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Jesper Juul

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Beschreibung

Getrennte Wege gehen, kompetente Eltern bleiben

Wenn sich Eltern trennen, ist das oft schmerzlich und stellt sie vor die schwierige Aufgabe, diesen Schritt familienverträglich zu vollziehen. Wie berücksichtigt man die Gefühle und Reaktionen der Kinder am besten? Wie spricht man mit ihnen, um die Situation zu erklären? Wie lässt sich das Familienleben in zwei Haushalten verlässlich gestalten, sodass die Bedürfnisse aller berücksichtigt werden? Und was tun, wenn es hakt?

In diesem Buch gibt der renommierte Familientherapeut Jesper Juul kompetente und authentische Antwort darauf, wie Eltern die Trennungssituation für ihre Kinder einfühlsam gestalten und so dafür sorgen, dass diese weiterhin geborgen und stark aufwachsen.

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Seitenzahl: 181

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Das Buch

Wenn sich Eltern trennen, ist das oft schmerzlich und stellt sie vor die schwierige Aufgabe, diesen Schritt familienverträglich zu vollziehen. Wie berücksichtigt man die Gefühle und Reaktionen der Kinder am besten? Wie spricht man mit ihnen, um die Situation zu erklären? Wie lässt sich das Familienleben in zwei Haushalten verlässlich gestalten, sodass die Bedürfnisse aller berücksichtigt werden? Und was tun, wenn es hakt?

In diesem Buch finden Eltern kompetente und authentische Antwort darauf, wie sie die Trennungssituation für ihre Kinder einfühlsam gestalten und so dafür sorgen, dass diese weiterhin geborgen und stark aufwachsen.

Die Autoren

Jesper Juul (1948–2019) war einer der bedeutendsten und innovativsten Familientherapeuten Europas, Konfliktberater und Gründer des Elternberatungsprojekts familylab international. Durch zahlreiche Seminare, Vorträge, Medienauftritte und erfolgreiche Elternbücher wurde er international bekannt. Seine respektvolle, gleichwürdige Art, mit Menschen umzugehen, beeindruckt Fachleute wie Eltern auch heute immer wieder neu.

Mathias Voelchert, geb. 1953, ist Gründer und Leiter von familylab.de. Er berät u.a. Paare und Familien zum Thema Trennung in Liebe, Gleichwürdigkeit und gelingende Beziehung. Er ist Betriebswirt, Ausbilder, praktischer Supervisor, Coach mit systemischer Ausbildung und diversen Weiterbildungen, Autor und seit 1983 selbstständiger Unternehmer. Außerdem bildet er seit Jahren Fachleute zum Thema Beziehungskompetenz in Schulen, Unternehmen und in der Familienberatung weiter. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern lebt mit seiner Frau im Bayerischen Wald.

Jesper Juul

Mathias Voelchert

Geborgen und stark

Wie Eltern in Trennung Orientierung und Halt geben

Kösel

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Übersetzung aus dem Dänischen von Knut Krüger: S. 96–101 (Das Wohl des ­Kindes)

Dieses Buch basiert auf Vorträgen, die Jesper Juul und Mathias Voelchert 2010 gehalten haben und die auf der DVDTrennung und dann …, hrsg. 2011 von ­familylab.de – die familienwerkstatt zusammengefasst wurden.

Copyright © 2021 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag: Weiss Werkstatt München

Umschlagmotiv: © Adobe Stock / Photographee.eu

Vignetten: © Adobe Stock/ Keya

Verschriftlichung und Vorlektorat: Nuka Matthies

Redaktion: Knut Krüger

ISBN 978-3-641-28329-2V003

www.koesel.de

Anmerkungen des Herausgebers und der Vor-Lektorin Nuka Matthies

Wir haben uns entschieden, in diesem Text durchgängig die weibliche Form zu verwenden, wenn von Personengruppen die Rede ist. Natürlich sind in diesen Fällen immer alle Geschlechter gemeint.

Ausnahme: Der Begriff »Partner« ist für uns trotz seines grammatikalischen Geschlechts (und trotz des auch existierenden Wortes »Partnerin«) gefühlt neutral und wird bei allgemeinen Personengruppen stellvertretend für alle Geschlechter verwendet.

Auch wenn in diesem Text vorwiegend von Partnerschaften zwischen Männern und Frauen gesprochen wird, möchten wir betonen, dass die menschlichen und psychologischen Phänomene, die beschrieben werden, unserer Ansicht nach für alle Formen von Liebesbeziehungen und für Menschen aller Geschlechter gleichermaßen von Bedeutung sind.

Inhalt

Einleitung von Mathias Voelchert

Trennung in Liebe – auf das Wie kommt es an von Mathias Voelchert

Zum Frieden braucht es zwei, zum Krieg reicht einer

Verantwortung, Macht und Wertschätzung

Zugehörigkeit und Selbstbestimmung

Als Paar getrennt und doch Eltern bleiben

Hilfreiche Fragen für konkrete Denk- und Lösungsansätze

Trennung oder Scheidung? von Jesper Juul

Zusammengehörigkeit und Trennung

Die Krise

Kinder und Trennung von Jesper Juul

Die Gefühle der Kinder sind ­berechtigt und erlaubt

Wann wir uns trennen und wie wir uns trennen

Was brauchen unsere Kinder?

Verantwortung

Wie Kinder reagieren

Mit Kindern reden – über sich selbst reden

Wer wohnt wann wo?

Leben nach der Trennung

Zwei Zuhause von Jesper Juul

Realismus und Romantik

Kooperation kostet Energie

Eltern müssen sich qualifizieren

Kinder wissen, was sie brauchen

Eltern sind für ihre eigenen Entscheidungen verantwortlich

Eltern haben kein Recht auf ihre Kinder

Neue Partnerinnen und neue Familien

Verantwortung und Autonomie der Kinder

Welche Rolle kann der neue Partner spielen?

Patchwork-Kommunikation

Nummer zwei auf der Hitliste

Liebes- und andere Beziehungen

Das Wohl des Kindes von Jesper Juul

Kindeswohl

Was schadet Kindern?

Schuld und Verantwortung

Sich Hilfe holen!

Die Wahl des richtigen Therapeuten

Auf dem Weg in die Zukunft

Passen Sie gut auf sich auf!

Tragen Sie Sorge für Ihre Trauer und die Ihrer Kinder

Eltern sein – auch nach der Trennung von Jesper Juul

Lernen, Vater zu sein

Was in den Beziehungen fehlt

Kinder wollen und brauchen ihre Väter

Kinder sind mit ihrem ­Trennungsschmerz oft allein

Die Trauer der Kinder und neue Partner

Kinder haben das Recht auf kompetente Eltern

Wenn man es nicht geschafft hat, eine Bindung aufzubauen

Besondere Beziehung zu einem Elternteil

Das Beste für uns

Kinder miteinbeziehen

Fragerunde mit Eltern und Fachleuten

Danksagung

Buchtipps

familylab – die Familienwerkstatt

Einleitung von Mathias Voelchert

Geborgen und stark werden Kinder, wenn wenigstens eines ihrer Elternteile oder ein erwachsener Ansprechpartner immer zuverlässig für sie verfügbar ist.1 Wenn Sie verlässlich für Ihr Kind da sind, zuhören und sich gleichzeitig als ein ganz normaler Mensch mit allen Fehlern zeigen können, dann stehen die Chancen sehr gut, dass Ihr Kind sich geborgen und stark fühlt und dass diese Lebensqualitäten auch in seinem späteren Leben verankert sein werden. Und das unabhängig davon, ob es in seiner ursprünglichen Familie aufwächst oder nicht.

Dieses Buch richtet sich entsprechend an Menschen, die ihrem Partner noch mit Empathie begegnen können, aber realisiert haben, dass es zusammen nicht mehr geht. Wer jeden Bezug dazu verloren hat, was einmal schön war in der Beziehung, und deshalb nicht (mehr) in der Lage ist, sich zu trennen, ohne den anderen zu beschädigen, kann seinen Kindern diese Lebensqualitäten nicht vermitteln.

Es ist bemerkenswert, dass die Brisanz und Aktualität des Themas »Trennungsverarbeitung« seit Jahren eher zu- als abnimmt. Die passende Balance zwischen Integrität (was ich für mich selbst tue) und Kooperation (was ich für dich und andere tue) zu finden, ist für beide Teile nicht leichter geworden. In Familienberatungen erlebe ich oft, dass sich dieser wiederkehrende Konflikt offenbart, wenn das Oberflächliche beiseite geräumt ist. Oft haben Paare etwas Wichtiges verloren, ohne es bemerkt zu haben. Meist wird dann über Äußerliches gestritten, obwohl es doch um Inneres geht!

Dass eine Ehe zu Ende geht, ist alles andere als ideal. Aber alle Dinge unter dem Himmel gehen irgendwann zu Ende, und wenn zeitliche Begrenztheit einer Sache ihren Wert nähme, dann würde nur Weniges im Leben wirklich gelingen. Jede Beziehung ist eine auf Zeit. Besonders der Paarbeziehung tut dieser Hinweis auf Vergänglichkeit gut. Unsere Idealisierung der Dauer setzt uns unter Druck, wenn wir am Ende einer Beziehung angelangt sind. Wenn sich zwei Menschen trennen, die sich einst geliebt haben, ist das oft mit tiefem Schmerz verbunden. Der Schmerz rührt daher, dass uns bewusst wird, was in unserer Beziehung nicht möglich war. Doch Trennung muss nicht in Bitterkeit oder Schuldzuweisungen enden. Sie kann auch die Chance für einen neuen Anfang sein.

Eine besondere Herausforderung stellt eine Trennung dar, wenn es nicht nur um ein Paar, sondern um eine Familie geht. Kinder schaffen eine unverbrüchliche Verbindung zwischen den Eltern. Auch wenn sich ein Elternteil völlig zurückzieht, Vater oder Mutter bleibt er oder sie dennoch zeitlebens. Aus Sicht der Kinder besteht die ursprüngliche Familie immer weiter: Egal, was passiert, der Vater bleibt der Papa, die Mutter bleibt die Mama – Punkt.

Kinder brauchen ihre Eltern, und sie brauchen ihre Eltern groß. Wenn Eltern sich trennen, kommen Kinder in Not, wenn die Eltern den Boden unter den Füßen verlieren und aufeinander losgehen, angetrieben von ihrem eigenen Schmerz. An unseren Kindern können wir leicht sehen, wie unsere Trennung läuft. Sie sind die Seismographen, die anzeigen, ob es ganz gut klappt oder ob wir Eltern noch Entwicklungsluft nach oben haben. Immerhin schaffen es heutzutage mehr Eltern, sich in Frieden zu trennen. Wenn das nicht gelingt, ist es niemals die Schuld von jemandem. Nein, alle meine Erkenntnisse und Erfahrungen mit Eltern zeigen: Wenn die liebevollen Gefühle zum Kind (oder auch zum Partner) beeinträchtigt sind, dann nur deshalb, weil jemand selbst zutiefst verletzt wurde. Werden damit verbundener Stress und die ungelösten Ängste ausgelebt, fühlt sich das Kind bedroht und verlassen. Verlassen von seinen wichtigsten Bindungs- und Bezugspersonen! Das ist gleichbedeutend mit maximaler Verunsicherung. Dieser Stress, diese Verunsicherung führen manchmal dazu, dass Kinder versuchen, alles, was ihnen möglich ist, dazu beizutragen, dass die Eltern wieder zusammenkommen. Ein achtjähriger Junge erzählte in einer Beratung, er spanne abends im Bett immer so lange wie möglich alle Muskeln an, in der Hoffnung, dass Mama und Papa wieder gut miteinander seien. Kinder wollen alles geben, um ihr sicheres Umfeld zu erhalten.

Eltern haben in einer Trennung oft die Vorstellung, sie müssten darauf schauen, was das Beste für ihr Kind sei. Doch es ist gerade andersherum. Die Eltern müssen darauf schauen, was für sie das Beste ist. Ich erachte es als die Aufgabe von Vater und Mutter, den nächsten Entwicklungsschritt in ihrem Leben zu gehen und sich mit ihren eigenen Kinderängsten und ihrem Stress zu konfrontieren, denn das ist meist die eigentliche Ursache dafür, dass der Trennungsprozess sich so schmerzlich gestaltet. Elternschaft ist die Spitze des Eisbergs dessen, was uns in unseren Herkunftsfamilien zugestoßen ist. Wenn wir uns daran erinnern, wie unsere Eltern und deren Eltern aufgewachsen sind, und uns dann überlegen, wie wir uns gegenüber unseren Kindern verhalten, dann können wir schon ermessen, welcher Sprengstoff uns allen in die Wiege gelegt wurde. Gerade Väter versuchen, davor wegzulaufen. Doch so schnell kann niemand laufen, wir haben unsere Herkunft und deren ungelöste Themen immer dabei. Wenn es in Trennungszeiten ernst wird, haben wir erneut die Wahl, uns diesen alten Verletzungen zu stellen und die alten Wunden endlich heilen zu lassen. Immer gewahr, dass Narben bleiben. Das ist unsere Möglichkeit, aus dem Karussell des Schmerzes auszusteigen. Dann schaffen wir es, unseren Kindern die Geborgenheit zu geben, die sie brauchen.

Geborgen fühlen sich unsere Kinder, und stark fürs Leben werden sie, wenn wir Eltern uns unseren gefährlichen Gefühlen, unseren Dämonen, unseren Ängsten stellen, die wir aus unserer eigenen Kindheit mitgebracht haben. Wenn wir es schaffen, unsere Wunden zu heilen, erzielen wir einen doppelten Gewinn, wir werden frei, und unsere Kinder müssen nicht Lasten, die eigentlich gar nichts mit ihnen zu tun haben, weitertragen. Das gilt nicht nur in Trennungssituationen, dann aber ganz besonders.

Im folgenden ersten Kapitel werde ich noch genauer umreißen, wie Eltern sich verantwortungsvoll trennen. In den darauffolgenden Kapiteln folgen die Überlegungen Jesper Juuls dazu, wie Eltern ihren Kindern in einer solchen Situation Halt und Orientierung geben. Ich freue mich, dass diese Gedanken von Jesper Juul über die Gleichwürdigkeit von Beziehungen auch nach seinem Tod im Juli 2019 nichts von ihrer Aktualität verloren haben – gerade in Bezug auf sich verändernde Eltern-Kind-Beziehungen.

Auf familylab.de (der Familienwerkstatt) und auf bimw.de (Beziehungen im Wandel) finden Sie dazu weitere hilfreiche Anregungen. Ich wünsche Ihnen den bestmöglichen Gewinn aus diesem Buch.

Ihr Mathias Voelchert

1 Das haben Resilienzforschungen, die von Emmy Werner im Jahr 1953 begonnen wurden, in über vierzig Jahren ein­drücklich belegt.

Trennung in Liebe – auf das Wie kommt es an von Mathias Voelchert

Uns als Eltern familienverträglich zu trennen, gelingt nur, wenn jeder sich dem anderen gegenüber verantwortungsvoll verhält, auch und gerade in der Trennung.

Doch Trennung ist ein heikles Thema, das für viele Betroffene ein großes Maß an Emotionen und Schmerz mit sich bringt. In der Regel versuchen wir, Trennungen und Abschieden auszuweichen oder sie möglichst schnell hinter uns zu bringen.

Ich selbst habe mich 1996 gezwungenermaßen mit dem Thema Trennung beschäftigen müssen – als meine erste Frau und ich uns getrennt haben. Unsere Kinder waren damals fünf und sieben Jahre alt. Wenn Sie sich heute in einer Trennungssituation befinden, würde ich Sie gern ermutigen, das Thema kraftvoll und mutig anzugehen. Lassen Sie sich nicht von Menschen, die schlechte Erfahrungen gemacht haben, entmutigen!

Als meine erste Frau und ich uns getrennt haben, waren wir seit zwanzig Jahren zusammen. Schon den Gedanken an eine Trennung hatte ich stets weit von mir gewiesen. Trennung war etwas für andere Leute, aber doch nicht für mich. Wer sich trennt, ist gescheitert und hat kapituliert – das passiert mir nie, habe ich gedacht. Und es war wie ein Schock, als ich erkannt habe, dass es endgültig vorbei war, dass unsere Liebesbeziehung als Paar zu Ende war.

Gleichzeitig gab es so ein widersprüchliches Gefühl bei mir und bei meiner ersten Frau ebenso: Da war noch Liebe da. Von ihr zu mir und von mir zu ihr. Aber es war keine partnerschaftliche Liebe mehr, sondern eine mitmenschliche Liebe. Diese Liebe hat nicht von heute auf morgen aufgehört, sondern es gab eine Phase des Übergangs, die mich sehr verwirrt hat. Ist es wirklich vorbei oder fängt es wieder an, fragte ich mich. Kann es noch eine gemeinsame Zukunft für uns geben?

Auf diese weitverbreitete Unsicherheit möchte ich gern aufmerksam machen. Manche Menschen wissen ganz genau, dass es vorbei ist. Doch die meisten, mit denen ich spreche, sind sich ihrer Sache nicht so sicher.

Oft geraten wir mit unseren Moralvorstellungen und unseren Ansichten, was in einer Ehe erlaubt ist und was nicht, in Konflikt. Und ich denke, es ist wichtig, dass Sie sich auf diesen Punkt konzentrieren und sich genau überlegen: »Was ist mir wichtiger – meine Moralvorstellungen oder unsere Beziehung?« Die Beziehung zu Ihrer Frau, zu Ihrem Mann, zu Ihren Kindern – das ist der Dreh- und Angelpunkt Ihres ­Lebens, und für den lohnt es sich, zu leben. Die Moral dagegen …

Ich sage nicht, dass man unmoralisch handeln soll, aber ich denke, es ist wichtig, zwischen Moral und Ethik zu unterscheiden. Moral beruht für mich auf vorgefassten starren Meinungen: Das macht man nicht. Unsere Ethik hat hingegen mit persönlichen Überzeugungen zu tun: Das tue ich nicht, weil es meinen Werten nicht entspricht.

In uns allen ist der Wunsch verwurzelt, die Trennung von Ich und Du zu überwinden. Dennoch können wir uns der Erkenntnis nicht verschließen, dass wir Individuen sind und eine vollkommene Symbiose gar nicht möglich ist.

Je genauer wir unsere eigenen Grenzen kennenlernen und je besser wir lernen, die Grenzen unseres Partners zu respektieren, desto besser gelingt auch unsere Beziehung. Auch Trennungen gelingen uns besser, sofern sie dann überhaupt noch nötig sind.

Interessant ist, dass wir die Symbiose als Ziel beziehungsweise als gewünschten Langzeitzustand betrachten. Vielleicht hat das mit der Erinnerung an unsere Zeit im Mutterleib zu tun, dem ein langer Trennungsprozess folgt. Zunächst wird die Nabelschnur durchtrennt, dann entdecken Kinder ihre Selbstständigkeit, durchleben die Pubertät, gehen eigene Wege, trennen sich von vielem Althergebrachten. Abschiede und Trennungen sind uns eigentlich vertraut. Trotzdem erleben viele Menschen die Trennung vom Partner so, als würde etwas in ihnen sterben. Es stirbt aber nicht die Beziehungsfähigkeit, sondern die Illusion, vollkommen miteinander verschmelzen zu können. Wir idealisieren die Symbiose, statt sie als zeitlich begrenztes Phänomen zu betrachten.

Julie und John Gottman, zwei amerikanische Beziehungsforscher, haben beschrieben, was eine erfolgreiche Paarbeziehung ausmacht: das Bewusstsein, einen gemeinsamen Sinn fürs Leben zu schaffen; die Fähigkeit, scheinbar ausweglose Pattsituationen zu überwinden; der Pragmatismus, Probleme zu lösen, die sich lösen lassen, und die Akzeptanz, dass es auch unlösbare Probleme gibt. Auch die klassischen Beziehungskiller sind von den Gottmans und einem Forschungspartner untersucht worden: den Partner zu verurteilen und zu verachten. Ihn gering zu schätzen und mit Schuldzuweisungen zu überhäufen. Mehr »Du« als »Ich« zu sagen. Destruktive Konflikte zu produzieren und den eigenen Anteil daran nicht sehen zu wollen. Mit Schweigen zu strafen, Gespräche zu verweigern, sich abzukapseln. Machtdemonstrationen zu betreiben und den Partner zu demütigen.2

Sie führen auf direktem Weg zum Scheitern der Beziehung, zum Bruch und zur inneren Kündigung des ­Partners – und meistens auch zu schlechten Trennungen. Denn wie soll eine wohlwollende und konstruktive Trennung gelingen, wenn es bis dahin nur Missverständnisse, Machtdemon­strationen, Verachtung und Misshandlungen mit Worten gegeben hat?

Ehe bzw. Familie ist keine Harmonieveranstaltung, sondern eine Wachstumsveranstaltung. Und auch jede Trennung bietet den beteiligten Erwachsenen enorme Wachstumsmöglichkeiten, um sich endlich von alten, untauglichen Mustern zu lösen. Eines ist mir auf meinem eigenen Weg und in der Arbeit mit Paaren klar geworden, wir trennen uns in den seltensten Fällen vom Partner, wir trennen uns von den Anteilen unserer selbst, die uns zu dem haben werden lassen, wie wir heute sind und wie wir nicht mehr sein wollen. Gleichzeitig sehen wir in den seltensten Fällen Alternativen zum erlernten Verhalten. Hier neue Ideen zu entwickeln, erhöht die Chance, dass sich ein ähnliches Drama zumindest in der nächsten Beziehung nicht wiederholt.

Die Art der Trennung ist oft ein Abbild der vorangegangenen Partnerschaft.

Versuchen Sie, so sachlich miteinander umzugehen wie irgend möglich, wenn einer von Ihnen beiden den Trennungsentschluss gefasst hat. Auch während der Trennung einen gewissen Zusammenhalt zu bewahren, ist eine gute Idee – sich selbst und den gemeinsamen Kindern zuliebe. Die Partner können versuchen, sich als Menschen verbunden zu fühlen, und nach gemeinsamen Lösungen suchen, so schwer dies im Einzelfall auch fallen mag. Man sollte sich stets vergegenwärtigen, dass es lange braucht, um ein Vertrauensverhältnis aufzubauen – zerstören kann man es hingegen in kürzester Zeit.

Ich habe noch kein Paar in Trennung erlebt, bei dem die Liebe vollkommen verschwunden war. Oft war sie verschüttet, abgenutzt und strapaziert – manchmal bereits in Wut und Hoffnungslosigkeit umgeschlagen, doch mitmenschliche Liebe und gegenseitiges Wohlwollen waren noch manchmal zu spüren – schließlich hat man sich einmal geliebt.

Die Transformation von der partnerschaftlichen Liebe zur mitmenschlichen Liebe hinzubekommen, sollte das Ziel sein. Auch müssen wir uns klarmachen, dass wir – falls überhaupt – nur wenige so gute Freundinnen oder Freunde haben wie den Partner, mit dem wir viele gemeinsame Jahre verbracht haben; beziehungsweise niemanden, den wir so gut kennen. Auch darum sollte man sich weiterhin gewogen bleiben. Meine erste Frau und ich kennen uns jetzt seit über fünfundvierzig Jahren, gehen wohlwollend miteinander um und helfen einander, wenn es nötig ist. Es gibt nicht viele Menschen, mit denen uns so eine lange gemeinsame Geschichte verbindet. Um das zu erreichen, ist es aber unumgänglich, sich mit den eigenen Ur-Ängsten und Dämonen zu befassen, von alleine werden die nicht verschwinden. Holen Sie sich Hilfe, um Ihre Lebensqualität entscheidend zu verbessern!

Es lohnt sich, um Menschen zu kämpfen, denen man sich seit Langem verbunden fühlt. Dazu gehört auch, etwaige Rache- oder Angstgefühle irgendwann ad acta zu legen.

Im aufgewühlten Zustand während der Trennung fällt schon mal der frustrierte Satz: »Du hast mein Leben zerstört.« Würden wir einen kühlen Kopf bewahren, müsste der Satz vielmehr lauten: »Meine Erwartungen sind nicht erfüllt worden.« Zugegeben, so viel Abgeklärtheit ist womöglich zu viel verlangt, doch sollten wir uns klarmachen, dass die andere Person mein Leben nicht zerstören kann. Sie kann meine Vorstellungen, die ich vom Leben hatte, schwächen oder enttäuschen. Dann ist es an mir, die Konsequenzen zu ziehen und mich zu trennen beziehungsweise neu zu orientieren. Ich selbst kann mein Leben neu konzipieren.

Wir leben in einer Zeit, in der wir eine Trennungskultur entwickeln müssen, um der allgemeinen Ratlosigkeit im Verlauf einer Trennung entgegenzuwirken. Diese Ratlosigkeit bringt manche dazu, aufeinander loszugehen, statt miteinander nach besseren Lösungen für alle Beteiligten zu suchen.

Bei meiner eigenen Trennung ging es nur um mich. Ich habe meiner Frau keine Vorwürfe gemacht. Doch ich hatte mich in unserer Beziehung so weit verbogen, dass ich meilenweit von dem Vater und Mann entfernt war, der ich hätte sein können. Ich wusste ganz genau, dass ich anders sein konnte als in dieser Konstellation. Das hat sich später bestätigt, auch wenn ich bis heute mit meiner Ungeduld noch immer nicht im Reinen bin.

Zum Frieden braucht es zwei, zum Krieg reicht einer

Damit wir uns gemeinsam entwickeln können, braucht es zwei, die das Risiko eingehen, verletzlich zu sein. Wer dem anderen Vorwürfe macht, statt sich an die eigene Nase zu fassen, versucht, sich unverletzlich zu machen. Dasselbe gilt für die Trennung. Eine Trennung in Liebe gelingt nur, wenn beide sich verletzlich machen und überlegen: Was kann ich tun? Was habe ich getan? Auch ich bin ein Teil dessen, was wir bis hierhin geschaffen haben. Und wenn du einen neuen Partner suchst, habe auch ich etwas damit zu tun. Das hat nichts mit Schuld, sondern mit individueller Entwicklung zu tun. Wir verändern uns ständig, doch bei unserem Partner wollen wir diese Veränderungen oft nicht wahrhaben, weil sie manchmal unangenehm, ja bedrohlich für uns sind.

An dieser Stelle möchte ich betonen, dass man keine Therapeutin und keine Fachfrau sein muss, um eine gemeinsame, halbwegs harmonische Trennung hinzukriegen. Man braucht nur ein offenes Herz für sich selbst, für den Partner und die Kinder. Man muss in sich hineinhorchen und seinen eigenen Weg finden. Man kann nichts kopieren. Dagegen ist es sehr wichtig, mit seinem Partner im Gespräch zu bleiben.

Ohne ein Mindestmaß an Kommunikation ist eine konstruktive Trennung unmöglich. ­Ausgangspunkt jeder Kommunikation ist jedoch ein intaktes Verhältnis zu sich selbst.

Ein freundliches, offenes Herz und die Fähigkeit, sich verletzlich zu machen – das ist die Voraussetzung, um miteinander neu ins Gespräch zu kommen. Krieg kann nur in kalten, verschlossenen, beschädigten Herzen entstehen, die erst so gemacht worden sind, nie so auf die Welt kamen. Ich muss in der Lage sein, mich in der hoch emotionalen Situation selbst wahrzunehmen – gar nicht so sehr die andere Person – und mich selbst zu befragen: »Was passiert gerade mit mir? Wie geht es mir?«

Alle Paartherapeutinnen wissen, dass die meisten Menschen dazu neigen, Beziehungsprobleme erst mal zu leugnen oder zu relativieren. Erst im zweiten Schritt sind sie in der Lage, ihre Probleme einzuräumen. Doch sind wir mit ihnen nicht allein. Es ist ein Charakteristikum von Beziehungen, dass es manchmal Krieg, Streit oder Auseinandersetzungen gibt. Dass Enttäuschungen vorprogrammiert sind. Der entscheidende Punkt ist, wie wir mit diesen Emotionen danach umgehen. Man kann es lernen, wenn man will, und zwar am besten gemeinsam.