Konsequent 60 Prozent - Martha Dudzinski - E-Book

Konsequent 60 Prozent E-Book

Martha Dudzinski

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Beschreibung

Arbeiten bis der Arzt kommt – und darüber hinaus. Denn egal, wie sehr man sich anstrengt und ackert, es scheint nie genug. Mehr Calls und digitale Events, noch mehr zwischendrin und abends erledigen. Leistung ist alles, was zählt und die Freude am Job ist nur eine vage Erinnerung. Stattdessen versucht man, sich noch effektiver zu fokussieren und zu organisieren, aber der Dauerhustle nimmt einfach kein Ende

Martha Dudzinski hat selbst lange perfekt funktioniert, bis es irgendwann einfach nicht mehr ging. Die Energie war aufgebraucht, die Kraft war weg. Höchste Zeit für die Unternehmerin, sich ihre Art zu arbeiten genau anzuschauen.Wie priorisiere ich? Wie entscheide ich, was erledigt werden muss? Was macht mir Freude, was raubt mir zu viel Kraft? Und was bin ich überhaupt bereit, zu leisten?

In ihrem Buch erfahren wir, wie eine neue Art zu arbeiten funktionieren kann. Ein sinnvolles Energiemanagement und perfekt auf die neue Arbeitswelt zugeschnittene Tipps und Methoden zeigen, wie man auch mit 60 Prozent Leistung zu einem 100-Prozent-Ergebnis kommen kann. Denn Produktivität und Erfolg sind auch ohne Dauerstress möglich. Und statt Überforderung kehrt die Freude am Job zurück – und bleibt!

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Seitenzahl: 265

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Martha Dudzinski

Konsequent 60%

Wie du mit weniger Arbeit mehr schaffst

Impressum

Alle in diesem Buch veröffentlichten Aussagen und Ratschläge wurden von der Autorin und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Eine Garantie kann jedoch nicht übernommen werden, ebenso ist die Haftung der Autorin bzw. des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.

Für die Inhalte der in dieser Publikation enthaltenen Links auf die Webseiten Dritter übernehmen wir keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG („Text und Data Mining“) zu gewinnen, ist untersagt.

echtEMF ist eine Marke der Edition Michael Fischer

1. Auflage

Originalausgabe

© 2024 Edition Michael Fischer GmbH, Donnersbergstr. 7, 86859 Igling

Covergestaltung: Luca Feigs

Redaktion: Beate De Salve, Pulheim

Layout und Satz: Luca Feigs

Herstellung: Anne-Katrin Brode

ISBN 978-3-7459-2242-4

www.emf-verlag.de

Inhalt

Marthas Matschbirne

Wessen Ratschläge sind hilfreich – und für wen?

Dann zieh doch einfach ans Meer!

Und was soll der Rest von uns tun?

Wer trägt die Kosten für deine Freiheit?

Welche Kosten trägst du für andere?

Die KonMari-Methode

Morgen-Routine

Zero Inbox

Batching

Timeboxing

Die 80-zu-20-Regel bzw. das PARETO-PRINZIP

Schluck die Kröte

Die ALPEN-Methode

Die Pomodoro-Technik

Reflexionsfragen

Erste Grundregel: Zeit? Lust? Egal, Energie!

Wer ruht sich aus und wer nicht?

Müssen wir alle erst krank werden?

Weißt du, was dir Energie gibt?

Was zehrt an deinen Kraftreserven?

Pausen sind überlebensnotwendig

Müssen wir Pausen erzwingen?

Was funktioniert für DICH?

Reflexionsfragen

Zweite Grundregel: Du musst gar nichts

Wieso kriegen wir nicht alles unter?

Wo bleibt Arbeit an dir hängen?

Prestige-Aufgaben und Fleißbienchen-Aufgaben

Was MUSST du tatsächlich tun, weil es existenziell für dich ist?

Wer kann sich “better done than perfect“ leisten?

Was du dir als “Tausendsassa“ verbaust

Vergleichenmein Balsam für die Seele

Souveränität gleich Kompetenz

Reflexionsfragen

Dritte Grundregel: Grenzen setzen

Wie viel Hilfsbereitschaft ist (noch) gesund?

Wo verlaufen deine Grenzen?

Wie lerne ich, Nein zu sagen?

Wie dein Umfeld reagieren wird

NeinSagen im Privaten

Kommunikation ist alles

Reflexionsfragen

Warum die Eisenhower-Matrix nicht mehr funktioniert – und wie es besser geht

Wie Präsident Eisenhower nicht priorisiert hat

Operationalisierung oder: Was machen wir jetzt damit?

Bei mir gilt: Quantität geht vor Qualität

Meine Methode: Marthas Magenkrampf-Matrix

wie passen Meetings in dieses Konzept?

Papier- oder Online-To-Do-Liste?

Reflexionsfragen

Ausblick

Anhang

Danksagung

Für meinen Opa Rudek, der mir schon als Kind alles über Güte & Herzlichkeit, Digitalisierung, Change-Management, Money Mindset und Manifestieren beigebracht hat, was andere Jahrzehnte später auf Social Media zu sehen kriegen.

Marthas Matschbirne

„Wenn Sie einen Herzinfarkt hätten und danach nur zwei Stunden die Woche arbeiten dürften: Was würden Sie tun?“, fragt der US-amerikanische Buchautor Tim Ferriss in seinem New York Times-Bestseller „Die 4-Stunden-Woche“. Was für ihn ein spielerisches Gedankenexperiment ist, ist für mich schmerzhafter Alltag. Nur dass ich keinen Herzinfarkt hatte, sondern seit über zwei Jahren an den Langzeitfolgen meiner Covid-Infektion leide und mir nicht meine Ärztin, sondern mein Körper verbietet, mehr als zwei Stunden zu arbeiten. Immerhin am Stück und nicht pro Woche.

Was der Autor hier emotionslos-hypothetisch in den Raum wirft, muss ich jeden Tag aufs Neue mit mir selbst aushandeln. Wenn nicht, schlägt mein Körper zurück: mit Kopfschmerzen, Sehstörungen, Schwindel, Tinnitus, Erschöpfung und depressiven Episoden. Aus einer allgemeinen, normalen Verpeiltheit, die wir alle kennen, wurde eine Matschbirne. Seit zwei Jahren kann ich mich nicht mehr richtig konzentrieren. Ich vergesse Termine und Treffen (jeweils Plural). Verliere Koffer und Kalender (jeweils Singular). Der Koffer ist übrigens nicht in Berlin oder Frankfurt verschwunden, wo ich das am ehesten erwartet hätte. Sondern ausgerechnet im beschaulichen Marburg. Wo auch immer du gelandet bist, mein liebster kleiner knallroter gefälschter Rimowa-Koffer – ich denke an dich und vermisse dich!

Es ist Ende Januar 2022. Zwei Jahre Pandemie habe ich überstanden, ohne mich anzustecken, zwei Covid-Impfungen mit wenig Nebenwirkungen hinter mir, die dritte steht gerade an. Doch ein positiver Test kommt dazwischen. Nach genau sieben Tagen eines – im Vergleich zu gewöhnlichen Erkältungen – wirklich harmlosen Verlaufs ist mein Schnelltest am 1. Februar 2022 wieder negativ.

Es ist Dienstag. Ich freue mich über die wiedererlangte Freiheit und gehe erst einmal ausgiebig spazieren. Als ich mich danach an den Laptop setze, merke ich, dass etwas nicht stimmt. Irgendwie geht nichts mehr. Arbeiten, lesen, Netflix gucken – alles ist plötzlich zu anstrengend. Ich bin ständig ausgelaugt und kann mich nicht mehr konzentrieren. Wenn ich es doch versuche, begehe ich peinliche Flüchtigkeitsfehler. Und alles wird begleitet von einem dröhnenden, anhaltenden Kopfschmerz.

Zunächst hoffe ich, dass es sich nach ein paar Tagen legen wird. Dann hoffe ich auf ein paar Monate. Anschließend, dass es nach einem Urlaub besser wird. Nach einem halben Jahr. Letzten Endes finde ich mich damit ab, dauerhaft mit angezogener Handbremse fahren zu müssen. Die immer wieder aufs Neue enttäuschte Hoffnung kostet mich so viel Kraft, dass ich sie gänzlich aufgeben muss, um meine Gesundheit zu schonen.

Wie sehr mich dieses Täglich-ausgebremst-Werden belastet, kannst du dir am besten vorstellen, wenn du weißt, wie mein Leben vorher ausgesehen hat. Also versuche ich mal, dir einen Einblick zu verschaffen:

Schon zu Jugendzeiten war ich bekannt als diejenige, die in der Schule immer überall mitmischte und regelmäßig in der Zeitung auftauchte. In der Abizeitung schrieben meine Klassenkamerad*innen Dinge wie „die springt rum und tanzt den ganzen Tag, als ob die Schule nicht anstrengend genug wär“, „personifizierte Dynamik“ und „hat immer alles voll im Griff“.

Die Begriffe „übermotiviert“, „hyperaktiv“1, „Organisationstalent“ und „Karriere(frau)“ fallen je zweimal. Das Wort „engagiert“ kommt vier Mal vor. Dazu Kommentare zu meiner guten Laune, meiner Partytauglichkeit und meinen außerschulischen Engagements: Ich war gewähltes Jugendratsmitglied meiner Heimatstadt Friedrichshafen, gewann einen bundesweiten Preis für die von mir geleitete Schüler*innenzeitung, koordinierte die Redaktion der Abi­zeitung und schrieb für die Jugendseite der „Schwäbischen Zeitung“. Außerdem betreute ich polnische Waisenkinder, spielte Theater, tanzte im Verein, leitete externe Tanzteams und gab Workshops. Zusätzlich habe ich babygesittet, Zeitungen ausgetragen, Hotelzimmer geputzt. Dazwischen ein Auslandsjahr in den USA mit Teilstipendium für meine Ehrenämter und eine monatliche Kolumne im Lokalteil der „Schwäbischen Zeitung“. Mit 19 baten mich die Freien Wähler, für sie für den Gemeinderat zu kandidieren – quasi mein erster Auftritt als Token (junge Quoten-Frau).

Nach meinem Abitur (1,7) ging es im Politikstudium an der Ludwig-Maximilians-Universität so weiter: Ich arbeitete beim Aus- und Fortbildungsradio M94.5, war ehrenamtliche Tanztrainerin für Geflüchtete, machte ein Auslandssemester in Krakau. Es folgten Praktika in Hamburg, Unterföhring/München, Bayreuth, Warschau und in der jordanischen Hauptstadt Amman. Bei der „Harvard World Model United Nations“-Konferenz in Singapur gewann ich einen Diplomacy Award. Mit 22 erhielt ich mein erstes WDR-Honorar, als ich während der Fußball-EM 2012 im ARD-Studio Warschau als Producerin für das ARD-Morgenmagazin arbeitete. Dazu kam das straffe Seminarprogramm meines Stipendiums der Journalist*innen-Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung. Deren finanzielle Vollförderung (höchstmögliche Summe) ermöglichte mir vieles, was ich mir sonst niemals hätte leisten, oder gar erträumen können.

Einmal habe ich in Berlin Wäsche gewaschen und sie in München aufgehängt, nur um dann zu meinen Eltern an den Bodensee zu fahren. Die Woche zwischen einem Praktikum in Bayreuth und einer Stelle als Projektassistentin in Jordanien habe ich auf einem Seminar in Berlin verbracht.

Nachdem ich in Schottland meinen Master-Abschluss gemacht und ein Praktikum an der deutschen Botschaft in London absolviert hatte, trat ich einen Tag nach meinem 26. Geburtstag meinen Job als Referentin im Bundespresseamt an. Dort wertete ich im Schichtdienst Agenturmeldungen aus und schrieb SMS an Kanzlerin Merkel. Hauptberuflich.

Ehrenamtlich stellte ich nebenher ein Team zusammen und baute die „SWANS Initiative“ auf: Wir sind eine Gruppe aus rund 20 im deutschsprachigen Raum aufgewachsenen Studentinnen und jungen Akademikerinnen mit Einwanderungsgeschichte, Schwarzen Frauen und Women of Color, die Frauen mit ähnlichen Biografien bei allen Themen rund um Beruf und Karriere unterstützt. Als gemeinnützige GmbH mit einem großteils ehrenamtlichen Team fördern wir inzwischen über 1000 „Schwäne“ mit u. a. Seminaren, Webinaren, systemischem Coaching und einer Austausch- und Netzwerkplattform.

Nur ein Jahr nach unserer ersten Veranstaltung verlieh uns Bundeskanzlerin Merkel die Startsocial-Urkunde für die Bundesauswahl 2018. Wenige Monate später belegten wir den zweiten Platz beim Zivilgesellschaftspreis des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA). Wir arbeiten seit Jahren mit Unternehmen wie McKinsey, Skadden, Procter & Gamble und SAP zusammen. Und setzen ein Projekt um im Rahmen des Programms Demokratie leben! der Bundesregierung. Aktuell werden wir als einzige europäische Organisation gefördert von der „United Nations Alliance of Civilizations“ (UNAOC), BMW und Accenture. Nach einem zweijährigen hauptberuflichen Abstecher in die Privatwirtschaft, wo ich als Pressesprecherin für Mercedes-Benz Deutschland tätig war, leite ich SWANS inzwischen in Vollzeit.

In den letzten zwei Jahren musste ich mir öfter anhören, dass ich ja gar nicht krank sein könne, weil ich immer noch so viel auf die Beine stelle. Doch das stimmt nicht, wenn man mich mit mir selbst vergleicht. Mit dem, wie ich vor der Infektion war. Im Vergleich dazu bin ich seit zwei Jahren bei konsequent 60 Prozent. Maximum.

In diesem Buch werde ich bewusst nicht von Long Covid sprechen, da ich keine offizielle Diagnose erhalten habe – auch wenn Long Covid inzwischen von vielen als Dachbegriff für alle durch eine Covid-Infektion ausgelösten Krankheiten benutzt wird. Auch von mir.

Ich habe verschiedene Untersuchungen, Lungenfunktionstests und Belastungs-EKGs hinter mir und haufenweise Medikamente durchprobiert, neben verschiedenen Schmerzmitteln auch Cortison, Antidepressiva und Betablocker. Während ich diese Zeilen schreibe, experimentiere ich mit Nikotinpflastern2. Von der wenigen Kraft, die ich noch aufbringen kann, habe ich so viel für Aufenthalte in Praxen verbraucht, dass ich bei meiner Krankenkasse hochoffiziell als „Chronikerin“ vermerkt bin. Das ist mein ultimativer Ritterinnenschlag. Quasi wie ein „Senator Status“ der Lufthansa, nur dass ich meine Zeit in Wartezimmern verbringe statt in einer exklusiven VIP-Lounge.

Mein Lungenarzt verzweifelte an mir, weil er keine objektiv messbaren Hinweise („Biomarker“) auf meine Beschwerden finden konnte. Meine Neurologin meinte, ich solle nicht mehr als zehn Tage im Monat Schmerztabletten nehmen. Als ich das hörte, musste ich bitter auflachen. „Das würde bedeuten, dass ich nur noch an zehn Tagen im Monat arbeiten kann“, erwiderte ich trocken. Im Kopfschmerz­tagebuch, das sie mir zum Ausfüllen mitgegeben hat, dokumentiere ich meine Symptome. Die sind am schlimmsten, wenn ich mich konzentrieren will, arbeite, am Rechner sitze.

Auch wenn ich mich mit meiner „neuen RealitätTM“3 in einer seltsamen Mischung aus Akzeptanz und Fatalismus abgefunden habe, bedeutet sie für mich einen täglich aufs Neue stattfindenden Kampf: Mein bewusstes Ich gegen meine Körperfunktionen. Wie viel kriege ich erledigt, bevor mein Körper kapituliert? Wie zähme ich meinen unbändigen Tatendrang? Es ist ein sich ständig wiederholendes Wettrennen gegen mich selbst.

„Am Ende kommt noch ein Produktivitäts-Podcast raus“, habe ich in den ersten Monaten nach meiner Covid-Erkrankung halb im Scherz gesagt. Was ich damit meinte: Die Krankheit zwingt mich dazu, effizienter zu arbeiten. Nicht, um als Digital Bromad4 um die Welt zu reisen, während ein E-Commerce-Unternehmen mir ein passives Einkommen5 verschafft, wie es uns US-Lifestyle-Guru6 Tim Ferriss in seinem Bestseller „Die 4-Stunden-Woche“7 beibringt. Und auch nicht, um das Maximum aus meiner Zeit herauszuholen – das Ziel der meisten Produktivitäts- und Effizienz­ratgeber. Sondern, um das Allernotwendigste und Existenziellste erledigt zu bekommen. Weil mehr nicht geht. Weil ich mich dann hinlegen und schlafen muss. Nicht will. Muss. Meine einstige Liebe zum „Leischdungsnickerle“8 hat buchstäblich pathologische Ausmaße angenommen.

Dieses Buch beinhaltet nicht nur eine Reihe von Maßnahmen, mit denen ich und andere versuchen, ihr Arbeitspensum in den Griff zu kriegen. Sondern es hinterfragt auch, wie wir es tun: Auf wessen Rücken schaufeln wir unsere Kalender leer, und wie realistisch sind welche Tipps für welche Lebensrealitäten und Bevölkerungsgruppen?

Ich bin immer wieder überrascht, welche der organisatorischen Maßnahmen, die ich für mich entdeckt habe, längst weltweit etabliert sind. Zum Beispiel das Batching (ähnliche Aufgaben wie Mails oder Anrufe zusammen abarbeiten) oder Inbox Zero (beantwortete Mails aus dem Posteingang löschen oder in andere Ordner verschieben). Da habe ich das Rad nicht neu erfunden. Ebenso wenig stammt die Erkenntnis von mir, dass nicht mangelnde Zeit unser Problem ist, sondern das Fehlen von Energie. Darauf sind auch schon andere vor mir gekommen. Ich kann nur bestätigen, dass diese Beobachtungen auch auf mich zutreffen und die Tricks für mich funktionieren.

Apropos „funktionieren“: Ich „funktioniere“ dank einer außerordentlich grenzwertigen Mischung aus Schmerz­medikamenten, Nickerchen und Verzicht auf alles, was Spaß macht. Ist das nicht inspirierend, erstrebens- und bewundernswert? Immer wieder frage ich mich, ob ich schneller ausgeheilt wäre oder meine Symptome schwächer wären, wenn ich mich konsequent krankgeschrieben und mir mehr Zeit für die Heilung erlaubt hätte. Wäre ich schon längst wieder gesund, hätte ich weniger gemacht? Ist das „Toll, was ich trotzdem alles geschafft kriege“ es wert?

In meinem Umfeld beenden Menschen Geschichten über persönliches Leid, Traumata und allgemeine Überlastung häufig mit der schulterzuckenden Bemerkung, dass sie nichtsdestotrotz „funktionieren“. Was sie damit sagen: „Ich weiß, dass es der (Arbeits-)Welt vollkommen wurscht ist, wie schlecht es mir geht. Meine primäre Verpflichtung besteht darin, meiner bezahlten Arbeit weiterhin gewissenhaft und pflichtbewusst nachzugehen.“ Wir „funktionieren“, weil wir zu „funktionieren“ haben. Ohne Rücksicht auf Verluste – und zwar unsere.

„Es ist ein Privileg, produktiv sein zu dürfen“, sagt Content-Creatorin und Unternehmerin Ella TheBee (@EllaTheBee) zu mir, die mit ihren über 200.000 YouTube-Abonnent*innen Tipps zu Produktivität und Zeitmanagement teilt. Doch wer entscheidet, wer und was als produktiv gilt? Ich denke, oft, wie dankbar ich dafür bin, dass ich gesund bin. Warum? Weil meine Krankheit nicht akut mein Leben bedroht, mich nicht zu sehr vom Arbeiten abhält? Und wenn ich mich jetzt für gesund halte: Was wäre denn krank?

Wie schlecht muss es dir gehen, bis es schlimm genug ist?

Man muss nicht wie ich erst erkrankt sein, um sich diese Frage täglich aufs Neue zu stellen. Wie krank, kaputt und nah am Zusammenbruch muss ich sein, bis es legitim ist, mich krankzumelden? Einen Gang runterzuschalten? Der Führungskraft zu sagen, dass ich nicht mehr kann?

Im September 2023 machte eine repräsentative Studie die mediale Runde. Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Deutschen fühlt sich erschöpft. Besonders betroffen sind Frauen und Angestellte; die Altersgruppe ab 65 am wenigsten. Hauptursachen sind gesundheitliche Beschwerden, die politische Lage und – vor allem bei den Menschen zwischen 30 und 49 – die Arbeitsbelastung.9

Aus der kapitalistischen Optimierung der eigenen Produktivität ist ein absurdes Konzept der Selbstfürsorge entstanden: Die sogenannte Peak Performance. Es geht darum, sich besser um sich selbst zu kümmern, damit man im Job Höchstleistung bringen kann. Verkürzt gesagt: Mach mehr Yoga, dann kannst du mehr arbeiten. Optimiere deine eigene Arbeitsleistung, indem du meditierst, ausreichend schläfst und dich gesund ernährst. Denn wo kämen wir denn hin, wenn wir diese Dinge einfach nur deswegen tun würden, weil sie uns gut tun und Freude bereiten?

Wir alle sind Opfer dieser Denkweise, die unseren Wert primär über unsere Produktivität und Verwertbarkeit als Arbeitnehmer*innen definiert. „Ich will, dass diese blöde Matschbirne endlich weggeht, damit ich wieder in Ruhe arbeiten kann“, habe ich mal zu meiner Freundin gesagt. „Nein, Martha. Du sollst gesund werden, damit du dich endlich wieder besser fühlst“, korrigierte sie mich sofort. Erwischt!

Kennst du die Faulheitslüge? Damit beschreibt der Psychologe Devon Price das Phänomen, dass wir uns kaputtarbeiten und am Ende des Tages trotzdem glauben, nicht genug geleistet zu haben. „Laziness Does Not Exist“10 heißt sein Buch, was so viel bedeutet wie: Faulheit existiert nicht. Viele von uns halten sich für faul, obwohl sie wissen, dass sie alles gegeben haben. Machen sich Vorwürfe, dass sie mehr hätten machen müssen, obwohl die Faktenlage beweist, dass „mehr“ gar nicht gegangen wäre. Kommt dir das bekannt vor?

Ich habe den Begriff „Faulheitslüge“ zum ersten Mal in Sara Webers Buch „Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“11 gelesen. Es stieg direkt in der ersten Woche auf Platz 15 der SPIEGEL-Bestsellerliste ein. Ihr Titel und ihre Recherchen dazu, dass wir uns alle überarbeitet, ausgebrannt und erschöpft fühlen, haben unzählige Menschen angesprochen.

Wem das Buch weniger gut gefallen hat? Als ich sie für dieses Buch befrage, verrät Sara Weber die wenig überraschende Antwort: „Die größte Kritik kam vonseiten einiger Arbeitgeber*innen sowie Politiker*innen, die keine systemischen Veränderungen für nötig befinden und denken, Arbeitnehmer*innen sollten mehr und produktiver arbeiten – und dabei Arbeitsbedingungen und unbezahlte Sorgearbeit auszublenden scheinen.“ Und damit auch unsere verschiedenen Lebensrealitäten.

Wir dürfen nicht mehr zulassen, dass Arbeitgeber*innen uns mangelndes Pflichtbewusstsein unterstellen.

Gerade im Kontext der Pandemie waren viele Führungskräfte überrascht davon, dass ihre Beschäftigten im Homeoffice nicht nur weiterhin fleißig gearbeitet haben, sondern sogar wesentlich produktiver waren – zumindest, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt waren, nebenher ihre Kinder zu betreuen.12 Der Grund dafür: Keine Ablenkung durch Gespräche in der Kaffeeküche, weniger konsequente Mittagspausen und natürlich mehr Überstunden, da sich viele selbst nachts noch gerne „kurz“ an den Rechner setzen. Allerdings war natürlich auch klar: Diejenigen, die schon im Büro nur ihre Zeit absitzen, werden auch im Homeoffice nicht auf magische Weise zu den Leistungsträgern des Jahres aufblühen.

Noch vor wenigen Jahren wurde vielerorts beklagt, dass die Tech-Giganten im Silicon Valley (und die ihnen nacheifernden Start-ups weltweit) die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit bewusst verwischen, indem sie am Arbeitsplatz Fitnessstudios, Freibier, Spielekonsolen und Tischkicker bereitstellen. Die Folge: Die Beschäftigten bleiben länger im Büro, arbeiten mehr und merken es nicht einmal. Erstaunlich wenigen Leute ist aufgefallen, dass im pandemiebedingten Homeoffice genau dasselbe passiert ist, nur umgekehrt: Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmt, zuerst geografisch, dann auch zeitlich. Nur halt zu Hause statt im Büro.

Wenig überraschend: Für Frauen in Deutschland fällt im Homeoffice knapp dreimal mehr unbezahlte Sorgearbeit (Haushalt, Kinderbetreuung, Pflege) an als für Männer.13 Bei dieser Thematik geht es dann nicht mehr nur um die Frage von Energie, sondern auch um eine nachweisbare Ungleichverteilung von (Frei-)Zeit.

Bei dieser Gelegenheit ein wichtiger Hinweis dazu, wie ich mich ausdrücke: Meine Vorträge und Texte wurden schon als „erfrischend direkt“ und „herrlich unbequem“ bezeichnet. Dass ich mir struktureller Ungleichheit nicht nur bewusst bin, sondern diese auch anspreche, wird dir vielleicht schon in den vorherigen Absätzen aufgefallen sein – und nicht allen gefallen. Vor allem nicht denen, die von den vorherrschenden Machtstrukturen profitieren, aber damit nur ungern konfrontiert werden möchten. Denen schon der Begriff „Machtstruktur“ schmerzhaft quersitzt wie Darmgas nach einer saftigen Portion Schupfnudeln mit Sauerkraut. Die sich nicht einmal theoretisch vorstellen können, was mit dem Begriff „strukturelle Diskriminierung“ gemeint sein könnte. Und das auch gar nicht wollen. Diejenigen, die sich nicht eingestehen wollen, dass sie privilegiert sind. Und oft auf lächerliche und peinliche Art zu konstruieren versuchen, dass sie doch auch irgendwie arm, benachteiligt und diskriminiert sind. Die versuchen, Teilhabegerechtigkeit als abstraktes Elfenbeinturm-Thema abzutun, statt zuzugeben, dass eigentlich sie selbst diejenigen sind, die weltfremd und ignorant sind in Bezug auf die Lebensrealitäten (mehrfach) marginalisierter Personen.

Keine Sorge, ich arbeite mit Statistiken und Zahlen. Wer bereit ist, sich damit auseinandersetzen, darf das gerne tun. Wem sie unangenehm sind, der kann das Buch auch ganz pragmartha angehen, sich auf die praktischen Tipps konzentrieren und die gesellschaftlichen Missstände ignorieren – wie sonst auch. Übrigens: Gesellschaftliche Missstände ignorieren zu können, ist ein Privileg derjenigen, die nicht von ihnen benachteiligt werden. Also: Wenn du sie ignorieren kannst, bist du privilegiert. Herzlichen Glückwunsch – und hupsi!

Zu meinem Vorgehen: Ich nehme meine eigenen Erfahrungen und Methoden und gleiche sie ab mit den bekanntesten Ratgebern rund um Produktivität und Effizienz. Da diese zumeist von weißen14 Männern aus den USA geschrieben wurden, habe ich zum Ausgleich verschiedene Perspektiven deutscher Expertinnen eingeholt.15

Psychologin, Führungskräfte-Coach und LinkedIn-Top-Voice für Work-Life-Balance Dr. Ne

ş

e Oktay-Gür erklärt dir, wie du Schritt für Schritt Neinsagen übst und lernst, deine Grenzen zu erkennen und zu setzen.

Journalistin und Autorin des Bestsellers „Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“ Sara Weber verrät, was sie bei ihrer Buchrecherche und aus ihrer Überlastungsdepression (Burn-out) gelernt hat.

Content-Creatorin, Moderatorin und dreifache Bestsellerautorin Lisa Sophie Laurent (@LisaLaurent und @lisasophielaurent) berichtet, was sie anders macht, seit sie sich eines Tages reglos auf der Couch wiederfand „wie ein gestrandeter Wal“ (ihre Worte, nicht meine).

Jura-Doktorandin und Content-Creatorin Claude Ngatchou (@claudebeauty) erzählt, welche Rolle das Imposter-­Syndrom

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bei ihrer beeindruckenden Disziplin und Leistungsbereitschaft spielt.

Diplom-Psychologin, Publizistin und Expertin für digitale Partizipation und Bildung Marina Weisband teilt Einblicke, wie sie ihren Alltag meistert, seit sie am Chronischen Fatigue Syndrom (ME/CFS) erkrankt ist.

Content-Creatorin, Unternehmerin und getrenntlebende Mutter Ella TheBee blickt zurück, wie sie sich dank ADHS schon als Schülerin mit Zeitmanagement beschäftigt hat, und betont, dass Produktivitätstipps dabei helfen sollen, mehr Freizeit zu schaffen.

Neben ihrer thematischen Expertise bereichern sie dieses Buch zudem mit Erfahrungen und Perspektiven, die die oben genannten Herren und ich dir nicht bieten können: Meine Interviewpartnerinnen sind (getrennt lebende) Mütter, Schwarz, People of Color, muslimisch, jüdisch, Erstakademikerinnen, neurodivergent17, queer und/oder haben eine Behinderung. Sie alle sind in verschiedenen Kombinationen dieser Faktoren mehrfachdiskriminiert18. So will ich versuchen, Lebensrealitäten Raum zu geben, die in gesellschaftlichen Diskursen um Arbeitsmarkt, Produktivität und Leistung regelmäßig unter den Tisch fallen.

Lisa Sophie Laurent und Sara Weber reflektieren, wie sie sich im Namen der Leistung selbst ausgebeutet haben. Wir setzen uns kritisch damit auseinander, wer bestimmt, wie Leistung definiert wird. Wessen Maßstäbe gelten – und für wen? Welche strukturellen Ursachen gibt es für unsere individuellen Probleme? Und wieso fällt es uns so schwer, uns von dem Druck zu befreien, immer mehr Verpflichtungen in unseren Kalendern unterzubringen?

Marina Weisband und ich sprechen darüber, was es mit unserem Selbstbild macht, wenn wir nicht mehr so viel leisten können wie früher. Wenn wir uns an einer von außen aufgedrückten Definition von Leistung messen (lassen), der wir nicht mehr gerecht werden können. Unsere bezahlte Arbeit ist eine tragende Säule unserer Identität. Was löst es in uns aus, wenn sie bröckelt oder gar einstürzt? Wie ist es, sich in einer Gesellschaft und auf einem Arbeitsmarkt zu bewegen, die beide keinen Raum lassen für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen, chronischen Krankheiten und/oder Neurodivergenz?

Behalte bitte im Hinterkopf: Trotz meiner Beschwerden schreibe ich aus einer neurotypischen und nichtbehinderten Perspektive. Deine Lebensrealität kann vollkommen anders aussehen, wenn du zum Beispiel AD(H)S hast oder dich auf dem autistischen Spektrum verortest. Behalte deswegen auch gerne Ellas Worte im Hinterkopf, wenn du meine Einschätzungen und Tipps liest: „Es kommt ja auch darauf an, wie das Hirn funktioniert. Manche brauchen das so oder so.“ Die meisten Tipps und Methoden sind Typsache – und auch für neurotypische Personen nicht alle gleichermaßen geeignet.

Marina gibt uns einen Denkanstoß mit auf den Weg: Von Menschen mit Behinderungen können wir lernen, was unseren Wert als Mensch ausmacht – auch unabhängig von bezahlter Lohnarbeit. Wir dürfen uns nicht mehr einreden lassen, dass wir unserem Job 150 Prozent schulden. Sondern müssen hinterfragen, wer bestimmt, was 100 Prozent sind, was 150, was 60? Wer definiert, was krank ist, was gesund, was normal? Und wer bestimmt, wann es uns schlecht genug geht, um nicht (mehr) arbeiten zu können?

Insgesamt soll dieses Buch drei Zwecke erfüllen:

Dir praktische Tipps geben, Zusammenhänge erklären und Fakten kritisch einordnen, sodass du für dich entscheiden kannst, was zu dir und deiner Lebensrealität passen könnte und was du ausprobieren möchtest.

Dich vom inneren und äußeren Druck befreien, deine Zeit effektiver zu managen. Dich dazu ermutigen, künftig (noch) besser auf deine Kraftreserven achtzugeben.

Als empathische, verständnisvolle und wohlwollende Erinnerung daran fungieren, dass du auf dich selbst aufpassen darfst und musst. Egal ob die Welt da draußen gerade zu streng mit dir ist – oder du selbst.

Eine Anmerkung zu Punkt drei: Wir alle stehen unseren Freund*innen unterstützend zur Seite, wenn sie ausgebrannt sind, und raten ihnen, sich nicht zu überarbeiten und auf sich selbst aufzupassen. Nur bei uns selbst gelingt uns das nicht. Mit uns selbst gehen wir viel härter ins Gericht.

Auch ich bin in diesen Dingen nicht so konsequent, wie ich es gerne wäre. „Do as I say, don’t do as I do“ (Mach das, was ich sage, nicht das, was ich tue) lautet eine schöne englische Redewendung. Selbstfürsorge zu leben, ist schwer und klappt nicht von einem Tag auf den anderen. Es ist ein Lernprozess. Übungssache. Dabei soll dieses Buch deine externe Unterstützung und Bekräftigung sein. Die wohlmeinende Stimme von außen, die dir hilft, deinen eigenen Rat zu befolgen. In Phasen, in denen es dir leichtfällt und es gut funktioniert. Und in Phasen, in denen es nicht zu klappen scheint. Wenn du das Gefühl hast, all deine Fortschritte wären ausradiert und du müsstest wieder von vorne anfangen. Selbstfürsorge ist ein Prozess. Aber leider kein linearer. Ja, mit der Zeit wird es dir leichter fallen, auf dich, deine Gesundheit und Bedürfnisse zu achten – aber nicht automatisch jeden Tag besser als am Tag davor. Auch da will ich dir mit dem Buch beiseitestehen – wenn du Rückschläge erlebst, ausgebrannt bist und dir dann auch noch Vorwürfe machst und dich dafür schämst, dass es dir schlecht geht. Ich kenne das. Wir alle kennen das. Deswegen müssen wir umso verständnisvoller und empathischer miteinander umgehen – und mit uns selbst.

Wenn es dir schlecht geht, geht es dir schlecht. Wenn du ausgebrannt, überlastet und überfordert bist, dann bist du das. Das ist nicht in Ordnung. Aber es ist in Ordnung, entsprechende Konsequenzen daraus zu ziehen. Und zwar bevor es zu spät ist. Egal ob hypothetischer Herzinfarkt oder reale Langzeitfolgen einer Covid-Infektion: Wir sollten nicht alle erst erkranken müssen, um unsere Lektion zu lernen und mit unserer Energie gesünder hauszuhalten.

1 Ich habe keine ADHS-Diagnose. Hier wurde der Begriff unsensibel benutzt, um meine übersprühende Energie und meinen unbändigen Tatendrang zu beschreiben.

2 Zu der These, dass Nikotin möglicherweise das Covid-Spike-Protein von den Rezeptoren verjagt, forscht der deutsche Arzt Dr. med. Marco Leitzke und setzt sich für diese Behandlungsmethode ein. Mehr Infos findest du außerdem im Internet unter #TheNicotineTest.

3 Das Symbol TM wird primär in diskriminierungskritischen Kreisen humoristisch eingesetzt, um diskursiv verankerte, unscharf definierte, oft ausgrenzende Begriffe aufs Korn zu nehmen. Kann gelesen werden als „was auch immer das sein soll“. Siehe auch: LeitkulturTM.

4 Der Begriff setzt sich zusammen aus Digitaler Nomade, also Menschen, die durch die Welt tingeln und mobil am Laptop arbeiten, und Bro, mit dem sich oft weiße privilegierte Männer selbst bezeichnen bzw. gegenseitig anreden, die wiederum den Löwenanteil unter den Digitalnomaden ausmachen.

5 Die wichtigste Lektion für alle, die sich zum Thema Finanzen weiterbilden wollen: Aktives Einkommen ist, wenn deine Einkünfte von der Zeit abhängig sind, die du aufbringst (Anstellung mit Gehalt, Stundenlohn etc.) Passives Einkommen ist, wenn die Menge des Geldes, das bei dir eintrudelt, losgelöst ist von deiner eigenen Lebenszeit (vermietete Immobilien, Aktien, ETFs und andere Wert­papiere, Edelmetalle, Unternehmensgewinne etc.).

6 Sei dir bitte dessen bewusst, dass ich die Selbstbe­zeichnung „Guru“ der weißen US-amerikanischen Männer ironisch übernehme. Vor allem mit Blick darauf, dass sie Informationen, Methoden und Ansichten in die Welt tragen, die eher dem Gegenteil der Botschaften tatsächlicher Gurus entsprechen.

7 Ferriss, Timothy 2022: Die 4-Stunden-Woche: Mehr Zeit, mehr Geld, mehr Leben, Berlin: Ullstein.

8 Hallo, ich bin Martha und komme vom Bodensee. Damit bin ich laut Regionaldefinition „Oberschwäbin“.

9 Vgl. Der Tagesspiegel 2023: Das ist ein alarmierender Wert, https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/das-ist-ein-alarmierender-wert-mehr-als-50-prozent-der-menschen-in-deutschland-fuhlen-sich-erschopft-10460620.html, zuletzt abgerufen am 12.11.2023.

10Price, Devon 2022: Laziness Does Not Exist. A Defense of the Exhausted, Exploited, and Overworked, New York: Atria.

11 Weber, Sara 2023: Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?, Köln: Kiepenheuer & Witsch.

12Green, Jeff 2020: The pandemic workday is 48 Minutes longer and has more meetings. In: Bloomberg, https://www.bloomberg.com/news/articles/2020-08-03/the-pandemic-workday-is-48-minutes-longer-and-has-more-meetings#xj4y7vzkg, zuletzt abgerufen am 09.01.2024.

13Hans-Böckler-Stiftung 2020: Homeoffice verstärkt tradierte Arbeits­teilung. https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-homeoffice-starkt-tradierte-arbeitsteilung-23878.htm, zuletzt abgerufen am 09.01.2024.

14Weiß wird in diesem Kontext kursiv geschrieben, da es sich nicht um eine anatomische „Hautfarbe“ handelt, sondern um eine gesellschaftlich konstruierte Machtposition und Identität. Analog dazu wird die Selbstbezeichnung „Schwarz“ mit großem „S“ geschrieben.

15 Vorwarnung für alle Podcast-Fans: In diesem Buch findest du keine Weisheiten aus der Podcast-Welt. Ich habe schon vor meiner Erkrankung kaum Podcasts gehört, und jetzt fehlt mir erst recht die Kraft dafür.

16 Damit wird das Gefühl bezeichnet, es zu Unrecht in einen Raum (z. B. Studium, Beruf) geschafft zu haben und nur darauf zu warten, durchschaut und wieder rausgeschmissen zu werden, auch bekannt als Hochstapler*innen-Syndrom. Trifft primär Mitglieder von Gruppen, die in diesen Räumen unterrepräsentiert sind, z. B. Frauen, Sozialaufsteiger*innen, Erstakademiker*innen, queere Personen, Menschen mit Behinderung, Schwarze Menschen und People of Color (BIPoC).

17 Dazu gehören u. a. Legasthenie/Dyslexie, Dyskalkulie, AD(H)S, Hypersensibilität, Hochbegabung und das autistische Spektrum. Wer nicht neurodivergent ist, wird als „neurotypisch“ bezeichnet.

18 Von Mehrfachdiskriminierung bzw. Mehrfachmarginalisierung wird gesprochen, wenn eine Person nicht „nur“ ein einzelnes, sondern mehrere Diskriminierungsmerkmale in sich vereint: also zum Beispiel zusätzlich zur Geschlechtsidentität auch aufgrund ihrer sozialen Herkunft, ethnischen Abstammung, sexuellen Orientierung, Religion und/oder Behinderung Ausgrenzung erlebt. Der Fachbegriff Intersektionalität wurde geprägt von der Schwarzen US-Juristin Kimberlé Williams Crenshaw, die damit beschrieb, wie Schwarze Frauen nicht ausschließlich aufgrund ihrer Geschlechtsidentität diskriminiert werden können oder weil sie Schwarz sind, sondern zusätzlich als dritter Faktor auch aufgrund der Kombination Schwarz + Frau.

Kapitel 1Wessen Ratschläge sind hilfreich – und für wen?

„Wenn du nicht auch in der Arena verprügelt wirst, interessiert mich deine Meinung nicht“, verkündet Professorin und Verletzlichkeitsforscherin Brené Brown.1 Soll heißen: Wenn du nicht auch am Kämpfen bist, verzähl mir nichts. Du musstest noch nie dieselben Kämpfe austragen wie ich? Verzähl mir nichts. Du verstehst nicht einmal, dass und wie sehr sich unsere Kämpfe unterscheiden? Verzähl. Mir. Nix.

Ich persönlich kann Selbsthilfebücher und Ratgeber nicht ausstehen. Es bringt mich auf die Palme, wenn ein John, Mark oder Kevin mir eine Lebensweisheit als universell gültig verkaufen will, zu der mir innerhalb weniger Sekunden gleich mehrere Lebensumstände einfallen, in denen sie nicht zutrifft beziehungsweise nicht anwendbar ist. Die für viele Menschen in der Welt schlichtweg weltfremd und unrealistisch ist. In solchen Büchern wird die Lebensrealität der meisten Menschen verharmlost, und die Autoren ignorieren, mit welchen individuellen und strukturellen Belastungen sie zu kämpfen haben.

Damit meine ich nicht nur den Globalen Süden. Sondern Menschen, die in unserer Gesellschaft unter vollkommen anderen Bedingungen leben als die Autoren. Wenn dir das zu abstrakt klingt, kannst du ein kleines Experiment wagen, das nächste Mal, wenn du Karrieretipps hörst oder liest: Für welche Lebensrealitäten ist dieser Ratschlag realistisch, und wer wird sich davon auf den Arm genommen fühlen? Was würde passieren, wenn du ihn einer alleinerziehenden Mutter sagst? Einer Pflege- oder Reinigungskraft? Einer Person mit unsicherem Aufenthaltsstatus oder einer Person, die nicht weiß, wie sie ihre Rechnungen bezahlen soll? Ist dieser Ratschlag ignorant gegenüber mehrfachdiskriminierten, neurodivergenten, chronisch kranken Personen, Menschen mit Behinderungen? Oder sollen damit nur „normale“ Menschen angesprochen werden – und wer hat beschlossen, was „normal“ sein soll?

Bevor wir uns also dem lösungsorientierten und positiven Teil dieses Buches widmen, erlaube mir, dir zu erklären, wie es genau nicht sein soll.

1 Vgl. dieses Video von einem ihrer Vorträge: https://www.youtube.com/shorts/kHHMZAzNZHw, zuletzt abgerufen am 14.01.2024.

Dann zieh doch einfach ans Meer!

Dies hier ist kein Buch, das dir einreden möchte, dass du einen Job, der dich unglücklich macht, in dem du ausbrennst oder der schlecht bezahlt wird, ganz einfach kündigen sollst. Dafür gibt es schon Jerry Stocking („How to Win by Quitting“1), Mark Manson („Die subtile Kunst des darauf Scheißens“2) und viele der Menschen, die über Purpose und Ikigai sprechen3. Mein Problem mit diesen Büchern: Sie blenden nicht nur aus, wie privilegiert du sein musst, um eine solche Entscheidung leichtfertig treffen zu können. Sie beweisen damit gleichzeitig einen Mangel an kritischer Reflexionsfähigkeit des Autors und dessen Unfähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu begreifen, sodass ich alle weiteren Ratschläge von diesen Personen nicht mehr ernst nehmen kann. Sie ignorieren sozioökonomische Realitäten und strukturelle Hürden, die alle anderen auf diesem Planeten meistern müssen – Frauen und Menschen außerhalb der binären Geschlechterkonstruktion, queere Personen, Schwarze, Indigene und People of Color (BIPoC), Menschen mit Behinderungen, chronischen Krankheiten und Neurodivergenz, mehrfachdiskriminierte Personen, Menschen ohne Zugang zu formeller Bildung, finanzieller Stabilität und all den anderen Privilegien, die den Herrschaften ermöglicht haben, dorthin zu gelangen, wo sie heute sind. Neben ihrer harten Arbeit natürlich.