Engelskalt - Samuel Bjørk - E-Book
SONDERANGEBOT

Engelskalt E-Book

Samuel Bjørk

0,0
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein Spaziergänger findet im norwegischen Wald ein totes Mädchen, das mit einem Springseil an einem Baum aufgehängt wurde und ein Schild um den Hals trägt: Ich reise allein. Kommissar Holger Munch beschließt, sich der Hilfe seiner Kollegin Mia Krüger zu versichern, deren Spürsinn unschlagbar ist. Er reist auf die Insel Hitra, um sie abzuholen. Was Munch nicht weiß: Mia hat sich dorthin zurückgezogen, um sich umzubringen. Doch als sie die Bilder des toten Mädchens sieht, entdeckt sie ein Detail, das bisher übersehen wurde – und das darauf schließen lässt, dass es nicht bei dem einen Opfer bleiben wird ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 648

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Buch

Ein Spaziergänger findet im norwegischen Wald ein totes Mädchen, das mit einem Springseil an einem Baum aufgehängt wurde und ein Schild um den Hals trägt: »Ich reise allein.« Kommissar Holger Munch beschließt, sich der Hilfe seiner Kollegin Mia Krüger zu versichern, deren Spürsinn unschlagbar ist. Er reist auf die Insel Hitra, um sie abzuholen. Was Munch nicht weiß: Mia hat sich dorthin zurückgezogen, um sich umzubringen. Doch als sie die Bilder des toten Mädchens sieht, entdeckt sie ein Detail, das bisher übersehen wurde – und das darauf schließen lässt, dass es nicht bei dem einen Opfer bleiben wird …

Autor

Hinter dem Pseudonym Samuel Bjørk steht der norwegische Autor, Dramatiker und Singer-Songwriter Frode Sander Øien. Er wurde 1969 geboren, schrieb im Alter von 21 Jahren sein erstes Bühnenstück und veröffentlichte seitdem zwei hochgelobte Romane sowie sechs Musikalben. Sein erster Thriller, „Engelskalt“, wurde ein Bestseller. Derzeit lebt und arbeitet er in Oslo.

Samuel Bjørk

Engelskalt

Thriller

Aus dem Norwegischen

von Gabriele Haefs

Die Originalausgabe erschien 2013

unter dem Titel »Det henger en engel alene i skogen«

bei Vigmostad & Bjørke, Norwegen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © der Originalausgabe 2013 by Samuel Bjørk

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2015

by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbHNeumarkter Str. 28, 81673 München

Covergestaltung: UNO Werbeagentur München

Covermotiv: FinePic®, München

Redaktion: Nike Karen Müller

AG · Herstellung: kw

Satz: omnisatz GmbH, Berlin

ISBN 978-3-641-15254-3V010

www.goldmann-verlag.de

Am 28. August 2006 kam in Hønefoss im Ringerike-Sykehus auf der Wochenstation ein Mädchen zur Welt. Die Mutter des Kindes, eine fünfundzwanzig Jahre alte Vorschullehrerin, Katarina Olsen, war Bluterin und starb bei der Geburt. Die Hebamme und einige der Krankenschwestern, die bei der Geburt dabei gewesen waren, beschrieben das kleine Mädchen später als außergewöhnlich schön. Es wurde als still und überaus wach geschildert, mit einem Blick, der dafür sorgte, dass alle auf der Station eine ganz besondere Beziehung zu ihm entwickelten. Bei ihrer Aufnahme hatte Katarina Olsen den Vater mit unbekannt angegeben. An den folgenden Tagen konnte die Krankenhausleitung in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Ringerike die jetzt in Bergen lebende Großmutter des Kindes ausfindig machen. Sie hatte nichts von der Schwangerschaft ihrer Tochter gewusst und kam ins Krankenhaus, nur um feststellen zu müssen, dass das neugeborene Kind von der Säuglingsstation verschwunden war. In den folgenden Wochen gab es eine großangelegte Suchaktion, die jedoch ergebnislos blieb. Zwei Wochen darauf wurde ein schwedischer Krankenpfleger namens Joachim Wicklund tot in seiner Wohnung im Zentrum von Hønefoss aufgefunden. Er hatte sich erhängt. Am Boden wurde ein mit der Maschine geschriebener Brief gefunden. Er enthielt vier Worte: »Es tut mir leid.«

Das kleine Mädchen blieb verschwunden.

Lisa ging zur Schule. Tripp, tripp, tripp hallo.

In dem neuen Kleidchen. Trippelt sie so froh.

• Teil I •

• 1 •

Walter Henriksen saß am Frühstückstisch und versuchte verzweifelt, etwas von dem Frühstück hinunterzubringen, das seine Frau ihm aufgetischt hatte. Eier und Speck. Hering, Räucherwurst und frischgebackenes Brot. Eine Tasse Kräutertee. Die Kräuter stammten aus dem eigenen Garten, den sie sich so sehr gewünscht hatte, dass sie dieses Haus gekauft hatten, ein gutes Stück außerhalb von Oslo, mit dem Waldgebiet Østmarka als nächstem Nachbarn. Um ihre gesunden Interessen zu pflegen. Im Wald wandern. Einen kleinen Gemüsegarten anlegen. Beeren und Pilze sammeln und nicht zuletzt dem Hund ein freieres Leben ermöglichen, einem Cockerspaniel, den Walter Henriksen nicht ausstehen konnte. Aber er liebte seine Frau, und deshalb hatte er sich mit allem einverstanden erklärt.

Er schluckte einen Bissen von seinem Heringsbrot und kämpfte gegen den Brechreflex an, mit dem sein Körper antwortete. Er trank einen großen Schluck Orangensaft und versuchte nach besten Kräften zu lächeln, obwohl sein Kopf schmerzte, als ob ihn jemand mit einem Hammer malträtiert hätte. Das Betriebsfest am Vorabend war nicht wie geplant verlaufen, auch diesmal hatte er die Finger nicht vom Schnaps lassen können.

Im Hintergrund surrten die Nachrichten, während Walter versuchte, die Miene seiner Frau zu deuten. Die Stimmung. Ob sie wach geworden war, als er in den frühen Morgenstunden ins Bett gefallen war, wann, wusste er nicht, aber es war spät gewesen, viel zu spät, er wusste noch, dass er sich ausgezogen hatte, hatte die vage Erinnerung, dass sie geschlafen hatte, dass er zum Glück gedacht hatte, ehe er auf der viel zu harten Matratze eingeschlafen war, die sie unbedingt hatte kaufen wollen, weil sie in letzter Zeit solche Probleme mit dem Rücken hatte.

Walter räusperte sich leise, wischte sich mit der Serviette den Mund und strich sich mit der Hand über den Bauch, gab vor, die Mahlzeit genossen zu haben und satt zu sein.

»Ich dachte, ich könnte mal eine Runde mit Lady drehen«, murmelte er mit etwas, das, wie er hoffte, wie ein Lächeln wirkte.

»Ach ja, das wäre schön«, seine Frau nickte, ein wenig überrascht, denn auch wenn es nicht sehr oft erwähnt wurde, wusste sie doch ganz genau, dass er die drei Jahre alte Hundedame nicht leiden konnte.

»Vielleicht kannst du heute ein bisschen weiter gehen und nicht nur einmal ums Haus?«

Er suchte nach dem leicht passiv-aggressiven Tonfall, den sie oft hatte, wenn sie mit ihm unzufrieden war, dem Lächeln, das kein Lächeln war, sondern etwas ganz anderes, aber davon sah er jetzt nichts, sie wirkte zufrieden, hatte nichts gemerkt. Er hatte sich gekonnt aus der Affäre gezogen. Und jetzt, das gelobte er sich, würde so etwas nicht mehr vorkommen. Gesundes Leben ab sofort. Und keine Betriebsfeste mehr.

»Nein, ich wollte mit ihr nach Maridalen gehen, vielleicht den Weg zum Dausjø hinunter.«

»Das ist doch perfekt«, sagte seine Frau lächelnd.

Sie streichelte Ladys Kopf, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und kraulte sie hinter dem Ohr.

»Jetzt machst du mit Herrchen einen Spaziergang, das wird doch schön, ja, das wird es, wird es nicht schön, ach, es wird so wunderschön für meinen Ladyschnuffel, mein kleiner Schnuffel, du bist doch mein Schnuffel?«

Der Weg durch Maridalen nach oben verlief so wie immer, wenn er ein seltenes Mal mit dem Hund unterwegs war. Walter Henriksen hatte Hunde noch nie leiden können, er wusste nichts über Hunde, wenn es nach ihm gegangen wäre, wären alle Hunde der Welt längst ausgerottet worden. Er verspürte eine wachsende Irritation über die blöde Töle, die an der Leine zog und verlangte, dass er schneller ging. Oder wartete. Oder in eine andere Richtung ging, als er wollte.

Endlich hatte er den Weg erreicht, der hinunter zum Dausjø führte. Hier konnte er den Hund immerhin laufen lassen. Er ging in die Knie, streichelte dem Tier ein wenig den Kopf und versuchte, ein bisschen freundlich zu sein, während er die Leine abnahm.

»So, jetzt kannst du eine Runde laufen, weißt du.«

Der Hund sah ihn mit dummen Augen an und schob die Zunge heraus. Walter steckte sich eine Zigarette an und brachte der kleinen Hündin für einen Moment etwas entgegen, das fast Liebe sein könnte. Das Tier hatte schließlich keine Schuld. Der Hund war schon in Ordnung. Die Kopfschmerzen ließen jetzt auch nach, die frische Luft tat gut. Von jetzt an würde er den Hund leiden mögen. Ach, was für ein braver Hund. Das hier machte ja eigentlich auch ein bisschen Spaß, so zusammen durch den Wald zu schlendern. Sie waren jetzt fast Freunde, und wie brav es gehorchte, ja, braves Hündchen. Keine Leine, und doch lief sie neben ihm her.

In diesem Moment rannte der Cockerspaniel los, verließ den Weg und jagte in den Wald.

Verdammt!

»Lady!«

Walter Henriksen blieb stehen und rief, aber es half nichts. Er warf die Zigarette weg, fluchte leise und fing an, den Hang in die Richtung hochzuklettern, in die der Hund verschwunden war. Einige hundert Meter weiter oben blieb er ganz still stehen. Der Hund lag auf einer kleinen Lichtung unbeweglich da. Und dann entdeckte Walter das kleine Mädchen, das an dem Baum hing. Über dem Boden baumelte. Mit einer Schultasche auf dem Rücken. Und einem Schild um den Hals:

Ich reise allein.

Walter Henriksen fiel auf die Knie und tat automatisch das, was er schon seit dem Aufwachen hatte tun wollen.

Er erbrach sich, das Erbrochene beschmutzte seine Kleider, und er musste weinen.

• 2 •

Mia Krüger wurde von den Möwen geweckt.

An dieses Geräusch hätte sie inzwischen eigentlich gewöhnt sein müssen, sie hatte dieses Haus weit draußen am offenen Meer doch schon vor vier Monaten gekauft, aber die Stadt wollte sie einfach nicht loslassen. Die Wohnung in Torshov, in der Vogts gate, wo es immer laut gewesen war, Busse, Straßenbahnen, Polizeisirenen, Krankenwagen, nie war sie davon geweckt worden, fast schienen sie beruhigend gewirkt zu haben, aber diese Möwen … vor diesem Geräusch konnte sie nicht weglaufen. Vielleicht lag es daran, dass alles andere so still war?

Sie streckte die Hand nach der Uhr auf dem Nachttisch aus, konnte aber die Zeit nicht erkennen. Die Zeiger schienen nicht vorhanden zu sein, sie waren irgendwo im Nebel, Viertel nach zehn oder halb zwei oder fünf nach halb nichts. Die Tabletten, die sie am Vorabend eingeworfen hatte, wirkten noch immer. Sie beruhigten, stumpften ab, benebelten die Sinne, dürfen nicht zusammen mit Alkohol eingenommen werden, aber wen interessierte das schon. In nur zwölf Tagen würde sie ja doch sterben. Die Kreuze im Kalender unten in der Küche, noch zwölf leere Vierecke.

Zwölf Tage. 18. April.

Sie setzte sich im Bett auf, zog den Isländer an und ging mit schwankenden Schritten nach unten ins Wohnzimmer.

Ein Kollege hatte ihr die Tabletten verschrieben. Ein aufgezwungener Freund, einer, der ihr helfen sollte zu vergessen, zu verarbeiten, wieder nach vorne zu blicken. Polizeipsychologe, oder war er Psychiater? Das musste er vielleicht sein, um Rezepte ausstellen zu dürfen? Sie bekam jedenfalls, was sie wollte. Auch hier draußen, auch wenn es sie Kraft kostete, sich etwas zu holen. Sich anzuziehen. Den Außenbordmotor am Boot anzuwerfen. Die fünfzehn Minuten zu frieren, die sie brauchte, um in den Hafen zu gelangen. Das Auto zu starten. Die vierzig Minuten nach Fillan, dem Zentrum hier oben, durchzuhalten, kein großartiges Zentrum, aber egal, hier lagen die Apotheke, im Einkaufszentrum Hjorten, und die Staatliche Alkoholhandlung. Die Medikamente waren parat, sie waren telefonisch aus Oslo durchgegeben worden. Apodorm, Vival, Lamictal, Citalopram. Einige vom Psychiater, aber auch einige vom Arzt. Sie waren alle so hilfsbereit, so freundlich. Jetzt nimm aber nicht so viel, du musst vorsichtig sein, aber Mia Krüger hatte durchaus nicht vor, vorsichtig zu sein. Sie war nicht hergekommen, um gesund zu werden. Sie war hergekommen, um zu verschwinden.

Noch zwölf Tage. 18. April.

Mia Krüger nahm eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank, zog sich an und ging an den Strand. Sie setzte sich auf den Felsen, zog die Jacke enger um sich zusammen und schluckte die ersten Tabletten dieses Tages. Fussel in der Hosentasche. Unterschiedliche Farben. Sie wusste nicht so ganz, welche sie heute nahm, war noch immer benommen, aber das spielte keine Rolle. Sie spülte sie mit einem Schluck aus der Flasche hinunter und hielt die Füße in die Wellen. Sie musterte ihre Stiefel. Das ergab keinen Sinn, das waren gleichsam nicht ihre Füße, sondern die einer anderen, irgendwo dort draußen, weit weg. Sie schaute lieber aufs Meer hinaus. Auch das ergab keinen Sinn, aber sie zwang sich, in die Ferne zu blicken, zum Horizont, zu der kleinen Insel dort irgendwo, deren Namen sie nicht wusste.

Sie hatte sich diesen Ort nicht gezielt ausgesucht. Hitra. Eine Insel in Trøndelag. Ihr wäre alles recht gewesen, wenn sie dort nur allein wäre. Sie hatte den Immobilienmakler entscheiden lassen. Verkauf meine Wohnung, und gib mir etwas anderes. Der Makler hatte sie angesehen, als ob sie verrückt wäre oder eine Idiotin, aber er wollte Geld verdienen, also war es ihm wohl scheißegal, es interessierte ihn nicht weiter. Das weiße Lächeln, das so freundlich sagte, er werde sich darum kümmern, ob sie sofort verkaufen wolle? Ob sie genauere Vorstellungen habe? Diese aufgesetzte Freundlichkeit, aber sie hatte durch sie hindurch in seine Augen geschaut. Bei dem Gedanken daran wurde ihr schlecht. Falsche, widerliche Augen. Sie hatte aus irgendeinem Grund immer das Innere der Augen von den Menschen in ihrer Nähe gesehen. Jetzt er, dieses glatte Wesen in Schlips und Kragen, und was sie da sah, hatte ihr nicht gefallen.

Du musst dieses Talent doch nutzen, wo du es schon hast. Begreifst du das nicht? Du musst etwas daraus machen, und du musst es jetzt machen!

Verdammt, sie würde es nicht nutzen. Jetzt nicht mehr. Nie mehr. Bei diesem Gedanken wurde sie ganz ruhig. Sie war überhaupt extrem ruhig, seit sie hergekommen war. Nach Hitra. Der Immobilienmakler hatte gute Arbeit geleistet. Fast hätte sie ihm einen freundlichen Gedanken gewidmet.

Mia Krüger erhob sich von dem Felsen und schlug den Weg zum Haus ein. Es wurde Zeit für den ersten Drink des Tages. Sie wusste nicht, wie spät es war, aber jedenfalls wurde es Zeit. Sie hatte teure Flaschen gekauft, hatte sie schon vorher bestellt, vielleicht ein Widerspruch, warum sich etwas Teures gönnen, wenn ihr doch nur noch so wenig Zeit blieb, aber andererseits, warum nicht? Warum das eine? Warum das andere? Sie dachte schon lange nicht mehr an solche Dinge. Sie öffnete eine Flasche Armagnac Domaine de Pantagnan 1965 Labeyrie und füllte damit drei Viertel einer Teetasse, die ungespült auf der Anrichte stand. Ein Armagnac für achthundert Kronen in einer schmutzigen Tasse. Siehst du, wie wichtig mir das ist? Glaubst du, dass es mir wichtig ist? Sie lächelte kaum merklich, nahm weitere Tabletten aus der Hosentasche und ging wieder zum Felsen hinunter.

Wieder sandte sie dem Makler mit den allzu weißen Zähnen einen fast freundlichen Gedanken. Wenn sie irgendwo hätte wohnen wollen, um zu leben, hätte es durchaus hier sein können. Die Luft, der Blick über das Meer, die Ruhe, die unter den weißen Wolken lag. Sie hatte noch nie eine Beziehung zu Trøndelag gehabt, aber die Insel hatte ihr vom ersten Augenblick an gefallen. Es gab hier Hirsche. Zahllose Hirsche, und das hatte sie fasziniert, der Hirsch gehörte irgendwie an andere Orte, nach Alaska, auf die Kinoleinwand. Dieses schöne Tier, das manche unbedingt schießen wollten. Mia Krüger hatte auf der Polizeischule Schießen gelernt, hatte die Waffe aber nie leiden mögen. Man spielte nicht mit Waffen, Waffen benutzte man nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ, und am besten nicht einmal dann. Die Saison für die Hirschjagd dauerte auf Hitra von September bis November, und eines Tages auf dem Weg zur Apotheke war sie auf eine Teenager-Gang gestoßen, die einen Hirsch auf der Ladefläche ihres Wagens festband. Im Februar, außerhalb der Jagdsaison, und einen Moment lang hatte sie mit dem Gedanken gespielt anzuhalten, die Namen zu notieren, Anzeige zu erstatten, sie ihrer wohlverdienten Strafe zuzuführen, aber sie hatte sich die Sache doch anders überlegt und den Vorfall auf sich beruhen lassen.

Einmal Polizistin, immer Polizistin?

Jetzt nicht mehr. Verdammt, nein.

Noch zwölf Tage. Achtzehnter April.

Sie trank den letzten Schluck Armagnac, lehnte den Kopf an den Felsen und schloss die Augen.

• 3 •

Holger Munch schwitzte, als er in der Ankunftshalle von Værnes stand und auf die Schlüssel zu seinem Mietwagen wartete. Das Flugzeug war zu spät gelandet, wie üblich, weil es Nebel in Gardermoen gegeben hatte, und Holger dachte wieder an den Forscher Jan Fredrik Wiborg, der angeblich in Kopenhagen Selbstmord begangen hatte, nachdem er die Pläne zur Verlegung des Osloer Flughafens wegen der Wetterverhältnisse kritisiert hatte. Noch jetzt, achtzehn Jahre später, ging die Sache ihm nicht ganz aus dem Kopf, ein erwachsener Mann stürzte aus einem viel zu kleinen Hotelfenster, ohne Grund und unmittelbar, bevor die Flugplatzaffäre im Parlament diskutiert werden sollte? Und warum hatte weder die dänische noch die norwegische Polizei in dem Fall gründlich ermitteln wollen?

Holger Munch wurde aus seinen Gedanken gerissen, als die Blondine am Schalter von Europcar sich räusperte, weil er an der Reihe war.

»Munch«, sagte er kurz. »Der Wagen sollte bestellt sein.«

»Ach, Sie kriegen also das neue Museum in Oslo?«, fragte die Frau in der grünen Uniform mit einem Augenzwinkern.

Munch begriff den Scherz nicht sofort.

»Oder sind Sie nicht der Maler?«, fragte die Frau lächelnd und bearbeitete munter weiter die Tastatur.

»Was? Nein, nicht der Maler, nein«, sagte Munch. »Nicht einmal verwandt.«

Dann würde ich nicht hier stehen, bei dem Erbe, dachte Munch, als die Frau ihm ein Papier zum Unterschreiben reichte.

Holger Munch hasste es zu fliegen, deshalb war seine Laune nicht die beste. Nicht weil er Angst vor einem Flugzeugabsturz hatte; Holger Munch war Hobbymathematiker und wusste, dass die Gefahr, dass ein Flugzeug abstürzte, kleiner war als die, zweimal am selben Tag vom Blitz getroffen zu werden. Nein, Holger Munch hasste das Fliegen, weil er inzwischen fast nicht mehr in den Sitz passte.

»So«, sagte die Frau in der grünen Uniform mit freundlichem Lächeln und reichte ihm die Schlüssel. »Ein schöner großer Volvo V70, alles bezahlt, Mietdauer und Fahrstrecke offen, Sie können ihn abliefern, wann und wo Sie wollen, gute Fahrt.«

Groß? Sollte auch das ein Witz sein, oder sollte es ihn beruhigen? Hier hast du ein Auto, in dem selbst du Platz hast, denn du bist so rund geworden, dass du kaum noch deine Schuhe sehen kannst?

Holger Munch warf einen Blick auf sein Spiegelbild in den großen Fenstern der Ankunftshalle, als er zum Parkhaus ging. Es war jetzt vielleicht an der Zeit. Ein bisschen Sport zu treiben. Etwas gesünder zu essen. Ein paar Kilo abzunehmen, neuerdings hatte er solche Gedanken, aus mehreren Gründen. Durch die Straßen Kriminellen hinterherzulaufen, damit hatte er schon längst aufgehört, er hatte Beamte unter sich, die das machen konnten, nein, es lag nicht daran, aber Holger Munch war in den letzten Wochen sogar ein wenig eitel geworden.

Meine Fresse, Holger, neuer Pullover? Meine Fresse, Holger, neue Jacke? Meine Fresse, Holger, hast du dir den Bart gestutzt?

Er schloss den Volvo auf, steckte das Telefon ins Stativ und schaltete es ein. Er legte den Sicherheitsgurt an und fuhr auf die Innenstadt von Trondheim zu, während die Mitteilungen eingingen. Er seufzte. Eine Stunde ohne Telefon, und schon ging es wieder los. Nie frei von der Welt. Es stimmte nicht ganz, dass nur die Flugreise ihm die Laune verdorben hatte. In letzter Zeit war so viel gewesen. Bei der Arbeit und an der Heimatfront. Holger fuhr mit den Fingern über das Display des Smartphones, das er sich hatte kaufen müssen, jetzt war Hightech angesagt, die Truppe hatte up to date zu sein, auch in Hønefoss, wo er die vergangenen achtzehn Monate verbracht hatte. Polizeibezirk Ringerike. Dort hatte er seine Laufbahn begonnen, und jetzt war er wieder hier. Wegen der Geschehnisse am Tryvann.

Sieben Anrufe von der Zentrale in Grønland. Zwei von der Exgattin. Einer von seiner Tochter. Zwei aus dem Pflegeheim. Außerdem zahllose SMS. Die Zentrale lag strategisch günstig an einem der größten Plätze der Stadt, dem Grønland-Platz, und mittlerweile hatte es sich eingebürgert, dass alle nur noch von den Kollegen in Grønland sprachen, wenn eigentlich die Kollegen in der Zentrale gemeint waren.

Holger Munch überließ die Welt noch eine Weile ihrem Schicksal und schaltete das Radio ein. Er fand NRK Klassik, kurbelte das Fenster herunter und steckte sich eine Zigarette an. Die Zigaretten waren sein einziges Laster, abgesehen vom Essen natürlich, aber das war etwas ganz anderes. Mit dem Rauchen aufzuhören, das hatte Holger Munch nicht vor, egal, wie viele Gesetze die Politiker sich ausdachten und wie viele »Rauchen verboten«-Schilder überall auftauchten, wie etwa am Armaturenbrett dieses Mietwagens.

Man konnte nicht denken, ohne zu rauchen, und wenn Holger Munch etwas gern tat, dann denken. Das Gehirn benutzen. Der Körper war nicht so wichtig, solange das Gehirn funktionierte. Im Radio wurde Händels Messias gespielt, nicht Munchs Lieblingsstück, aber es war schon in Ordnung. Er stand eher auf Bach, ihm gefiel das Mathematische in der Musik, nicht alle diese Gefühlskomponisten. Wagners arische Kriegshetze, Ravels impressionistische emotionale Welt. Munch hörte klassische Musik, um diesen menschlichen Gefühlen zu entgehen. Wenn der Mensch eine Matheaufgabe wäre, wäre alles viel leichter. Er fuhr rasch mit dem Finger über seinen Trauring und dachte an Marianne, seine Exfrau. Zehn Jahre war das her, und doch brachte er es nicht über sich, den Ring abzulegen. Sie hatte angerufen. Wollte sie vielleicht?

Nein. Die Hochzeit natürlich. Sie wollte über die Hochzeit reden. Sie hatten eine Tochter. Miriam wollte heiraten. Praktische Dinge mussten diskutiert werden. Das war alles. Holger Munch warf die Zigarette aus dem Fenster und steckte sich eine neue an.

Ich trinke keinen Kaffee, und ich rühre keinen Alkohol an. Da muss es doch verdammt noch mal erlaubt sein, eine zu rauchen!

Holger Munch war nur ein einziges Mal betrunken gewesen, mit vierzehn Jahren, vom Kirschwein seines Vaters in der Hütte bei Larvik, und seitdem hatte er keinen Alkohol mehr angerührt. Ihm fehlte das Bedürfnis. Er hatte keine Lust. Die Gehirnzellen durcheinanderzubringen? Könnte ihm nicht einfallen. Zigaretten dagegen, und vielleicht ein Hamburger?

Er hielt vor der Tankstelle an der Raststätte Gjestegård und bestellte ein Baconburgermenü, das er auf einer Bank mit Blick über den Trondheimsfjord verzehrte. Wenn die Kollegen Holger Munch mit drei Wörtern hätten beschreiben müssen, dann wären zwei davon vermutlich »Nerd« gewesen. Clever vielleicht noch oder ein bisschen zu nett. Aber garantiert »Nerd«. Ein dicker sympathischer Nerd, der niemals Alkohol anrührte und Mathematik, klassische Musik und Schach liebte. Ein bisschen langweilig vielleicht, aber ein ganz hervorragender Ermittler. Und ein gerechter Chef. Da war es auch in Ordnung, dass er nie auf ein Bier mitging oder dass er mit keiner Frau mehr zu tun gehabt hatte, seit seine Frau ihn für einen Lehrer aus Hurum verlassen hatte, der jedes Jahr zwei Monate Urlaub hatte und nie mitten in der Nacht aufstehen musste, ohne verraten zu dürfen, wohin er gerufen worden war. Niemand hatte eine so gute Aufklärungsrate wie Holger Munch, das wussten alle. Alle mochten Holger Munch. Trotzdem saß er jetzt wieder in Hønefoss.

Ich degradiere dich nicht, ich versetze dich. So, wie ich das sehe, kannst du froh sein, dass du überhaupt noch einen Job hast.

Er hätte am liebsten auf der Stelle gekündigt, vor Mikkelsons Büro unten in Grønland, hatte sich aber zusammengerissen. Was hätte er denn sonst tun sollen? Sich beim Sicherheitsdienst verdingen?

Holger Munch setzte sich wieder ins Auto und folgte der E6 nach Trondheim. Er steckte sich eine Zigarette an und fuhr über die Umgehungsstraße nach Süden. Im Mietwagen gab es ein GPS, aber das schaltete er nicht ein. Er wusste, wohin er wollte.

Mia Krüger.

Er widmete seinen alten Kollegen einen freundlichen Gedanken, dann klingelte wieder sein Telefon.

»Munch hier.«

Mikkelson am anderen Ende, aufgeregt, kurz vor dem Herzinfarkt, wie immer. Wie der Mann zehn Jahre im Chefsessel unten in Grønland überlebt hatte, war für viele ein Mysterium.

»Ich bin im Auto, und du?«, sagte Munch trocken.

»Im Auto wo? Bist du schon da?«

»Nein, ich bin noch nicht da, ich bin gerade gelandet. Was gibt’s denn?«

»Ich wollte nur überprüfen, ob du auch das tust, was wir beschlossen haben.«

»Ich habe den Ordner hier, und ich habe vor, ihn zu überreichen, wenn du das meinst«, sagte Munch seufzend. »Hast du mich wirklich nur deswegen hier hochgeschickt? Wie wäre es mit einem Kurier gewesen? Wir hätten doch die Kollegen vor Ort schicken können.«

»Du weißt genau, warum gerade du da bist«, antwortete Mikkelson. »Und ich will, dass du diesmal auch das tust, was dir gesagt wurde.«

»Erstens«, Munch seufzte wieder und warf die Kippe aus dem Fenster, »schulde ich dir nichts. Und zweitens schulde ich dir nichts. Drittens bist du dafür verantwortlich, dass ich mein Gehirn nicht mehr dazu benutze, wozu es benutzt werden sollte, also kannst du auch gleich die Klappe halten. Weißt du, an was für Fällen ich gerade arbeite? Willst du das hören, Mikkelson? Woran ich arbeite?«

Für einen Moment herrschte Stille. Munch lachte lautlos in sich hinein.

Wenn Mikkelson etwas hasste, dann, jemanden um einen Gefallen zu bitten. Munch wusste, dass Mikkelson jetzt gereizt war, und er freute sich, dass sein alter Chef sich zusammenreißen musste und nicht ohne Weiteres seinen Willen durchsetzen konnte.

»Bring es einfach hinter dich.«

»Aye, aye, Sir«, Munch grinste und legte kurz zwei Finger an die Schläfe.

»Komm mir bloß nicht ironisch, Munch, und ruf an, wenn du was erreicht hast.«

»Mach ich. Ach übrigens, noch was …«

»Was denn?«, brummte Mikkelson.

»Wenn sie mitmacht, dann bin ich wieder drin. Nix mehr mit Hønefoss. Und ich will die alten Räumlichkeiten zurückhaben. In der Mariboes gate. Wir arbeiten nicht im Haus. Und ich will dasselbe Team wie früher. Okay?«

Es blieb für einen Moment still, ehe die Antwort kam.

»Das kommt absolut nicht in Frage. Das ist völlig ausgeschlossen, Munch. Das ist …«

Munch grinste und legte auf, ehe Mikkelson noch mehr sagen konnte. Er steckte sich eine Zigarette an, drehte das Radio wieder laut und entschied sich für die Straße nach Orkanger.

• 4 •

Mia Krüger war auf dem Sofa am Kamin eingeschlafen, unter der Decke. Sie hatte von Sigrid geträumt und war mit dem Gefühl aufgewacht, dass ihre Zwillingsschwester immer noch da war. Bei ihr. Lebendig. Dass sie wieder zusammen waren, so wie immer. Sigrid und Mia. Mia und Sigrid. Die Unzertrennlichen aus Åsgårdstrand, zwei Minuten nacheinander geboren, die eine blond, die andere dunkel, so verschieden und doch so gleich.

Mia wollte nur zurück in den Traum, zurück zu Sigrid, aber sie zwang sich, aufzustehen und in die Küche zu gehen. Ein bisschen frühstücken. Um den Alkohol bei sich zu behalten. Wenn sie so weitermachte, würde sie zu früh sterben, und das durfte einfach nicht passieren.

18. April.

Noch zehn Tage.

Sie würde es schaffen, würde noch zehn Tage durchhalten. Mia zwang zwei Scheiben Knäckebrot hinunter und spielte mit dem Gedanken an ein Glas Milch, nahm dann aber Wasser. Zwei Glas Wasser und zwei Tabletten. Aus der Hosentasche. Welche, spielte keine Rolle. Eine weiße und eine hellblaue diesmal.

Sigrid Krüger.

Schwester, Freundin und Tochter.

Geboren 11. November 1979. Gestorben 18. April 2002.

Zutiefst geliebt. Zutiefst vermisst.

Mia Krüger setzte sich wieder aufs Sofa, bis sie merkte, dass die Tabletten wirkten. Sie betäubten. Eine Membran zwischen ihr und der Welt. Sie brauchte das jetzt. Sie hatte sich seit fast drei Wochen nicht angesehen, aber jetzt war es so weit. Sie musste duschen. Das Badezimmer im ersten Stock. Sie war ihm so lange wie möglich ausgewichen, wollte sich nicht in dem großen Spiegel sehen, den der frühere Eigentümer gleich neben der Tür angebracht hatte. Sie hatte einen Schraubenzieher suchen wollen. Das Drecksteil entfernen. Sie fühlte sich auch so schon elend genug, das wollte sie sich nicht auch noch bestätigen lassen, aber sie hatte keine Kraft. Für nichts hatte sie Kraft. Nur die Tabletten. Und die Drinks. Flüssiges Valium in den Adern, kleines Lächeln im Blut, den wunderbaren Schutz vor allen Stacheln, die so lange in ihr umhergeschwommen waren. Sie fasste sich ein Herz und ging die Treppe hoch. Sie öffnete die Badezimmertür und war geschockt, als sie ihre Gestalt im Spiegel sah. Das war sie nicht. Das war eine andere. Mia Krüger war immer schlank gewesen, aber jetzt sah sie krank aus. Sie war immer gesund gewesen. Immer stark. Jetzt war fast nichts mehr von ihr übrig. Sie zog Pullover und Jeans aus und stand in Unterwäsche vor dem Spiegel. Die Unterhose hing locker auf den Hüften. Alles Fleisch an Hüften und Bauch war verschwunden. Sie fuhr sich vorsichtig über die Rippen, die sich deutlich abzeichneten, zählte sie durch. Sie zwang sich, dichter an den Spiegel heranzutreten, fing ihren Blick in der rostigen Silberfläche ein. Sie hatte immer Komplimente für ihre blauen Augen erhalten. Keine hat so norwegische Augen wie du, Mia, hatte einmal jemand zu ihr gesagt, und sie wusste noch immer, wie stolz sie gewesen war, norwegische Augen, das hatte sich so schön angehört. In einer Zeit, in der sie dazugehören, nicht anders sein wollte. Sigrid war eigentlich immer die Schönere gewesen, vielleicht hatte es deshalb so gut getan? Lebendige blaue Augen. Von denen war jetzt nicht mehr viel übrig. Sie sahen schon jetzt tot aus. Ohne Glanz und Leben, rot, wo sie hätten weiß sein müssen. Sie bückte sich nach ihrer Hose, nahm zwei neue Tabletten aus der Tasche, hielt den Mund unter den Wasserhahn und schluckte. Trat wieder vor den Spiegel und versuchte, gerade zu stehen.

Meine kleine Indianerin, hatte die Großmutter sie immer genannt. Abgesehen von den blauen Augen hätte sie das auch sein können. Eine Indianerin. Kiowa oder Sioux oder Apatsche. Als Kind war sie von den Indianern immer fasziniert gewesen, es war immer klar gewesen, zu wem sie hielt. Die Cowboys waren die Bösen. Die Indianer die Guten. Wie geht es dir heute, Mia Mondstrahl? Mia berührte ihr Gesicht im Spiegel und dachte liebevoll an ihre Großmutter. Dann musterte sie ihre langen Haare. So rabenschwarze Haare, die über die zierlichen Schultern flossen. Sie hatte schon lange nicht mehr so lange Haare gehabt. Sie hatte sie auf der Polizeischule kurz geschnitten. Nicht beim Friseur, sondern zu Hause, selbst, hatte einfach die Schere genommen und die Haare abgeschnitten. Um zu zeigen, dass sie keinen Wert darauf legte, schön zu sein. Sich aufzutakeln. Sie schminkte sich auch nicht. Du bist natürlich schön, meine kleine Indianerin, hatte die Großmutter gesagt, eines Abends, als sie Mia vor dem Kamin zu Hause in Åsgårdstrand die Haare geflochten hatte. Siehst du, was du für schöne Augenlider hast, für feine lange Wimpern? Siehst du, dass die Natur dich schon geschminkt hat? Damit brauchst du dich nicht abzumühen. Wir machen uns nicht schön für die Jungs. Die kommen schon, wenn es so weit ist. Indianerin zusammen mit der Großmutter. Und Norwegerin in der Schule. Eigentlich total perfekt. Mia wurde es plötzlich ein wenig schlecht, von den Tabletten, in den kleinen Pillen steckten nicht nur Friede und Wohlbefinden, das kam ab und zu vor, sie machte sich nie die Mühe nachzusehen, welche Tabletten sie kombinierte. Sie stützte sich mit einer Hand an der Wand ab, bis das Schlimmste vorüber war, dann blieb sie noch eine Weile vor dem Spiegel stehen. Sah sich an. Ein letztes Mal.

Noch zehn Tage.

18. April.

Sie hatte nicht viel darüber nachgedacht, wie es sein würde. Der letzte Augenblick. Ob es wehtun würde. Ob es schwer sein würde loszulassen. Diese ganzen Geschichten darüber, wie das Leben vor den Augen der Sterbenden Revue passierte, glaubte sie nicht. Oder vielleicht stimmte es doch? Es spielte keine große Rolle. Mia Krüger hatte ihre Lebensgeschichte im Leib. Sie konnte ihr Leben im Spiegel sehen. Eine Indianerin mit norwegischen Augen. Lange schwarze Haare, die sie früher einfach abgeschnitten hatte, die ihr jetzt aber über die dünnen weißen Schultern hingen. Sie strich die Haare hinter das eine Ohr und musterte die Narbe am linken Auge. Ein drei Zentimeter langer Schnitt, ein Zeichen, das nicht verschwinden würde. Vernehmung einer Verdächtigen in einem Mordfall. Eine junge Lettin war aus dem Akerselv gefischt worden. Mia war unkonzentriert gewesen, hatte das Messer nicht gesehen, hatte zum Glück noch ausweichen können und war nicht blind geworden. Sie hatte mehre Monate lang eine Augenklappe tragen müssen, hatte es den Ärzten im Krankenhaus Ullevål zu verdanken, dass sie trotzdem noch auf beiden Augen sehen konnte. Sie hob vor dem Spiegel die linke Hand und sah sich die nicht vorhandene Fingerkuppe an. Noch ein Verdächtiger, ein kleiner Hof bei Moss, Vorsicht, bissiger Hund. Der Rottweiler hatte es auf ihren Hals abgesehen, aber sie hatte noch rechtzeitig die Hand heben können. Sie spürte noch immer die Zähne, spürte, wie die Panik sich in ihr ausgebreitet hatte, in den wenigen Sekunden, ehe sie die Pistole aus dem Holster ziehen und dem zähnebleckenden Köter ins Gesicht schießen hatte können. Sie ließ den Blick zu dem kleinen Schmetterling weiterwandern, den sie sich gleich über dem Rand der Unterhose auf die Hüfte hatte tätowieren lassen. Neunzehn Jahre alt und frei, in Prag. Sie hatte einen Spanier kennengelernt, einen Sommerflirt, sie hatten zu viel Becherovka getrunken und waren beide mit einer Tätowierung aufgewacht. Ihre war ein kleiner lila, gelber und grüner Schmetterling. Mia musste schmunzeln. Sie hatte mehrmals daran gedacht, ihn entfernen zu lassen, weil ihr jugendlicher Leichtsinn ihr peinlich war, und jetzt spielte es keine Rolle mehr. Sie berührte das kleine Silberarmband am rechten Handgelenk. Sie hatten beide eins zur Konfirmation bekommen, sie und Sigrid. Ein kindliches Armband, mit einem Herz, einem Anker und einem Buchstaben. M auf ihrem, S auf Sigrids. Am Abend nach dem Fest, als die Gäste nach Hause gegangen waren, hatten sie in ihrem Kinderzimmer in Åsgårdstrand gesessen, und dann hatte Sigrid plötzlich vorgeschlagen zu tauschen.

»Willst du meins, dann krieg ich deins?«

Seither hatte Mia das silberne Armband nie mehr abgelegt.

Die Tabletten machten sie jetzt noch abwesender, sie konnte sich im Spiegel kaum noch erkennen. Ihr Körper war wie ein Gespenst, weit weg. Eine Narbe am linken Auge. Ein kleiner Finger, dem die beiden äußersten Gelenke fehlten. Ein tschechischer Schmetterling über dem Bündchen der Unterhose. Dünne Arme und Beine. Eine Indianerin mit traurigen, fast toten blauen Augen, und dann konnte sie nicht mehr, wandte den Blick vom Spiegel ab, ging taumelnd unter die Dusche und blieb so lange unter dem warmen Wasser stehen, bis es am Ende eiskalt war.

Auf dem Weg hinaus vermied sie den Blick in den Spiegel. Ging nackt hinunter ins Wohnzimmer und trocknete sich vor dem Kamin ab, in dem niemand Feuer gemacht hatte. Ging in die Küche und schenkte sich noch einen Drink ein. Fand in einer Schublade neue Tabletten. Zerkaute sie und zog sich dabei an. Jetzt noch benommener. Rein von außen und bald auch von innen.

Mia zog Mütze und Jacke an und verließ das Haus. Wieder hinunter ans Meer. Setzte sich auf den Felsen und ließ den Blick am Horizont ruhen. Strandgefühle. Woher hatte sie das nur? Richtig, von einem Festival, das war es, einem antinorwegischen Filmfestival, angeleiert von Promis, die meinten, norwegische Filme müssten anders sein. Mia Krüger liebte Filme sehr, hatte aber nicht den Eindruck, dass der norwegische Film sich geändert hatte, nur weil jetzt keine Gefühle am Strand mehr erlaubt waren. Sie war immer sauer, wenn irgendwo ein armer Trottel versuchte, im Film einen Polizisten oder eine Polizisten zu porträtieren, meistens musste sie den Saal verlassen, aus Mitleid mit dem armen Schauspieler, dem dieser Text zugeteilt worden war und dem der Regisseur befohlen hatte, dies oder jenes zu tun, es war einfach zu peinlich. Nein, mehr Gefühl am Strand. Mia Krüger lächelte, trank einen Schluck aus der Flasche, die sie mitgenommen hatte. Wie gesagt, wenn sie nicht hergekommen wäre, um zu sterben, hätte sie sich gut vorstellen können, hier zu wohnen.

18. April.

Eines Tages war es ihr plötzlich aufgegangen, zu ihr gekommen wie eine Art Offenbarung, und seitdem war eigentlich alles in Ordnung gewesen. Sigrid war am 18. April 2002 tot aufgefunden worden. In einem Keller im Osloer Stadtteil Tøyen, auf einer angeschimmelten Matratze, die Nadel noch immer im Arm. Sie hatte nicht einmal den Riemen gelockert. Die Überdosis hatte sie voll erwischt. In zehn Tagen wäre es genau zehn Jahre her. Die klein süß schön wunderbare Sigrid, in einem schmutzigen Keller an einer Überdosis Heroin gestorben. Nur eine Woche nachdem Mia sie aus der Rehaklinik in Valdres abgeholt hatte.

Ach, Sigrid hatte damals so wunderbar ausgesehen, nach fast vier Wochen auf dem Land. Rote Wangen, ihr Lachen war wieder da. Auf der Autofahrt nach Oslo war es fast wieder wie früher gewesen, die beiden hatten gelacht und gespielt, wie zu Hause im Garten in Åsgårdstrand.

»Du bist Schneewittchen, und ich bin Dornröschen.«

»Aber ich will Dornröschen sein, warum muss ich immer Schneewittchen sein?«

»Weil du schwarze Haare hast, Mia.«

»Ach, deshalb?«

»Ja. Deshalb. Begreifst du das erst jetzt?«

»Ja.«

»Du bist dumm.«

»Bin ich nicht!«

»Nein, bist du nicht.«

»Warum müssen wir eigentlich Schneewittchen und Dornröschen spielen, wir müssen doch beide hundert Jahre schlafen und darauf warten, dass ein Prinz uns weckt. Das ist doch überhaupt nicht lustig, und wir sind doch allein hier?«

»Ach, eines Tages kommt er bestimmt, du wirst schon sehen, Mia, der kommt bestimmt.«

Bei Sigrid war der Prinz ein Idiot aus Horten gewesen. Er hatte sich als Musiker ausgegeben, hatte auch einer Art Band angehört, die nie spielte, sondern nur im Park saß und Hasch rauchte oder Speed einwarf oder fixte. Er. Dieser verdammte dünne aufgeblasene Versager. Mia Krüger konnte nicht einmal seinen Namen aussprechen, beim bloßen Gedanken an ihn wurde ihr so schlecht, dass sie aufstehen musste, durchatmen. Sie ging an den Felsen vorbei, vorbei am Bootshaus, und setzte sich auf den Kai. Sie konnte das Treiben weit drinnen im Land sehen. Menschen, die sich ihren Menschendingen widmeten. Wie spät es wohl war? Sie hielt die Hand an die Stirn und schaute in den Himmel. Sie tippte auf zwölf, oder eins, so sah der Sonnenstand aus. Sie trank einen Schluck aus der Flasche und merkte, dass die Tabletten jetzt wirkten, ihr die Sinne nahmen, sie gleichgültig machten. Sie ließ die Beine über die Kaikante baumeln und hielt das Gesicht in die Sonne.

Markus Skog.

Sigrid war achtzehn gewesen, der Idiot zweiundzwanzig. Der Idiot war nach Oslo gezogen, hatte angefangen, am Bahnhof herumzulungern. Einige Monate später war Sigrid ihm gefolgt.

Vier Wochen Reha. Mia hatte ihre Schwester nicht zum ersten Mal aus einer Klinik geholt, aber alles war ihr so anders vorgekommen. Ganz neue Motivation. Nicht nur das Junkielächeln nach solchen Aufenthalten, lügen, lügen, lügen, nur darauf warten, rauszukommen und den nächsten Schuss zu setzen, nein, in ihren Augen hatte etwas Neues gelegen. Sie hatte sicherer gewirkt, fast wieder wie ihr altes Ich.

Mia hatte im Laufe der Jahre so oft an ihre Schwester gedacht, dass sie davon fast ein Loch im Kopf hatte. Warum ausgerechnet Sigrid? Weil sie sich langweilte? Wegen der Eltern? Nur wegen eines dünnen schlaksigen Scheißidioten? Aus Liebe, sozusagen?

Die Mutter konnte streng sein, aber so schlimm war das auch wieder nicht. Der Vater konnte zu lieb sein, aber das durfte doch keine Rolle spielen? Eva und Kyrre Krüger hatten die Zwillinge gleich nach der Geburt adoptiert. Es war schon vorher mit deren Mutter so abgesprochen gewesen, sie war jung, allein, konnte nicht, wollte nicht, durfte sie nicht behalten. Und für das kinderlose Ehepaar war es wie ein Geschenk des Himmels, die Mädchen waren genau das, was sie sich gewünscht hatten, es war das pure Glück.

Sie, die Mutter, Eva, Lehrerin an der Grundschule von Åsgårdstrand. Er, der Vater, Kyrre, Farbhändler, ihm gehörte der Laden Ole Krügers Nachf. mitten in Horten. Mia hatte gesucht und gesucht, nach Gründen in ihrem Elternhaus, die eine Art Antwort auf die Frage geben könnten, warum Sigrid als Junkie geendet war, hatte aber keine gefunden.

Markus Skog.

Es war seine Schuld.

Nur eine Woche nach der Rückkehr aus Valdres. Es war so schön gewesen für sie beide in der Wohnung in der Vogts gate. Sigrid und Mia, Mia und Sigrid. Schneewittchen und Dornröschen. Wieder die Unzertrennlichen. Mia hatte sich sogar einige Tage freigenommen, zum ersten Mal seit Gott weiß wann. Dann, eines Abends, der Zettel auf dem Küchentisch:

Muss nur kurz mit M sprechen.

Bald wieder da. S.

Mia Krüger erhob sich vom Kai und stapfte zurück zum Haus. Sie taumelte ein bisschen. Es war Zeit für weitere Tabletten. Und noch einen Drink.

• 5 •

Holger Munch hatte das Fahren satt und bog ab, um eine Pause zu machen. Er fand einen Rastplatz und stieg aus. Sich ein wenig die Füße vertreten … Es war nicht mehr sehr weit, er war nur noch wenige Kilometer vom Hitratunnel entfernt, aber es gab keinen Grund zur Eile. Der Mann, der ihn mit dem Boot auf die Insel bringen sollte, würde das erst nach zwei Uhr machen können, aus irgendeinem Grund, nach dem Holger Munch nicht hatte fragen mögen. Der Kollege aus dem Ort, mit dem er gesprochen hatte, hatte nicht sonderlich aufgeweckt gewirkt. Keine Vorurteile gegen die Polizei auf dem Land, aber Holger war von Oslo her ein etwas anderes Tempo gewöhnt. Natürlich jetzt nicht mehr, die Polizei von Ringerike gehörte zweifelsohne nicht zu den Schnellsten im Land. Munch fluchte leise und widmete Mikkelson einen hasserfüllten Gedanken, nahm ihn aber rasch zurück. Es war nicht Mikkelsons Schuld. Interne Ermittlungen, und etwas musste danach im Haus passieren, das wusste er zwar, aber dennoch.

Munch setzte sich auf eine Bank und steckte sich eine Zigarette an. In diesem Jahr war der Frühling zeitig nach Trøndelag gekommen. Das erste Grün war an den Bäumen zu sehen, und der Schnee war fast ganz verschwunden. Nicht dass er viel darüber gewusst hätte, wann es in Trøndelag normalerweise Frühling wurde, aber er hatte gehört, wie im Lokalradio davon die Rede gewesen war. Er hatte die Musik unterbrochen, um Nachrichten zu hören. Ob sie es noch immer geheim halten konnten, oder ob irgendein Idiot unten in Grønland die Sache an einen ausgehungerten Journalisten mit prallgefüllter Brieftasche hatte durchsickern lassen, aber nichts, zum Glück. Kein Wort über das kleine Mädchen, das in Maridalen an einem Baum gehangen hatte.

Das Telefon hatte auf der ganzen Fahrt geklingelt und geplingt, aber Holger hatte nicht reagiert. Wollte beim Fahren weder telefonieren noch SMS verschicken. Er hatte genug Fälle gehabt, in denen jemand von der Straße abgekommen oder mit einem anderen Wagen zusammengestoßen war, nur wegen einer kurzen Unaufmerksamkeit. Außerdem eilte hier überhaupt nichts. Und ein wenig frei zu haben tat auch gut. Er gestand es sich eigentlich nur ungern ein, aber manchmal konnte ihm alles zu viel werden. Die ganze Arbeit. Und die kleinen Vorkommnisse in der Familie. Er hatte nichts dagegen, seine Mutter im Pflegeheim zu besuchen. Er hatte nichts dagegen, seiner Tochter bei den Hochzeitsvorbereitungen zu helfen. Er hatte schon gar nichts gegen die Zeit, die er mit Marion verbringen konnte, seiner Enkelin, die gerade sechs geworden war, aber irgendetwas stimmte einfach nicht.

Er und Marianne. Er hatte sich eigentlich nie vorgestellt, dass es auch anders sein konnte. Und selbst jetzt, nach zehn Jahren, hatte er immer noch das Gefühl, dass etwas in ihm so zerstört war, dass es nicht mehr repariert werden konnte.

Er verscheuchte seine Gedanken und überprüfte das Telefon. Noch zwei unbeantwortete Anrufe von Mikkelson, er wusste, worum es ging, kein Grund zurückzurufen. Noch eine Mitteilung von Miriam, seiner Tochter, kurz und unpersönlich, wie immer. Einige Anrufe von Marianne, seiner Exfrau. Scheiße, er hatte vergessen, im Pflegeheim anzurufen. Es war Mittwoch. Er hätte es eigentlich tun müssen, ehe er sich ins Auto gesetzt hatte. Er suchte sich die Nummer, stand auf und schüttelte die Beine aus.

»Pflegeheim Høvikvei, Karen.«

»Ja, hallo, Karen. Hier ist Holger Munch.«

»Hallo, Holger, wie geht’s?«, antwortete die sanfte Stimme am anderen Ende, beinahe wäre Munch rot geworden, er hatte damit gerechnet, dass wie immer eine der älteren Angestellten den Anruf beantworten würde.

Meine Fresse, Holger, neuer Pullover? Meine Fresse, Holger, neue Jacke? Meine Fresse, Holger, hast du dir den Bart gestutzt?

»Ganz gut eigentlich«, antwortete Munch. »Aber ich muss dich noch mal um einen Gefallen bitten.«

»Schieß los, Holger«, lachte die Frau am Telefon.

Sie waren einige Jahre auf Grüßfuß gewesen. Karen. Eine von den Angestellten im Heim, wo seine alte Mutter anfangs einfach nicht hatte wohnen wollen, wo sie jetzt aber wohl doch zur Ruhe gekommen war.

»Wieder Mittwoch«, sagte Munch seufzend.

»Und du schaffst es nicht?«

»Nein, leider nicht«, sagte Munch. »Ich bin unterwegs.«

»Alles klar«, sagte Karen und lachte wieder. »Ich werde sehen, ob jemand von hier sie fahren kann, wenn nicht, kann ich vielleicht ein Taxi rufen.«

»Das zahle ich natürlich«, sagte Munch rasch.

»Kein Problem.«

»Danke, Karen.«

»Tu ich doch gern, Holger, und ich gehe mal davon aus, dass du es nächsten Mittwoch schaffst?«

»Denke schon.«

»Schön, dann sehen wir uns vielleicht?«

»Ja, das kann schon sein«, würgte Munch heraus. »Vielen Dank jedenfalls, ja, und grüß sie von mir.«

»Mach ich.«

Munch beendete das Gespräch und setzte sich wieder auf die Bank.

Warum lädst du sie nicht mal ein? Was kann das schaden? Eine Tasse Kaffee? Ein Kinobesuch?

Er verdrängte diesen Gedanken, als eine Mail eintraf. Er war dagegen gewesen, diese neuen Telefone, wo alles an einem Ort gesammelt war, konnte er nie seine Ruhe haben? Im Moment war ihm das nur recht. Er lächelte, als er die Mail öffnete und eine neue Aufgabe von Juri las, einem Russen, den er einige Jahre zuvor im Netz kennengelernt hatte. Auf der Pinnwand von math2.org, alle Nerds der Welt an einem Ort versammelt. Juri war ein Professor von Mitte sechzig aus Minsk. Holger hätte ihn nicht als Freund bezeichnet, er war ihm ja schließlich nie begegnet, aber sie hatten Mailadressen getauscht und waren sporadisch in Kontakt. Schachdiskussionen und ab und zu eine Runde gemeinsames Gehirntraining, so wie jetzt.

Wasser strömt in einen Tank. Das Wasser verdoppelt sich jede Minute. In einer Stunde ist der Tank voll. Wie lange dauert es, bis er halbvoll ist? J.

Munch steckte sich eine neue Zigarette an und überlegte kurz, dann hatte er die Antwort. Witzig. Er mochte Juri. Er hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, ihn einmal zu besuchen, warum eigentlich nicht? Er war noch nie in Russland gewesen, warum sich nicht mit Leuten treffen, die man im Netz kennengelernt hat? Er hatte jetzt mehrere solcher Bekannter, mrmischigan40 aus den USA, margrete_08 aus Schweden, Birrrdman aus Südafrika. Schach- und Mathenerds, aber vor allem Menschen, so wie er, also, warum nicht? Eine Reise machen, neue Leute kennenlernen, das musste doch möglich sein? Er war doch noch nicht so alt? Und wann war er eigentlich zuletzt verreist? Er sah für einen Moment sein Spiegelbild im Display und legte das Telefon auf die Bank.

Vierundfünfzig. Er hatte das Gefühl, dass das Alter nicht ganz stimmte. Er fühlte sich viel älter. Allein an dem Tag, an dem Marianne ihm von dem Lehrer aus Hurum erzählt hatte, war er zehn Jahre älter geworden. Er hatte versucht, Ruhe zu bewahren. Er hatte es wohl irgendwie auch geahnt. Die langen Tage bei der Arbeit und seine allgemeine Zerstreutheit, weit weg in Gedanken, auch wenn er ein seltenes Mal zu Hause war. Irgendwann hätte das wohl Konsequenzen gehabt, aber jetzt und so? Sie war total locker gewesen, als ob sie ihre Argumente ausführlich vorbereitet hätte. Sie hatten sich bei einem Seminar kennengelernt. Waren in Kontakt geblieben. Die Gefühle hatten sich entwickelt. Jetzt hatten sie sich einige Male heimlich getroffen, und sie wollte nicht länger mit einer Lüge leben. Er hatte doch nicht die Ruhe bewahren können. Er, der noch nie die Hand gegen einen anderen Menschen erhoben hatte. Er hatte gebrüllt und geschrien und Teller an die Wand geworfen. Er war hinter ihr hergerannt. Er schämte sich noch immer. Miriam war weinend aus ihrem Zimmer gekommen. Damals fünfzehn, jetzt fünfundzwanzig und heiratslustig. Fünfzehn Jahre, und auf der Seite ihrer Mutter. Kein Wunder eigentlich. Wie oft war er denn überhaupt zu Hause gewesen, und für sie da gewesen, in diesen Jahren?

Er musste sich zwingen, Miriams Mitteilung zu beantworten, sie war so kurz und abweisend, eine Art Symbol dafür, wie ihre Beziehung war und gewesen war, auch daran musste er jetzt denken, als ob der Ordner, der im Auto lag, nicht genug wäre.

Kannst du noch ein paar Tausender dazuschießen? Wir wollen auch Vettern und Kusinen einladen. M

Hochzeit. Natürlich, schrieb er und fügte einen Smiley hinzu, löschte ihn aber wieder. Er sah zu, wie die Mitteilung versandt wurde, und dachte dabei an Marion, seine Enkelin. Miriam hatte ihm gleich nach der Geburt erklärt, sie sei nicht sicher, ob er Kontakt zu der Kleinen verdiene. Zum Glück hatte sie ihre Meinung geändert. Jetzt freute er sich vor allem auf diese Treffen. Die Stunden mit der wunderbar ehrlichen Marion, ein Licht im Alltag, der, um ganz ehrlich zu sein, reichlich finster war nach der Versetzung zurück nach Hønefoss.

Nach der Scheidung hatte er Marianne das Haus überlassen. Es war ihm richtig vorgekommen, denn so brauchte Miriam nicht von Freundinnen und Schule und Handball wegzuziehen. Er hatte sich eine kleine Wohnung in Bislet gekauft, gerade nah genug zur Arbeit und weit genug davon entfernt. Er hatte die Wohnung auch nach der Versetzung behalten und wohnte jetzt in einer kleinen Unterkunft im Ringvei, nicht weit von der Wache in Hønefoss. Noch immer mit seinen Habseligkeiten in Pappkartons. Er hatte nicht viel mitgenommen, hatte mit einer raschen Rückkehr gerechnet, sowie der Staub sich gelegt hätte, aber jetzt, fast zwei Jahre später, hauste er noch immer dort, hatte nicht ausgepackt, war nirgendwo zu Hause.

Hör auf, dir selbst leidzutun. Es gibt Leute, denen es viel schlimmer geht.

Munch drückte die Zigarette aus und dachte wieder an den Ordner im Auto. Ein sechs Jahre altes Mädchen war in Maridalen an einem Baum aufgehängt gewesen und von einem zufälligen Spaziergänger gefunden worden. So einen Fall hatte er lange nicht mehr gehabt. Kein Wunder, dass die Kollegen in Grønland ins Schwitzen kamen.

Er griff wieder zum Telefon und schickte Juri eine Antwortmail.

59 Minuten. ;) HM

Munch wollte es sich nicht eingestehen, aber der Ordner neben ihm im Auto jagte ihm kalte Schauer über den Rücken. Er ließ den Motor an, fuhr zurück auf die Hauptstraße und nahm Kurs nach Osten und nach Hitra auf.

• 6 •

Der Mann mit der Adlertätowierung am Hals hatte zur Feier des Tages einen Rollkragenpullover angezogen. In den alten Zeiten war er gern im Bahnhof Oslo S gewesen, das Gewimmel war perfekt für einen Mann in seinem Metier, aber jetzt gab es überall so viele Kameras und kaum noch Möglichkeiten, sich zu verstecken. Er hatte seine Treffen und Transaktionen schon längst in andere Arenen verlegt, an Orte, wo man nicht so leicht entdeckt werden konnte, wenn es sich herausstellte, dass auf die Transaktionen größere Ermittlungen folgten, das kam nur selten vor, er operierte nicht mehr in so großem Maßstab, aber dennoch, es war immer besser, auf Nummer sicher zu gehen.

Der Mann mit der Adlertätowierung am Hals zog sich den Hut tiefer ins Gesicht und betrat den Bahnhof. Nicht er hatte diesen Schauplatz ausgesucht, aber die angebotene Summe war so hoch, dass er einfach die Befehle ausführte. Wie der Käufer ihn gefunden hatte, ahnte er nicht, er hatte nur eines Tages eine MMS erhalten mit einem Bild, einer Aufgabe und einer Summe. Und er hatte sich wie immer verhalten, hatte mit okay geantwortet, ohne Fragen zu stellen. Eine seltsame Aufgabe, zweifellos, er hatte noch nie mit etwas Ähnlichem zu tun gehabt, aber wie gesagt, in seiner langen Laufbahn hatte er gelernt, keine Fragen zu stellen, sondern den Auftrag auszuführen und den Lohn einzukassieren. So war er durch das Leben gekommen, und noch immer genoss er da draußen in der Welt der Schatten einen guten Ruf. Auch wenn es immer weniger Aufträge gab und die Beträge sanken, kam es doch ab und zu vor, dass ihm etwas Großes in die Hände fiel, woran er etwas verdienen konnte. So wie das hier. Eine bizarre Bitte, ja, überaus seltsam, aber gut bezahlt, und genau das wollte er jetzt, bezahlt werden.

Sakko, ordentliche Hose, geputzte Schuhe, Diplomatenkoffer, Rollkragenpullover und sogar eine Brille mit Fensterglas. Der Mann mit der Adlertätowierung am Hals sah aus wie das Gegenteil seiner selbst, und das war auch der Sinn der Sache. Schließlich konnte man in seinem Metier nie so genau wissen, wann die Polizei alle Aufnahmen durchsehen würde, und da war es besser, wie gesagt, auf Nummer sicher zu gehen. Er sah aus wie ein Buchhalter oder wie ein ganz normaler Geschäftsmann. Auch wenn man es vielleicht nicht glauben mochte, war der Mann mit der Adlertätowierung am Hals ziemlich eitel. Er wollte keineswegs für einen von der eitlen Elite, einen feinen Pinkel gehalten werden, ihm gefielen sein grobes Aussehen, die Tätowierung und die Lederjacke. Die blöde Hose scheuerte im Schritt, und er kam sich vor wie ein Idiot. Das lächerliche Sakko und die doofen braunen Schuhe. Aber wenn schon. Die Summe, die jetzt in einem Schließfach auf ihn wartete, war es wert. Absolut wert. Er war jetzt schon seit einer ganzen Weile pleite, und er brauchte das Geld. Ein Fest, das wollte er sich gönnen. Er lächelte ein wenig unter der ungewohnten Brille und ging gemächlich durch die Bahnhofshalle.

Die erste Mitteilung war vor etwa einem Jahr gekommen, und ihr waren weitere gefolgt. Eine MMS mit einem Bild und einer Summe. Beim ersten Mal hatte er gedacht, das solle ein Witz sein, die Anfrage war so absurd und seltsam, aber er hatte den Auftrag ausgeführt. Und war bezahlt worden. Beim nächsten Mal das Gleiche. Und danach wieder. Und dann war es egal, worum es ging.

Er blieb vor dem Kiosk stehen und kaufte eine Zeitung und eine Packung Tabak. Ein ganz normaler Tag auf dem Heimweg nach Feierabend. Nichts Unnormales war an diesem Buchhalter auszumachen. Er klemmte sich die Zeitung unter den Arm und steuerte auf die Schließfächer zu. Trat vor den Eingang zu den Fächern und schickte die SMS.

Bin hier

Er wartete die Antwort ab. Wie immer kam die ziemlich schnell. Die Nummer des Schließfachs und der Code, um es zu öffnen. Er schaute sich vorsichtig um, dann suchte er nach dem passenden Fach. Eins musste man Oslo S lassen, es war Schluss mit all den Schlüsseln, die in Seitenstraßen oder Hauseingängen den Besitzer wechseln mussten. Man brauchte jetzt nur noch einen Code. Der Mann mit der Adlertätowierung am Hals gab die Ziffern ein und hörte ein Klicken, als die Tür aufsprang. Der gleiche braune Briefumschlag wie immer lag im Fach. Er nahm den Umschlag heraus und versuchte, sich nicht umzusehen, sich so unverdächtig zu verhalten wie möglich, bei den vielen Überwachungskameras, dann öffnete er den Diplomatenkoffer und legte den Umschlag hinein. Er stellte mit einem Lächeln um die Lippen fest, dass der Umschlag diesmal viel dicker war. Der letzte Auftrag. Zeit für die Endabrechnung. Er verließ die Schließfächer, ging die Treppe hoch, durch die Halle und weiter zu Burger King, wo er sich auf der Toilette einschloss. Er öffnete ungeduldig den Koffer und nahm den Umschlag heraus. Er grinste breit, als er den Inhalt sah. Dort lag nicht nur die vereinbarte Summe, in Zweihundertern, wie er es immer verlangte, sondern auch noch eine kleine Tüte mit weißem Pulver. Der Mann mit der Adlertätowierung am Hals öffnete die durchsichtige Tüte, kostete vorsichtig den Inhalt und grinste noch breiter. Er hatte keine Ahnung, wer sein Auftraggeber war, aber der verfügte offenbar über gute Beziehungen und ausreichend Informationen. Wer ihn kannte, wusste um seine große Vorliebe für dieses Pulver.

Er nahm sein Telefon und schickte wie immer eine SMS.

Ok. Danke.

Er bedankte sich normalerweise nicht, das hier war reines Geschäft, nichts Persönliches, aber er konnte es sich diesmal nicht verkneifen, bei der zusätzlichen Belohnung und überhaupt. Nach einigen Sekunden kam die Antwort.

Viel Spaß

Der Mann mit der Adlertätowierung am Hals legte Umschlag und Tüte zurück in den Diplomatenkoffer und ging wieder in die Bahnhofshalle.

• 7 •

Mia Krüger saß auf dem Felsen und hatte sich eine weiße Pudelmütze über die rabenschwarzen Haare gezogen und sich in eine Decke gehüllt. Es war mitten am Tag. In der Apotheke hatte sie jemanden sagen hören, der Frühling sei dieses Jahr früh nach Trøndelag zurückgekehrt, aber Mia Krüger fror fast immer und hatte von dieser angeblichen Wärme nicht viel bemerkt.

Noch sechs Tage. Sechs leere Felder im Kalender in der Küche, und sie spürte, dass sie sich freute.

Der Tod ist nicht so schlimm.

Dieses Gefühl hatte sich in den letzten Tagen in ihr immer vorbehaltloser festgesetzt. Die Ruhe. Die Gewissheit, bald erlöst zu sein. Sie nahm zwei Tabletten aus der Anoraktasche und spülte sie mit dem Inhalt der mitgebrachten Flasche hinunter. Mia lächelte und schaute auf das Meer. Ein Fischkutter glitt am Horizont vorbei. Die Aprilsonne färbte die Wolken, und das Wasser unterhalb der Felsen glitzerte. In den letzten Tagen hatte Mia viel nachgedacht. Über die, die ihr nahestanden oder die ihr nahegestanden hatten. Jetzt war sie allein übrig, und bald würde auch sie nicht mehr da sein. Auf diesem Planeten. In dieser Wirklichkeit, wie die Großmutter gesagt hätte. Mia lächelte und trank wieder einen Schluck aus der Flasche.

Sigrid war immer der Augenstern aller gewesen. Sigrid mit den langen blonden Haaren. Die in der Schule so gut war. Die Querflöte und Handball spielte, die mit allen befreundet war. Mia hatte Sigrid diese Aufmerksamkeit nie geneidet. Sigrid war keine, die ihre Beliebtheit in etwas Negatives kehrte, nie ein böses Wort zu irgendwem, über irgendwen. Sigrid war einfach die phantastische Sigrid, aber es war schön gewesen, wenn die Großmutter Mia beiseitenahm und ihr sagte, sie sei etwas Besonderes.

Du bist etwas ganz Besonderes, weißt du das? Die anderen Kinder sind auch fein, aber du weißt allerlei, Mia, nicht wahr? Du siehst Dinge, die die anderen nicht so ganz mitbekommen.

Obwohl die Großmutter nicht ihre richtige Großmutter gewesen war, hatte sie immer das Gefühl gehabt, dass sie etwas Besonderes miteinander verband. Irgendein Band, eine Verwandtschaft. Vielleicht, weil die Großmutter Mia fast wie eine Freundin behandelte, eine Art Mitschuldige im Anderssein. Die Großmutter hatte Mia allerlei aus ihrem Leben erzählt, hatte kein Blatt vor den Mund genommen, wenn etwas wichtig war. Dass sie viele Männer gehabt hatte, dass man sich vor Männern nicht so fürchten sollte, die seien doch eigentlich nur harmlose Karnickelchen. Und dass sie hellsichtig sei, und dass es noch andere Wirklichkeiten gebe außer dieser, deshalb brauche man sich auch vor dem Tod nicht so zu fürchten. Es ist nur das Christentum, hatte die Großmutter gesagt, das den Tod als etwas Schlechtes erfunden hat, damit wir uns vor ihrem Gott fürchten, der Tod ist die Hölle oder der Himmel, sie behaupten jedenfalls, mit dem Tod sei alles aus, aber weißt du was, Mia, Oma ist sich gar nicht so sicher, dass der Tod wirklich das Ende ist. Ich habe jedenfalls keine Angst.

Zu Hause in Åsgårdstrand wurde die Großmutter von bösen Zungen Hexe genannt, aber das hatte sie nicht weiter interessiert. Mia begriff sofort, was die Leute meinten, die wilde graue Mähne über den klaren blauschwarzen Augen, die Großmutter war nicht wie die anderen. Sie redete im Laden laut über die seltsamsten Dinge, und oft saß sie die ganze Nacht in ihrem Garten und schaute den Mond an und lachte vor sich hin. Sie konnte Dinge, die die Menschen im Mittelalter sicher als Hexenkünste bezeichnet hätten, und sie hatte Mia fast wie einen kleinen Lehrling zu sich genommen.

Mia konnte sich glücklich schätzen. Sie war in geborgener Umgebung aufgewachsen. Mit einer lieben Mutter und einem phantastischen Vater, mit der Großmutter nur ein Haus weiter. Einer Großmutter, die sie gesehen hatte, gesehen, wer sie war, die gesagt hatte, sie sei etwas Besonderes.

Leichte Schritte, Mia, nicht vergessen, immer leichte Schritte.

Die letzten Worte der Großmutter auf dem Sterbebett, mit einem Zwinkern für ihre ganz besondere Freundin. Mia prostete mit der Flasche den Wolken zu.

Der Tod ist nicht schlimm.

Noch sechs Tage.

Von den Tabletten aus dem Anorak wurde sie schläfrig. Mia Krüger nahm noch zwei und ließ sich gegen den Felsen sinken.

Du bist etwas ganz Besonderes, Mia, weißt du das?

Vielleicht hatte sie sich deshalb für die Polizeischule entschieden? Um etwas ganz anderes zu machen? Sie hatte in den letzten Tagen daran gedacht, warum diese Entscheidung? Sie konnte die Puzzleteile nicht mehr richtig zusammenfügen. Die Zeit verschob sich. War in ihrem Kopf nicht so, wie sie sein sollte. Sigrid war nicht mehr die kleine blonde Sigrid, sie war jetzt die drogensüchtige Sigrid. Der Albtraum. Die Eltern waren innerlich abgestorben, hatten sich von der Welt entfremdet, voneinander, von ihr. Sie war in die Stadt gezogen, hatte versucht zu studieren, ohne Begeisterung, sie hatte es nicht einmal über sich gebracht, zu den Prüfungen zu erscheinen. Vielleicht hatte die Polizeischule sie ausgewählt? Weil sie die Welt von Kreaturen wie Markus Skog befreien sollte?

Mia erhob sich und taumelte auf den Steg. Sie leerte die Flasche und steckte sie in die Anoraktasche. Fand noch zwei Tabletten, schluckte sie trocken. Die Möwen hatten sie verlassen und widmeten sich dem Fischkutter, und das einzige Geräusch hier draußen waren die Wellen, die rhythmisch an die Felsen schlugen.

Sie hatte auf ihn geschossen.

Markus Skog.

Zweimal. Mitten in die Brust.