Gerettet - David Long - E-Book

Gerettet E-Book

David Long

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Beschreibung

Bei einem Tropengewitter stürzt ein peruanisches Flugzeug über dem Dschungel aus 3000 Metern Höhe ab. Nur die siebzehnjährige Juliane überlebt. Mit ein paar Schrammen, ohne Brille, mit nur einer Sandale und einem Tütchen Fruchtbonbons schlägt sie sich durch den Urwald. Fast elf Tage ist sie unterwegs, bis sie auf Einheimische trifft ...


Das Mädchen, das vom Himmel fiel; der Segler, der ein dramatisches Schiffsunglück überlebte; die Frau, die im eisigen Wasser unter einer Eisschicht eingeschlossen war und die doch vier Stunden später von Rettungssanitätern wiederbelebt werden konnte ...

David Long erzählt in 23 bewegenden, abenteuerlichen – und wahren – Geschichten von Menschen, die Extremsituationen in der Wildnis überlebt haben – unterhaltsam, lehrreich und spannend.

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Seitenzahl: 167

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Cover

Titel

David Long

Gerettet

Wahre Geschichten vom Überleben

Aus dem Englischen von Martina Tichy und Felix Mayer

Mit Illustrationen von Kerry Hyndman

Insel Verlag

Impressum

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Die Wiedergabe von Gestaltungselementen, Farbigkeit sowie von Trennungen und Seitenumbrüchen ist abhängig vom jeweiligen Lesegerät und kann vom Verlag nicht beeinflusst werden.

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Die Originalausgabe erschien erstmals 2016 unter dem Titel Survivors. Extraordinary Tales From the Wild and Beyond bei Faber and Faber Limited, London.

eBook Insel Verlag Berlin 2023

Der vorliegende Text folgt der deutschen Erstausgabe, 2023.

© der deutschsprachigen AusgabeInsel Verlag Anton Kippenberg GmbH & Co. KG, Berlin 2023© David Long 2016Illustrationen © Kerry Hyndman 2016

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Umschlaggestaltung: Designbüro Lübbeke, Naumann, Thoben, Köln

eISBN 978-3-458-77828-8

www.suhrkamp.de

Übersicht

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Informationen zum Buch

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Juliane Koepcke

Das Mädchen, das vom Himmel fiel. (Peru, 1971)

Douglas Mawson

Der Mann, der allein zurückkam. (Antarktis, 1912)

Hans Peter Strelzyk und Günter Wetzel

Die Freunde, die mit einem Ballon die Grenze überquerten. (Deutschland, 1979)

Tami Oldham

Die Frau, die in einen Hurrikan segelte. (Pazifischer Ozean, 1983)

Roger Chapman und Roger Mallinson

Die Männer, die sich auf dem Meeresboden ein Sandwich teilten. (Atlantik, 1973)

Aron Ralston

Der Schluchtenkletterer, der sich den Arm abschnitt . (USA, 2003)

Poon Lim

Der Mann, der einem Hai das Blut aussaugte . (Atlantik, 1942)

Ernest Shackleton

Der Kapitän, der seine Mannschaft rettete. (Antarktis, 1914)

Hugh Glass

Der Pelztierjäger, der mit einem Grizzly rang. (Amerika, 1823)

Mauro Prosperi

Der Wüstenläufer, der seinen eigenen Urin trank . (Sahara, 1994)

Sue Ruff und Bruce Nelson

Das Paar, dem ein Vulkan den Atem raubte . (Amerika, 1980)

Colby Coombs

Der Bergsteiger, der aus einer Lawine herauskam . (Alaska, 1992)

Eric LeMarque

Der Snowboarder, der fatal falsch abbog . (Kalifornien, 2004)

Craig Hosking

Der Pilot, der in einen Vulkan stürzte. (Hawaii, 1992)

Anna Bågenholm

Die Frau, die den Kältetod starb — und wieder zum Leben erwachte . (Norwegen, 1999)

Johann Westhauser

Der Höhlenforscher, der zwölf Tage festsaß. (Deutschland, 2014)

John Capes

Der Schiffbrüchige, dem niemand glaubte. (Griechenland, 1941)

Leonid Rogosow

Der Arzt, der sich selbst operierte. (Antarktis, 1961)

Rob Tesar

Der Student, der im Treibsand feststeckte. (USA, 2011)

Greg Rasmussen

Der Naturschützer, der in der Kalahari mit dem Flugzeug abstürzte. (Simbabwe, 2003)

Brant Webb und Todd Russell

Die Bergleute, die zwei Wochen unter Tage verbrachten. (Tasmanien, 2006)

Claudio Corti

Der Bergsteiger, der in der »Mordwand« stürzte. (Schweiz, 1957)

Yossi Ghinsberg

Der Abenteurer, der einen Wasserfall hinabstürzte. (Bolivien, 1981)

Epilog

Informationen zum Buch

Zu allen Zeiten sind Menschen, die nach Abenteuern suchten, immer wieder auch auf Gefahren gestoßen – und die in diesem Buch versammelten wahren Geschichten vom Überleben unter widrigsten Umständen suchen ihresgleichen. Manche Menschen wussten, wie riskant ihre Unternehmungen waren – andere hatten einfach unglaubliches Pech. Doch in jedem Fall sahen sich diese Männer, Frauen und Kinder gezwungen, das schier Unmögliche zu schaffen – auf See, in der Luft und in schrecklichen Notlagen auf der Erde.

Ihre Geschichten zeigen, wie viel Kraft, Tapferkeit und Selbstvertrauen nötig waren, um all das durchzustehen. Nicht jede und jeder von ihnen kam mit heiler Haut davon, etliche erlitten schwere Verletzungen, doch ihre Geschichten sind spannend, aufschlussreich und inspirierend – und auch wenn man es kaum glauben mag: Sie haben sich genau so zugetragen.

Juliane Koepcke

Das Mädchen, das vom Himmel fiel

(Peru, 1971)

An Heiligabend befand sich die siebzehnjährige Juliane Koepcke hoch über dem südamerikanischen Regenwald, als das Flugzeug, in dem sie und ihre Mutter saßen, in einen heftigen Sturm geriet. Am Abend zuvor hatten sie noch Julianes Abschlussball an der Schule gefeiert, das Halbjahr war vorbei, und nun wollten sie die Ferien zu Hause verbringen. Zu Hause, das war ein abgeschiedener Ort namens Pucallpa im Amazonasgebiet von Peru, wo Julianes Vater, Hans-Wilhelm Koepcke, als Biologe arbeitete. Ihre Mutter Maria war Ornithologin und erforschte das Verhalten von Vögeln. Da Juliane sich ebenfalls für alles begeisterte, was mit der Natur zusammenhing, wollte sie dem Beispiel ihrer Eltern folgen und Biologie studieren.

Beim Besteigen der viermotorigen Lockheed Electra hatten sich noch einige Passagiere beschwert, weil der Flug fast sieben Stunden Verspätung hatte. Doch nun waren sie in der Luft, und Juliane freute sich auf die Ferien und das Wiedersehen mit ihrem Vater. Von ihrem Fensterplatz aus sah sie in der Ferne Unwetterwolken, doch sie flog für ihr Leben gern und hätte nicht gewusst, warum sie sich fürchten sollte.

Ihre Mutter war weniger entspannt. Da sie nie recht glauben mochte, dass etwas aus Metall mit den Vögeln, die sie beobachtete, mithalten konnte, flog sie selbst bei besten Bedingungen nur ungern. Nun, als die Electra plötzlich absackte und in eine massige, dunkle Regenwolke eintauchte, wurde sie nervös. Bald darauf wurde das Flugzeug von Turbulenzen durchgerüttelt, und schließlich beschlich auch Juliane das Gefühl, dass hier etwas nicht mehr stimmte.

Aus den Gepäckfächern über den Sitzen fielen die ersten Koffer und Taschen heraus, Getränke ergossen sich in den Schoß von Passagieren. Weihnachtsgeschenke und Päckchen purzelten durch die Kabine, als das Flugzeug von den Luftwirbeln auf und ab geschleudert wurde.

Durch ihr Fenster sah Juliane Blitze um das Flugzeug zucken. Der Sturm hatte sie offensichtlich im Griff, und nun wurde auch ihr mulmig zumute. Über das Röhren der Propeller hinweg hörte man Passagiere schreien; sie griff nach der Hand ihrer Mutter.

Fast zehn Minuten lang hielt dieses Gerüttel und Geschüttel an, das die Maschine heftig beutelte. Juliane umklammerte die Hand ihrer Mutter fester und sah beim Blick aus dem Fenster, dass eine Tragfläche aufflammte. Ihre Mutter bemerkte es ebenfalls und sagte ganz ruhig: »Das ist das Ende. Jetzt ist alles vorbei.« Es waren die letzten Worte, die Juliane von ihr hörte.

Kurz darauf wurde es in der Kabine dunkel, und die Electra ging in einen Sturzflug über. In der Stockfinsternis konnte Juliane nichts erkennen, sie hörte nur noch das Dröhnen der Triebwerke. Und dann war es auf einmal totenstill. Zu ihrem Entsetzen fand sie sich mitsamt ihrem Sitz plötzlich irgendwo außerhalb des Flugzeugs wieder, wo sie sich, immer noch angeschnallt, pausenlos überschlug. Um sie herum nichts als brausende, kalte Luft; wie ein Stein fiel sie Richtung Dschungel.

Als sie aus den Wolken heraus war, sah sie ganz kurz die Baumkronen, die einem Feld aus Riesenbrokkoli glichen und auf sie zuzurasen schienen. Ein Anblick, bei dem man vor Schreck hätte erstarren können, doch hatte sie wohl im nächsten Moment schon das Bewusstsein verloren und kam erst am folgenden Morgen wieder zu sich. Es war der erste Weihnachtstag. Sie saß noch immer angeschnallt auf ihrem Sitz, der sich in den Boden gerammt hatte.

Vierzig Minuten nach dem Start war das Flugzeug offenbar von einem Blitz getroffen worden, woraufhin ein Treibstofftank explodierte und die rechte Tragfläche abriss. Als der Rumpf allmählich zerbarst, war Juliane aus dem fliegenden Wrack geschleudert worden und fast dreitausend Meter tief in den Dschungel gestürzt.

Das wurde ihr sofort klar. Sie sah zu den Bäumen hoch und wusste, dass sie eine Flugzeugkatastrophe überlebt hatte – vielleicht nur deshalb, weil das dichte Laubwerk und ihr Sitz den Aufprall abgefangen hatten.

Die Siebzehnjährige litt, wie man sich denken kann, unter starken Schmerzen und Schwindel. Sie hatte einen Schlüsselbeinbruch, einen Kreuzbandriss im Knie sowie Prellungen und tiefe Schnittwunden. Ihr linkes Auge war zugeschwollen, dennoch kam sie auf die Beine und war sich bewusst, dass sie zusehen musste, sich in Sicherheit zu bringen.

Ihre Eltern hatten ihr viel über den Dschungel beigebracht, daher wusste sie, dass er nicht so gefährlich war, wie man gerne denkt. Wenn man ihn durchwanderte, musste man einen kühlen Kopf bewahren und sich vor Dummheiten hüten; allerdings hatte sie keine Ahnung, wo sie sich befand und wo die anderen Passagiere nach dem Absturz gelandet waren. Zudem hatte sie einen Schuh und ihre Brille verloren, was die Sache noch erschwerte, da sie stark kurzsichtig war. Außerdem war ihr leichtes Baumwollkleid nicht gerade dazu geeignet, sie vor den Bissen und Stichen der Insekten zu schützen, die sie von allen Seiten umsurrten.

Als Erstes musste sie herausfinden, ob sonst noch jemand in der Nähe war, vor allem natürlich ihre Mutter; doch auf Julianes Rufe kam keine Antwort, außer dem Gekakel aufgescheuchter Tiere. Einige Zeit später hörte sie in heller Aufregung, dass ein Flugzeug über ihr kreiste. Vermutlich hielt die Crew Ausschau nach Überlebenden, doch da Juliane den Flieger durch das dichte Baumkronendach nicht sehen konnte, war ihr schnell klar, dass es sich umgekehrt ebenso verhielt. Sie fühlte sich buchstäblich mutterseelenallein.

Eine Zeitlang hatten die Koepckes in einer entlegenen Forschungsstation gelebt, wo Hans-Wilhelm seiner Tochter einige nützliche Überlebenstipps beigebracht hatte. Er erklärte ihr zum Beispiel, dass es oft sicherer war, durch seichtes Gewässer zu waten, als über Land zu laufen – Schlangen und andere giftige Tiere sind auf dem Erdboden schwer auszumachen und gehen zum Angriff über, wenn ihnen jemand zu nahe kommt. Juliane wusste auch, dass Dschungelsiedlungen meist an Flüssen liegen – wenn sie sich also dicht beim Wasser hielt, stiegen ihre Chancen, jemandem zu begegnen und Hilfe zu finden.

Bis dieser Fall eintrat, sah es jedoch schlimm für sie aus. Zu essen hatte sie nur eine kleine Tüte Süßigkeiten, und natürlich hatte sie keine Ahnung, wie lange sie würde laufen müssen, bis sie in Sicherheit war. Schon bald ließen sich Dutzende von Insekten auf ihr nieder und krabbelten in ihr Haar, und nach Sonnenaufgang wurde es im Regenwald unerträglich heiß. Dazu war es auch noch sehr feucht, weil den ganzen Tag immer wieder Unwetter wie das, dem die Electra zum Opfer gefallen war, über den Dschungel hereinbrachen.

Nachdem sie nirgends Anzeichen finden konnte, dass außer ihr noch jemand in der Nähe war, machte Juliane sich auf den Weg, stieß auf einen kleinen Fluss und beschloss, ihm zu folgen. Zum Glück gab es damit genügend Trinkwasser für sie, doch in der gerade herrschenden Regenzeit hingen noch keine reifen Früchte an den Bäumen; und dank der Unterweisungen ihrer Eltern wusste sie, dass es zu riskant war, irgendetwas anderes zu essen.

Nach Einbruch der Dunkelheit fiel die Temperatur stark ab, und in ihrem ärmellosen, durchnässten Sommerkleid fror Juliane erbärmlich. Außerdem fühlte sie sich einsam und hatte Angst. Sie konnte nicht schlafen, saß nur schlotternd da und lauschte den verstörenden Geräuschen des nächtlichen Regenwalds. Am nächsten Morgen folgte sie langsam weiter dem Flusslauf. Schon bald war die kleine Tüte mit Süßigkeiten leer, und als ihre Uhr stehenblieb, verlor sie rasch jedes Zeitgefühl.

Nach ein paar Tagen hörte sie, dass sich irgendwo in der Nähe ein Königsgeier bemerkbar machte. Von ihrer Mutter wusste sie, dass diese großen Vögel sich nur dort niederlassen, wo jede Menge Nahrung für sie zu finden ist. Da Geier ausschließlich Aas fressen, lag für Juliane die Vermutung nahe, dass der Vogel nach Leichen aus dem abgestürzten Flugzeug Ausschau hielt.

Ihre Befürchtungen bestätigten sich kurz darauf, als sie auf eine Sitzbank aus dem Flieger stieß. Diese war teilweise im Dickicht verborgen, und die drei toten Passagiere saßen immer noch angeschnallt auf ihren Plätzen. Einen Augenblick lang meinte Juliane, eine der Leichen könnte ihre Mutter sein, doch dann sah sie, dass deren Fußnägel lackiert waren – etwas, das bei ihrer Mutter nie vorkam. Während ihrer gesamten Zeit im Dschungel fand Juliane keine weiteren Überlebenden; später erfuhr sie, dass von den einundneunzig Menschen an Bord der Electra einzig und allein sie am Leben geblieben war.

Mehrere Tage lief oder schwamm sie weiter flussabwärts, kam natürlich nur langsam voran und wurde beim Schwimmen von der Sonne auf dem Rücken und an den Armen gnadenlos verbrannt: neben ihren sonstigen Verletzungen eine zusätzliche Qual. Schlafmangel und die Kraftanstrengung, die es sie kostete, sich weiter fortzubewegen, erschöpften sie mehr und mehr. Außerdem bemerkte sie zu ihrem Erschrecken, dass die Insektenstiche sich entzündeten und Fliegenmaden sich unter ihrer Haut eingruben.

Nach einer Woche hörte Juliane keine Flugzeuge mehr am Himmel kreisen, was wohl bedeutete, dass die Behörden die Suche nach Überlebenden eingestellt hatten. Das ängstigte sie, machte sie aber auch wütend – zu wissen, dass sie aufgegeben hatten, obwohl sie, Juliane, schließlich im Dschungel unter ihnen immer noch um ihr Leben kämpfte. Verzweiflung überkam sie, doch dann, am neunten Tag, stieß sie voll Erstaunen und Freude auf ein altes, ramponiertes Boot nahe der Stelle am Flussufer, wo sie zuvor Rast gemacht hatte.

Zuerst wollte sie sich das Boot einfach nehmen – aber niemand sollte sie des Diebstahls beschuldigen. Sie sah sich um und entdeckte einen Pfad, der über die Flussböschung hinauf in den Wald führte. Mit letzter Kraft, todmüde und ausgehungert, erklomm sie den Pfad und stieß ganz oben auf eine kleine Hütte. Drinnen fand sie einen Außenbordmotor und einen Benzinkanister – da fiel ihr ein Trick ein, mit dem ihr Vater den Hund der Familie immer von Würmern befreite.

Wenn sie Benzin auf ihre Wunden goss, musste das die Maden eigentlich töten oder zumindest aus Julianes Körper verjagen. Es würde unerträglich brennen, aber einen Versuch war es wert. Nachdem sie einen Arm mit der brennbaren Flüssigkeit überschüttet hatte, zählte sie nicht weniger als vierzig Maden, die aus den Wunden zu Boden fielen. Die Anstrengung erschöpfte sie nur noch mehr, sie wickelte sich in eine Plane aus der Hütte und war im nächsten Moment eingeschlafen.

Beim Erwachen am folgenden Morgen ging es Juliane nicht viel besser, und sie beschloss, noch eine Weile in der Hütte zu bleiben, weil ihr die Kraft fehlte, ihren Weg fortzusetzen. Draußen setzte ein weiterer Gewitterguss ein, doch später, als der Regen sich legte, glaubte sie Stimmen zu hören, die sich der Hütte näherten. Sie rappelte sich hoch, öffnete die Tür und war vor Freude schier außer sich, als sie drei verdutzte Waldarbeiter vor sich sah. Rasch erzählte sie ihnen von dem Absturz und den vergangenen zehn Tagen, die sie allein im Dschungel zugebracht hatte.

Die Männer boten ihr etwas zu essen an, doch nachdem sie so lange nur Wasser getrunken hatte, konnte sie nichts zu sich nehmen. Daraufhin fassten die Männer den schnellen Entschluss, Juliane in ihrem Kanu flussabwärts zu transportieren. Nach sieben Stunden auf dem Wasser wurde sie zu einem Krankenhaus geflogen und später zu ihrem Vater nach Pucallpa gebracht. Glücklicherweise erholte sie sich vollständig von sämtlichen Strapazen, doch plagten sie noch jahrelang Alpträume über all das, was sie ausgestanden hatte, wie auch über den Tod ihrer Mutter und der anderen Passagiere. Ihrer Liebe zur Biologie tat dies allerdings keinen Abbruch; sie studierte in Deutschland und kehrte viele Male nach Peru zurück, um den Dschungel und seine Tierwelt zu erforschen.

Douglas Mawson

Der Mann, der allein zurückkam

(Antarktis, 1912)

In dem sogenannten heroischen Zeitalter der Polarexpeditionen wetteiferten etliche Entdeckungsreisende darum, als Erste den Südpol zu erreichen. Anderen war mehr an Forschung als an Ruhm gelegen. Mit einem Team von zwei Dutzend Wissenschaftlern begab sich der australische Geologe Douglas Mawson auf eine gefährliche Reise zu dem riesigen Eiskontinent der Antarktis.

An der Küste errichteten die Männer ein Ausgangslager: eine beengte Holzhütte, die rasch eingeschneit war. Von dort machte sich Mawson in Begleitung von zwei weiteren Forschern zur Erkundung des Landesinneren auf. Leutnant Belgrave Ninnis war für die Hunde zuständig, die Proviant und Ausrüstung auf Schlitten zogen. Xavier Mertz, ein Meisterskiläufer aus der Schweiz, brachte jede Menge Erfahrung als Bergsteiger mit. Alle drei brannten darauf, die geologischen Gegebenheiten der Region zu untersuchen, und planten zu diesem Zweck, mehr als 1800 Kilometer Eisfläche zu überqueren; doch nach sechs Wochen hatten sie gerade mal ein gutes Viertel dieser Strecke geschafft.

In dieser Region – nach Meinung vieler Experten die windigste der Erde – war das Wetter weit schlimmer als von Mawson erwartet. In der Antarktis werden Windgeschwindigkeiten von bis zu 280 Stundenkilometern erreicht, und Orkane toben häufig wochenlang. In solchen Phasen kann kein Mensch aufrecht stehen, und die Sichtweite beträgt vielleicht einen Meter, was bedeutete, dass die Männer sich häufig auf allen vieren fortbewegen mussten.

Abends schlugen sie zum Schutz vor dem heulenden Wind ihre Zelte auf, und morgens bildete sich eine Maske aus Eis und Schnee auf ihren Gesichtern. Verrückterweise bot ihnen dies einen gewissen Schutz vor den erbarmungslosen Wetterbedingungen. Anfangs kamen die drei gut voran, doch dann verlangsamte sich ihr Tempo, und es wurde klar, dass ihnen Gefahr bevorstand.

Sie hatten erfolgreich zwei gewaltige Gletscher überquert und waren gute 450 Kilometer vom Ausgangslager entfernt, als Ninnis plötzlich verschwand. Der Untergrund, auf dem er sich bewegte, schien aus solidem Eis zu bestehen, war in Wirklichkeit aber nur eine brüchige Kruste aus gefrorenem Schnee. Darunter verbarg sich eine Gletscherspalte, die schier endlos tief in die Erde führte, und als der Firn unter seinem Gewicht nachgab, stürzte Ninnis mit seinem Schlitten und sechs der insgesamt zwölf Hunde in den Abgrund.

Ninnis oder die Tiere retten zu wollen, war aussichtslos, denn auch nur bis zum Rand der Eisspalte zu kriechen, hätte bedeutet, eine weitere Tragödie zu riskieren. Nach Schätzungen von Mawson und Mertz war Ninnis mindestens fünfzig Meter tief gefallen; so weit reichten die Seile nicht, die sie auf dem verbleibenden Schlitten dabeihatten, und demnach war es unmöglich, ihn aus seiner Lage zu befreien, selbst wenn er überlebt haben sollte.

Neben dem Schock, ihren Freund verloren zu haben, drohte den beiden Männern nun eine Katastrophe. Ihr Zelt und ihre wasserdichte Kleidung waren in der Gletscherspalte verschwunden, desgleichen die meisten Nahrungsmittel. Der komplette Proviant für die Hunde war ebenfalls fort, dazu auch wichtige Werkzeuge wie Spitzhacke und Schaufel. Mawson und Mertz hatten noch einen Kocher, Brennstoff und ihre Schlafsäcke, doch für kaum mehr als zehn Tage zu essen.

Sie hatten keine andere Wahl, als umzukehren – eine Tour über mehrere Wochen mit überaus düsteren Aussichten. Immerhin würden sie auf dem Rückweg einige beschädigte Ausrüstungsteile wieder einsammeln können, die sie ein paar Tage zuvor zurückgelassen hatten und von denen sich manche angesichts der großen Gefahr doch noch als nützlich erweisen mochten. Blieb die Frage, wie sie an Essen kommen sollten.

Mawsons Meinung nach hatten sie zwei Möglichkeiten: erstens, sich wie auf dem Hinweg an der Küste zu halten, wo sie vielleicht Robben erlegen und so ihre Fleischvorräte aufstocken konnten. Doch war dieser Weg sehr viel länger, das Gebiet unzugänglicher und gefährlicher. Sich stattdessen weiter Richtung Süden zu bewegen, würde sie schneller zum Ausgangslager zurückbringen, ihnen aber kein Robbenfleisch verschaffen, was hieß, dass sie einige der Hunde opfern müssten. Eine furchtbare Entscheidung, vor der sie nun standen – und doch die einzige Möglichkeit, sich und die verbleibenden Tiere am Leben zu erhalten.

So rangen sie sich dazu durch, den schwächsten Hund als Ersten zu erschießen. Vor ihrem Aufbruch brieten sie etwas von dem Fleisch für sich selbst und warfen die rohen Reste dem hungrigen Rudel vor. Alles in allem schmeckte es gar nicht mal so schlecht, fand Mertz, nur die Leber hatte zu viele Sehnen und ließ sich schlecht kauen.

Mawson schlug vor, von nun an nachts zu marschieren; bei den niedrigeren Temperaturen würden sie auf dem fest gefrorenen Schnee schneller vorankommen als tagsüber. Rast machten sie in einem behelfsmäßigen Unterstand, den Mawson aus einer Zelthülle und Skistöcken zusammenschusterte.

Bei langen Expeditionen lässt oft nur der Gedanke an eine Pause und eine warme Mahlzeit die Polarforscher weiter durchhalten, doch da ihre Vorräte nunmehr so streng eingeteilt waren, mühten beide Männer sich verzweifelt, nicht daran zu denken, wie hungrig sie waren. Mit der Zeit schwächte der Nahrungsmangel ganz offensichtlich auch die Hunde. Zwei weitere wurden erschossen, und wie zuvor behielten die Männer die besten Teile für sich und gaben den noch übrigen drei Tieren den Rest.