanville gewillt, die Ergebnisse seiner Indiskretionen mit offenen Armen aufzunehmen. Ein sehr fortschrittliches Denken, auch wenn es sie ein wenig schockierte.

Vor dem Mittagessen verteilte sie die Henkelmänner, mit Suppe gefüllte Blechdosen, die die Schüler von zu Hause mitgebracht hatten. Die Kinder liefen nach draußen, um zu essen, während Alethea drinnen blieb und weiter darüber nachdachte, dass Zeke anscheinend Kinder gezeugt hatte, ohne verheiratet zu sein. Schwere Schritte erklangen. Sie sah auf und entdeckte den fraglichen Mann in der Tür zum Klassenzimmer. Er lächelte sie an.

„Es ist so ein schöner Tag“, sagte Zeke. „Ich habe uns ein Picknick mitgebracht.“

Er hielt einen großen Korb hoch, der mit einem farbenfrohen Tuch abgedeckt war.

Sie musterte erst den Korb, dann ihn. „Für Sie muss das Leben hier das reinste Paradies sein. In der Stadt werden Sie angebetet. Gesellschaftliche Regeln scheinen für Sie nicht zu gelten. Und Sie üben die Rechte eines Ehemannes aus – nur ohne die dazugehörigen Pflichten.“

Ich bin nicht böse, dachte sie, während sie ihn betrachtete. Sie war enttäuscht. Sie hatte mehr erwartet. Nein. Das stimmte nicht. Sie hatte auf mehr gehofft, doch das war eine dumme Hoffnung gewesen. Zeke war nichts Besonderes. Er besaß nur eine charmante Hülle.

„Wovon sprechen Sie?“ Er wirkte ernsthaft verwirrt.

„Sie haben Ihr eigenes Königreich erschaffen.“ Sie erhob sich. „Sie scheinen alles Gute in einem Mann zu verkörpern, aber das ist nur Fassade. Sie mögen Frauen vielleicht nicht schlagen oder schlecht über sie sprechen, aber trotzdem missbrauchen Sie ihre Körper und ihre Seelen.“

Der Humor und die Vorfreude schwanden aus seinen dunklen Augen. „Sie urteilen ziemlich vorschnell.“

„Matthew trägt neue Kleidung, die auf einer Nähmaschine genäht wurde, die Sie zur Verfügung gestellt haben. Die Mädchen freuen sich über neue Kleider von ihrem Onkel Zeke. Und doch haben Sie keine Beziehung zu ihren Müttern, zumindest nicht im traditionellen Sinne.“

Zeke verzog seinen Mund zu einer dünnen Linie. „Sie sprechen über meine Fehler, dabei sind Sie doch diejenige, die das Schlimmste annimmt, ohne die Umstände zu kennen. Matthews Mutter war mit einem Freund von mir verheiratet. Als er starb, wollte Elizabeth sich von niemandem helfen lassen. Ich brauchte sechs Monate, um sie davon zu überzeugen, die Nähmaschine von mir anzunehmen. Und was die Mädchen und ihre Kleider angeht, ja, ich habe hübsche Sachen für die Töchter einiger Witwen mitgebracht.“

Er stellte den Korb ab und ging auf sie zu. In seinen dunklen Augen loderte Wut. „Sie sind sehr schnell damit, Dinge zu verurteilen, die sie nicht verstehen. Ein weitverbreiteter Fehler unter kleingeistigen Menschen. Wenn Sie etwas über meine Vergangenheit wissen wollen, tun Sie mir den Gefallen und fragen Sie mich direkt. Hat es in meinem Leben Frauen gegeben? Ja. Habe ich Sie ohne die Vorzüge einer Ehe geliebt? Nur, wenn sie dazu bereit waren. Ich mag mein Vergnügen suchen, Mrs Harbaugh, aber ich habe meiner Verantwortung nie den Rücken gekehrt. Ich habe keine Bastarde, die an meinem Gewissen nagen.“

Er ging zur Tür und drehte sich noch einmal zu Alethea um. „Man sollte annehmen, dass eine Frau mit Ihrem Verstand etwas vorsichtiger wäre, wenn sie sich eine Meinung bildet. Offensichtlich ist diese Annahme falsch.“

Und dann war er fort. Alethea blickte ihm hinterher. Sie spürte, wie ihre Wangen sich vor Scham röteten und ihre Seele vor Bedauern brannte.

5. KAPITEL

Schuld war ein ihr unbekanntes Gefühl und es gefiel Alethea überhaupt nicht. Sie hatte immer geglaubt, fair zu sein, sich beide Seiten anzuhören. Nachdem Zeke wegen ihres vorschnellen Urteils so wütend reagiert hatte, beschloss sie, mit Daisy zu reden.

„Zeke war sehr umsichtig“, versicherte ihre Freundin. „Sogar bevor er die Vereinbarung mit der Stadt getroffen hat, hat er sich niemals mit verheirateten Frauen eingelassen.“