Ready for Love - Keine Nacht mehr ohne dich - J. L. Berg - E-Book

Ready for Love - Keine Nacht mehr ohne dich E-Book

J. L. Berg

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Beschreibung

Wenn aus einer Nacht "für immer" wird

Leah Morgan glaubt an nichts mehr. Nicht daran, dass sie eines Tages den Richtigen finden wird. Nicht daran, ihr Herz noch einmal zu verlieren. Und schon gar nicht daran, dass eine einzige leidenschaftliche Nacht ihr Leben verändern könnte. Doch Declan James geht ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf. Und als der aufstrebende Hollywood-Star eines Abends wieder vor Leahs Tür steht, fühlt sich plötzlich alles nach "für immer" an - bis ein schreckliches Geheimnis Leahs Leben erneut mit einem Schlag aus dem Gleichgewicht bringt.

"Absolut berührend! Ich habe mich von der ersten Seite an in Leah und Declan verliebt!" Sinfully Sexy Book Reviews

Band 2 der Ready-Reihe von USA-Today-Bestseller-Autorin J. L. Berg




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Seitenzahl: 435

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Inhalt

TitelZu diesem BuchWidmungAnmerkungen der AutorinProlog123467891011121314151617181920212223242526 27EpilogDanksagungDie AutorinDie Romane von J. L. Berg bei LYXImpressum

J. L. BERG

Keine Nacht mehr ohne dich

Roman

Ins Deutsche übertragen von Sonja Häußler

Zu diesem Buch

Als Krankenschwester Leah Morgan spät abends nach Hause kommt, liegt eine der schlimmsten Doppelschichten seit Langem hinter ihr. Sie will sich nur noch mit einer Packung Eis auf dem Sofa unter tausend Decken vor der Welt verstecken – da klingelt es an ihrer Tür. Draußen steht Declan James, der Mann, mit dem Leah den heißesten One-Night-Stand ihres Lebens hatte und von dem sie dachte, dass sie ihn niemals wiedersehen würde. Der aufstrebende Regisseur hatte ihr mehr als deutlich zu verstehen gegeben, dass ihre gemeinsame Nacht eine einmalige Sache war. Und auch Leah hat längst aufgehört, an die große Liebe zu glauben oder daran, dass eine einzige Nacht alles verändern könnte. Dennoch konnten sie einander nicht vergessen, und was aus Leidenschaft begann, fühlt sich plötzlich nach »für immer« an – bis ein Geheimnis aus Declans Vergangenheit ans Licht drängt und das Schicksal auch Leahs Leben mit einem Schlag aus dem Gleichgewicht bringt …

Für Leslie,

Best Bitch, beste Komplizin … ich mag dich mehr als flauschige Socken und Justin Timberlake.

Du bist meine Leah im wirklichen Leben, und ich fahre dich überallhin.

Wir sind dann mal weg!

Anmerkungen der Autorin

Wie alle Bände dieser Reihe kann Keine Nacht mehr ohne dich als eigenständiger Roman gelesen werden. Die Handlung dieser Geschichte spielt jedoch drei Monate nach dem letzten Kapitel von Warte nicht für immer. Die Geschehnisse, die dort im Epilog geschildert werden, sind noch nicht passiert.

Prolog

Leah

Am besten erinnere ich mich an das zerspringende Glas. Das Geräusch hallt bis zum heutigen Tag in meinem Kopf nach. Für meine kindlichen Trommelfelle war es ohrenbetäubend, und ich wachte mit einem Schlag auf und hielt mir die Ohren zu, um das gellende Geräusch auszublenden.

Dann kamen die schrillen Stimmen. Hitzige, zornige Worte wurden außerhalb meines rüschenbesetzten rosa Zimmers gebrüllt, das meine Mutter und ich mit Sachen von der Wohlfahrt ausgestattet hatten. An das Brüllen war ich gewöhnt. Meine Eltern lebten, um zu streiten. Einen Großteil meiner frühen Kindheit versteckte ich mich in diesem Zimmer. Ich spielte mit meinen Barbies und träumte von einer normalen Familie. Barbie buk Apfelkuchen und sang Etta James in der Küche, und Ken führte sie zum Tanzen aus. Er erhob nie die Stimme … oder gar seine Hand. Als ich jedoch in jener Nacht aufwachte, fühlte es sich anders an … beängstigender. Selbst im Alter von sieben Jahren wusste ich, dass gleich etwas Heftiges passieren würde und meine Welt nie mehr dieselbe wäre.

Jemand stapfte zornig an meiner Tür vorbei, danach folgten hysterische Schreie und flehende Worte. Jemand eilte durch den Flur, blieb kurz vor meiner Tür stehen, und dann hörte ich, wie die Haustür zugeschlagen wurde. Ich sprang aus dem Bett, streckte den Kopf zur Tür hinaus und blickte zu unserem kleinen Wohnzimmer hin. Es war leer und dunkel. Der Couchtisch aus Glas war zerbrochen, die Scherben waren überall auf dem zotteligen braunen Teppich verstreut. Die dunklen Schatten des Zimmers schienen aus allen Richtungen auf mich zuzukommen. Die Neugierde eines kleinen Kindes überwältigte mich, und ich zwang mich, in das Zimmer hineinzugehen. Niemand war zu sehen, und meine Erkundungstour erwies sich als ergebnislos. Weil ich nicht wusste, was ich sonst tun oder wohin ich sonst gehen sollte, suchte ich mir einen Platz in der Ecke und rollte mich dort zusammen. Dann fing ich an, die glitzernden Glasscherben zu zählen.

»Was zum Teufel hast du hier außerhalb deines Bettes zu suchen?«, fragte mein Vater, als er mich einige Zeit später fand. Mit Zählen war ich inzwischen bei mehreren Hundert angelangt, und meine Füße waren eiskalt, weil das Haus nicht geheizt war. Ich blickte zu dem Mann auf, den ich liebte und zugleich fürchtete. Seine beiden Hände waren mit blutigen Verbänden umwickelt, und seine Kleider waren in Unordnung geraten. Ich erinnere mich daran, dass ich mich fragte, ob er mit diesen Verbänden an den Händen wohl Schwierigkeiten beim Anziehen gehabt hatte und deshalb so komisch aussah. Ich nahm mir vor, daran zu denken, dass ich Daddy am nächsten Tag helfen musste, sein Hemd zuzuknöpfen. Kinder denken so unschuldig.

»Ich konnte nicht schlafen«, erwiderte ich leise. »Wo ist Mami?«

»Sie ist weg. Für immer.«

1

Leah

»Wie fühlst du dich, Kleines?«, fragte ich die werdende Mutter, als ich mit ihrer Akte und einer Tasse zerstoßenen Eises den Kreißsaal betrat.

»Alles okay«, stöhnte sie, bevor sich ihr Gesicht vor Schmerz verzerrte, als eine weitere Wehe ihren zierlichen Körper durchlief.

Natürliche Geburt – das würde ich nie begreifen. Das war so, als würde man zum Zahnarzt gehen und sagen: »Örtliche Betäubung? Nein, danke. Gehen Sie einfach rein und ziehen den Mistkerl raus!« Periduralanästhesie war die richtige Vorgehensweise, sie machte meinen Job so viel einfacher.

Ich war Hebamme und Krankenschwester, und meine derzeitige Mutter in spe hieß Hillary. Mit ihrem Müsliriegel knabbernden Freund Teegan war sie heute Abend mit leichten Wehen hergekommen, nachdem ihre Fruchtblase geplatzt war. Wie alle angehenden Eltern waren sie aufgeregt, nervös und ängstlich. Außerdem wussten sie ganz genau, was sie wollten und was nicht. Sie hatten einen dreiseitigen Geburtsplan dabei. Drei verdammte Seiten, und dann auch noch ohne Zeilenzwischenräume. Hillary hatte sie mir sofort in die Hand gedrückt und mich angewiesen, sie zu lesen und jedes Wort zu befolgen, wobei sie bereits die Fernand-Lamaze-Atemtechnik angewandt hatte.

Das Hippie-Mädel war ganz schön herrisch. Jetzt, fünf Stunden später, war sie auch noch tierisch müde und hatte überhaupt keine Fortschritte gemacht. Sie war bei einer Muttermundweite von sechs Zentimetern steckengeblieben, hatte höllische Schmerzen und war vollkommen unglücklich.

Ich reichte ihr das zerstoßene Eis und fragte: »Kann ich dir etwas bringen?«

Sie schüttelte den Kopf und versuchte, mich höflich anzulächeln, aber ich sah, wie ihr Lächeln stockte. Sie verlor schnell ihre Kraft. Die Strapazen zeichneten harte Linien auf ihre Stirn, Schweiß lief ihr in die Brauen und ihre Augenlider waren vor Erschöpfung schwer.

»Okay, ich komme in ein paar Minuten wieder und sehe nach dir.« Ich lächelte Teegan aufmunternd zu, bevor ich den Raum verließ.

Auf dem Weg durch den Flur ins Schwesternzimmer entdeckte ich eine der anderen diensthabenden Hebammen.

»Hey, Trish. Wie läuft deine Nacht?«

»Hab gerade einen Jungen entbunden. Es war ihr drittes Kind, deshalb hätte sie eigentlich meinen Job gleich mit erledigen können.«

»Ich liebe die Wiederholungstäter. Sie sind so viel unkomplizierter.«

»Ja, aber mit den Neuen macht es auch Spaß. Hey, ich habe gehört, dass du mit Susans Bruder Neil ausgegangen bist. Wie ist es gelaufen?«, fragte sie, während ihre Augen belustigt funkelten.

Neil und ich waren neulich abends zusammen ausgegangen, und leider waren das drei Stunden meines Lebens, die ich nie wieder zurückbekommen würde. Er war Vermögensberater und liebte seinen Job heiß und innig. Er hatte über nichts anderes geredet, sodass ich gegen Ende des Abends – nach wiederholten Versuchen, mich selbst davon abzuhalten, mir die Gabel ins Auge zu rammen – eine Magenverstimmung vorgetäuscht hatte und geflüchtet war. Es war seit Monaten mein erstes Date gewesen – seit sechs Monaten, um genau zu sein.

»Ja. Warum sagst du das so?«, fragte ich und musterte sie misstrauisch. »Wie viel weißt du?«

»Ich bin überrascht, dass du es überlebt hast. Hat er dich nicht zu Tode gequatscht? Ich hätte von dem endlosen Gequassel, das ich bei unserem Date ertragen musste, fast Ohrenbluten bekommen«, gestand sie.

»Oh mein Gott! Du bist auch mit ihm ausgegangen? Und du hast es nicht für nötig gehalten, mich zu warnen? Verdammt, du hättest mir doch sagen können, dass er eine wandelnde Werbekampagne für Enthaltsamkeit ist«, schalt ich sie, woraufhin sie in Gelächter ausbrach.

Als ein Arzt vorbeikam und uns einen eindeutig kritischen Blick zuwarf, schlug sie sich die Hand vor den Mund, um das Geräusch zu dämpfen. Ich dagegen ignorierte ihn und redete weiter.

»Echt jetzt, Trish! Ich dachte, du wärst meine Freundin!«

»Tut mir leid, Leah. Das bin ich doch. Ich hatte ja keine Ahnung. Erst später, als Susan in der Cafeteria darüber geredet hat, habe ich davon erfahren. Sie war so stolz und dachte, sie hätte endlich ihre neue Schwägerin gefunden. Mann, wird sie enttäuscht sein.«

»Ich habe Neuigkeiten für sie. Diesen Mann wird sie nie und nimmer verheiraten können. Außer, sie findet ein nettes, junges Mädchen, das zufälligerweise stocktaub ist.«

Wir kicherten und quatschten weiter, während ich Krankenblätter durchsah und ein paar Sachen in den Computer eingab. Als Susan mich fragte, ob sie mich mit ihrem attraktiven Bruder verkuppeln könne, hatte ich mich auf diese Gelegenheit gestürzt. Mein Liebesleben war in letzter Zeit ernsthaft auf der Strecke geblieben, und ich war es leid, auf dem Sofa herumzusitzen und mich zu langweilen. Dafür konnte ich niemandem die Schuld geben außer mir. Na ja, das stimmte nicht ganz. Ich konnte noch einer anderen Person die Schuld für mein absolut mangelndes Interesse am männlichen Geschlecht zuschieben – Declan James.

Declan war der Sandkastenfreund von Logan Matthews, dem Ehemann meiner besten Freundin. Declan und ich hatten uns eines Abends in einer Bar kennengelernt, als Clare und Logan miteinander ausgingen. Declan war ein aufstrebender Hollywoodstar, und nun ja … er war atemberaubend – so heiß, dass er einen jeden anderen Mann der Welt vergessen ließ. Er war groß und kräftig, mit dunklen schokobraunen Haaren und haselnussbraunen Augen, die ein ganz eigenes Leben zu haben schienen, je nachdem, wie seine Laune war. Trotz seiner offensichtlichen Versuche, inkognito zu bleiben, hatte ich ihn in dem Moment erkannt, in dem er diese Bar betreten hatte. Ich hatte trotz der dunklen Sonnenbrille und der tief in die Stirn gezogenen Baseballkappe gewusst, dass er es war.

Diese markante Kieferlinie und den wie aus Stein gemeißelten Körper hätte ich überall erkannt. Ich hatte genügend Stunden im Internet nach ihm recherchiert, und noch mehr Stunden hatte ich im Bett gelegen und mir all die ungezogenen Dinge ausgemalt, die ich mit ihm tun könnte, wenn ich die Gelegenheit dazu bekäme.

Und plötzlich war er da gewesen, hatte von der anderen Seite der Bar zu mir herübergeschaut. Meine feuchten Träume waren wahr geworden. Unsere Blicke waren sich begegnet, und mit einem Mal war ich völlig erhitzt und nervös gewesen. Nervös war eigentlich ein Fremdwort für mich. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich gar nicht recht gewusst, ob ich die genaue Definition dieses Wortes überhaupt kannte.

Ich war Männern gegenüber immer selbstbewusst gewesen. Es machte Spaß, sie um sich zu haben, aber vor einiger Zeit hatte ich gemerkt, dass sie die Mühe nicht wert waren. Ich hatte viele gute Jahre meines Erwachsenenlebens mit einem Mann verbracht, von dem ich glaubte, dass er der Mann wäre. Als es schwierig wurde, machte er sich davon. Ich war es leid, meine Gefühle in den Teil unserer Spezies zu investieren, der diese Gefühle anscheinend nicht erwidern konnte. Männer hielten ihre Versprechen nicht und liebten mich nie so sehr, dass sie bei mir blieben. Deshalb hatte ich ihnen abgeschworen – bis in einer überfüllten Bar mein Blick auf Declan James fiel und ich plötzlich nicht mehr atmen konnte.

Als Logan und Declan an jenem Abend unseren Tisch erreichten, war ich fast schon am Keuchen. Unten herum war ich in höchster Alarmbereitschaft, bereit zum Spielen. Ich musste mir auf die Innenseite der Wangen beißen, um nicht zu winseln. Als wir beide dann allein waren, konnte ich kaum zwei Worte sagen. Nicht weil ich einen Star vor mir hatte. Das Problem war, dass ich so erregt war, dass mein Gehirn nicht mehr funktionierte.

Ich redete mir damals ein, dass er nur ein Mann wie jeder andere sei … ein echt heißer Kerl zum Anbeißen. Hör auf zu sabbern und sag etwas.

Aber ich hatte nichts herausgebracht.

Endlich hatte er dann gesprochen, und ich hatte es geschafft, ein paar Worte zu äußern. Was ich gesagt hatte? Keine Ahnung. Vielleicht erzählte ich ihm von Welpen oder plauderte über das Wetter, was weiß denn ich. Es war ein Wunder, dass er danach überhaupt noch etwas mit mir zu tun haben wollte. Aber er wollte. Wir waren zusammen weggegangen und hatten am örtlichen Friedhof angehalten, den ich bei unserem Plausch wohl erwähnt hatte. Er wollte ihn sich ansehen, bevor er die Stadt wieder verließ, weil er vielleicht als Drehort für seinen nächsten Film infrage kam. Es war ein Film über den Amerikanischen Bürgerkrieg, und Richmond, unsere Heimatstadt, war als einer der Drehorte ausgewählt worden.

Ich sah zu, wie er über den Friedhof ging, sich alte Gräber ansah und sich immer wieder bückte, um alles aus unterschiedlichen Winkeln und Perspektiven zu betrachten. Er bewegte und beugte seinen Körper, während er die Positionen wechselte, und ich musste mir auf die Lippen beißen, um nicht zu stöhnen. Ich kannte ihn gerade mal zwei Sekunden, aber ich wusste, dass er auf diesem Friedhof ganz in seinem Element war.

Nach ungefähr fünfzehn Minuten machte er sich auf den Weg zurück zu der Stelle am Eingang, wo ich stehen geblieben war, was mir Gelegenheit gab, ihn von oben bis unten zu mustern. Seine Jeans saß tief auf seinen Hüften, und sein schwarzes T-Shirt betonte die Wölbungen seiner Bauchmuskeln. Sein Blick wanderte jetzt nicht mehr über den Friedhof, sondern war geradewegs auf mich geheftet. Er war der Inbegriff männlicher Vollkommenheit.

»Sieht gut aus«, verkündete er und ließ ein letztes Mal seinen Blick umherschweifen. »Ich lasse die Film-Crew morgen im Laufe des Tages hierherkommen, damit sie ein paar Fotos macht, die wir mit zurück nehmen können. Aber es ist wohl auf jeden Fall ein Ort, an dem wir drehen können.«

»Das ist deine Leidenschaft«, sagte ich leise.

Er schien ein wenig erstaunt angesichts meiner plötzlichen Fähigkeit, einen zusammenhängenden Satz zu bilden, aber er nickte und lächelte.

»Ja. Schauspielern macht Spaß, aber das ist es, was ich wirklich machen möchte. Hinter der Kamera zu stehen und von Anfang bis Ende zu gestalten ist ein herrliches Gefühl.«

Es war der erste aufrichtige Moment gewesen, den wir an diesem Abend geteilt hatten. Ich war endlich nicht mehr nervös, und er hatte zum ersten Mal keine Paranoia, erkannt zu werden. Er hatte jünger und entspannter ausgesehen. Ich hatte gelächelt und mich ein wenig entspannt. Zwar war ich noch immer verdammt erregt, aber jetzt war ich ruhiger.

Am Ende waren wir in mein Haus in der Stadt zurückgekehrt, wo er mir all die Gründe aufzeigte, weshalb er diesen Bad-Boy-Lady-Killer-Ruf verdient hatte, für den er berüchtigt war. Er hatte mich in dieser einen Nacht für alle anderen Männer ruiniert.

Sechs Monate lang hatte ich Trübsal geblasen und an diese Nacht gedacht, unfähig, mich einem anderen zuzuwenden. Ich hatte mit keinem anderen Mann mehr geschlafen, und jedes Mal, wenn ich meine Schublade voller Sexspielzeuge öffnete, erschien mir der Gedanke, einen Vibrator zu benutzen, alles andere als verlockend in Anbetracht dessen, was ich vermisste. Nur wenn ich an ihn dachte, gelang es mir, etwas von dem aufgestauten Druck abzulassen. Wenn ich mich selbst berührte und mich dabei daran erinnerte, wie seine Hände mich berührten und seine Lippen mich schmeckten, konnte ich wieder Lust empfinden. Sie war niemals so süß, aber näher würde ich nie mehr wieder an ihn herankommen. Er war ein Schauspieler, und ich war nicht bereit, eine Nebenrolle für ihn zu übernehmen. Wir waren von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen.

Ich seufzte und verabschiedete mich von Trish, bevor ich wieder zurück in den Kreißsaal ging, in dem mein New-Age-Paar auf mich wartete. Vor dem Saal stand Teegan. Er hatte sich vorgebeugt, die Hände auf die Oberschenkel gestützt, den Kopf gesenkt. Er sah elend aus. Ich kannte diesen Anblick nur zu gut. Es war der Anblick eines werdenden Vaters, der gleich die Nerven verlieren würde.

»Hey, Teegan. Wie läuft’s?«, fragte ich vorsichtig.

»Es ist … Gott, es ist so verdammt hart. Sie hat solche Schmerzen. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich kann das nicht. Ich bin noch nicht dazu bereit.« Seine Atmung wurde angestrengt, und sein Kopf sank noch weiter zwischen seine Knie.

»Teegan, sieh mich an.«

Nichts – er rührte sich nicht.

»Teegan, es wird Zeit, dass du deinen Mann stehst, verdammt. Sieh mich an.«

Sein Blick schoss zu mir hoch. Damit hatte ich seine Aufmerksamkeit erregt. Das funktionierte meistens. Ich hatte diese Ansprache schon mehr als einmal gehalten.

»Hillary braucht dich jetzt. Du musst dich zusammenreißen, zurück in diesen Raum gehen und dich um sie kümmern. Sie hat da drin niemanden außer dir und mir. So gerne ich ihr auch helfen will – du bist derjenige, den sie braucht und den sie liebt. Also, wenn es sein muss, nimm dir noch ein wenig Zeit, falls du mal durchatmen musst, aber in ein paar Minuten wirst du zurück in diesen Saal marschieren und der ruhige, unterstützende Mann an ihrer Seite sein. Ich weiß, dass du das kannst. Verstanden?«

Er sah mich an. Ein paar Sekunden lang war er völlig bestürzt, doch dann nickte er, und sein verlorener, leerer Blick wandelte sich. Er wurde entschlossen und zielstrebig. Da wusste ich, dass er wieder dort war, wo er gebraucht wurde.

Wir betraten zusammen den Raum, und er begab sich sofort an Hillarys Seite. Er küsste sie zärtlich auf die Stirn und flüsterte ihr etwas ins Ohr, was sie zum Lächeln brachte.

Es folgten noch ein paar schwere Stunden, doch am Ende kam Baby Kai zur Welt. Nachdem Teegan die Nabelschnur durchtrennt hatte, sah er zu, wie ich seinen neugeborenen Sohn sauber machte; dann legte ich ihm das Baby in die Arme.

Ich liebte diesen Teil meines Jobs. Die Menschen waren in diesem Moment perfekt. Ein neues Leben war geboren worden, vollkommen frei von Selbstsucht oder Sünde. Es war Menschlichkeit vom Feinsten. Wenn ich sah, wie eine Mutter und ein Vater ihr Kind zum ersten Mal hielten, sah ich so viele Möglichkeiten. Ein unbeschriebenes Blatt, das alles werden und alles sein konnte, und ich liebte es, diejenige zu sein, die ihn oder sie in die Welt geleitet hatte.

»Danke, Leah«, sagte Teegan und warf mir ein wissendes Lächeln zu.

»Keine Ursache, Paps. Du hast es gut gemacht.«

»Hast du Kinder?«, fragte Hillary, während sie liebevoll zusah, wie ihre beiden Männer sich zum ersten Mal begegneten.

Sie lächelte, als Teegan sich vorsichtig hinunterbeugte und sich alle drei als glückliche neue Familie aneinanderschmiegten.

»Nein. Für mich keine Kinder.«

»Na ja, du hast ja noch Zeit. Du wirst eine wunderbare Mutter sein«, sagte Teegan aufmunternd.

Ich lächelte nur. In meinem Leben würde es keine Kinder geben. Kinder verdienten es, in einem liebevollen Zuhause aufzuwachsen, bei Eltern, die sich gegenseitig anbeteten. Ich hatte das nicht. Außerdem war ich in einem Zuhause aufgewachsen, das alles andere als liebevoll gewesen war.

Was wusste ich schon davon, wie man ein Kind ordentlich aufzog?

Die Nachtluft fühlte sich eisig an auf meiner Haut, und ich zog meinen Mantel fester um mich. Die dünne Schwesterntracht, die meine Beine bedeckte, konnte gegen die Windböen, die über den Parkplatz des Krankenhauses wehten, nur wenig ausrichten. Gerade als ich an meinem Auto anlangte, vibrierte meine Handtasche und spielte den Superman-Titelsong. Ich war ein Klingelton-Flittchen. Ich hatte wohl mein halbes Gehalt dafür ausgegeben, Klingeltöne im iTunes-Store herunterzuladen. Für jede Person in meinem Adressbuch hatte ich einen anderen Klingelton. Der Klingelton war handverlesen und auf die entsprechende Person abgestimmt, sodass er zu ihrer Persönlichkeit passte. Dieser spezielle Klingelton, eine mitreißende, melodische Ballade aus dem Originalfilm, war Logan zugeordnet. Er erinnerte mich immer an einen Superhelden, weil er so großzügig und selbstlos war, deshalb hatte ich ihn – zumindest auf meinem Handy – zu einem gemacht.

»Hey, Superman. Was gibt’s?«

»Hey, Leah. Bist du noch bei der Arbeit?«

»Na ja, nicht direkt«, sagte ich, während ich anfing, mitten auf dem verlassenen Parkplatz einen Tanz aufzuführen, um zu verhindern, dass mir die Zehen abfielen. »Ich bin gerade auf dem Parkplatz. Warum? Ist alles in Ordnung?«

Plötzlich war ich besorgt. Bei Logan war vor ein paar Monaten das Hodgkin-Lymphom diagnostiziert worden, und auch wenn die Prognose nach mehreren Zyklen Chemotherapie und Bestrahlung gut war, machte ich mir Sorgen.

»Ja, alles in Ordnung. Ich bin auch noch hier auf der Arbeit.«

Logan war Arzt, und wir arbeiteten im selben Krankenhaus. Allerdings arbeitete er in der Notaufnahme, sodass wir uns sehr selten über den Weg liefen.

»Ich wollte dich um einen Gefallen bitten. Hier ist vorhin ein ziemlich schlimmer Autounfall reingekommen. Ein Lastwagenfahrer ist am Steuer eingeschlafen und auf die Gegenspur geraten. Er hat ein Auto geschnitten, das dann frontal gegen einen Baum geprallt ist. Wir haben für die Fahrerin getan, was wir konnten, aber sie hat es nicht geschafft. Dem Lastwagenfahrer geht es natürlich gut.«

»Wofür brauchst du mich, Logan? Du weißt, ich bin nicht auf Traumata spezialisiert, und wie es sich anhört, ist es ohnehin zu spät.«

»Das weiß ich.« Er verstummte und atmete tief aus. »Leah, da ist noch ein Kind.«

Ich spürte, wie auf einen Schlag alle Luft meine Lungen verließ. Oh Gott, das arme Kind.

»Wie alt ist es, Logan?«

»Sieben.«

»Bin sofort da.«

Ich ging zurück ins Krankenhaus und machte mich auf den Weg in die Notaufnahme. Zahllose Gedanken schossen mir durch den Kopf, während ich mir überlegte, was ich mit dem Kind, das gerade seine Mutter verloren hatte, machen oder was ich ihm sagen sollte. Ich war im selben Alter gewesen, als ich meine verloren hatte. Auch wenn es zugegebenermaßen nicht dieselbe Situation gewesen war. Die Mutter dieses Kindes hatte nicht beschlossen, es zu verlassen. Aber es war trotzdem ein Verlust. Ich wusste, was das mit einem Kind anrichten konnte. Der Verlust würde an ihm nagen, würde ihm allmählich die kindliche Unschuld rauben, bis nur noch Bitterkeit und Sehnsucht übrig wären. Wenn meine beste Freundin Clare und ihre Familie nicht gewesen wären, wäre ich davon verschlungen worden.

Ich bog um die Ecke und entdeckte Logan, der sich im Schwesternzimmer eine Akte ansah. Er sah müde und erschöpft aus. Wir hatten versucht, ihn zu überreden, sich eine Auszeit zu nehmen, aber er hatte sich geweigert. Er hatte gesagt, dass er seinen verdammten Verstand verlieren würde, wenn er nichts zu tun hätte. Wir hatten ihn dazu bringen können, seine Stunden zu reduzieren und während seiner Behandlung in Teilzeit zu arbeiten, aber in Nächten wie diesen, wenn der Job hart wurde, konnte ich erkennen, wie sehr ihm das zusetzte.

»Hey, wie geht’s?«, fragte ich.

Er sah auf, und in dem Moment wusste ich, was es für ihn bedeutete, einen Patienten zu verlieren. Er war am Boden zerstört.

»Oh Gott, Logan … es tut mir leid«, sagte ich und zog ihn in eine feste Umarmung.

Ich hatte auch schon Patienten verloren. Ich kannte den Schmerz und die Schuldgefühle, wenn man sich vorwarf, dass man mehr hätte tun können. Ich erinnerte mich an die paar, die ich verloren hatte, als wäre es gestern gewesen. Ich erinnerte mich an ihre Namen, an die Eltern, die das verlorene Leben betrauerten.

»Ich weiß auch nicht, weshalb mir das hier so viel mehr zusetzt als sonst. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich jemanden auf dem OP-Tisch verliere.«

»Du bist jetzt Vater, Logan«, sagte ich und löste mich aus unserer Umarmung. »Jede Mutter, die du rettest, ist Clare. Jedes Kind, dem du einen Verband anlegst, ist Maddie. Es ist jetzt schwieriger, dich von deinen Patienten zu distanzieren, weil du so viel mehr empfindest.«

»Da hast du recht. Ich kann gar nicht aufhören, über diesen Jungen nachzudenken. Er ist jetzt elternlos. In der Akte steht nichts von einem Vater, und die Polizei kann keine sonstigen Angehörigen finden. Er hat den Beamten am Unfallort gesagt, dass sie auf dem Weg zu einer engen Freundin der Familie waren, deshalb nehme ich an, dass sie mit ihr Kontakt aufnehmen werden. Der Sozialdienst ist schon unterwegs.«

»Hey, schon gut. Du hast alles getan, was du konntest. Geh nach Hause. Geh zu deiner Frau und deiner Tochter und lass dir von ihnen helfen, darüber hinwegzukommen. Ich hab das hier im Griff und kümmere mich um ihn, bis der Sozialdienst da ist, okay?«

Er nickte und umarmte mich noch einmal.

Wir verabschiedeten uns, und ich machte mich auf den Weg zu dem Zimmer, in dem sich der Junge aufhielt. Sein Name war Connor. Er hatte bei dem Unfall nur leichte Verletzungen davongetragen, weil er auf dem Rücksitz gesessen hatte.

Kurz bevor ich die Tür aufmachte, hielt ich inne; ein Gefühl der Panik breitete sich in meiner Brust aus.

Was tat ich hier eigentlich?

Vielleicht sollte besser jemand anders da hineingehen – eine Mutter zum Beispiel; jemand, der wüsste, was er sagen oder tun sollte. Ich hatte keine Erfahrung mit Kindern, abgesehen von meinem Patenkind Maddie. Was zum Teufel wusste ich schon davon, wie man ein verzweifeltes Kind tröstete? War das nicht etwas, was ich von meinen eigenen Eltern hätte lernen sollen? Alles, was ich von meiner Mutter und meinem Vater gelernt hatte, war, wie man jemanden im Stich ließ und verletzte.

Ich blickte mich auf dem leeren Flur um und merkte, dass außer mir keiner da war. Ich war allein. Ich musste etwas unternehmen. Ich betrat das Zimmer, und mein Mut sank. Er saß mitten auf dem Bett, hatte die Knie an die Brust gezogen und hielt den Kopf gesenkt. Mit der linken Hand umklammerte er etwas, aber ich konnte nicht erkennen, was das war. Ein Stück Papier oder ein Foto vielleicht? Tränen liefen an seinen Beinen hinunter, und ich hörte, wie er nach Luft schnappte, bevor er ein Schluchzen ausstieß.

Die Tür fiel mit einem leisen Klicken ins Schloss, woraufhin er ruckartig aufblickte und mich ansah. Er hatte haselnussbraune Augen, die aussahen, als hätten sie Farbtupfer. Blau, Grün und Braun waren hier zusammengemischt und ergaben das schönste Augenpaar, das ich je gesehen hatte. Sie waren so einzigartig und doch irgendwie vertraut. Ich verspürte das überwältigende Bedürfnis, ihn in meine Arme zu ziehen und ihm zu sagen, dass alles gut werden würde, auch wenn ich dafür keine Beweise hatte.

»Wer bist du?«, fragte er.

»Ich bin Leah.«

»Bist du hier, um mich wegzubringen?«, fragte er vorsichtig.

»Nein, ich bringe dich nicht weg. Ich bin Krankenschwester.«

»Sie haben mir schon Verbände angelegt.«

»Ich weiß«, sagte ich.

»Warum bist du dann hier?«, fragte er leise. In einem halbherzigen Versuch, die Tatsache zu vertuschen, dass er geweint hatte, wischte er sich rasch die Tränen aus den Augen.

»Ich bin hier, damit du nicht allein bist. Du kannst dich mit mir unterhalten, wenn du willst, oder mich einfach nicht beachten, aber ich bleibe hier bei dir sitzen, bis es Zeit ist zu gehen. Ich glaube nämlich, dass du jetzt eine Freundin brauchst.«

»Du bist aber nicht meine Freundin«, entgegnete er.

»Nein, aber das wäre ich gern.«

2

Declan

Die Flugbegleiterin hatte gerade angekündigt, dass wir uns im Landeanflug auf Richmond befanden. In zwanzig Minuten würde ich zum ersten Mal seit sechs Monaten den Boden von Virginia betreten. Nach monatelangen Verzögerungen waren wir nun endlich bereit, mit den Dreharbeiten zu dem Bürgerkriegsfilm zu beginnen, in dem ich die Hauptrolle spielen sollte und dessen Executive Producer ich war. Wenn ich die Wahl gehabt hätte, hätte ich die Rolle am liebsten an jemand anders abgegeben. Sollte sich doch derjenige mit der dauernden Aufmerksamkeit und dem nicht enden wollenden Klatsch und Tratsch auseinandersetzen. Aber das war eine Klausel, die das Studio in meinen Vertrag eingefügt hatte. Wenn ich meinen Namen im Filmvorspann beim Produzentenstab sehen wollte, musste ich die Hauptrolle übernehmen. Es war zwar überwiegend ein Ehrentitel, aber er würde mich hoffentlich dorthin bringen, wo ich hinwollte.

Die Schauspielerei war noch nie mein Ziel gewesen. Ich war nach Hollywood gekommen, um Regie zu führen, hatte mich aber schwer damit getan, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Deshalb hatte ich für eine kleine Rolle vorgesprochen und sie bekommen. Eines führte zum anderen, und ehe ich mich versah, war die Schauspielerei zu einer Vollzeitkarriere geworden.

Als letztes Jahr ein wenig bekannter Film, in dem ich mitgespielt hatte, mit mehreren Oscar-Nominierungen ganz groß herauskam, prangte mein Name auf jedem einzelnen Klatschblatt und jeder Internetseite, die der Menschheit bekannt waren. Ich wurde als der neue aufstrebende Hollywood-Adonis gehandelt.

Und ich verabscheute es abgrundtief.

Ich konnte meine Wohnung wochenlang nicht verlassen, ohne dass irgendein Idiot mit Kamera mir folgte und alles Mögliche wissen wollte – angefangen damit, was ich vom Wetter hielt, bis dahin, wen ich vergangene Nacht gevögelt hatte. Mir wurde jede nur vorstellbare Rolle angeboten. Ich lehnte sie alle ab. Ich wollte nicht der nächste Action-Held oder der neueste Frauenschwarm werden. Ich wollte einfach in Ruhe gelassen werden und mich von der Schauspielerei zurückziehen, um hinter der Kamera stehen zu können.

Als das Drehbuch für diesen Film auf meinem Schreibtisch landete, hatte ich darin eine Chance gewittert. Der Streifen hatte ein kleines Budget und war ein Independentfilm – genau das, was ich brauchte. Ich hatte Kontakt mit dem Regisseur aufgenommen und ihn gefragt, ob ich auch als Regieassistent einsteigen könne. Das war rundheraus abgelehnt worden, was nicht besonders überraschend war, da ich seit dem College nirgendwo mehr Regie geführt hatte. Aber man hatte mir den Titel des Executive Producers angeboten – unter der Voraussetzung, dass ich auch die Hauptrolle übernahm. Das war ein Friedensangebot, und meine Hoffnung war, dass es ein Schritt in die richtige Richtung wäre, wenn mein Name noch für etwas anderes stünde als für meine Verdienste um die Schauspielerei.

Ich hatte das Angebot angenommen, auch wenn ich es hasste, dass damit ein weiterer Auftritt als Schauspieler verbunden war, aber ich war dankbar für die Gelegenheit. Der Regisseur brauchte meinen Namen in der Hauptrolle, um die nötige Aufmerksamkeit zu erlangen. Mit Declan James, der neuen heißen Sahneschnitte Hollywoods, als Hauptdarsteller, hatten sie es geschafft, eine hochkarätige Schauspielerin als Filmpartnerin zu gewinnen. Es war ein Kompromiss, aber wenigstens hatte ich jetzt einen Fuß in der Tür. Ich wünschte nur, es hätte nicht so lange gedauert, bis wir anfingen. Sechs Monate lang in Hollywood herumzusitzen, während alles ausgearbeitet wurde, hätte mich fast umgebracht.

Ich hatte mich wie ein Tier im Käfig gefühlt, das auf seine Befreiung wartet. Mein ganzes Leben lang hatte ich gehen können, wohin ich wollte, und tun und lassen können, was immer mir beliebte. Das hatte ich gefordert und erwartet, und niemand war mir dabei je in die Quere gekommen. Jetzt, wo mein Gesicht überall zu sehen war, hatte ich keinen Moment Privatsphäre, um mein Leben zu retten – jede Sekunde meines Lebens stand ich unter Beobachtung. Wenn ich mich auf der Straße mit einer Frau blicken ließ, war sie automatisch meine Freundin. Wenn wir zweimal gesehen wurden, waren wir eindeutig verlobt. Es war einfach nur albern. Ich hatte es geschafft, so lange unterzutauchen, bis die Aufmerksamkeit, die mein letzter Film erregt hatte, etwas abgeflaut war. Schließlich war es den Paparazzi langweilig geworden und sie hatten aufgehört, mir vor dem Haus aufzulauern, aber noch immer blitzte es hin und wieder, wenn ich zu Starbucks oder in einen Club ging. Wenn mein Nachname Pitt oder Pattison lauten würde, wäre ich wohl nicht so leicht davongekommen. Aber durch diese ganze Erfahrung war ich paranoid und gereizt geworden.

Nach sechs Monaten war ich da nun endlich raus. Bei meiner Rückkehr nach Richmond wusste ich ganz genau, wohin ich zuerst gehen und wen ich zuerst treffen wollte – Leah Morgan.

Die blonde Sexbombe war seit dieser wundervollen Nacht, die wir vor so vielen Monaten zusammen verbracht hatten, zu einer festen Größe in meinen Gedanken geworden. Sie verfolgte mich, erschien mir in meinen Träumen und erfüllte mich mit Sehnsucht. Ich versuchte, sie loszuwerden, indem ich mich in anderen Frauen verlor, aber ganz gleich, wie schön oder sexy sie waren – sie konnten Leah nicht das Wasser reichen. Immer wenn ich einen Orgasmus hatte, stellte ich mir ihr Gesicht vor, spürte jedes Mal ihren Körper, wenn ich eine andere berührte, und hörte das Echo ihres Stöhnens in meinen Ohren.

Sie war wie eine Sucht, die in meinem Körper grassierte, und mir fiel nur eine einzige Methode ein, mich davon zu kurieren.

Der Flugkapitän sagte etwas über die Lautsprecher, wahrscheinlich wies er die Flugbereiterinnen an, sich auf ihre Sitze zu begeben. Das Flugzeug neigte sich, und das Fahrwerk wurde ausgefahren. Ich blickte aus dem Fenster, sah auf die dunkle Stadt hinunter und nahm die Lichter zur Kenntnis, die die Landschaft sprenkelten. Vorfreude überkam mich, als ich auf die Landung wartete. Seit Monaten hatte ich auf diesen Moment gewartet – seit ich mir sicher war, dass Leahs Eroberung meiner Gedankenwelt nicht von allein rückgängig gemacht werden konnte. Es würde drastischer Maßnahmen bedürfen. Ich hatte noch nie zweimal mit derselben Frau geschlafen. Mehrmaliger Verkehr in einer Nacht war okay, sogar erwünscht, aber noch nie war ich zu einer zweiten Runde zurückgekehrt. Sonst glaubten sie noch, ich würde etwas für sie empfinden, doch das tat ich nicht.

Konnte ich nicht. Wollte ich nicht. Nie wieder.

Ich war nicht mehr so veranlagt. Ich wollte kein monogames Verhältnis mit jemandem eingehen. Für manche Menschen war es bestimmt das Richtige. Aber für die Mehrheit? Nein. Das war etwas, was die Leute aus Pflichtgefühl oder Gewissensbissen machten, auch wenn sie eigentlich lieber ihre heiße Sekretärin oder ihren Racquetball-Trainer vögeln würden.

Deshalb gab es bei mir Regeln – nun ja, eigentlich nur eine. Schlaf nie zweimal mit derselben Frau. Das war eine geniale Sexregel, und sie hatte funktioniert – bis ich Leah getroffen hatte. Ich wusste nicht, woran es lag, dass sie mich so am Wickel hatte. Als ich sie vor all diesen Monaten in dieser Bar kennengelernt hatte, hatte ich sie einfach nur als eine weitere umwerfende Frau betrachtet. Zugegebenermaßen hatte ich noch nie eine andere Frau gesehen, die ihr ähnlich gewesen wäre. Mit ihrem langen, weizenblonden Haar, den bemerkenswerten blauen Augen und Kurven, die einen Mann in die Knie zwangen, bot sie das ganze verdammte Paket. Die Tatsache, dass sie mit Logans Freundin befreundet war, machte alles nur noch einfacher. Sie wäre auf jeden Fall in dieser Nacht mit mir mitgegangen. Als wir uns alle zusammen hingesetzt hatten, fand sie keine Worte, und ich dachte »bingo«, weil ich wusste, dass ich sie hatte. Das einzig Zusammenhängende, was sie an diesem Abend herausbrachte, war die Erwähnung eines Friedhofs, als ich sie nach Richmonds Geschichte fragte.

Auf meinen Instinkt vertrauend, gingen wir zu dem Friedhof, der mehrere hundert Jahre alt war, damit ich ihn für das Kamerateam als mögliche Location unter die Lupe nehmen konnte. Jetzt würde er dank mir tatsächlich als Drehort genutzt werden. Während ich umherging, Grabsteine von Generälen und gefallenen Soldaten sowie die unterschiedlichen Winkel, aus denen gedreht werden konnte, in Augenschein nahm, schaute sie mich an. Nein, mehr als das. Sie durchschaute mich. Ich hatte mich noch nie zuvor so entblößt gefühlt. Normalerweise sahen die Frauen in mir, was sie sehen wollten, und ich ließ es zu. So war es einfacher. Wenn sie eine Nacht mit dem Filmstar-Playboy verbrachten, waren ihre Erwartungen nicht so hoch. Wenn ich am nächsten Tag verschwand, hatten sie damit schon gerechnet. Leah? Sie hatte mein wahres Ich gesehen, und das war Furcht einflößend.

Ich hatte noch nie zuvor eine Frau so sehr begehrt wie Leah. Tage, Wochen und inzwischen Monate nach jener Nacht erinnerte ich mich immer noch an alles – ihren Geruch, die Berührung ihrer Haut und die Art und Weise, wie sie gezittert hatte, als sie unter mir gekommen war. Das musste aufhören. So konnte es nicht weitergehen – ich konnte nicht verrückt nach einer Frau sein, mit der ich keine dauerhafte Beziehung wollte. Ich schätzte, nach einer weiteren Nacht mit ihr, vielleicht auch zweien, wäre ich geheilt. Danach würde ich mit meinem Leben fortfahren können – ohne dass mir dieser schöne blonde Geist auf Schritt und Tritt folgte. Das war ein guter, ein verdammt brillanter Plan. Schon bald würde ich wieder mein normales Selbst sein und diese verrückte Sache mit Leah hinter mir lassen.

Ich holte tief Luft, als die Maschine landete und ans Gate rollte. Alle Passagiere verließen in Reih und Glied das Flugzeug, und während ich ins Terminal ging, hätte ich schwören können, Gelächter in meinem Kopf zu hören. Es war, als würde mein Bewusstsein sagen: Glaubst du wirklich, dass du so leicht davonkommen wirst?

Ja, Freundchen, das glaube ich.

Ich irrte mich gewaltig.

Leah

Ich blickte in den Badezimmerspiegel und steckte mein blondes Haar zu einem unordentlichen Dutt hoch, bevor ich mein Make-up entfernte. Danach warf ich wieder einen raschen Blick auf mein Spiegelbild und entdeckte das Ebenbild meiner Mutter, das zu mir zurückstarrte. Ich seufzte, dann schaltete ich das Licht aus und ging ins Schlafzimmer. Mein Vater hatte immer gesagt, dass ich ihr später mal ähnlich sehen würde. Damit hatte er wohl recht gehabt, der Mistkerl.Ich hatte das Gefühl, dass mich die paar Fotos, die ich von zu Hause hatte stibitzen können und bei mir aufbewahrte, geradewegs aus meinem eigenen Spiegelbild anstarrten. Es war eine einzige riesige Erinnerung an das, was hinter mir lag.

Nachdem ich in meinen Lieblingsbademantel und meine Plüschpantoffeln geschlüpft war, ging ich schnurstracks in meine moderne kleine Küche, die in meinem Lieblingsfarbton – Blaugrün – gehalten war. Ich öffnete den Gefrierschrank und nahm die Packung Rocky-Road-Eis heraus, die laut nach mir gerufen hatte.

Es war eine lange, emotionale Nacht gewesen. Dabei zuzusehen, wie der Sozialdienst hereingekommen war und Connor schließlich aus dem Krankenhaus geführt hatte, war herzzerreißend gewesen. Sie hatten mir versprochen, gut für ihn zu sorgen, und sie waren auch wirklich freundlich und liebevoll mit ihm umgegangen. Sie wollten weiterhin versuchen, Kontakt mit den Freunden der Familie aufzunehmen, die Connor erwähnt hatte. Er hatte ihnen den Namen gesagt und bestätigt, dass sie die einzigen sonstigen Angehörigen waren, die er hatte. Er war noch nicht einmal von hier, sondern kam aus einem anderen Bundesstaat. Ich konnte mir gar nicht ausmalen, wie groß seine Angst gewesen sein musste.

Letztendlich hatte er sich einverstanden erklärt, mit mir befreundet zu sein. Wir hatten wohl eine halbe Stunde lang schweigend in diesem Untersuchungszimmer gesessen, während er versucht hatte, seine Tränen zu verbergen.

Dann hatte er gefragt: »Hast du eine Mami?«

»Nein«, hatte ich geantwortet.

Ich erzählte ihm, dass ich meine Mami ebenfalls verloren hatte, als ich sieben war. Er fragte, ob sie auch bei einem Autounfall gestorben sei. Ich schüttelte nur den Kopf. Er blickte mit diesen großen, hypnotisierenden Augen, die so voller Schmerz waren, zu mir auf, dann stürzte er in meine Arme. Er weinte und weinte, und ich ließ ihn einfach gewähren, weil ich wusste, dass er das jetzt brauchte. Ich hielt ihn eine Stunde lang fest, während alle Flüssigkeit aus seinem Körper herauszusickern schien. Ich kannte dieses Gefühl. Ich erinnerte mich daran, exakt in diesem Alter genau dasselbe getan zu haben. DereinzigeUnterschied?KeinMenschwardagewesen,ummichzuhalten. Ich war so froh, dass ich für ihn dieser Mensch sein konnte. Ich hoffte nur, dass jemand anderes dort weitermachen würde, wo ich aufgehört hatte.

Er hatte mir das Bild gezeigt, das er so fest an seinen Körper gepresst hatte. Der Rettungssanitäter hatte es aus dem Wagen gerettet, bevor dieser abgeschleppt worden war. Es war ein Foto von Connor und seiner Mutter, das an der Sonnenblende befestigt gewesen war. Sie stand hinter ihm, offenbar auf einer Art Jahrmarkt. Fahrgeschäfte und Essenstände waren hinter ihnen zu sehen, und Connor hielt eine riesige Zuckerwatte in seinen winzigen Händen. Er war über und über mit blauem Zucker bedeckt, und seine Mom lächelte nur; es schien ihr nichts auszumachen, dass er eine Riesensauerei veranstaltet hatte. Sie war schön und ähnelte ihm sehr, doch sie hatte hellere Haare, und ihre Augen hatten eine andere Farbe. Sie sahen glücklich aus und voller Liebe.

Ich hatte mir die Lippe aufgebissen, um zu verhindern, dass mir Tränen über die Wangen rollten. Er erzählte mir von dem Jahrmarkt und von dem Tag, als seine Mom mit ihm dorthin gegangen war. Er erzählte mir von den lustigen Dingen, die sie dort unternommen hatten, und von der Fahrt nach Virginia, die sie unternehmen wollten, um die Freundin seiner Mutter zu besuchen. Ich wusste nicht viel über Kinder, aber bei ihm zu sein hatte sich richtig angefühlt. Ihm die Gelegenheit zu geben, zu weinen und über seine Mutter zu sprechen, war alles gewesen, was ich ihm in der kurzen Zeit hatte geben können. Ich hoffte nur, dass es geholfen hatte.

Als ich nach meiner Doppelschicht und meiner gefühlsschweren Nacht nach Hause gekommen war, wollte ich nur noch Eis, meinen Schlafanzug und einen rührseligen Liebesfilm. Ich liebte Mädelsfilme. Das war mein schmutziges kleines Geheimnis. Ich schätzte, nicht einmal Clare wusste von diesem Spleen. Ja, ich hatte die Männer aufgegeben … aber in Filmen waren sie perfekt. Am Ende enttäuschten sie nicht, hielten ihre Versprechen und liebten mit jeder Faser ihres Wesens.

Ich liebte diesen Moment, wenn der Mann innehielt, kurz bevor er sich vorbeugte, um die Frau zu küssen, und ertappte mich immer dabei, wie ich »Küsse sie!! Küsse sie!!« schrie.

Und dann tat er es, und es war einfach total ergreifend, herzerwärmend und gut. Ich wusste, dass es eine bezaubernde Filmlüge war, aber das Mädchen tief in meinem Inneren liebte es, so etwas zu sehen, auch wenn es geschwindelt war. Allerdings glaubte ich, dass es ein paar solche Männer schon gab. Logan liebte Clare bis zum Mond und wieder zurück, aber ich glaubte, er gehörte zu einer ganz besonderen Sorte, und ich hatte nicht mehr die Energie, die männliche Spezies nach weiteren solcher Anomalien zu durchkämmen.

Ich ging von der Küche ins Wohnzimmer und kuschelte mich auf mein bequemes braunes Wildledersofa, schnappte mir meine Lieblingsdecke aus flauschigem roten Vlies und seufzte glücklich. Wer brauchte schon Verabredungen? Das hier war perfekt – Eis, plüschige Puschen und perfekte Film-Männer, die nichts von einem erwarteten. Perfekt.

Als ich auf dem Blu-ray-Player gerade auf Play drückte, um zum vierhundertsten Mal Dirty Dancing anzuschauen, klingelte es an der Tür. Ich sah auf die Uhr und war verwirrt. Es war zehn Uhr abends.

Wer klingelte noch zu so später Stunde an meiner Tür? Und seit wann war zehn Uhr abends spät? Verdammt, ich war eine Langweilerin.

Wer zum Teufel konnte das sein? Einen kurzen Augenblick lang hoffte ich, es wäre mein heißer neuer Nachbar, der drei Türen weiter eingezogen war. Vielleicht brauchte er eine Tasse Zucker oder so, aber bei meinem Glück war es wahrscheinlich irgendein rotziger Teenager, der Klingelstreiche machte.

Ich warf meine Decke ab und stürmte mit dem Eis in der Hand zur Tür, ein wenig verärgert, weil dadurch meine Cha-Cha-Cha-Stunde mit Patrick Swayze verzögert wurde.

Ich machte die Tür auf und erstarrte.

Verdammte Scheiße.

Declan James. Auf meiner Schwelle. Sexy wie der Teufel.

Und ich trug … einen Bademantel und Plüschpantoffeln. Mist!

Der Blick aus seinen haselnussbraun-grünen Augen glitt über meinen Körper und musterte meinen Aufzug, spähte in den Spalt meines Bademantels und verweilte auf meinen Beinen, bevor er an meinen Händen hängen blieb.

»Isst du Eis immer aus einer Kaffeetasse?« Träge lehnte er sich an meinen Türrahmen.

Er hatte ein großspuriges Lächeln aufgesetzt, das meine Hormone verrücktspielen ließ.

»Was? Ja, durch den Henkel bekommt man keine kalten Hände«, platzte ich heraus.

Oh mein Gott, warum war er hier? In meinem Haus? Und warum roch er verdammt noch mal so gut?

»Was zum Teufel hast du hier zu suchen?«, fragte ich schließlich.

Sein Blick fand meinen, und er grinste. Er amüsierte sich eindeutig. Gott, die sechs Monate hatten ihn nicht weniger sexy gemacht. Sein welliges braunes Haar war zurückgekämmt, wodurch seine durchdringenden haselnussbraunen Augen in seinem markanten Gesicht zur Geltung kamen. Mit seinen Bartstoppeln und der Lederjacke sah er aus wie der typische Bad Boy.

Jeder einzelne Teil von mir wollte sich von ihm flachlegen lassen – noch einmal.

Oh Gott, meine größte Schwäche war zu Besuch gekommen.

»Mein Film hat grünes Licht bekommen, deshalb bin ich für die nächsten drei Monate oder so hier in der Stadt. Dachte, ich schaue mal vorbei und besuche dich«, erwiderte er.

Er ging an mir vorbei in die Wohnung, als hätte ich ihn soeben hereingebeten, was ich nicht getan hatte.

Der lustgeschwängerte Nebel, der mich umgab, lichtete sich ein wenig und wurde von leichter Verärgerung abgelöst.

Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein?

»Du bist also in die Stadt gekommen und hast dir gedacht, du solltest mir einen Besuch abstatten? Warum? Um Hallo zu sagen? Brauchtest du eine freundliche Plauderei, Declan?«, fragte ich eindeutig sauer.

Ich hatte einen sehr emotionalen Tag hinter mir.

Er setzte sich auf mein Sofa, legte die Arme auf die Lehne, als würde ihm die ganze verdammte Wohnung gehören, und grinste mich an. Er war zu groß für diesen Raum. Mein Wohnzimmer wurde von seiner Präsenz buchstäblich verschluckt.

»Nein, ich glaube, du weißt ganz genau, weshalb ich hier bin, Leah«, sagte er, wobei seine Stimme tiefer wurde.

Seine Augen verdunkelten sich, was mir Schauder über den Rücken jagte, die bis in mein Innerstes vordrangen. Jeglicher Hauch von Verspieltheit verschwand. Das ist Declan, rief ich mir ins Gedächtnis – das Raubtier, der große Verführer.

Der Mann, der mich die ganze Nacht lang immer wieder gevögelt hatte, der mich öfter zum Orgasmus gebracht hatte, als ich zählen konnte. Seine Hände hatten jeden Zentimeter meiner Haut berührt. Sein Mund hatte jede intime Stelle meines Körpers geküsst. Kein Mann hatte mich je so vollkommen ausgefüllt und Besitz von mir ergriffen wie er.

Und da war er nun, wie eine Gabe der Götter.

»Nein«, flüsterte ich.

»Nein? Bist du mit jemandem zusammen?«, fragte er. Plötzlich sprang er vom Sofa auf und kam auf mich zugestapft.

»Nein, ich bin mit niemandem zusammen.«

Seine Bewegungen verlangsamten sich, und er entspannte sich sichtlich. Dann kam er weiter auf mich zu, aber aus seinem verärgerten Stapfen war ein lässiges Stolzieren geworden. Ich beobachtete ihn, mir gefielen sein selbstbewusster Gang und die Entschlossenheit in seinem Blick, weil ich wusste, dass sein Augenmerk auf mich gerichtet war.

»Dann sehe ich kein Problem, Leah«, flüsterte er mir ins Ohr, während er seinen Körper fest an meinen presste. »Wir haben gut zusammengepasst. Erinnerst du dich noch?«

Er strich mir die goldenen Strähnen aus dem Nacken und schob langsam den Bademantel von meinen Schultern, wobei er den Träger meines Tanktops gleich mitnahm. Mit der anderen Hand löste er den Gürtel meines Bademantels, den er dann zu Boden gleiten ließ, sodass ich nur noch in Tanktop und engen Pyjamashorts vor ihm stand. Sein Blick wanderte anerkennend über meine nackte Haut, was meine Brustwarzen sofort hart werden ließ. Er lächelte, weil er die Wirkung kannte, die seine Berührung auf mich hatte.

Er beugte sich vor und streifte mit den Lippen meine nackte Schulter, und ich erschauerte unter seiner Berührung.

»Ich kann es dir einmal mehr ins Gedächtnis rufen. Möchtest du das nicht?«

Ich hörte die Worte und versuchte, sie mit der vernebelten Pampe, die mein Gehirn darstellte, zu verarbeiten. Einmal mehr. Er war erst angekommen. Er war nicht hier, weil er mich brauchte oder mich so sehr begehrte wie ich ihn. Er wollte nur Gelegenheitssex mit mir, er brauchte jemanden, den man einfach mal so flachlegen konnte, wenn man gerade in die Stadt gekommen war.

Zorn übermannte mich, und ich schob ihn weg. Ich hatte einen langen Tag hinter mir, und das hier war das Tüpfelchen auf dem i. Ein Filmstar, der auf einen schnellen Fick vorbeikam. Perfekt.

»Raus hier.«

Er sah verwirrt aus, aber dann kehrte sein typisches Lächeln wieder zurück. Ich war mir sicher, dass er gleich noch mehr Müll verzapfen würde, auf den ich aber nicht hereinfallen würde.

»Nein, im Ernst jetzt, raus hier. Ich bin keine schnelle Nummer, Declan. Ich werde die Beine nicht breit machen, nur weil du vor meiner Tür stehst. Nur weil du drei Monate in der Stadt bist, heißt das nicht, dass meine Tür plötzlich offen steht. Ich bin nicht eins deiner verdammten Groupies.«

Vorübergehend sprachlos sah er sich im Zimmer um, bis er einen Stift und einen Notizblock auf dem Couchtisch entdeckte. Er ging zu dem kleinen Tisch hinüber, schnappte sich den Stift und kritzelte wütend etwas auf den Block. Dann riss er das Blatt Papier ab und reichte es mir.

»Da wohne ich, solange ich hier bin. Darunter steht der Name, unter dem ich das Zimmer gebucht habe.«

Zurückweisung musste wohl etwas ganz Neues für Declan sein, denn er sah hin- und hergerissen, sauer und verdammt sexy aus. Sein Blick war wild und intensiv, und er holte tief Luft, als er sich mit den Händen durch das widerspenstige Haar fuhr. Plötzlich packte er mich um die Taille und drückte mir einen leidenschaftlichen Kuss auf den Mund. Überraschung, Lust, Zorn und Verwirrung überwältigten mich, und ich versuchte, ihn an mich zu ziehen und gleichzeitig wegzustoßen. Er schmeckte noch genau wie damals – absolut süchtig machend. Meine Instinkte ließen mich in ihn eintauchen, brauchten ihn wie den nächsten Atemzug, doch meine logische Seite, die zu oft verletzt wurde, verlangte, dass er ging.

Bevor ich eine Entscheidung treffen konnte, ließ er abrupt los und sah mich selbstgefällig an.

»Ruf mich an, wenn du es dir anders überlegst«, sagte er, dann ging er zur Tür und zog sie mit einem sanften Klicken hinter sich zu.

Als ich an der Tür ankam, ließ ich meinen Kopf nach vorne fallen, bis er mit einem dumpfen Geräusch, das meine Stimmung spiegelte, auf das harte Holz traf. »Fuck!«, fluchte ich frustriert.

»Das habe ich gehört!«, schrie Declan auf der anderen Seite der Tür, bevor sein lautes Lachen allmählich verklang.

Mistkerl.

Wenigstens sah er nicht, wie meine Hand zitterte, als ich abschloss. Ich durfte diesen Mann niemals wissen lassen, was für eine Wirkung er auf mich hatte. Das wäre mein Untergang.

»Er stand einfach so vor deiner Tür?«, fragte Clare.

Wir knabberten an Truthahn-Sandwiches aus dem Picknickkorb, den sie mitgebracht hatte. Picknicks im November waren selten, da die Temperaturen in Virginia dann normalerweise nicht viel mehr als zehn Grad erreichten, doch heute war es seltsam warm, und das nutzten wir aus.

»Ja. Sechs Monate nichts, und dann steht er plötzlich da, vor meiner Wohnung, in seiner ganzen sexy Mannespracht.«

»Und er hat einfach erwartet, dass du vor ihm auf die Knie fällst und ihm für die Gelegenheit dankst, ihm zu Diensten zu stehen?«, fragte sie.

»So ungefähr.«

»Was für ein arroganter Mistkerl! Logan, wusstest du, dass Declan wieder in der Stadt ist?«, rief Clare ihrem Mann zu.

Logan schubste gerade ihre fünfjährige Tochter Maddie auf der nahen Schaukel an. »Nein, Schatz«, sagte er. »Ich habe seit Monaten nicht mehr mit ihm gesprochen. Wir verkehren nicht mehr so recht in denselben Kreisen. Als er herausgefunden hat, dass ich verheiratet bin, ist er wohl davon ausgegangen, dass er mich als Kumpel verloren hat, deshalb hat er nicht oft angerufen.«

Clare schnaubte. »Hm, nun ja, anscheinend ist er eine Weile hier. Ich bin mir sicher, er wird irgendwann vorbeischauen. Ich meine, man sollte doch davon ausgehen, dass ein guter Freund sich zumindest mal meldet. Oder, Leah?«

»Mmhm«, antwortete ich. Dieses Gespräch langweilte mich inzwischen zutiefst, weil ich etwas viel Besseres gefunden hatte, worauf ich meine Aufmerksamkeit richten konnte. Ich versuchte ja, eine gute Freundin zu sein, wirklich.

»Leah!«, tadelte Clare. »Könntest du wohl bitte damit aufhören, den Hintern meines Mannes anzustarren?«

»Süße, du kannst mich bitten, worum du willst, aber das ändert nichts an meiner Antwort. Außerdem bekomme ich ja sonst nicht viel zu sehen«, erwiderte ich halbherzig. Ich missachtete die Bitte meiner besten Freundin komplett und gaffte weiter.

Logan grinste und winkte in unsere Richtung, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder seinem Job als offizieller Anschubser zuwandte.

Alter Flirtexperte.

Ich versuchte, meinen Blick von Logan, Clares perfekt gebautem Ehemann, loszureißen. Das war schwierig. Selbst nach sechs Monaten Krebstherapie war er noch immer gnadenlos sexy. Groß und schlank, mit der Statur eines Schwimmers. Nachdem er mit der Chemotherapie angefangen hatte, hatte er ein wenig Gewicht verloren, aber er war weiterhin gut aussehend. Er hatte sich den Kopf rasiert, weil er seine Haare alle auf einmal verlieren wollte – und verdammt, der Mann sah umso attraktiver aus.

»Hey, Logan hat mir erzählt, was du neulich nachts für ihn gemacht hast. Mit dem Kind. Danke. Er war ziemlich kaputt, als er nach Hause gekommen ist«, sagte sie leise, während Logan abgelenkt war. Sie sah mich mit einem vielsagenden Lächeln an.

»Gern geschehen, Süße.«