Liebe und Sex im Alten Rom - Alberto Angela - E-Book

Liebe und Sex im Alten Rom E-Book

Alberto Angela

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Beschreibung

Wie liebten die alten Römer? Küssten die Leute damals genauso wie wir? Wie verführten Römer und Römerinnen einander vor 2000 Jahren? Und was passierte unter der Bettdecke, wenn zwei Menschen im Alten Rom verliebt waren? Gab es Verhütungsmittel? Reizwäsche? Und wie versuchte man, den Partner zu binden? Wie stand es um Treue und Betrug, akrobatische Stellungen und Liebesamulette? Welche Aphrodisiaka kamen zum Einsatz, um die „Performance“ zu steigern? Und wie waren Ehe und Scheidung geregelt? Alberto Angela entführt in das antike Reich von Lust und Liebe und zeigt, was zu Zeiten des römischen Kaisers Trajan das Karussell der Leidenschaften in Schwung hielt.

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Seitenzahl: 507

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Buch

»Ich wollte ein Buch über das Alte Rom schreiben, wie ich es gern selbst gelesen hätte, aber nicht fand. Ein Buch, das die Liebe im Alten Rom unter allen Blickwinkeln betrachtet. Denn zu diesem Thema findet der interessierte Leser so gut wie nichts – im Gegensatz zu den zahllosen Abhandlungen über das römische Heer, die Geschichte der Kaiser oder das tragische Schicksal Pompejis.

Die wenigen Studien, die es über die Liebe in all ihren Ausprägungen bei den Alten Römern gibt, sind wirklich ausgezeichnet. Dieses Buch erhebt erst gar nicht den Anspruch, es ihnen gleichzutun. Doch es unterscheidet sich durch seinen ›investigativen‹ Ansatz. Es beschränkt sich nicht auf einen bestimmten Ausschnitt, sondern will ein Gesamtbild erschaffen.«

Autor

Alberto Angela wurde 1962 in Paris geboren. In Rom studierte er Naturwissenschaften. Als Paläontologe nahm er an zahlreichen Ausgrabungsprojekten in Afrika und Asien teil und ist heute ein populärer Fernsehmoderator für naturwissenschaftliche Sendungen in Italien. Angela ist Mitglied des Istituto Italiano di Paleontologia in Rom sowie am Centro Studi e Ricerche Ligabue in Venedig. Gemeinsam mit seinem Vater Piero, einem bekannten Archäologen, Journalisten und Autor, hat er mehrere Bücher veröffentlicht.

Im Goldmann Verlag ist von Alberto Angela außerdem erschienen:

Ein Tag im Alten Rom (2011)

Der faszinierende Alltag im Römischen Reich (2013)

Alberto Angela

____________________________________

Liebe und Sexim Alten Rom

Aus dem Italienischenvon Elisabeth Liebl

Die italienische Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel»Amore e sesso nell’antica Roma« bei Mondadori, Mailand.Die Illustrationen im Innenteil zeichnete Luca Tarlazzi

1. Auflage

Deutsche Erstausgabe Mai 2014

Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © der Originalausgabe 2012 by Arnoldo Mondadori Editore S.p.A., Milano,

und Rai Radiotelevisione Italiana, Roma

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2014 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München

Umschlagabbildung: Erotic Scene, House of the Centurion (fresco), Roman (1st century BC)/Pompeii, Italy © The Bridgeman Art Library

Redaktion: Ralf Lay

KF . Herstellung: Str.

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN: 978-3-641-13411-2

www.goldmann-verlag.deBesuchen Sie den Goldmann Verlag im Netz

INHALT

EINFÜHRUNG

PROLOGIM REICH DER SINNE

I»LIEBSTE, GIB MIR TAUSEND KÜSSE«

IIDAS ERSTE MAL

IIIDIE HOCHZEIT DER PUDENTILLA

IVER, SIE UND DIE ANDEREN

V»IHR LIEBHABER ABER DARF ALLES«

VIHINTER DEN DAMPFSCHWADEN DER THERMEN

VIIDAS SCHAUSPIEL DER SCHÖNHEIT

VIIIDER GLADIATOR UND DIE MATRONE

IXDAS GROSSE SPIEL DER LIEBE

XAN DEN ORTEN DER FREUDE

XISEX UND MACHT

XIIDAS »GRIECHISCHE LASTER«

CONCLUSIO

DANK

BIBLIOGRAPHIE

Gewidmet der Venus und ihrer Welt,die Träume gebiert,Herzen entflammtund die Sinne verwirrtseit Anbeginn aller Zeit.

Omnia vincit amor.Die Liebe besiegt alles.

VERGIL

EINFÜHRUNG

Wie liebten die alten Römer? Welche Worte flüsterten Mann und Frau sich zu, wenn sie einander tief in die Augen schauten? Erschien der römische Kavalier gar mit einem Strauß roter Rosen zum Stelldichein? Und was passierte unter der Bettdecke, wenn zwei Menschen im Alten Rom ineinander verliebt waren? Haben wir uns solche Fragen nicht schon das eine oder andere Mal gestellt?

Stehen wir vor den Fresken Pompejis oder betrachten wir ähnliche Darstellungen im Museum, denken wir unwillkürlich: »Na, so viel anders war das damals auch nicht!« Sehen wir uns dann aber einen Film oder eine Fernsehserie über das Römische Reich an, so entfährt uns vielleicht ein Satz wie: »Gott, waren die pervers!«

Was aber stimmt nun?

Dieses Buch macht sich auf die Suche nach der Wahrheit über die Liebe im Alten Rom. Es geht der Frage nach, ob die Menschen damals tatsächlich so frei waren in der Liebe wie wir Heutigen und wo die Unterschiede zu unserer Zeit liegen. Es beleuchtet die Regeln und Gebote des Umwerbens, die Tabus im Bett und das damals geltende Schönheitsideal. Und natürlich will es wissen, wie sie »es« damals gemacht haben.

Dabei tun sich – wie Sie sehen werden – ganz erstaunliche Einsichten auf. Ich jedenfalls stieß auf einige ziemlich überraschende Fakten, und das, obwohl ich nun schon seit geraumer Zeit als Fernsehjournalist und Buchautor das Römische Reich zu meinem Hauptthema erkoren habe.

Ich wollte ein Buch über das Alte Rom schreiben, wie ich es gern in den Regalen der Buchhandlungen gefunden hätte, aber nicht fand. Ein Buch, das die Liebe im Alten Rom unter allen Blickwinkeln betrachtet. Denn zu diesem Thema findet der interessierte Leser so gut wie nichts – im Gegensatz zu den zahllosen Abhandlungen über das römische Heer, die Geschichte der Kaiser oder das tragische Schicksal Pompejis.

Die wenigen Studien, die es über die Liebe in all ihren Ausprägungen bei den alten Römern gibt, sind wirklich ausgezeichnet. Dieses Buch erhebt erst gar nicht den Anspruch, es ihnen gleichzutun. Doch es unterscheidet sich durch seinen, sagen wir mal, »investigativen« Ansatz. Es beschränkt sich nicht auf einen bestimmten Ausschnitt, sondern will ein Gesamtbild erschaffen.

Der rote Faden, der sich durch diese Seiten zieht, ist einzig und allein unsere Neugier. Neugier und die Suche nach Antworten auf Fragen, die man sich eben so stellt, wenn es um die Liebe im Alten Rom geht: Küssten die Leute damals genauso wie wir? Was war mit Verhütungsmitteln? Oder Reizwäsche? Und welche Strategien wandten der Römer beziehungsweise die Römerin an, um beim anderen Geschlecht Eindruck zu schinden? Wie versuchten sie, den Partner zu binden? Wie stand es um Treue und Betrug, akrobatische Stellungen und Liebesamulette? Kamen vielleicht sogar Aphrodisiaka zum Einsatz, um die Leistung zu steigern? Was sagen uns Inschriften? Wie war die Institution der Ehe geregelt? Und die Scheidung?

Aber wie bringt man derart unterschiedliche Themen unter einen Hut? Natürlich mit einem Trick. Stellen Sie sich vor, Sie besteigen eine Zeitmaschine und landen auf einem Platz im Alten Rom. Vor Ihren Augen tummeln sich dieselben Menschen, die im Jahr 115 n. Chr. diesen Platz bevölkert haben. Und jetzt drücken Sie auf »Standbild« wie bei Ihrem DVD-Player. Wer präsentiert sich vor Ihren Augen? Ein Adliger mit seiner Frau. Ein Jüngling und ein Mädchen, die ganz offensichtlich verliebt sind. Ein Gladiator, der einer jungen Edelfrau einen heißen Blick zuwirft. Ein junger Mann, der lässig an einer Säule lehnt. Ein Eunuch. Ein Vater mit seinem Sohn. Ein reicher Edelmann mit seinem jugendlichen Liebhaber. Eine Edelhure. Eine Schauspielerin, die sich vielleicht auch als Prostituierte betätigt. Und so weiter, und so fort.

Können diese Menschen uns sagen, was Liebe im Alten Rom bedeutete? Etwa ein Dutzend Leute, deren Wege sich zufällig auf diesem einen Platz kreuzen? Und ob. Wir müssen nur wieder auf »Play« drücken und jedem dieser Menschen durch seinen Tageslauf folgen – und schon werden sie uns enthüllen, was es mit Liebe und Sex im Alten Rom tatsächlich auf sich hatte. Sie werden uns Einblick gewähren in ihr persönliches Erleben von Liebe und Sex.

Jeder von ihnen ist ein Pinselstrich in diesem gewaltigen Fresko der Liebe. Denn sie ist die eigentliche Hauptfigur in diesem Drama, nicht die Personen, die wir begleiten.

Aber wie können wir als Nachgeborene den Liebesgeheimnissen einer anderen Epoche nachspüren? Woher bekommen wir Daten und Informationen? Schließlich ist uns ja kein Abdruck eines Kusses erhalten geblieben, keine archäologische Ausgrabung legt geflüsterte Liebesschwüre frei … Nun, geflüsterte vielleicht nicht. Aber es gibt durchaus Inschriften, es gibt Statuen und Fresken in Bordellen, die – wie in Pompeji – gut erhalten sind.

Die Reise, auf die ich Sie hier mitnehme, ist Frucht eines langjährigen Studiums von wissenschaftlichen Arbeiten, Büchern, Aufsätzen und Artikeln über die Liebe im Alten Rom. Die Seiten, die Sie in Händen halten, verdanken sich darüber hinaus auch intensiver Recherche in Bibliotheken, Universitäten, Museen und Forschungseinrichtungen sowie dem Austausch mit zahllosen Sachverständigen. Zudem führten mich Dreharbeiten und Vorbereitungen zu Fernsehsendungen an nahezu alle wichtigen Ausgrabungsstätten der römischen Antike im Mittelmeerraum.

Nicht wenige Hinweise aber stammen direkt von den alten Römern, die uns ihre Gewohnheiten darlegen im Werk ihrer Dichter: Ovid, Martial, Juvenal, Catull.

Ein Mann hat ganz besonders zu diesem Buch beigetragen, ein Journalistenkollege namens Emilio Quinto. Dieser unermüdliche Forscher in Bibliotheken und Archiven trägt denselben Namen wie der Prätorianerführer Emilius Quintus, der vor 1800 Jahren Kaiser Commodus die Hilfe verweigerte, als dieser im Kampf gegen Maximus sein Schwert verloren hatte (Commodus war der »Bösewicht« im Film »Gladiator«).

An vielen Stellen werden Geschichten Sie ins römische Leben eintauchen lassen. Um Ihnen die Mentalität der Römer nahezubringen, habe ich versucht, die Feder wie eine Kamera zu benutzen. Damit Sie das Gefühl bekommen, tatsächlich Teil des Alten Roms zu sein, seine Straßen, seine Bankette, seine Alkoven unmittelbar vor Augen zu haben.

Die Gladiatoren, die Sie im Kolosseum kämpfen sehen, sind dieselben wie in meinem ersten Buch Ein Tag im Alten Rom. Das hat einen einfachen Grund. Ich möchte sie hier aus einer anderen Perspektive zeigen, unter dem Aspekt der Liebe. So gibt eine Szene den Auftakt zu zwei völlig unterschiedlichen Geschichten, die sich zwar zur selben Zeit abspielen, aber gänzlich entgegengesetzten Zielen zueilen. An dieser Stelle überschneiden sich das Reich der Liebe und das Reich des Todes. Saßen Sie im ersten Buch als Zuschauer in den Rängen der Arena und verfolgten die Kämpfe, geht Ihr Blick nun einer reichen Edelfrau hinterher, die das antike Theater verlässt und ins Dunkel abtaucht – zu einem Stelldichein mit dem Gladiator, der soeben als Sieger das Rund verlassen hat.

Dieses Buch bedient sich verschiedener Blickwinkel und unterschiedlicher Darstellungsformen, um sein Thema zu präsentieren: Es ist erstens Archäologiebuch (seinen Inhalten nach), zweitens populärwissenschaftliches Sachbuch (von der literarischen Gattung her) und drittens Roman, wenn es in den römischen Alltag eintaucht.

Im Idealfall ist es also auch für den Leser der dritte Band einer ganzen Reihe: Nach Ein Tag im Alten Rom und Der faszinierende Alltag im Römischen Reich folgt nun Teil 3, der »das Reich der Sinne« in der römischen Antike erforscht (wenn es den Titel nicht schon gäbe, hätte ich ihn für dieses Buch gewählt …).

Das Buch richtet sich thematisch wie auch stilistisch vor allem an die Frauen. Denn sie kennen die Regeln der Liebe wie niemand sonst und verstehen sie auch anzuwenden. Heute wie damals sind sie es, die das Karussell der Liebe in Schwung halten.

Ich wünsche Ihnen viel Lesevergnügen!

Vale

Alberto Angela

PROLOGIM REICH DER SINNE

Aus dem Halbdunkel fällt der durchdringende Blick ihrer schwarzen Augen auf uns. Ihr selbstsicheres Lächeln wirkt wie eine unausgesprochene Einladung, und so tun wir ein paar Schritte auf sie zu. Und während sich allmählich weitere Einzelheiten ihres Gesichts aus dem Dunkel des Raums herauskristallisieren, bleibt ihr Blick unverwandt auf uns gerichtet. Ihre Anmut schlägt unser gesamtes Denken in ihren Bann. Atemberaubend die vollen Lippen, die Zartheit der Haut, die hohen, geschwungenen Wangenknochen, die Fülle ihres dunklen Haars, ihr Gesicht, das ganz aus sanftem Licht gemeißelt scheint.

So nah sind wir ihr nun, dass unser Atem sachte ihr Antlitz streift. Da scheint mit einem Mal ihr Blick aufzuflackern und wieder zu verlöschen … doch schon im nächsten Moment ruhen wieder ihre Augen auf uns, aus denen diese unerschütterliche Sicherheit spricht. Was ist geschehen? Ein Windstoß hatte das Öllämpchen neben ihr zum Flackern gebracht, und auch jetzt spielt der Wind mit der Flamme und taucht ihre Augen in ein wechselndes Lichterspiel. Sie aber bleibt seltsam unbewegt. Wie könnte es auch anders sein? Ist sie doch kein Mensch aus Fleisch und Blut, sondern nur ein Wandfresko mit dem Antlitz der Venus, das uns die Dunkelheit als echt vorgegaukelt hat.

Die Öllampe warf diesen einen Flecken Licht ins Dunkel und erhellte mit ihrem Schein das Bild der Venus, das die Wandmitte einnimmt. Sonst gibt es keine Lichtquelle in diesem Raum, der ganz erfüllt ist von der lauen Stille und den Düften der Sommernacht. Noch ein paar Schritte, und wir befinden uns in einem langen Flur, der einzig von den makellosen Strahlen des Mondlichts erhellt wird. An seinem Ende liegt ein weiterer Raum. Dort spielt der Wind in sanften Stößen mit dem durchscheinenden Vorhang, der den Eingang verhüllt, und verwickelt ihn in einen langsam schwingenden Tanz. So dünn ist der Vorhang, dass wir mühelos erahnen, was sich dahinter verbirgt: zwei Liebende, die sich umschlungen halten. Das Mondlicht, das auf ihren Körpern spielt, zeichnet ihre Gestalt nach, ohne sie ganz zu offenbaren – vergleichbar dem nächtlichen Wogen des Meeres, das sich uns nur durch das Auf und Ab der weißen Wellenkämme verrät. Hier ist es das Meer der Leidenschaften, das auf der anderen Seite des Vorhangs wogt, mit seinen zärtlichen Liebkosungen, seinem bezaubernden Lächeln, seinen bloßen Händen, die sich tief ins Haar graben, und den Lippen, die über die im Mondlicht zart schimmernde Haut wandern. Feuchte Küsse folgen, dann ein an Heftigkeit stetig zunehmendes Stöhnen, schließlich tiefe Atemstöße, die sich wie unsichtbare Kletterpflanzen die Wandfresken emporzuranken scheinen.

Nun ergreift die Frau die Initiative. Mit ihren schlanken Fingern liebkost sie seine breiten Schultern, seine muskulösen Arme – bis sich ihr Blick an den schwellenden Adern seiner Hände verfängt. Eine übermächtige Woge des Verlangens erfasst sie und lässt sie diese Hände packen, wie man die Zügel eines Pferdes greift, ehe man es zum Galopp antreibt, und sie besteigt ihren Geliebten zu einem langen nächtlichen Ritt. Als hätte der Mond begriffen, was nun kommen soll, hüllt er ihren sinnlichen Körper, der sich hin- und herwiegt wie eine züngelnde Flamme, in ein bläuliches Licht. So wie ein Maler sein Motiv mit einigen Pinselhieben auf der Leinwand skizziert, deutet er mit einigen Lichtpunkten die Gestalt der Frau in der Dunkelheit an: die Wölbung der Brust, die Kontur der Schenkel, in die sich jetzt die Hände des Mannes verkrallen, und schließlich ihr Gesicht – ein Ebenbild der Venus aus dem Wandfresko –, dessen volle Lippen sich verlangend öffnen. Immer weiter sinkt ihr Kopf in den Nacken, der Blick geht zu den Sternen hinauf. Ein inneres Feuer hat von ihr Besitz ergriffen, verzehrt sie unter immer lauterem Seufzen und Stöhnen. Und dann schließen sich ihre Augen, und unter einem Beben, das in Wellen durch den ganzen Körper läuft, verzerrt ihr Gesicht sich in der Verzückung der Liebe …

Machten »es« die alten Römer also genauso wie wir? Das ist die Frage, die sich jeder stellt, der schon einmal bestimmte Wandbilder aus Pompeji beziehungsweise die entsprechenden Bilder in den Museen gesehen hat. Nebenbei bemerkt gab es für die eben beschriebene Stellung, bei der die Frau »oben« ist, vor zweitausend Jahren schon einen präzisen Terminus technicus: mulier equitans, was so viel bedeutet wie »Reiterin« oder »reitende Frau«. Und wir haben diese Stellung bewusst gleich zu Beginn unserer Erzählung beschrieben. Wenn Sie nämlich wissen möchten, wie es um die Stellung und Wertschätzung der Frau in einer bestimmten antiken Kultur bestellt war, so genügt es meist – das werden Ihnen zahlreiche Experten bestätigen –, die Abbildungen von Sexstellungen auf Vasen oder Fresken einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Während beispielsweise auf griechischen Abbildungen die Frau immer eine »passive« Position einnimmt, dem Mann unterworfen ist und von ihm in Besitz genommen wird, zeigen römische Darstellungen Frauen in Positionen, die den Schluss nahelegen, dass sie meist eine gleichberechtigte und in einigen Fällen sogar die dominierende Rolle spielten. Auf jeden Fall nahmen sie stets aktiv am Liebesspiel teil.

Diese spezielle Form des Verhältnisses der Geschlechter, für das wir in der Geschichte keine Vorläufer kennen und das uns so erst wieder in unserer Zeit und in unserer westlichen Kultur begegnet, ist eine der überraschenden Entdeckungen, welche die Welt der Römer für uns bereithält. Natürlich gibt es da auch ein paar Unterschiede, denn wir haben es immer noch mit einer antiken Kultur zu tun, und in der führt der Mann das Kommando. Dennoch lässt sich daran ablesen, wie »modern« sich die Paarbeziehungen in vielen Fällen schon gestalteten.

Und machten die Römer »es« nun wie wir? Die Antwort auf diese Frage wird uns unser Spaziergang durch das Alte Rom geben. Stellen Sie sich vor, wie Sie durch seine verwinkelten Gassen wandeln und plötzlich auf einen kleinen Platz hinaustreten. Denn dort begegnet uns eine der Gestalten, die wir schon aus der Einführung kennen, nämlich jener Jüngling, der nun an einer Säule lehnt. Hier beginnt unsere Entdeckungsreise durch das Reich von Venus und Amor, an einem Tag wie jedem anderen in der Hauptstadt des Imperiums, einem Dienstag des Jahres 115 n. Chr.

I»LIEBSTE, GIB MIR TAUSEND KÜSSE«

Küssen … auf Römisch

Mitten auf dem kleinen Platz stehen zwei Bäume. Hungrig nach Licht strecken sie ihre grünen Zweige dem blauen Himmel entgegen, der sich über die großen Häuser breitet. Doch hoch hinauf kommen sie nicht, werden sie doch mühelos von den insulae überragt, den großen Häuserblocks, die sich rundum erheben. Ihre Zweige peitschen den Putz an den Häusern, sodass halbrunde Spuren zurückbleiben. Wie Gefangene sind sie, diese Bäume, Gefangene in einem tiefen Brunnen. Plötzlich bleibt unser Blick am Fuß der Bäume hängen: ein Schatten, der dunkle Tupfen eines Haarschopfs … Ein junger Mann spaziert nervös auf und ab, ohne jedoch heraus ins Licht zu treten. Plötzlich bleibt er stehen.

Sein Blick richtet sich auf zwei Frauen, die gerade aus dem Portal eines Hauses treten. Eine junge Frau und ihre beleibte Sklavin, vielleicht ihre frühere Amme, denn der Altersunterschied ist beträchtlich. Es kommt recht häufig vor, dass Ammen sich auch noch um ihre »Milchtöchter« kümmern, wenn diese schon in der Pubertät sind. Dem jungen Mann gehen die Augen über, als das Mädchen ganz im Licht steht: Ihre dunklen Locken glänzen im Sonnenschein. Über dem Kopf trägt sie einen himmelblauen Schal (palla), der ihr in weichen Falten auf die Schultern fällt. Ihre Augen sind züchtig zu Boden gerichtet, als wolle sie den Blicken der Passanten ausweichen. Nur ein Mal hebt sie die Lider, und wie ein Pfeil, der vom Bogen schnellt, trifft ein Blick aus tiefschwarzen Augen den Jüngling …

In dieser Sekunde verengt die Welt sich auf diesen einen Augenblick, in dem ihre Augen einander begegnen. Die Pupillen weiten sich, der Atem geht schneller, der Herzschlag ebenso, der Körper scheint sich öffnen zu wollen … Im nächsten Moment ist alles vorüber. Die Amme macht dem Mädchen ein Zeichen, und die beiden Frauen gehen weiter. Der junge Mann löst sich aus dem Schatten und folgt ihnen durch die Menge. Vorbei an den Werkstätten der Handwerker, den Läden der Barbiere, die er kaum wahrnimmt. Denn der Blick seiner grünen Augen hängt gebannt an den noch unfertigen, aber doch schon weiblichen Bewegungen des Mädchens. Nach wenigen Minuten verschwinden die beiden in einem Laden. Der junge Mann steht am Eingang und blinzelt hinein. Körbe voller Datteln und Trockenfeigen. Er tritt ein.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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