Küss mich noch mal - Jessa James - E-Book

Küss mich noch mal E-Book

Jessa James

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Beschreibung

Mehr als fünf Jahre hat sich Lucy Rivers von ihrer Familie ferngehalten.Nach dem Tod ihrer Mutter war ihr Herz gebrochen und sie nicht der Lage, ihrem Vater zu vergeben, dass er so kurz nach dem tragischen Ereignis, das ihr aller Leben erschüttert hatte, wieder geheiratet hatte. Und nicht nur das, die Ehe schob auch ihrer aufkeimenden Beziehung mit ihrem Highschool-Schwarm, Cole Kent.Lucy suchte sich ein neues Leben und ließ ihre Familie zurück. Cole ist jedoch nicht gewillt, sie einfach gehen zu lassen, und dreht jahrelang so gut wie jeden Stein um, um Lucy wieder zu finden. Und gerade als Cole aufgeben will, taucht ihr Gesicht zufälligerweise in einer Dating-App auf, bei der er sich widerwillig angemeldet hat.Kann Cole Lucy dazu bringen, ihm wieder zu vertrauen?

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Küss mich noch mal

Eine zeitgenössische Romanze der zweiten Chance

Jessa James

Küss mich noch mal: Copyright © 2020 von Jessa James

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln, elektronisch, digital oder mechanisch, reproduziert oder übertragen werden, einschließlich, aber nicht beschränkt auf Fotokopieren, Aufzeichnen, Scannen oder durch irgendeine Art von Datenspeicherungs- und Datenabfragesystem ohne ausdrückliche, schriftliche Genehmigung des Autors.

Veröffentlich von Jessa James

James, Jessa

Küss mich noch mal

Cover design copyright 2020 by Jessa James, Author

Images/Photo Credit: Deposit Photos: mjth

Hinweis des Herausgebers:

Dieses Buch wurde für ein erwachsenes Publikum geschrieben. Das Buch kann explizite sexuelle Inhalte enthalten. Sexuelle Aktivitäten, die in diesem Buch enthalten sind, sind reine Fantasien, die für Erwachsene gedacht sind, und jegliche Aktivitäten oder Risiken, die von fiktiven Personen innerhalb der Geschichte übernommen werden, werden vom Autor oder Herausgeber weder befürwortet noch gefördert.

Inhalt

1. Cole

2. Lucy

3. Cole

4. Lucy

5. Cole

6. Lucy

7. Cole

8. Lucy

9. Cole

10. Lucy

11. Cole

12. Lucy

13. Cole

Epilog – Lucy

Bücher von Jessa James

Also by Jessa James (English)

Über die Autorin

1

Cole

„Du machst wohl Witze. Jacob, willst du Callie wirklich erlauben, eine Dating-App zu kreieren? Tja, mein Freund, da geht dein Ruf, eine seriöse, einflussreiche Person in der Tech-Welt zu sein, dahin!“

Ich musste mich einfach über die verzweifelten Versuche des armen Jakes, Callies Aufmerksamkeit zu erlangen, lustig machen. Er würde ihr wirklich alles geben, was auch immer sie wollte, der arme Narr. Ich konnte nicht leugnen, dass sie auch klug war und sie mit ihren Einfällen normalerweise goldrichtig lag, aber diese Idee ging, meiner bescheidenen Meinung nach, doch ein Stückchen zu weit. Aber Callie war auch die einzige Frau, der ich jemals begegnet war, die mich im Programmieren übertrumpfen konnte und die Kühnheit besaß, mich im Schach zu schlagen – jedes einzelne Mal. Tja, natürlich hatte es noch eine andere Person gegeben, die dazu in der Lage gewesen war, doch sie war kein Teil meines Lebens mehr. Und dennoch gelang es meiner einzig wahren Liebe Lucy, selbst fünf Jahre später, noch immer meine Gedanken zu den ungewöhnlichsten Zeitpunkten zu infiltrieren.

Ich schüttelte den Kopf und versuchte, mich dazu zu zwingen, dem vorliegenden Gespräch meine Aufmerksamkeit zu schenken. Vielleicht hatte Callie eine andere Perspektive hinsichtlich der neuen Dating-App, eine, die noch nicht vollkommen ausgelutscht worden war. Jacob grinste mich verlegen an und zuckte mit den Achseln.

„Ha, ha, Cole!“, sagte Callie sarkastisch, als sie einen Krug Bier und drei Tequilashots von der Bar zurückbrachte. „Seid ihr Jungs zum Feiern bereit? Das wird die beste Idee werden, die wir jemals in Produktion gegeben haben!“

Wir hatten uns alle auf der UCLA kennengelernt beim allerersten Treffen der Tech Society in jenem Jahr. Wir hatten uns um einen Tisch gedrängt, wo wir die neuesten Gadgets bewundert hatten, die zu bekommen wir uns alle freuten, um das College in wahrer Nerd-Manier zu beginnen. Wir hatten jede noch so kleine Verbesserung und Makel diskutiert, als würde die Welt enden, wenn sie nicht korrigiert würden – und dann war Callie reingekommen.

Mit ihren eins achtzig war sie eine Vision einer langbeinigen, blondhaarigen, blauäugigen Perfektion. Selbstverständlich hatten wir alle angenommen, dass sie sich im Raum geirrt hatte. Wie sich herausgestellt hatte, war sie genauso intelligent und besessen wie wir alle und sogar noch mehr als viele von uns. Callie verdiente wahrhaftig die Bezeichnung ‚Schnelldenker‘ – alles, das sie tat, ging schnell: sie dachte schnell, sie trank schnell und sie konnte nahezu jedes mathematische Problem innerhalb von Augenblicken lösen.

Und obgleich kein Zweifel daran bestand, dass Callie attraktiv war, gehörte mein Herz einer anderen. Wir drei hatten zu einer angenehmen Freundschaft gefunden, die das College überdauert und darüber hinaus Bestand gehabt hatte.

Callie exte den Tequilashot und bedeutete uns, das Gleiche zu tun. Die feurige Flüssigkeit brannte sich ihren Weg durch meine Kehle und ich verzog angewidert das Gesicht. Das war noch nie mein Drink gewesen; ich war eher der Bourbon-Typ. Ich schüttelte den Kopf und erlangte die Fassung wieder.

Ich musste immer noch skeptisch ausgesehen haben, denn ich konnte es mir einfach nicht vorstellen. Klar, Datingseiten und Apps schienen ein großes Geschäft zu sein, aber es gab doch bestimmt schon einhundert, die alle genau das Gleiche taten? Ich meine, wie viele dieser Teile brauchte die Welt wirklich?

„Im Ernst Leute, der Markt scheint übersättigt zu sein, ich weiß. Aber ich habe Nachforschungen angestellt. Jede Seite hat eine andere Perspektive – Übereinstimmung der Kompatibilität; Übereinstimmung der Hobbies; Übereinstimmung des Lebensstils; sogar Übereinstimmung der Haustiere. Aber keine der Seiten gibt dir die Chance, den gesamten Pool der Leute, die dort draußen nach ‚Dem Einen‘ suchen, zu überblicken. Ich meine, wenn du jemanden in einer Bar kennenlernst, schaust du doch auch nicht, ob ihr etwas gemeinsam habt. Man geht nach Attraktivität, bringt er oder sie dich zum Lachen, verursacht dir die Nähe des anderen ein kribbliges Gefühl – ihr wisst schon, all diese Dinge eben.“

Ich konnte verstehen, was sie damit meinte. Ich hatte noch nie darauf gewartet, herauszufinden, ob eine Frau etwas mit mir gemeinsam hatte, bevor ich sie auf ein Date gebeten hatte. Dafür waren erste Dates immerhin da. Es muss eine Art anfängliches Bauchgefühl geben, das dich bei einer Person überkommt.

„Ich denke, ich verstehe es, aber der Sinn von Internet-Dating ist doch, den Auswahlprozess zu überspringen, alles für dich zu beschleunigen und jemanden vorgeschlagen zu bekommen, mit dem man sich höchstwahrscheinlich verstehen wird, oder?“, fragte ich, da ich allmählich wirklich neugierig wurde, aber für den Moment noch bereit war, des Teufels Advokat zu mimen.

„Für manche Leute, ja, ist die Zeit von essenzieller Bedeutung – Berufstätige und solche Leute, aber Collegekids haben alle Zeit der Welt. Denk doch daran, wie Facebook begann. Es war eine Möglichkeit, um die Leute auf dem Campus abzuchecken“, fuhr Callie fort.

Jake nickte. „Und sehen wir doch den Tatsachen ins Auge, so viele von uns haben einfach nicht den Mut, dem Objekt unserer Begierde zu gestehen, wie wir empfinden.“

Ich verschluckte mich beinahe an meinem Bier, als er das sagte; sein schmachtender Blick war auf das Gesicht der Frau geheftet, der sein Herz gehörte. Hätte er damit nicht so abscheulich nah ans Schwarze getroffen, hätte ich laut gelacht.

„Genau. Schau doch uns an, der Haufen Nerds, der wir sind. Nicht einer von uns hat jemals den Mut aufgebracht, auf irgendjemanden zuzugehen und ihn um ein Date zu bitten, dennoch sind wir nicht einmal die Schlimmsten unserer Sorte. Cole Kent hier ist sogar irgendwie heiß!“, witzelte Callie.

„Ich habe Mädchen um Dates gebeten, gelegentlich… manchmal. Ich suche nur momentan nach niemandem. Ihr zwei könntet euch allerdings etwas mehr anstrengen. Keiner von euch ist mit einer Hornbrille oder nervösen Ticks gestraft“, stichelte ich zurück.

„Wir wissen“, sagte Callie, während sie die Augen verdrehte, „dass du dich im Alter von fünf verliebt und nie entliebt hast…“

Ich seufzte und probierte, ihrem Blick auszuweichen, und wünschte mir, sie möge das Thema wechseln.

„An irgendeinem Punkt wirst du akzeptieren müssen, dass die ständigen Wochenendausflüge im ganzen Land sie nicht zurückbringen werden, und einfach weitermachen müssen. Und wenn du das tust, mein Freund, wirst du so froh sein, dass es eine App gibt, die dir dabei helfen wird, die perfekte Frau für dich zu finden!“

Tief in meinem Inneren wusste ich, dass Callie es nicht böse meinte und dass sie vermutlich recht hatte, aber es tat dennoch weh, das zu hören. Ich wusste, dass ich nicht loslassen konnte, zumindest noch nicht. Ich hatte fünf Jahre damit verbracht, überall nach meiner Stiefschwester Lucy zu suchen, oftmals mit meinem Stiefvater Tom. Und jedes Mal, wenn wir loszogen, schien ich einen steifen Hals zu bekommen, weil ich ständig meinen Kopf reckte, um zu überprüfen, ob ihr Gesicht irgendwo in der Menge war.

Sie war meine beste Freundin gewesen, so lange ich mich erinnern konnte, und unsere Mütter waren ebenfalls seit der Highschool beste Freundinnen gewesen. Wir waren gemeinsam aufgewachsen; der Morgenkaffee unserer Moms wurde zu Spielverabredungen für uns und als wir älter wurden, wurden wir unzertrennlich.

Doch unsere Freundschaft wurde auf eine harte Probe gestellt, als uns Desaster um Desaster traf wie unnachgiebige Wellen. Als wären unsere Teenagerjahre nicht schon schlimm genug, hatten wir es mit Tod, Verrat und dann einer Hochzeit, die wir einfach nicht hatten kommen sehen, zu tun bekommen.

Lucy hatte ihrem Zuhause nicht lange, nachdem meine Mom und ihr Dad verkündet hatten, dass sie heiraten würden, den Rücken gekehrt. Mein Dad hatte meine Mom verlassen, als ich noch ein Kind gewesen war. Wir hatten seit Jahren nichts von ihm gehört. Wir waren ohne ihn besser dran, aber es war unfassbar schwer gewesen, als er gegangen war. Lucy war während alldem für mich dagewesen, hatte mir erlaubt, mich an ihrer Schulter auszuheulen, und dafür gesorgt, dass ich weiterhin in die Schule ging und meine Noten nicht schlechter wurden. Ich hatte versucht, dasselbe für sie zu tun, als ihre Mutter an Krebs erkrankt war. Es war die schwerste Zeit in unser aller Leben gewesen; wir alle standen einander so nahe, machten alles zusammen und teilten so viel Liebe zwischen unseren zwei kleinen Familien. Joanna, Lucys Mom, hatte meiner Mom und Tom das Versprechen abgenommen, die Familien zusammenzuhalten. Sie hatten sich bemüht, zu tun, was sie gewollt hatte, und das hatte sie Lucy gekostet. Diese hatte einfach nicht akzeptieren können, dass ihr Dad so schnell weitergemacht hatte oder dass meine Mom ihre beste Freundin derartig verraten konnte.

Ich hatte mich so sehr bemüht, sie zur Vernunft zu bringen, aber das hatte mich in ihren Augen genauso schuldig dastehen lassen wie die beiden. Sie wollte nichts hören, was nicht ihrer Meinung entsprach. Und dann war sie fort und ich verlor die beste Freundin und das wundervollste Mädchen in der ganzen Welt. Bedachte man all die Meilen, die Tom und ich abgedeckt hatten, und all die College Campus, die wir besucht hatten, musste ich Callie zustimmen. Ich würde sie vermutlich nicht wiederfinden.

Und selbst wenn ich das tat, gab es da noch immer die Tatsache, dass sie meine Stiefschwester war, die überwunden werden musste. Klar, wir waren keine Blutsverwandte oder so etwas, aber viel zu viele Leute würden es falsch finden und sie wahrscheinlich auch. Vielleicht hatte sie ohnehin nie auf die gleiche Weise für mich empfunden. Ich hatte immer davon geträumt, dass aus unserer Freundschaft mehr werden könnte, doch irgendetwas schien sich uns immer in den Weg zu stellen.

„Erde an Cole? Irgendjemand zu Hause? Sorry, Herzchen, ich wollte nicht so grausam klingen.“ Callie legte eine schlanke Hand auf meinen Arm. Ihre Nägel waren wie immer perfekt manikürt in einem Scharlachrot, das glänzte und im Licht funkelte. Dieses kleine Detail amüsierte mich stets, da sie sonst keinerlei Make-up trug, nur ihre charakteristischen Krallen, die laut klackerten, während sie in Rekordgeschwindigkeit tippte.

„Nein, du hast recht. Ich muss nach vorne schauen. Aber weshalb hast du mich hierherkommen lassen? Normalerweise haltet ihr beide mich nicht über all die Vorgänge bei Glitch am Laufen. Ihr wollt eindeutig nicht meine Meinung dazu hören, ob ich es für eine gute Idee halte oder nicht.“

Ein breites Grinsen breite sich auf Jakes mondförmigem Gesicht aus. „Tja, wir haben uns gefragt, ob du Zeit hättest, die Programmierung der App zu übernehmen? Ich bin überlastet mit den Updates für all die Spiele, Callie steckt bis zum Hals in Arbeit an diesen merkwürdigen, mädchenhaften Rezeptspielen und Coupon-Apps und Dingen, mit denen sie sich sonst noch beschäftigt“, gab Jake zu.

Sie gaben mir öfters einen vereinzelten Programmierauftrag, wenn sie unter Arbeit begraben waren. Ich musste gestehen, dass ich dankbar war. Sie bezahlten mich gut und die Arbeit hatte auch dazu beigetragen, dass es mir gelungen war, es durchs College und ein Jahr des fortgeschrittenen Jurastudiums zu schaffen, ohne irgendwelche Studentendarlehn anzuhäufen. In Anbetracht dessen, dass unsere Familie nicht viel Geld zu erübrigen hatte, war das ein echtes Geschenk des Himmels gewesen.

„Super Art ein paar der erfolgreichsten Apps, die wir führen, schlecht zu machen, Jake.“ Callie versuchte, eingeschnappt auszusehen, aber schaffte es nur, so idiotisch wie Jake zu grinsen.

Sie warteten auf meine Antwort und starrten mich beide eindringlich an. Offensichtlich waren sie wirklich aufgeregt und das verhieß üblicherweise nur Gutes für sie und ihre Bankkonten. Ihr erstes gemeinsames Projekt, eine Such-App für Studentenverbindungen am Campus der UCLA, war so bliebt gewesen, dass jede Universität verlangt hatte, dass sie auch eine für sie erstellten. Sie hatten das Studium abgebrochen und nie zurückgeblickt – außer, um sicherzustellen, dass ich ohne sie nicht ins Schwimmen geriet.

Ich dachte über das Angebot nach und versuchte, mir darüber klarzuwerden, ob ich es in meinem bevorstehenden vollgestopften Terminkalender unterbringen könnte. Callies Nägel tippten ungeduldig auf den Tisch.

„Nun, mein Praktikum in der Staatskanzlei fängt in ein paar Wochen an, aber ich könnte vermutlich den Großteil bis dahin für euch erledigen, je nach dem wie komplex ihr es braucht“, sagte ich und lächelte.

Sie atmeten gleichzeitig erleichtert aus – sie hatten beide ihren Atem in Erwartung meiner Antwort angehalten. Sie hoben ihre Biergläser zum Toast.

„Auf ‚Wooed and Won‘ – es wird uns unfassbar reich machen!“, schrie Callie glücklich. „Cheers!“ Wir ließen die Gläser laut aneinander klirren und tranken gierig. Jake bedeutete dem Barkeeper, uns noch eine Runde Shots zu bringen, und es dauerte nicht lange, bis wir alle blau wie Strandhaubitzen waren.

„Hey Jake, machst du beim Esswettbewerb mit?“, fragte der Barkeeper, als er noch einen Krug Bier zum Tisch brachte.

„Esswettbewerb? Sag mir wann und wo!“, rief Jake begeistert, erhob sich von seinem Stuhl und fiel fast wieder nach unten. Ihm gelang es gerade so, Haltung zu bewahren, während wir kicherten, und dann marschierte er zur Bühne.

„Oh armes Baby, er denkt, das wird so eine all-you-can-eat Sache“, sagte Callie, in deren glockenklarer, spöttischer Mädchenstimme Sorge mitschwang. „Er wird niemals auch nur die Hälfte von dem Zeug auf der Liste schaffen.“ Sie las den Flyer, den der Barkeeper zurückgelassen hatte. Ich nahm ihn ihr weg.

„Du unterschätzt ihn Callie. Ich habe ihn schon Sachen verschlingen sehen, die bessere Männer zum Weinen gebracht haben. Hier steht nichts drauf, das er nicht runterkriegen könnte. Er wird schon klarkommen.“

Callie musterte mich und ich hätte schwören können, dass ich sah, wie sich ihre Augen verengten. Eine ihre Augenbrauen hob sich und ein schelmisches Leuchten trat in ihre Augen. Das konnte nicht gut sein, dachte ich.

„Willst du darauf wetten, Kent?“

„Oh, echt jetzt?“

„Komm schon, lass deinen Worten Taten folgen“, stichelte sie.

„Warum nicht, eine nette freundschaftliche Wette? Jake wird mich nicht im Stich lassen, wenn es um Essen geht.“

„Dann lass uns einen Wetteinsatz aussuchen, okay? Wenn du gewinnst, was möchtest du von mir?“

„Dass du deine Version von Tina Turner auf diesem Tisch, heute Abend, vor allen zum Besten gibst“, antwortete ich, womit ich mir die eine Sache ausdachte, die ihr am meisten Angst einjagen würde. Sie schluckte nervös, aber fing sich ziemlich schnell.

„Okay, ich möchte, dass du die erste Person bist, die sich für die App anmeldet, wenn sie online und funktionstüchtig ist. Und ich möchte, dass du einen ganzen Monat lang mindestens mit einer Frau von der Seite pro Woche auf ein Date gehst.“

Jetzt war ich derjenige, der schluckte. Das war ein ziemlich hoher Einsatz.

„Das ist nicht sehr fair…“, murrte ich. „Wenn ich gewinne, musst du dich maximal für fünf Minuten blamieren, aber wenn ich verliere, muss ich mich vier Nächten purer Folter aussetzen!“

„Angsthase?“, fragte sie und streckte ihre Zunge raus. „Hey, sieh es so, als würdest du uns einen Gefallen tun. Die Frauen, die sich dort anmelden, werden ganz aus dem Häuschen sein, ein Date mit dir zu haben Cole. Deren Feedback könnte fantastisch für uns sein. Und man weiß nie, vielleicht findest du ja sogar die Frau deiner erwachsenen Träume, nicht nur die deiner Kindheitsträume.“

„Schön! Klar, warum nicht.“ Ich überkreuzte die Finger unter dem Tisch und betete, dass ich das nicht bereuen würde.

2

Lucy

„Du hast was getan?!“, brüllte ich, während mich Alison nur albern angrinste. „Wie konntest du etwas so Dämliches tun? Ich bin nicht einsam. Ich brauche es nicht, dass du versuchst, mich mit der Cousine der Schwester deiner Friseurin zu verkuppeln. Und ich brauche es ganz bestimmt nicht, dass du meine persönlichen Informationen in eine App wie ‚Wooed and Won‘ eingibst. Ich meine, was für ein lächerlicher Name. Was wissen die schon darüber, Leute im echten Leben zusammenzubringen? Ich wette, sie ordnen mich am Ende irgendeinem Physiknerd zu, der kein Date bekommen könnte, wenn sein Leben davon abhinge. In der App wimmelt es wahrscheinlich nur so vor betrügenden Ehemännern und der Sorte Typen, die niemand auch nur mit der Kneifzange anfassen will!“

„Hol mal Luft, bevor du noch ohnmächtig wirst, du läufst schon lila an! Bei dieser App ordnen sie einem niemanden zu. Ich weiß, wie pingelig du bist und ich habe es aufgegeben, dich mit irgendjemandem zu verkuppeln, aber diese App könnte cool sein. Du durchsuchst die Seite und schaust selbst nach, wer dich interessiert“, neckte sie mich, eindeutig kein bisschen berührt von meiner Rede.

Sie versuchte nicht einmal, ihr Gelächter unter Kontrolle zu bringen. Das verstärkte nur den Wunsch in mir, sie zu erwürgen. Alison ist super, wirklich. Sie ist meine beste Freundin und ich vergöttere sie, aber manchmal kommen ihr einfach diese verrückten Ideen in den Sinn. Die meisten Leute würden sie einfach beiseiteschieben, aber nein, meine verrückte und niedliche Kumpeline muss sie in die Tat umsetzen.

„Du arbeitest zu viel und du triffst dich nie mit jemand anderem als mir. Um Himmels willen Lucy, du bist erst zweiundzwanzig! Du brauchst ein Leben. Du kannst nicht ewig wie eine Einsiedlerin leben! Wir sollten eigentlich dort draußen sein, Spaß haben, Männer kennenlernen und uns von ihnen von den Füßen reißen lassen!“

Ich knurrte sie an und sie lachte erneut. „Alison, ich habe keine Zeit für Spaß oder zwanglose Dates, geschweige denn für eine beschissene App, die nur noch mehr von meiner Zeit verschwenden wird. Ich habe sowieso schon nicht genug Kunden und wenn ich mich nicht weiterhin richtig reinhänge, werde ich dieses Geschäft nie in die grünen Zahlen bringen.“

Alison warf verzweifelt die Hände in die Luft.

„Ich muss das tun Ali. Ich liebe meine Arbeit als Innenarchitektin, aber es hat mich eine Menge Geld gekostet, meine Abschlussprüfungen zu machen und du weißt, dass ich immer noch versuche, meinen Master zu beenden – was mehr Gebühren und mehr Materialien für mein Arbeitsportfolio bedeutet. Ich habe ohnehin schon wirklich Probleme, über die Runden zu kommen. Wenn ich mir momentan irgendeine Pause nehme, werde ich alles verlieren, wofür ich so hart gearbeitet habe“, sagte ich und seufzte.

„Süße, ich weiß genau, wie hart du arbeitest. Ich sehe dich jede Nacht über diesen Büchern und Zeitschriften brüten, wie du Skizzen und Mood-Boards für deine Kurse und Kunden anfertigst, aber sieh dich doch nur mal an.“ Sie stand von unserer abgenutzten Couch auf und schleifte mich zu dem Spiegel im Flur. „Schau, du bist nur noch Haut und Knochen und hast Ringe unter den Augen, auf die eine frischgebackene Mom von Fünflingen stolz wäre.“

Ich versuchte, nicht hinzusehen, denn tief in meinem Inneren wusste ich, dass sie recht hatte. Ich vermied mittlerweile seit Monaten sämtliche spiegelnden Oberflächen. Ich achtete nicht auf mich und das zeigte sich. Meine einst glänzenden und lockigen rotbraunen Haare waren in einem fettigen Pferdeschwanz nach hinten gebunden. Ich hatte mir seit über sechs Monaten keinen Friseurtermin leisten können. Und meine Kleider hingen wie Säcke an mir. Ich fand untertags selten Zeit, überhaupt etwas zu essen, ganz zu schweigen davon, mir etwas Gesundes zuzubereiten, wenn ich denn mal etwas aß. Zudem sah meine Haut von all der Zeit, die ich eingesperrt in der Wohnung verbrachte, fahl und grau aus.

„Okay, dann muss ich halt ein bisschen aufgepeppt werden. Aber hättest du mir nicht wenigstens erlauben können, mich herzurichten, bevor du mich auf einer Dating-App anmeldest?“

„Schau dich einfach nur ein bisschen um. Du kannst der Vergangenheit nicht ewig hinterher jammern und zulassen, dass sie deiner Zukunft in die Quere kommt, Luce.“

Sie hatte es noch nie zuvor gewagt, so unverblümt mit ihr zu sprechen. Es hatte Hinweise gegeben, klar, aber sie hatte sich nie hingestellt und es so direkt gesagt. Sie sprach natürlich von Cole. Nur eines der Tabu-Themen, wenn man mit mir zu tun hatte, und ich hasste sie dafür, dass sie mich dazu brachte, über ihn nachzudenken oder überhaupt an irgendetwas von dem Zeug von damals zu denken.

Der umwerfende Cole Kent, der die Highschool erträglich gemacht hatte. Der nicht von meiner Seite gewichen war, als meine Mom an Krebs gestorben war. Der der süßeste und netteste Junge gewesen war, den ich nicht häufiger als einmal hatte küssen können. Mein bester Freund, mein Fels in der Brandung und der Kerl, mit dem sich jeder würde messen müssen und nie dazu in der Läge sein würde – bis er mein Stiefbruder geworden und meine ganze Welt zu Staub zerfallen war.

Alison küsste mich auf die Stirn und schlüpfte in ihren Mantel. „Denk darüber nach Luce, vielleicht ist es an der Zeit, die Vergangenheit ziehen zu lassen und wenigstens etwas Spaß in der Gegenwart zu haben. Und brüll mich nicht wieder an“, sagte sie rasch, als sie sah, dass ich schon dazu ansetzte, mich zu verteidigen. „Ich weiß, was damals passiert ist und ich weiß, wie sehr es dich verletzt hat. Aber du kannst das nicht noch länger gären lassen. Um Himmels willen, besorg dir Hilfe, geh auf ein oder zwei Dates, und bau dir ein Leben auf, das dich glücklich macht, damit du das Ganze wirklich in der Vergangenheit lassen kannst, wenn sie wahrhaftig der Ort ist, wo du deine Familie lassen möchtest. Hör auf das alles die ganze Zeit wie eine gigantische Sträflingskugel mit dir herumzuschleppen. Nicht für mich, sondern für dich. Du verdienst es nicht, ständig so verdammt unglücklich zu sein.“

Ihre Worte durchdrangen meine schwache Verteidigung. Gott, ich hasste es, wenn sie recht hatte.

Sie öffnete die Tür und betrachtete mich zärtlich. „Ich liebe dich Luce und du verdienst etwas Besseres als das, was du dir selbst erlaubst. Ich muss zur Arbeit, aber denk über das nach, was ich gesagt habe, während ich fort bin, bitte?“

Ich nickte, aber wusste, dass dieses Gespräch in den Ordner mit dem Etikett ‚Denk Nicht Daran‘ in meinem Kopf gestopft werden würde, zumindest vorerst.

Ich schlurfte zurück ins Wohnzimmer und ließ mich schwerfällig auf das Sofa fallen. Gedanken an Cole begannen den Grenzen der abgeschlossenen Box, in der ich meine gesamte Vergangenheit eingesperrt hatte, zu entschlüpfen. Ich bemühte mich, sie wieder in das schwarze Loch zu verbannen, aber je angestrengter ich das versuchte, desto mehr dieser Gedanken zerplatzten wie Blasen vor meinen müden Augen.