Fahrenheit 451 - Ray Bradbury - E-Book + Hörbuch

Fahrenheit 451 E-Book

Ray Bradbury

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Beschreibung

Fahrenheit 451 ist die Temperatur, bei der »Bücherpapier Feuer fängt und verbrennt«. In Ray Bradburys Zukunftsvision ist die Feuerwehr nicht mehr mit Wasserspritzen ausgerüstet, sondern mit Flammenwerfern, die genau diesen Hitzegrad erzeugen, um die letzten Zeugnisse individualistischen Denkens die Bücher zu vernichten. Da beginnt der Feuerwehrmann Guy Montag, sich Fragen zu stellen Die beängstigende Geschichte von einer Welt, in der das Bücherlesen mit Gefängnis und Tod bestraft wird, ist ein zeitloses Plädoyer für das freie Denken.

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Seitenzahl: 251

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Ray Bradbury

Fahrenheit 451

Roman

Aus dem Amerikanischen von Fritz Güttinger

Titel der 1953 bei

Ballantine Books, Inc., New York,

erschienenen Originalausgabe:

›Fahrenheit 451‹

Copyright ©1953 by Ray Bradbury

Die deutsche Erstausgabe erschien

1955 im Arche Verlag, Zürich

Der Text folgt der 2003 vom Autor

überarbeiteten Jubiläumsausgabe,

welche eine neue Einleitung (deutsch von Marion Hertle)

und das neue Nachwort ›Feuerspracht‹

(deutsch von Hans-Christian Oeser) enthält

Die Übersetzung wurde 2008 für die

Ausgabe Ray Bradbury, ›Space Opera in drei Bänden‹,

überarbeitet

Umschlagzeichnung von Edward Gorey

Für Don Congdon, in Dankbarkeit

Alle deutschen Rechte vorbehalten

Copyright ©2015

Diogenes Verlag AG Zürich

www.diogenes.ch

ISBN Buchausgabe 978 3 257 20862 7 (30.Auflage)

Die grauen Zahlen im Text entsprechen den Seitenzahlen der im Impressum genannten Buchausgabe.

[5]Inhalt

Eine neue Einleitung  [9]

I  Häuslicher Herd und Salamander  [15]

II  Das Sieb und der Sand  [97]

III  Helles Feuer  [149]

[6]Fahrenheit 451 (232° Celsius):

der Hitzegrad,

[7]Wenn man dir liniertes Papier gibt,

schreibe quer über die Zeilen

[9]Eine neue Einleitung

von Ray Bradbury 12.März 2003

Was lässt sich noch Neues über Fahrenheit 451 sagen? Ich habe in den letzten dreißig Jahren drei oder vier Einleitungen dazu geschrieben und versucht zu erklären, woher der Roman gekommen ist und wie er schließlich seinen Weg fand.

Zunächst: Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich lange genug am Leben geblieben bin, um mit all den Menschen zu sprechen, die dem Roman in diesem Jubiläumsjahr ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben.

Der Roman war damals eine Überraschung für mich – und ist es noch heute.

Ich habe schon immer aus voller Lunge und aus meinen tiefsten Tiefen geschrieben und bin dem Rat meines alten Freundes Federico Fellini gefolgt, der, wenn man ihn nach seiner Arbeit fragte, antwortete: »Sagen Sie mir nicht, was ich tue, ich will’s nicht wissen.«

Am besten ist es, sich hineinzustürzen und herauszufinden, was die eigene Leidenschaft hervorbringt.

Vor fünfzig Jahren habe ich eine kurze Version des Romans geschrieben – mit 25000 Wörtern und dem Titel Der Feuerwehrmann, erschienen ist sie im Magazin Galaxy Science Fiction; etwas später ergänzte ich sie für die Veröffentlichung im Verlag Ballantine Books um weitere 25000 Wörter.

[10]Weil wir zu Hause eine neugeborene Tochter hatten, musste ich zum Schreiben einen etwas ruhigeren Ort finden. Ein Büro zu mieten konnte ich mir damals nicht leisten, aber als ich eines Tages in der University of California in Los Angeles umherwanderte, hörte ich unterhalb der Bibliothek Schreibmaschinengeklapper und ging hinunter, um nachzusehen: Es stellte sich heraus, dass es dort einen Raum mit zwölf Schreibmaschinen gab, die man für 10Cent pro halbe Stunde mieten konnte. Voller Tatendrang besorgte ich mir einen Sack Münzen und zog in den Schreibraum ein.

Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was die vielen Studenten auf ihren Schreibmaschinen tippten, und sie wussten wohl kaum, was ich schrieb – genauso wenig wie ich selbst.

Wenn der Roman in irgendeiner Form spannend ist, liegt das vermutlich daran, dass ich während der nächsten anderthalb Wochen etwa alle zwei Stunden treppauf und treppab lief, zwischen die Regale stürmte, Bücher herausgriff und versuchte, passende Zitate darin zu finden. Ich bin kein Wissenschaftler, und mein Gedächtnis funktioniert bei Dingen, die ich irgendwann gelesen habe, nicht besonders; deshalb sind die Zitate im Buch diesen wunderbaren Zufällen zu verdanken: Ich nahm ein Buch vom Regal und fand, indem ich es einfach irgendwo aufschlug, einen erstaunlichen Satz oder Absatz, den ich für meinen Roman verwenden konnte.

Für diese erste Version habe ich genau neun Tage und neun Dollar und achtzig Cent gebraucht, ohne dass mir damals bewusst gewesen wäre, dass das Buch ein recht langes Leben vor sich hatte.

Seit der Erstveröffentlichung habe ich es zu einem Theaterstück in zwei Akten umgeschrieben und zwei Sommer in [11]Connecticut damit verbracht, aus dem Text eine Opernfassung zu erstellen. Das Buch scheint ein Eigenleben zu haben, sich immer wieder selbst zu erfinden.

Wenn ich versuche, seine Entstehung in den Jahren vor 1950 zu rekonstruieren, stoße ich auf Geschichten wie Burning Bright und ein paar andere Erzählungen, die in meinen frühen Büchern erschienen sind.

Das wichtigste jedoch ist die Tatsache, dass ich mein Leben lang ein Bibliothekenmensch war. Bis zum Alter von 22 habe ich Zeitschriften verkauft und konnte mir das College nicht leisten, aber lange Zeit verbrachte ich drei oder vier Nächte die Woche in der Stadtbibliothek und verschlang Bücher.

Einige meiner ersten Geschichten drehen sich um Bibliothekare und Bücherverbrenner und um Menschen in kleinen Städten, die Bücher auswendig lernen, um ihnen, falls sie verbrannt würden, eine Art Unsterblichkeit zu sichern.

Die größte Überraschung bei diesem Buch ereignete sich, als ich 1949 die Geschichte Der Fußgänger schrieb.

Als ich eines Nachts mit einem Freund in Los Angeles spazieren ging, wurde ich von der Polizei behelligt. Der Polizist wollte von uns wissen, was wir taten. Dabei war nichts als Gehen unser Ziel und Reden unsere Beschäftigung.

Diese Kontrolle ärgerte mich so, dass ich nach Hause ging und die Geschichte Der Fußgänger schrieb, über eine Zukunft, in der Fußgänger für die Benutzung des Gehsteigs verhaftet wurden.

Etwas später schickte ich meinen Fußgänger auf einen Spaziergang, und als er um eine Ecke bog, traf er auf ein junges Mädchen namens Clarisse McClellan, die einen tiefen [12]Atemzug nahm und sagte: »Ich weiß, wer Sie sind, denn Sie riechen nach Kerosin. Sie sind der Mann, der Bücher verbrennt.«

Neun Tage später war der Roman fertig.

Was für eine wunderbare Erfahrung es war, vom Keller der Bibliothek hinauf- und hinabzustürmen und mich selbst immer von neuem zu befeuern durch die Berührung und den Geruch von Büchern, die ich kannte und Büchern, die ich bis zu diesem Augenblick überhaupt nicht kannte.

Als die erste Fassung meines Romans beendet war, wusste ich kaum, was ich getan hatte. Ich wusste, dass er voller Metaphern steckte, aber das Wort ›Metapher‹ war mir zu diesem Zeitpunkt meines Lebens noch nicht untergekommen. Erst viel später lernte ich das Wort und erkannte, wie ausgeprägt meine Fähigkeit war, Metaphern zu finden.

In den Jahren, in denen ich an meinem Zweiakter und der Oper schrieb, ließ ich mir von meinen Figuren Dinge aus ihrem Leben erzählen, die nicht im Roman vorkommen.

Die Versuchung war groß, diese Wahrheiten auch in den alten Text einzubauen. Aber das ist ein gefährliches Vorhaben, das sich Schriftsteller verbitten müssen. Selbst wenn sie wichtig sind, könnten diese Wahrheiten ein Werk, das Jahre zuvor abgeschlossen wurde, ruinieren.

Während ich das Theaterstück schrieb, verriet mir mein Hauptmann Beatty, warum er zum Bücherverbrenner geworden war.

Er war ein Bibliothekengänger und Liebhaber großer Literatur gewesen. Aber als ihm die Wirklichkeit zusetzte, als Freunde starben, als eine Liebe scheiterte, als ihn Todes- [13]und Unfälle umgaben, merkte er, dass ihn sein Glaube an die Bücher im Stich gelassen hatte, weil sie ihm nicht helfen konnten, wenn er Hilfe brauchte.

Als er sich ihnen wieder zuwandte, hatte er ein brennendes Streichholz in der Hand.

Das ist also eines der Details, die durch das Stück und die Oper zutage gefördert wurden. Ich bin froh, dass ich jetzt darüber sprechen und Ihnen von Beattys Hintergrund erzählen kann.

In den Jahren nach dem Erscheinen des Buchs bekam ich hunderte von Briefen, die nach dem Schicksal von Clarisse McClellan fragten. Die Leser waren so fasziniert von diesem bezaubernden, seltsamen und idealistischen Mädchen, dass sie glauben wollten, sie hätte irgendwo draußen in der Wildnis zusammen mit den Büchermenschen überlebt.

Ich widerstand der Versuchung, sie in den nächsten Ausgaben meines Romans wieder zum Leben zu erwecken.

Ich überließ es Francois Truffaut in seiner Verfilmung von Fahrenheit 451, Clarisse wieder ins Leben zu holen. Er hat ihren Namen geändert und sie etwas älter und reifer gemacht; damals dachte ich, dass sei ein großer Fehler. Aber am Ende des Films überlebt sie, und ich beschloss, dass Truffaut recht hatte.

Als ich die erste Fassung des Theaterstücks schrieb, erlaubte ich Clarisse, bei den Büchermenschen in der Wildnis weiterzuleben. Bei der Oper geschah das gleiche.

Sie war eine zu wundervolle Figur, um sie sterben zu lassen, und heute erkenne ich, dass ich ihr hätte erlauben sollen, am Ende des Buches wieder in Erscheinung zu treten.

Trotz alldem ist der Roman vollständig und unverändert. [14]Ich habe nichts überarbeitet – und werde es auch nicht tun. Ich empfinde großen Respekt für den jungen Mann, der ich war, der sich mit einem Sack voller Münzen in den Keller setzte und dort in die leidenschaftliche Arbeit eintauchte, aus der das endgültige Werk entstand.

Hier also ist, fünfzig Jahre nach seiner Entstehung, Fahrenheit 451.

[15]Erster Teil

[17]Es war eine Lust, Feuer zu legen.

Es war eine besondere Lust, zu sehen, wie etwas verzehrt wurde, wie es schwarz und zuetwas anderem wurde. Das Messingrohr in der Hand, die Mündung dieser mächtigen Schlange, die ihr giftiges Kerosin in die Welt hinausspie, fühlte er das Blut in seinen Schläfen pochen, und seine Hände waren die eines phantastischen Dirigenten, der eine Symphonie des Brennens und Sengens aufführte, um die kärglichen Reste der Kulturgeschichte vollends auszutilgen. Auf seinem schweren Kopf den Helm mit dem Zeichen 451, in den Augen einen flammenden Widerschein dessen, was nun kommen sollte, zündete er das Feuerzeug an, und das Haus ging in ein gieriges Feuer auf, das sich rot und gelb und schwarz in den Abendhimmel hineinfraß. Er selbst war umschwirrt wie von einem Schwarm von Leuchtkäfern. Ein alter Witz kam ihm in den Sinn, und er hätte am liebsten eine aufgespießte Wurst in die Feuersbrunst hineingehalten, während die Bücher mit dem Flügelschlag weißer Tauben vor dem Haus den Flammentod starben. Während die Bücher in Funkenwirbel aufsprühten und von einem brandgeschwärzten Wind verweht wurden.

Montag verzog das Gesicht zu dem grimmigen Lächeln der Menschen, die vor dem sengenden Feuer zurückweichen.

[18]Nach getaner Arbeit mochte es vorkommen, dass er dem Gesicht im Spiegel als dem eines Komödianten, mit Ruß in einen Schwarzen umgefärbt, belustigt zuzwinkerte. Auch nachher, wenn er sich schlafen legte, spürte er jeweils im Dunkeln seine Züge noch zu dem brandigen Lächeln verkrampft. Es verließ ihn nie, dieses Lächeln, er konnte sich überhaupt nicht erinnern, es jemals abgelegt zu haben.

Er hängte den schwarzen Helm auf und rieb ihn blank, hängte den feuersicheren Rock fein säuberlich an den Haken, duschte ausführlich und schritt dann pfeifend, die Hände in den Taschen, durch das obere Stockwerk der Feuerwache und ließ sich in das Loch fallen. Im letzten Augenblick, als der Aufprall unvermeidlich schien, zog er die Hände aus den Taschen und fing den Fall ab, indem er die Messingstange umklammerte. Quietschend kam er zum Stillstand, seine Sohlen einen Fingerbreit über dem Betonboden.

Er trat aus dem Gebäude und ging die mitternächtliche Straße entlang zur U-Bahn, wo der Lufttriebzug lautlos durch den geölten Kanal unter der Erde glitt und ihn mit einem Schwall schaler Wärme entließ und der gelbgekachelten Rolltreppe übergab, die zur Vorstadt emporlief.

Vor sich hin pfeifend, ließ er sich von der Rolltreppe an die stille Nachtluft hinaufbefördern und ging dann, ohne über etwas Bestimmtes nachzudenken auf die Straßenkreuzung zu. Ehe er sie jedoch erreichte, verlangsamte sich sein Schritt, als wäre unvermittelt ein Wind zu spüren, als hätte ihn jemand beim Namen gerufen.

In den letzten paar Nächten hatte der Gehsteig direkt um die Ecke die merkwürdigsten Ahnungen in ihm [19]hervorgerufen, als er in sternklarer Nacht seinem Haus zuschritt. Es hatte sich angefühlt, als ob, einen Augenblick bevor er um die Ecke bog, jemand dort gestanden habe. Die Luft schien mit einer besondern Stille geladen, als hätte dort jemand ruhig gewartet, um sich im letzten Augenblick in ein Nichts zu verflüchtigen und ihn durchzulassen. Vielleicht hatte die Nase einen schwachen Duft wahrgenommen, vielleicht verspürte die Haut auf dem Handrücken, auf dem Gesicht, eine Erwärmung an der Stelle, wo jemand gestanden und die Temperatur der Luft ringsum eine Spur erhöht haben mochte. Begreifen ließ es sich nicht. Wenn er um die Ecke bog, sah er jeweils nur den weißen, menschenleeren Gehsteig, oder höchstens, das eine Mal, etwas schnell über den Rasen huschen, ehe er es ins Auge fassen oder sprechen konnte.

Doch jetzt, diese Nacht, blieb er beinahe stehen. Etwas in ihm, das in Gedanken um die Ecke vorauseilte, hatte das allerleiseste Geräusch vernommen. Atemzüge? Oder eine geringfügige Verdichtung der Luft, lediglich dadurch, dass jemand ruhig dort stand und wartete?

Er bog um die Ecke.

Das Herbstlaub wirbelte auf eine Art den Gehsteig entlang, dass es aussah, als ob der Wind und die Blätter das Mädchen schieben würden, das dort ging. Sie hielt den Kopf gesenkt, um zu beobachten, wie die Schuhe das Laub aufquirlten. Das Gesicht war schmal und milchweiß, und es lag eine feine Neugier darin, die alles unermüdlich aufsaugte, ein ständiges Staunen sozusagen; der dunkle Blick war so auf die Welt geheftet, dass ihm auch nicht die leiseste Regung entging. Sie trug ein weißes, knisterndes Kleid, Montag glaubte beinahe das Armeschlenkern zu hören und jetzt [20]das unendlich leise Geräusch der Kopfbewegung, als das Mädchen merkte, dass da mitten auf dem Gehsteig ein Mann vor ihr stand und wartete.

In den Bäumen droben rauschte es gewaltig von dem trockenen Regen, den sie ausschütteten. Das Mädchen schien einen Augenblick überrascht zurückweichen zu wollen, doch stattdessen blieb sie stehen und schaute ihn an, mit Augen so dunkel und glänzend und voller Leben, dass er das Gefühl hatte, etwas ganz Wunderbares gesagt zu haben. Dabei wusste er, dass es nur ein »Hallo« gewesen war, und erst als das Mädchen von dem Salamander auf seinem Ärmel und der Phönixplakette auf seiner Brust gebannt schien, begann er zu sprechen.

»Ach ja«, sagte er, »du bist doch die neue Nachbarin?«

»Und Sie sind sicher« – sie erhob den Blick von seinen Berufsabzeichen – »der Feuerwehrmann.« Die Stimme verlor sich.

»Wie sonderbar du das sagst.«

»Ich – ich hätte es sagen können, ohne die Augen aufzumachen«, erklärte das Mädchen langsam.

»Warum? Weil ich nach Kerosin rieche? Meine Frau klagt ständig darüber«, lachte er. »Der Geruch lässt sich nie völlig abwaschen.«

»Das stimmt«, sagte sie leise.

Ihm war, als ob ihn das Mädchen in Gedanken umkreise, als ob es ihm das Innerste nach außen kremple, ohne sich selbst von der Stelle zu rühren.

»Kerosin«, sagte er dann, als sich das Schweigen in die Länge zog, »Kerosin ist für mich der reine Wohlgeruch.«

»Kommt es Ihnen wirklich so vor?«

[21]»Natürlich, warum nicht?«

Das Mädchen ließ sich Zeit mit der Antwort. »Ich weiß auch nicht.« Dann wandte sie sich um, in Richtung ihrer benachbarten Häuser. »Darf ich mit Ihnen zurückgehen? Ich heiße Clarisse McClellan.«

»Clarisse. Guy Montag. Komm nur. Was tust du hier draußen so spät noch? Wie alt bist du eigentlich?«

Sie gingen in der warm-kühl wehenden Nacht die übersilberte Straße entlang, und in der Luft lag auf einmal ein ganz feiner Hauch von frischen Aprikosen und Erdbeeren; er sah sich um und merkte, dass das ganz ausgeschlossen war, zu so vorgerückter Jahreszeit.

Nun war es nur noch das Mädchen, das neben ihm herging, das Gesicht leuchtend wie Schnee im Mondschein, und er ahnte, dass sie sich seine Fragen durch den Kopf gehen ließ, um die beste Antwort darauf zu finden.

»Nun«, sagte es dann, »ich bin siebzehn und nicht ganz bei Trost. Mein Onkel meint, das gehöre immer zusammen. Wenn man dich nach deinem Alter fragt, meinte er, sag immer, siebzehn und von Sinnen. Es ist doch hübsch, um diese Stunde spazieren zu gehen, in der Welt herumzuschnuppern und herumzugucken. Manchmal laufe ich die ganze Nacht umher und schaue dann zu, wie die Sonne aufgeht.«

Wiederum trat eine Pause ein, und dann sagte das Mädchen nachdenklich: »Wissen Sie, ich habe vor Ihnen gar keine Angst.«

Er war verdutzt. »Weshalb solltest du Angst haben?«

»Viele Leute haben Angst. Vor der Feuerwehr, meine ich. Aber Sie sind eigentlich ein ganz normaler Mensch…«

Er erblickte sich in den Augen des Mädchens wie in zwei [22]hellen Wassertropfen schwebend, er selbst dunkel und winzig, mit allen Einzelheiten, den Furchen um den Mund, alles ganz deutlich, als wären diese Augen zwei wundersame Stücke veilchenfarbenen Bernsteins, der ihn umschließen und bewahren könnte. Das Gesicht, das Clarisse ihm jetzt zuwandte, strahlte ein sanftes und beständiges Licht aus. Es hatte nicht das Hysterische des elektrischen Lichts, sondern – was? Sondern das seltsam beruhigende und dünne und sacht schmeichelnde Licht der Kerze. Einmal, als er noch ein Kind war, hatte seine Mutter bei einem Stromausfall eine letzte Kerze gefunden und angezündet, und für eine kurze Stunde hatten sie wiederentdeckt, wie bei solcher Beleuchtung der Raum seine weite Dimension verlor, und behaglich um sie zusammenschnurrte, und beide, Mutter und Sohn, waren wie verwandelt gewesen, hatten gehofft, der Strom möge nicht so bald wieder einsetzen…

Und dann sagte Clarisse McClellan:

»Darf ich Sie etwas fragen? Wie lange sind Sie schon bei der Feuerwehr?«

»Seit ich zwanzig wurde, vor zehn Jahren.«

»Lesen Sie jemals welche von den Büchern, die Sie verbrennen?«

Er lachte. »Das ist doch verboten!«

»Ach so, ja.«

»Es ist ein schöner Beruf. Montag verbrenne Millay, Mittwoch Melville, Freitag Faulkner, verbrenne sie zu Asche, dann verbrenne noch die Asche. Das ist unser Motto.«

Sie schritten weiter dahin, und das Mädchen fragte: »Ist es wahr, dass die Feuerwehr einst Brände bekämpfte, statt sie zu entfachen?«

[23]»Nein. Die Häuser waren schon immer feuerfest, verlass dich drauf.«

»Merkwürdig. Ich habe gehört, früher seien die Häuser manchmal aus Zufall in Brand geraten, und man habe Feuerwehrleute gebraucht, um die Flammen zu löschen.«

Er lachte.

Clarisse warf ihm einen Blick zu. »Warum lachen Sie?«

»Weiß ich auch nicht.« Er wollte schon wieder lachen, hielt aber inne. »Warum?«

»Sie lachen, wenn ich nichts Lustiges gesagt habe, und Sie geben immer sofort Antwort. Sie überlegen sich nie, was ich Sie gefragt habe.«

Er blieb stehen. »Du bist wirklich ein sonderbares Geschöpf«, bemerkte er und musterte sie. »Hast du denn gar keinen Respekt?«

»Es war nicht schlimm gemeint. Es ist nur mein leidiger Hang, die Leute allzu genau zu beobachten.«

»Und das da, bedeutet dir das gar nichts?« Er tippte an die Zahl 451, die auf seinen schwarzen Ärmel gestickt war.

»Doch«, erwiderte Clarisse leise und beschleunigte ihre Schritte. »Haben Sie je den Turbinenautos zugeschaut, wie sie die Straßen entlangrasen dort drüben?«

»Du wechselst das Thema!«

»Manchmal glaube ich, die Autofahrer wissen überhaupt nicht, was das ist, Gras, oder Blumen, weil sie nie langsam daran vorbeikommen. Wenn man einem Autofahrer etwas Grünverwischtes zeigte, würde er sagen: ›Ja, das ist Gras.‹ Etwas Rötlichverwischtes? ›Das ist ein Rosengarten.‹ Weißverwischtes bedeutet Häuser. Braunverwischtes Kühe. Mein Onkel ist einmal auf einer Autobahn langsam gefahren. Er [24]fuhr mit sechzig Stundenkilometern und wurde zwei Tage lang eingesperrt. Ist das nicht komisch, und traurig dazu?«

»Du machst dir zu viel Gedanken«, bemerkte Montag, dem es nicht wohl war dabei.

»Ich sehe mir selten die Fernsehwände an und gehe auch nicht an Rennen oder auf die Rummelplätze. Daher habe ich wohl eine Menge Zeit für verrückte Gedanken. Sind Ihnen schon die siebzig Meter langen Reklametafeln auf dem Land draußen aufgefallen? Wissen Sie, dass die Reklametafeln früher höchstens sieben Meter lang waren? Aber die Wagen sausten so schnell daran vorbei, dass man die Tafeln in die Länge ziehen musste, damit sie überhaupt noch wirkten.«

»Nein, das habe ich nicht gewusst«, lachte Montag.

»Wetten, dass ich noch etwas weiß, was Sie nicht wissen. Auf dem Gras liegt früh am Morgen Tau.«

Er hätte plötzlich nicht mehr sagen können, ob ihm das bekannt gewesen war oder nicht, und geriet in eine gereizte Stimmung.

»Und wenn Sie genau hinsehen« – Clarisse deutete mit dem Kopf gegen den Himmel–, »es hockt ein Mann im Mond.«

Er hatte schon lange nicht mehr hingesehen.

Die letzte Strecke gingen sie schweigend nebeneinander her, Clarisse in einem nachdenklichen Schweigen, er in einem gedrückten und unbehaglichen, wobei er ihr von Zeit zu Zeit einen vorwurfsvollen Blick zuwarf. Als sie ihr Haus erreichten, waren dort alle Fenster hell erleuchtet.

»Was ist denn bei euch los?« Montag hatte selten ein Haus gesehen, in dem so viel Licht brannte.

»Ach, Mutter und Vater und Onkel sind noch auf und [25]führen ein Gespräch. Es ist, wie wenn man Fußgänger ist, nur viel seltener. Mein Onkel wurde ein andermal verhaftet – habe ich Ihnen das schon erzählt? – wegen Fußgängerei. Oh, wir sind eine höchst eigentümliche Familie.«

»Aber worüber unterhaltet ihr euch denn?«

Das Mädchen lachte bloß. »Gute Nacht.« Sie wandte sich zum Gehen, dann schien ihr etwas einzufallen, und sie kam zurück, um ihn neugierig anzustaunen. »Sind Sie glücklich?«, fragte sie.

»Bin ich was?«, rief er.

Aber Clarisse war schon weg, lief im Mondschein davon. Sachte ging die Haustür zu.

»Glücklich! So ein Unsinn.«

Das Lachen verging ihm.

Er griff ins Handschuhloch seiner Haustür und ließ es seinen Druck spüren. Die Tür glitt auf.

»Selbstverständlich bin ich glücklich. Was glaubt das Ding eigentlich? Ich sei nicht glücklich?«, fragte er in die Stille des Hauses hinein. Er stand da und sah zur Lüftungsklappe empor und plötzlich fiel ihm ein, dass dort oben hinter der Klappe etwas versteckt lag, etwas, das jetzt auf ihn zu lauern schien. Schnell wandte er den Blick ab.

Was für eine seltsame Begegnung in der Nacht. Dergleichen war ihm noch nie vorgekommen, außer damals vor einem Jahr, als er nachmittags im Park einen alten Mann getroffen und sich mit ihm unterhalten hatte…

Montag schüttelte den Kopf. Er blickte auf eine leere Wand und sah das Gesicht des Mädchens vor sich, wahrhaft schön in der Erinnerung, sogar erstaunlich schön. Es war ein [26]ganz dünnes Gesicht, wie das Zifferblatt einer kleinen Uhr, das man mitten in der Nacht im dunklen Zimmer gerade noch sieht, wenn man aufwacht und wissen möchte, wie spät es ist, und das Zifferblatt gibt einem Stunde und Minute und Sekunde an, in fahler Stille vor sich hin glimmend, voller ruhiger Gewissheit, das rasche Fortschreiten der Nacht bezeugend, die neuen Finsternissen entgegenstrebt, aber auch einer neuen Sonne.

»Was?«, fragte Montag jenes andere Ich, den heimlichen Kindskopf, der zu Zeiten das Plappern nicht lassen konnte, völlig unabhängig von Willen, Gewohnheit und Gewissen.

Sein Blick schweifte zur Wand zurück. Wie glich ihr Gesicht doch anderseits einem Spiegel. Eigentlich undenkbar; denn wie viele Leute kennt man, die einem sein eigenes Licht zurückstrahlen? Meistens waren die Leute – er suchte nach einem Vergleich, fand ihn in seiner Arbeit – sie waren wie Fackeln, die lodern, bis sie ausgebrannt sind. Wie selten nehmen andere Gesichter unsern Ausdruck an und werfen ihn auf uns zurück, auf die eigenen innersten Gedanken?

Wie unglaublich sich das Mädchen in jemanden hineinversetzen konnte! Sie war wie die gespannte Zuschauerin eines Marionettenspiels, die jedes Wimperzucken, jede Handbewegung, jedes Fingerzucken vorausahnt und schon erfasst hat, ehe sie noch geschehen. Wie lange waren sie nebeneinander hergegangen? Drei Minuten? Fünf? Und doch, wie bedeutend fühlte sich diese Zeitspanne jetzt an. Welch überlebensgroße Gestalt stellte das Mädchen auf der Bühne dar, welch einen Schatten warf sie mit ihrem schmalen Körper auf die Wand vor ihm! Er hatte das Gefühl, wenn ihm etwas ins Auge flöge, würde Clarisse das ihre zusammenkneifen, [27]und wenn sich sein Backenmuskel auch nur im Geringsten dehnte, würde sie gähnen, lange bevor er dazu kam.

Ja, dachte er, wenn ich es mir überlege, schien sie beinahe auf mich zu warten dort auf der Straße, so spät noch in der Nacht.

Er machte die Schlafzimmertür auf.

Es war, als trete er in die kalte, marmorverkleidete Kammer eines Grabmals, nachdem der Mond untergegangen ist. Völlige Finsternis, kein Schimmer der silbrigen Außenwelt, die Fenster dicht geschlossen, eine Gruft, in die kein Laut aus der großen Stadt eindrang. Aber das Zimmer war nicht leer.

Er horchte.

Ein zartes, mückenähnliches Sirren schwirrte in der Luft, das elektrische Summen einer unsichtbaren Wespe, eingenistet in ihrem rötlichen, warmen Schlupfwinkel. Die Musik war beinahe laut genug, dass er die Melodie heraushörte.

Er spürte, wie sein Lächeln wegschmolz, sich einer Talghaut gleich zusammenfaltete, wie das Wachs einer Phantasiekerze, die zu lange gebrannt hat und nun in sich zusammensinkt und ausgeht. Finsternis. Er war nicht glücklich. Er war nicht glücklich. Als er die Worte zu sich selbst sagte, erkannte er, dass sie seinen wahren Zustand wiedergaben. Er trug sein Glück wie eine Maske, und das Mädchen war damit davongelaufen; es bestand keine Möglichkeit, bei ihr anzuklopfen und die Maske zurückzufordern.

Ohne das Licht anzudrehen, sah er das Zimmer vor sich. Seine Frau, auf dem Bett ausgestreckt, unbedeckt und kalt, wie die Gestalt auf dem Deckel eines Sarkophags, den Blick [28]an feinen unsichtbaren Drähten starr an die Zimmerdecke geheftet, unbeweglich. Und in ihren Ohren die Muscheln, fingerhutgroße Radiogeräte, fest hineingeklemmt, mit einem elektronischen Meer von Geräuschen, von Musik und Gespräch, Musik und Gespräch, ihren schlaflosen Geist umbrandend. Das Zimmer war doch leer. Nacht für Nacht fluteten die Wellen heran und schwemmten sie in einem Schwall von Geräusch hinweg, trugen sie mit weit offenen Augen dem Morgen entgegen. Es war in den letzten zwei Jahren kein einziges Mal vorgekommen, dass Mildred sich nachts nicht in dieses Meer geworfen hätte, gerne in ihm untertauchend.

Trotz der Kälte im Zimmer war ihm, als könne er nicht atmen. Vorhänge und Glastür wollte er nicht öffnen, weil er keinen Mondschein im Zimmer wünschte. Mit dem Gefühl, binnen kurzem ersticken zu müssen, tastete er nach seinem getrennten und somit kalten Bett. In dem Augenblick, bevor er mit dem Fuß gegen das Ding auf dem Boden stieß, wusste er, dass er gegen etwas stoßen würde. Es verhielt sich ähnlich wie mit dem Gefühl, das ihn beschlichen hatte, ehe er um die Ecke bog und das Mädchen beinahe über den Haufen rannte. Schwingungen, die von seinem Fuß ausgingen, wurden von dem kleinen Hindernis zurückgeworfen, während der Fuß schon ausholte. Er stieß dagegen, und das Ding schlitterte im Dunkel mit einem dumpfen Klirren weg.

Bolzengerade stand er da und lauschte in die gestaltlose Nacht hinein. Die Atemzüge der Frau auf dem Bett waren so schwach, dass sich nur noch der äußerste Saum des Lebens rührte, ein kleines Blatt, eine schwarze Flaumfeder, ein einzelnes Haar.

[29]Noch immer wollte er kein Licht von draußen. Er holte sein Feuerzeug hervor, spürte den Salamander, der auf der silbernen Scheibe eingraviert war, drückte dagegen.

Zwei Mondsteine sahen im Licht des Flämmchens in seiner Hand zu ihm empor, zwei blasse Mondsteine, in das klare Wasser eines Baches versenkt, über die das Leben der Welt hinweglief, ohne sie zu berühren.

»Mildred!«

Ihr Gesicht war wie eine verschneite Insel, die den Regen nicht gespürt hätte, wenn Regen gefallen wäre, über welche vorüberziehende Wolken ihren Schatten werfen mochten, ohne dass sie es gespürt hätte. Nur das Sirren der Fingerhutwespen in ihren zugestopften Ohren war da und der gläserne Blick und der leise Atemhauch, ein und aus, ohne dass es sie gekümmert hätte, ob ein oder aus, aus oder ein.

Der Gegenstand, den er mit dem Fuß weggestoßen hatte, schimmerte jetzt unter seinem eigenen Bett. Das Glasfläschchen, das noch am selben Tag mit dreißig Schlaftabletten gefüllt worden war, lag jetzt offen und leer im Licht des Flämmchens da.

Im selben Augenblick heulte der Himmel über dem Haus auf. Es war ein gellendes, reißendes Geräusch, als hätten zwei Riesenhände einen zehntausend Kilometer langen schwarzen Leinwandstreifen entzweigerissen. Montag war wie in zwei Hälften gespalten, als würde seine Brust zerteilt. Die Düsenbomber, die über ihn hinwegjagten, hinweg, hinweg, eins zwei, eins zwei, eins zwei, sechs von ihnen, neun von ihnen, zwölf von ihnen, einer und noch einer und immer noch einer, nahmen ihm das Schreien ab. Er sperrte den Mund auf und ließ ihr gellendes Geheul herabkommen und zwischen seinen [30]Zähnen heraus. Das Haus erbebte. Das Flämmchen in seiner Hand erlosch. Die Mondsteine verglommen. Wie von selbst griff er nach dem Telefon.

Die Düsenflugzeuge waren weg. Er fühlte seine Lippen sich bewegen, die Sprechmuschel des Hörers streifen. »Krankenhaus. Notfallstation.« Ein heiseres Raunen.

Ihm war, als seien die Sterne vom Heulen der schwarzen Düsenbomber zermalmt worden und als werde die Erde am Morgen von ihrem Staub wie von einem seltsamen Schnee bedeckt sein. Das war sein verrückter Gedanke, als er zitternd im Dunkel stand und seine Lippen reden ließ.

Sie hatten da dieses Gerät. Eigentlich zwei Geräte. Das eine kroch in den Magen des Menschen hinunter wie eine schwarze Kobra, die in einem hallenden Brunnenschacht nach all dem sucht, was sich dort an alten Wassern und alter Zeit angesammelt hat. Es schluckte das grüne Zeug, das langsam emporgebrodelt kam. Schluckte es auch etwas von der Dunkelheit? Saugte es auch all das Gift aus, das sich im Lauf der Jahre dort angesetzt hatte? Lautlos pumpte es sich voll, gelegentlich mit einem Röcheln und blinden Herumtasten. Es hatte ein Auge. Wenn der Mann am Gerät sich einen besonderen Helm aufsetzte, konnte er dem Menschen, den er auspumpte, in die Seele hineinschauen. Was sah das Auge? Er sagte es nicht. Er sah, aber nicht, was das Auge sah. Es war wie beim Ausheben eines Grabens im Garten. Die Frau auf dem Bett war nichts weiter als eine harte Gesteinsschicht, auf die man gestoßen war. Macht nichts, schieben wir das Ding runter, holen wir die Leere raus, falls sich dergleichen mit der Saugschlange heraufpumpen lässt. Der [31]Mann am Gerät stand da, eine Zigarette im Mundwinkel. Das andere Gerät war ebenfalls in Betrieb.

Ein genauso unpersönlicher Mensch in einem immer gleich sauberen rostbraunen Overall bediente das andere Gerät. Es pumpte alles Blut aus dem Körper und ersetzte es mit frischem Blut und Serum.

»Man muss sie doppelt ausräumen«, erklärte der Mann am Bett. »Den Magen auspumpen hat keinen Zweck, wenn man nicht auch das Blut reinigt. Lässt man das Zeug im Blut, dann schlägt das Blut ins Gehirn wie ein Hammer, peng, ein paar Tausend Mal, und das Gehirn gibt einfach auf, es macht nicht mehr mit.«

»Genug!«, rief Montag.

»Ich meine ja nur«, sagte der Mann am Gerät.

»Sind Sie fertig?«, fragte Montag.

Sie stellten die Apparate ab. »Wir sind fertig.« Sein verärgerter Ton berührte sie überhaupt nicht. Der Zigarettenrauch kräuselte sich ihnen in die Nase und in die Augen, ohne dass sie eine Miene verzogen. »Das macht fünfzig Dollar.«

»Zunächst mal, warum sagen Sie mir nicht, ob sie durchkommt?«