Frankfurt liebt dich! - Anne Zegelman - E-Book

Frankfurt liebt dich! E-Book

Anne Zegelman

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Beschreibung

In Frankfurt leben deutlich mehr Single-Männer als ledige Frauen. Warum ist es für alleinstehende Frankfurterinnen trotzdem genauso schwer, einen Mann zu finden, wie für die vier Mädels von "Sex and the City" in der Millionenstadt New York. Anne Zegelman erzählt von der Jagd nach dem Traummann im Schatten der Skyline. Frech und auf den Punkt berichtet sie von Flirts, Blind Dates und falschen Hoffnungen, immer vor dem Hintergrund lokaler Spots und Szene-Treffs. Sie analysiert, was zwischen den Singles von heute schief läuft – und erklärt, warum auch die große Liebe nicht die Antwort auf alle Fragen sein kann. Geschichten rund um die Liebe in der mal großen, mal kleinen Weltfinanzmetropole am Main.

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Seitenzahl: 179

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Anne Zegelman
Frankfurt liebt dich!
Die zehn großen Fragen im Leben von Twens und Thirty-Somethings
Fotos von Robin Kehl
Alle Rechte vorbehalten • Societäts-Verlag
© 2014 Frankfurter Societäts-Medien GmbH
Satz: Julia Bohl, Societäts-Verlag
Umschlaggestaltung: Nicole Ehrlich, Societäts-Verlag
Umschlagabbildung: © Robin Kehl
eBook: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt
ISBN 978-3-95542-114-4
Den vielen wunderbaren Frauen meiner Familie gewidmet, die wie ich vor allem aus Gefühl bestehen, aber ganz besonders der ältesten und der jüngsten Frau: meiner Oma Margareta Hollubetz und meiner kleinen Nichte, die gerade noch in Mamas Bauch wächst.
Maybe yes,maybe no.Maybe rain,maybe snow.
Schiffskoch Johnny aus Ghana

Inhaltsverzeichnis

1. Wo finde ich einen Mann, verdammt?
Nasenbluten
Heiratsmaterial
Liebst du schon oder lebst du noch?
Emotionaler Amoklauf
Raubtiere
2. Ist es Liebe – oder nur Sex?
Walk of shame
Am Uhrtürmchen
Blind und blinder
Wundheilsalbe
Happy End – in der Mitte
3. Warum soll ich eigentlich heiraten?
Generation Probefahrt
Die grosse Ver-wir-rung
Dauerwurst
Pastellfarbene Alpträume
Ehe im neuen Jahrtausend
4. Bin ich ein Mama-Mensch?
Haben Sie schon mal in eine Tasse gepinkelt?
Fünf-Jahres-Plan
Wie die Welt sich weiter dreht
Samenspender
5. Darf’s noch etwas mehr sein?
Grossstadt-Kaffee
Fast-Verlobung
Sex mit einer Frau
6. Was sind meine Statussymbole?
Pfingsthochzeit
Die grosse Liebe
7. Wie viel Treue ist treu genug?
Luftwurzelliebe
Kurzgeschichten
8. Wie egoistisch darf ich sein?
Hausfrauenhobby oder: mein Ego
Weihnachtskrieg
9. Anfang oder Ende?
Schlussmachen
Plexiglas
Leidenschaft mit Ansage
10. Wie geht es jetzt eigentlich weiter?
Alt
Schatzsucherin
Zuckerwatte
Danksagung
Die Autorin

Nasenbluten

Ich betrachtete ihn über den Tisch hinweg und wünschte wirklich, ich hätte Nasenbluten. Oder zumindest etwas ähnlich Eindrucksvolles, das die Aufmerksamkeit für einen klitzekleinen Moment von diesem schauerlichen Date ablenken und mir die Möglichkeit geben würde, diskret zu verschwinden. Vielleicht würde es auch ein Feueralarm tun. Oder eine schöne Lebensmittelvergiftung … Hätte ich ihm erst einmal auf die polierten Lederschuhe gebrochen, würde er sicher aufhören, mit dieser monotonen Stimme über sein Wirtschaftsstudium zu dozieren.
Ich war mal wieder auf einem dieser Dates, die kein Ende fanden. Mir gegenüber saß Marc, 34, Kommunikationschef eines privaten Frankfurter Bankhauses, dessen Aufgabe es war, eine Art Schleiertanz für Journalisten aufzuführen, damit die nicht weiter fragten.
Das mochte zwar moralisch nicht ganz korrekt sein, war aber offenbar ziemlich lukrativ. Immerhin hatte er mich an diesem Abend in ein Sterne-Restaurant in Bockenheim eingeladen. Ich lehnte mich mit einem leisen Seufzer zurück und betrachtete die Location, die er für unser erstes und sehr wahrscheinlich letztes Date gewählt hatte. Die Wände waren mit schokoladenbraunem Stoff bespannt, auf dem Marmorkamin standen silberne Kerzenhalter und über uns schwebte ein Kronleuchter, der unseren Tisch diskret beleuchtete. Ich wünschte, ihm würden alle Glühbirnen auf einmal durchbrennen.
Denn was ich im schwachen Licht sah, gefiel mir nicht. Nicht mehr.
Dabei war Marc schon attraktiv, das konnte man einfach nicht abstreiten. Kurze braune Haare, die mit viel Hingabe und Gel so gestylt waren, dass es aussah, als wäre er gerade erst aufgestanden. Sehr hübsche braune Augen. Und ein breites Lächeln mit geraden, fast weißen Zähnen, die bestimmt irgendwann mal gerichtet worden waren. Sein Kinn glänzte noch von der frischen Rasur und der Männerpflege, die er benutzt hatte. Vielleicht nach dem Fitnessstudio?
Ich ließ meinen Blick von seinem Gesicht über den Hals bis zu seinem Oberkörper wandern, der unter dem engen Hemd mehr oder weniger gut zu erkennen war. Das Hemd war rosa, ein kräftiges, rosiges Statement-Rosa, das sich nicht versteckte und gar nicht erst auf die Idee kam, jemand könnte ihn deshalb für weniger männlich halten. Sein Anzug war gut geschnitten, anthrazit, modernes Revers.
Ja, Marc sah trainiert aus. Bestimmt hatte er einen hübschen Hintern. Vielleicht sollte ich später mit ihm nach Hause gehen, nur um seinen Hintern zu sehen, überlegte ich. Aber nein – das könnte ich nicht. Es sei denn, ich dürfte ihm vorher den Mund mit Klebeband zukleben.
Mein Gott, dieser Mann hörte nicht auf zu reden. Das war ohne Frage eines der langweiligsten Dates, auf denen ich jemals war. Bla. Bla. Bla! Ich musste mich zurückhalten, um ihm nicht die Hände um den Hals zu legen und ihn zu würgen. Aber es war ohnehin zwecklos, dachte ich beim Betrachten seines stattlichen Halses mit dem hüpfenden Adamsapfel. Denn um ihn kaltzumachen oder wenigstens zum Schweigen zu bringen, hätte ich gar nicht genügend Muskelkraft.
Da lachte er plötzlich, laut und amüsiert, gurrend – und mein Blick schnappte wie an einem Gummiband zurückgezogen wieder nach oben auf seinen Mund. Jetzt sah ich ihn ganz deutlich, den Grund, warum mir Marc trotz seines guten Aussehens und seiner schicken Essenseinladung suspekt vorkam. Dieser Mann hatte einen arroganten Zug um den Mund. Und außerdem lachte er über seinen eigenen Witz, den ich so überhaupt nicht lustig fand. Er hatte also auch noch einen echt miesen Humor. Gruselig.
Plötzlich konnte ich fast dabei zusehen, wie sein Gesicht vor meinem inneren Auge in seine Einzelteile zerfiel und sich neu zusammensetzte. Sein strahlendes Lächeln: Eine Maske, antrainiert, vor dem Spiegel eingeübt. Immer wieder presste er zwischen dem Lächeln seine Lippen fest aufeinander, was ihn fast grausam wirken ließ. Bestimmt ein Choleriker.
Seine Zähne: Wahrscheinlich künstlich, auf jeden Fall gebleicht. Dieser arrogante Zug um den Mund schien sich mit jeder Minute mehr zu verstärken und sich hart und grotesk bis in die Wangen fortzusetzen, fast wie beim Joker aus den Batman-Filmen.
Erst jetzt fiel mir auf, dass seine eben noch hübschen Augen mit den kleinen Lachfältchen in den Augenwinkeln sehr kalt und irgendwie gehetzt wirkten. Und unglaublich berechnend.
Ob er wohl wirklich auf einem Date war gerade? Oder war das hier für ihn viel eher eine Möglichkeit, sich mit all seinen manipulativen Tricks Zugang zu meinem Gehirn zu verschaffen, damit ich wenigstens positiv über sein dämliches Bankhaus berichtete?
Nach einem Abend, der mir endlos vorkam, schleppte ich mich nach Hause. Meine Füße taten weh, ich fühlte mich emotional ausgeblutet und irgendwie traurig. Es hatte mich fast all meine Kraft gekostet, so zu tun, als genieße ich die langweilige Konversation, die mir das feine Essen gründlich verdorben hatte. Außerdem war ich sauer auf mich selbst. Was für eine Zeitverschwendung! Ich hätte mit meinen Mädels in diesem kleinen Restaurant auf der Berger Straße essen und anschließend einen wunderbaren Cocktail und unterhaltsame, lustige Gespräche genießen können. Stattdessen hatte ich mir den Abend mit diesem Heini um die Ohren geschlagen. Und dafür auch noch ein neues Kleid gekauft. Nicht, dass ich einen Grund bräuchte, um die Abteilung mit den reduzierten Kleidern im P&C auf der Zeil zu durchwühlen. Aber ach … Das arme Kleid und ich, wir hatten keinen guten Start. Um mein Outfit, dem nun wie ein Dunst aus Zwiebeln und Knoblauch für immer der Makel dieses Dates anhaften würde, tat es mir wesentlich mehr leid als um Marc. Da war ich ganz ehrlich.

Heiratsmaterial

Nein, bevor ich Marc nahm, suchte ich lieber weiter. Denn was ich wollte, war eine echte Beziehung, einen interessanten Menschen in meinem Leben und eine Liebe auf Augenhöhe. Doch ein Mann, der all das für mich sein konnte, schien nicht zu existieren. Dabei gab es in Frankfurt jede Menge Single-Männer. Laut der Volkszählung vor ein paar Jahren lebten 164.000 alleinstehende Kerle in unserer Stadt. Das waren so viele, dass sie mehr als dreimal die Commerzbank-Arena hätten füllen können. Dabei würde ein ganzes Fußballstadion voller Single-Männer doch schon langen!
Heimspiele der Eintracht könnten bei den Frauen, die sich nicht schon ohnehin für Bundesligatabelle und Abseitsregel interessieren, plötzlich auf unglaubliches Interesse stoßen. Es wäre ein nahezu geniales Marketingkonzept: Unten drehte sich der Ball, während wir Frauen auf einer Großleinwand die Männer auf den Zuschauer-Rängen präsentiert bekämen. Natürlich mit Live-Kommentar!
„Und der große, braunhaarige Single-Mann Olaf aus Sossenheim beißt in sein Wurstbrötchen, während er das Geschehen auf dem Spielfeld nicht aus den Augen lässt! Er kaut und kaut – die Spannung steigt, denn jetzt streckt er die Hand nach dem Becher mit dem lauwarmen, abgestandenen Stadion-Bier aus, ohne hinzusehen.“
Da würde doch jedes Wort der Stadionsprecherin mit frenetischem Jubel gefeiert und Olafs erster Schluck aus dem Bierbecher mit einer La-Ola-Welle belohnt werden!
Man müsste sich nur dazu entscheiden, an die Zuschauermänner verschiedenfarbige Leibchen zu verteilen. Single, Verheiratet, Arschloch. Damit gleich klar war, in welchem Team jeder einzelne spielte. Oder man müsste die Fans mit den Eheringen am Finger am Eingang gleich heraussortieren, nicht nur diejenigen, die sich mit Pflastern jede Menge Böller unter der Kleidung auf die behaarte Haut geklebt hatten. Aber das sollte doch machbar sein.
Ich wusste, wovon ich sprach. Während meiner Schulzeit hatte ich einen Sommer lang als Ordnerin für die Eintracht gearbeitet – damals noch am alten Waldstadion. Meine Aufgabe in dieser fast schon sepiagetönten Vergangenheit war es gewesen, die Eintrittskarten abzureißen und die weiblichen Fans am Eingang abzutasten. Ja, da kam man sich näher. Und lernte schnell, dass Frauen, was die Körperpflege anging, ähnlich schlimme Schweine sein konnten wie Kerle.
Und eins hatte ich damals noch begriffen: Im Fußballstadion fand man keinen Mann. Die Jungs, die ihre Wochenenden dort verbrachten, kamen wegen der Eintracht, wegen der Live-Atmosphäre und dem schalen Bier aus Plastikbechern. Für Frankfurts Männer war die Commerzbank-Arena von jeher so eine Art erweiterter Auslauf. Sie flirteten zwar gerne, prahlten im Rudel und brüllten herum, wenn etwas auf dem Spielfeld nicht so lief, wie sie das in ihrer allumfassenden Weisheit als Schiri entschieden hätten. Doch nach dem Spiel ging es brav wieder nach Hause zu Frau und Kind.
Und selbst, wenn doch mal ein lediges Exemplar zwischen all den Familienvätern dabei war, sollten wir Frauen uns genau überlegen, ob sich die Mühe lohnte. Denn die Eintracht war und ist eine mächtige, leidenschaftliche Konkurrentin. Und wenn wir Frauen nicht wirklich auf Fußball ständen, würde es nicht lang dauern, bis wir sauer wären, weil er jedes Wochenende seinen Hintern in den Schalensitz drückte oder seiner Mannschaft hunderte Kilometer quer durch Deutschland hinterherreiste.
164.000 Single-Männer – da konnte es doch fast nicht sein, dass da keiner für meine Freundinnen und mich dabei war? Doch, konnte. Leider. In den letzten Jahren schien das eine Art Trend zu sein, das sah ich auch bei meiner besten Freundin Johanna: Sie war in meinen Augen wunderschön, sympathisch, klug, lustig, erfolgreich. Doch einen Mann fand sie nicht. Dabei waren ihre Ansprüche schon auf das Mindestmaß reduziert. Sie wollte geliebt, geachtet und geheiratet werden, sie wollte, dass man ihr zuhörte und ihr morgens einen Kuss und einen Klaps auf den Hintern gab. Und wenn neben ihr im Bett ein 1,80 Meter großer schwarzhaariger Traumtyp mit Sixpack gelegen hätte, wäre das schon auch okay gewesen. Musste aber nicht, ganz im Gegenteil.
Ein schöner Charakter, Ehrlichkeit, Humor, ein attraktives Lachen, eine gute Lebenseinstellung und ein gepflegtes Äußeres waren Jo, mir und den meisten Mädels doch wesentlich wichtiger als ein Porsche und ein perfekter Body-Maß-Index. Und doch schien es solche Männer in Frankfurt nicht zu geben. Nicht mehr. Die Kerle in unserem Alter schienen momentan alle vom Markt zu sein. Sie hatten mit Ende 20 ihre Traumfrau geheiratet und tauchten seitdem nicht mehr auf in den Bars und Statistiken. Mit Anfang 30 standen lediglich die Sonderlinge noch in den Regalen. Deshalb kam ich mir oft vor, als würde ich im Schlussverkauf alle Wühltische der Zeil nach dem perfekten Paar Schuhe durchgraben. Alle guten Angebote waren schon weg – und was übrig geblieben war, war untragbar, zu bunt, zu grell.
Doch das würde nicht immer so bleiben. In ein paar Jahren würde die erste Scheidungswelle kommen – und die guten Kerle würden zurück auf den Markt geschwemmt werden. Wer nichts gegen Second Hand mit leichten Abnutzungsspuren hatte, konnte dann günstig ein Schnäppchen machen.
Für Single-Frauen war die Jagd nach einem guten Mann im Schatten der Skyline ein fast schon absurdes Abenteuer. Immer wieder ertappte ich mich dabei, bei einem Date nach einer versteckten Kamera zu suchen – wie manche Männer sich verhielten, konnte doch einfach nicht wahr sein. Da wurde gerülpst und gepopelt, den ganzen Abend aufs Handy gestarrt oder einfach über Minuten nichts gesagt, so dass die Stille bleiern und peinlich wurde.
Doch ich war nicht alleine. Auch unsere Freundin Kristin war über 30 und hatten noch keinen Mann gefunden. Mit ihnen konnte ich jedes Date genüsslich sezieren, jedes noch so kleinste Detail unbarmherzig ans Tageslicht zerren und die zahlreichen Enttäuschungen einfach weglachen, mit einer dreckigen, tiefen Lache, die nur meine Freundinnen kannten.
Nur Lisa, meine zierliche, schüchterne und sportverrückte Freundin aus Uni-Zeiten, war seit einigen Jahren glücklich vergeben und hatte ihren Karl, den sie liebevoll Karlchen nannte, vor ein paar Monaten geheiratet.
Was Jo, Kristin und mich betraf, war ich immer wieder erstaunt, auf wie viele unterschiedliche Weisen Frauen auf Männersuche gehen konnten. Kristin war im tiefsten Herzen eher konservativ, auch wenn ihr Nasenpiercing, ihre langen, rotbraun getönten Haare und ihr freches Lächeln etwas anderes vermuten lassen konnten. „Kristin will gefunden werden“, sagt Jo immer, und das brachte es ziemlich gut auf den Punkt.
Kristin hatte keine Lust auf eine anstrengende Partnersuche. Sie wollte die wahre Liebe, sie wollte Romantik, Schmetterlinge, das große Glück, einfach alles auf einmal, verzehrfertig wie schon gewaschener Salat aus der Tüte. Ich fand das schon nachvollziehbar, denn natürlich war das praktisch.
Aber im Gegensatz zu Kristin machte ich mir keine Illusionen, dass es so einfach war. Ich durchsiebte die Männer Frankfurts wie eine Goldgräberin den Kies am Flussufer. Doch anders als Jo war ich mir dessen gar nicht so bewusst. Ich ging am Wochenende nicht in einen Club mit dem festen Ziel, einen Kerl mit nach Hause zu nehmen. Bei mir war es eher so, dass ich überall Männer kennenlernte: Auf der Arbeit, beim Sport, über Freunde. Ich wollte jedem von ihnen die Chance geben, der Richtige für mich zu werden. Und langweilte mich deshalb immer wieder auf schrecklichen Dates, nur um nicht voreingenommen zu sein. Immerhin traute ich dem Leben schon zu, mir irgendwann einen Mann zu schicken, der mich lieben würde, wie ich war – und den ich ertragen konnte. Doch wie ich das gute alte Leben kannte, würde ich ihn nicht auf den ersten Blick erkennen. Deshalb wollte ich möglichst sicher sein, jede Möglichkeit zumindest zu prüfen.
Kristin hingegen datete nicht, und wahrscheinlich lag genau dort das Problem. Sie war hübsch, intelligent, witzig, liebevoll – doch wenn ein Kerl sie ansprach, der auch nur einen Millimeter von ihrer Idealvorstellung abwich, ging bei ihr sofort ein Vorhang herunter und sie fuhr die Stacheln aus. Bevor sie auch nur einen von diesen unperfekten Männern küssen musste, blieb sie lieber allein. Ihr Prinz würde sie schon irgendwie finden. Und wenn es noch zehn Jahre dauerte. Oder für immer.
Meine kleine, kurvige, rotblonde und aufgedrehte Freundin Jo hingegen warf sich regelrecht ins Leben. Sie sah die Partnersuche als Sport, der sie in ganz naher Zukunft zu ihrem Lebensglück führen würde. Denn für sie stand fest: In den nächsten fünf Jahren wollte sie heiraten, Kinder, Karriere, einfach alles, was das Leben ihr zu bieten hatte. Deshalb datete sie, verliebte sich, entliebte sich, hatte jedes Wochenende einen anderen Kerl im Bett und doch bisher nicht den Einen gefunden. Fast alle enttäuschten sie durch einen langweiligen Charakter, eine unbedachte Aussage oder die Tatsache, dass sie keine Familie gründen wollen. Manche hatten keinen Humor, andere einen verschrumpelten Hintern, der sie so erschreckte, dass sie sie nach dem Sex sofort nach Hause schickte. Zurück blieb immer ein blödes, dumpfes Gefühl.
„Am Anfang hatte ich schon große Ansprüche, da wollte ich einen Traummann“, vertraute sie mir an, als wir an einem Samstagmorgen bei einem Latte Macchiato im Café Karin saßen und mal wieder Kerle guckten. Die meisten, die mit uns hier waren, waren nicht allein und definitiv nicht verfügbar.
Jo seufzte und rührte in ihrem Milchschaum.
„Mittlerweile aber überhaupt nicht mehr. Ich will nur jemanden, der sich für mich interessiert und der etwas zu erzählen hat. Das kann doch nicht so schwer sein.“
Sie wickelte eine Haarsträhne um den Zeigefinger und ließ ihren Blick durch den Raum wandern. Um uns herum saßen Paare, müde vom Shoppen, schwangere Frauen, die vor Glück leuchteten, und wunderschöne schwule Pärchen. Alle wirkten angekommen, lebendig und zufrieden. Das waren bereits Familien, winzige Keimzellen der Gesellschaft, die sich selbst genügten. Wie ein überfüllter Club, der irgendwann einfach niemanden mehr aufnahm. Nein, an diesem Morgen suchte in Frankfurt offenbar fast niemand mehr.
„Ich bin jetzt 29“, sagte Jo und holte mich damit zurück aus meinen Gedanken. „Mit 20 ist es noch witzig und sexy, Single zu sein. Aber gerade ist es nicht mehr ganz so lustig.“
„Naja, als Plan B käme ja immer noch Hannes in Frage“, sagte ich, leckte meinen Löffel ab und legte ihn mit einem leisen Pling auf den Rand der Untertasse.
Jo verzog den Mund und grinste dann. Hannes war ihr bester Freund und in ihren Augen mehr oder weniger geschlechtslos. Vielleicht sogar schwul? So ganz genau wusste das niemand. Er wohnte in Hamburg, verbrachte aber immer wieder ganze Wochenenden in ihrer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung im Gallus. Er schlief in ihrem Bett, ging mit ihrer Mutter ins Museum, wenn Jo andere Pläne hatte, und war darüber hinaus ein sehr netter, zuverlässiger Mann. Als Partner kam er allerdings so gar nicht in Frage. Dabei hatte Jo es wirklich probiert. Einmal war sie nach einer durchzechten Nacht mit ihm ins Bett gegangen und es war eine Katastrophe gewesen.
„Da fehlte dieses Kribbeln, da war einfach gar nichts, völlige Leere“, hatte Jo uns schon mehr als einmal erklärt, wenn wir sie mit der Nase auf das Offensichtliche stoßen wollten. „Das war, als ob ich mit meinem Bruder schlafen würde – eine ekelhafte Vorstellung. Ich will keinen lauwarmen Kompromiss, ich will die große Liebe. Aber die verdammte Suche ist so anstrengend.“
Ich konnte gut nachvollziehen, was sie meinte. Je älter wir wurden, desto mehr spürte ich es auch: Irgendwann hatten wir keine Kraft mehr, zu daten, zu suchen, enttäuscht zu werden. Das alles fühlte sich an wie die endlose Reise in einen Sommerurlaub, der niemals kam. Dabei wollten wir doch einfach nur ankommen, duschen und unseren Koffer auspacken.
Ich kannte dieses Gefühl selbst gut. Doch die unterschwellige Panik, alleine zu bleiben, von der Jo so oft sprach, die hatte ich nicht. Ich war davon überzeugt, dass ich jemanden finden würde. Immerhin lernte ich dauernd neue Leute kennen, war offen für alles, was das Leben mir so schenkte und vor die Füße spülte. Irgendwann würde schon der Richtige dabei sein. Und dann würde ich es wissen.
Heute war es einfach, Single zu sein, und in einer Stadt wie Frankfurt sowieso. Es gab unendlich viele Möglichkeiten, sich zu beschäftigen, rauszugehen, teilzunehmen. Ähnlich wie in New York musste auch hier niemand alleine bleiben. Auch wenn die Einsamkeit inmitten von vielen Menschen häufig die war, die sich am bittersten anfühlte.
Und was Kinder betraf, die konnten wir doch auch noch später bekommen. Mit 30, 35 oder 40 hatten wir doch alle Chancen und viel Power, um uns auf unsere Karriere und unsere Freunde zu konzentrieren.
Doch Jo hatte ihren Zeitplan, und es machte sie nervös, dass es dauerte und dauerte. Immerhin, da gab es ja noch diese Behauptung, dass direkt vor unserer Nase 164.000 ledige Männer leben würden. Zog man alle ab, die vom Alter her nicht passten, in einer Beziehung steckten, und alle, die sich nicht für Frauen interessierten, kam man zu einem Schluss: Wenigstens ein Guter musste für uns doch dabei sein, allein schon statistisch gesehen. Und ja, sogar für Kristin! Wie viel Auswahl brauchte diese Frau eigentlich?

Liebst du schon oder lebst du noch?

Es war Samstag und ich kämpfte bei IKEA in Nieder-Erlenbach ums Überleben. Natürlich nicht im buchstäblichen Sinne, aber jeder kennt ja diese Stimmung, die samstags bei IKEA herrscht: Stressig, flimmerig, bereit, jeden Moment zu eskalieren, so dass ein blutiger und finaler Kampf zwischen den Menschen um die letzten Ressourcen an Sofakissen und Platzdeckchen entbrennt.
Ich war gerade umgezogen und schlenderte durch die Küchenabteilung auf der Suche nach Inspiration. An der Kulisse einer hübschen cremefarbenen Landhausküche blieb ich stehen und trat ein.
Das war das Wunderbare an IKEA: Man machte nur zwei Schritte und war plötzlich in einer anderen Welt, einer anderen Wohnung. Diese Küche gefiel mir, auch wenn meine neue Wohnung streng genommen bereits mit einer ältlichen Einbauküche ausgestattet war. Was ich wirklich gebraucht hätte, wäre eine neue Couch gewesen.
Aber die Kulissenbauer des schwedischen Möbelhauses hatten wieder ganze Arbeit geleistet, so dass ich an dieser liebevoll dekorierten Küchenszene einfach nicht vorbeigehen konnte: Auf dem fiktiven Fensterbrett standen Töpfe mit grünen Plastikkräutern. Auf dem Holztisch, an dem ein Großstadtpaar bequem zu zweit sitzen konnte, standen zwei bauchige Rotweingläser neben zwei Tellern, zwei Garnituren Besteck lagen rechts und links des Tellerrandes. Den Tisch könnte man natürlich ausziehen, wenn Kinder kämen … Und die Weingläser gegen bunte Plastikbecher austauschen.
Ich lehnte mich mit dem Rücken an den Kühlschrank, schloss für einen Moment die Augen und fühlte in diese Umgebung hinein. Was, wenn das mein Leben wäre? Wie würde ich mich fühlen, mit wem würde ich hier wohnen? Diese Küche war für eine Single-Wohnung definitiv zu groß. Ich stellte mir ein hübsches Drei-Zimmer-Appartement dazu vor, in dem ein gutaussehendes und erfolgreiches Paar lebte, stritt und liebte. Hier am Küchentisch wurden allabendlich die wesentlichen Fragen des Thirty-Something-Lebens ausdiskutiert, hier traf man sich nach einem anstrengenden Arbeitstag und bewirtete Freunde, die ebenso gutaussehend und erfolgreich waren.
Ich muss wohl geseufzt haben, denn als ich die Augen wieder öffnete, merkte ich, dass ich nicht mehr alleine in der Küchenkulisse stand – und dass ein schlanker Mann mit schokoladenbraunen Haaren und braunen Augen mich belustigt ansah.
„So schlimm ist die Küche jetzt aber auch wieder nicht“, sagte er und lachte, während er einen Schrank öffnete und das Scharnier inspizierte. Er hatte einen schönen Mund, seine Züge waren entspannt. Er trug Jeans und einen grauen Kaschmirpullover, unter dem ein weißes Shirt hervorlugte.