Miese kleine Morde - Jussi Adler-Olsen - E-Book

Miese kleine Morde E-Book

Jussi Adler-Olsen

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Beschreibung

Eine rabenschwarze Geschäftsidee Wie freimütig diese Frauen doch reden! Sitzen beim Friseur und beratschlagen mit ihm oder ihrer besten Freundin, wie sie sich am besten ihres Ehemanns entledigen könnten. Lars Hansen, gerade selbst von seiner Frau verlassen und in akuten Geldnöten, muss nicht lange überlegen. Was für eine Geschäftsidee! Ja, gegen eine anständige Bezahlung kann er die Damen nachhaltig von ihren Gatten erlösen. Nur Blut darf dabei nicht fließen, auf keinen Fall. Und so scheffelt Hansen ein kleines Vermögen, der Bedarf scheint groß, seine Methode unangreifbar. Doch dann geschieht etwas, das die Konstruktion seines neuen Doppellebens maximal ins Wanken bringt.

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Jussi Adler-Olsen

Miese kleine Morde

Krimi

Aus dem Dänischen von Hannes Thiess

dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

1

Lars Hvilling Hansen war Auftragsmörder, und zwar einer von der raffinierten Sorte. Fand er.

Der Auslöser für seine Berufswahl? Ein Satz. Ein einziger Satz hatte ihn zum Auftragsmörder werden lassen. Übrigens nicht selten in seinem Metier.

»Du bist ein solcher Langweiler, Lars, ich hab keinen Bock mehr auf dich.« Das hatte gesessen. Mit diesem Satz hatte ihn seine Frau, selbst auch nicht gerade eine Dancing Queen, Knall auf Fall vor die Tür gesetzt. Und er war mit der bitteren Erkenntnis zurückgeblieben, dass es in ihrer Ehe offenbar eine Entwicklung gegeben hatte, die komplett an ihm vorbeigegangen war. »Langweiler«! Er! Hatte seine Frau sich tatsächlich längst anderen Männern zugewandt? Womöglich so Typen mit perfekt getrimmten Koteletten? »Langweiler«! Das tat weh.

Aber nach seinem Auszug musste er nicht nur irgendwie mit dem Prädikat »Langweiler« zurechtkommen. Denn geschickt hatte sich seine Frau nicht nur das gemeinsame Reihenhaus, sondern darüber hinaus sämtliche Vermögenswerte gesichert. Was ihm blieb? Ein zehn Jahre alter Opel Rekord, und wenn es gut lief, eine mittelprächtige Frührente. Wie man es auch drehte und wendete: Das war doch keine Perspektive.

 

 

In seinem Frust entwickelte er die herrlichsten Rachefantasien. So könnte er ihre schnieken Liebhaber ja mal mit abgesägter Schrotflinte besuchen. Oder gemeine Fotos seiner Frau auf Facebook posten aus einer Phase, ehe sie es für nötig befunden hatte, gegen den Zahn der Zeit anzukämpfen. Fotos, die sie im Spaß geschossen hatten, wohl wissend, dass sie nur zwischen ihnen blieben. Nahaufnahmen von Oberschenkeln, die bereits an Kraterlandschaften erinnerten, und Bilder von Oberarmen, an denen die Schwerkraft zog – Chickenwings nannte man das wohl. Auch Säurebäder für die spießigen Geranien vor dem Reihenhaus, das noch bis vor kurzem auf seinen Namen eingetragen war, wären so ganz nach seinem Geschmack.

»Langweiler«!

 

Aber mal im Ernst: Was sollten denn diese kindischen Rachefantasien! Wollte er damit wirklich weiter seine Zeit verplempern? In den Augen seiner Frau mochte er zum Langweiler mutiert sein, aber er war doch nicht hirnamputiert. Komm, Lars, jetzt reiß dich zusammen. Er würde sich doch nicht wegen lächerlicher Racheakte einbuchten lassen! Die Gesellschaft von Gewaltverbrechern und Betrügern würde sein Langweiler-Image auch nicht aufpolieren. Die Vorstellung entlockte ihm allenfalls ein müdes Lächeln. Nein, er würde in den Augen seiner Frau immer der sein, den sie jetzt in ihm sah, der Langweiler, auf den sie keinen Bock hatte. Nur: Was genau meinte sie eigentlich? Worauf bezog sich ihre Beleidigung überhaupt? Meinte sie seine Ansichten? Ging es ihr um sein Verhalten? Oder war es schlicht und ergreifend sein Äußeres? Er hatte keinen blassen Schimmer. Sie hatte sich ja nie beschwert. Aber er musste der Sache auf den Grund gehen.

Und so studierte er den ›Playboy‹ und ›Euroman.dk‹, fraß sich durch Berge von Lebenshilfe-Ratgebern für Männer mittleren Alters, studierte in Realityshows wie ›Paradise Hotel‹ die Bodys durchgestylter Jünglinge in hautengen Badehosen und mit antrainierten Sixpacks. Als er schließlich meinte, genügend Eindrücke gesammelt zu haben, nahm er allen Mut zusammen und stellte sich nackt vor den Spiegel. Rasch war klar: auch Baucheinziehen nützte nichts. Nein, was er da sah, war in der Tat weit von dem entfernt, was man in Hochglanzmagazinen oder im Fernsehen präsentiert bekam. Es war wohl tatsächlich sein Äußeres, das sie mit ihrer wenig schmeichelhaften Charakterisierung gemeint hatte. Um den Hauch einer Selbstachtung wiederzuerlangen, fasste er einen Entschluss …

 

 

Wie oft schon war er fast achtlos daran vorbeigegangen, an diesem schicken Kosmetik- und Friseursalon, in dessen Schaufenster Schwarz-Weiß-Fotos von charismatischen Menschen mit dichtem Haar, leicht gebräuntem Teint, gebleichten Zähnen und dem Versprechen auf bessere Tage lockten. Die Preise im Fenster waren wohl aus gutem Grund so klein gedruckt, dass man sie – in seinem Alter zumindest – kaum noch lesen konnte. Egal. Hier ging es schließlich um etwas anderes, Größeres. Aber es kostete ihn verdammt viel Überwindung, in diesen Beauty-Palast einzutreten.

»Machen Sie mit mir, was Sie wollen, aber machen Sie mich irgendwie interessant.« Er hatte sich sehr zusammengerissen, um dem wenig maskulinen Inhaber des Salons seine Vorstellungen so nonchalant wie möglich vorzutragen. Der legte theatralisch die gespreizten Finger vor die Brust. »Nun, wir können da sicher eine Menge machen.« Er zögerte und lächelte Lars milde an. »Allerdings werden wir einige Sitzungen brauchen, damit Sie am Ende auch wirklich zufrieden sind.« So ganz überzeugt wirkte er aber nicht.

Der Inhaber des Salons erinnerte Lars stark an diese Typen, die bei der Gay Pride’s Parade in knappen, silbrig glänzenden Shorts auf den Wagen tanzten. Aber Lars war ja tolerant. Wenn es diesem Mann gelang, das Kainsmal »Langweiler« von seiner Stirn zu löschen, dann wollte er ihm als Dankeschön ein Tattoo mit David Beckham schenken. Also natürlich nur, wenn der auf so etwas stand. Den Gedanken daran, wie er jetzt und in Zukunft sein Leben finanzieren würde, schob er erst mal ganz weit weg.

»Na dann: Legen Sie los«, sagte er, bemüht, seiner Stimme einen souveränen Klang zu geben, und lehnte sich mit klopfendem Herzen zurück.

Dann ging es los.

 

 

Geschlagene drei Tage dauerte die Prozedur. Der Friseur, der eigentlich Jens Sørensen hieß, hatte sich ihm inzwischen als François vorgestellt. Den Namen bevorzuge er, weil das Französische ja grundsätzlich mehr Wohllaute zur Verfügung stellte als das Dänische. Und während der wohlklingende und wohlduftende François sich engagiert um Lars’ Runderneuerung kümmerte, plauderten sie über Gott und die Welt. In diesen drei Tagen wurde Lars, der Langweiler, eingeführt in die Beauty-Geheimnisse der Schönen und Reichen. Was es nicht alles gab: entspannende Gesichtsbehandlungen, Haarkuren und -schnitte mit den raffiniertesten Werkzeugen. Stunden verbrachte Lars unter Reinigungs- und Pflegemasken, unter zart massierenden Fingern und unter altmodischen Trockenhauben, während François sich um Nagelhäute und Nasenhaare kümmerte, um Faltenbehandlungen, Augenbrauen und graue Haaransätze. Nichts wurde ausgelassen. Zunächst befremdet genoss Lars dieses Rundum-Wohlfühl-Programm allmählich immer entspannter und sogar voller Vorfreude. Das Finish bildeten schließlich die raffiniert durchgestuften Haare, die sich nun leicht kräuselten, und mit den dezenten hellen Strähnen plötzlich wirkten, als hätte Lars den Sommer surfend auf den Bahamas verbracht. Als François auch noch die letzte Locke an ihren Platz geschoben hatte, lehnte sich der Zauberer leicht zurück und betrachtete das Ergebnis nicht ohne Stolz.

»Zum Anbeißen!« François nickte zufrieden in Richtung der reichen Damen, denen seine Assistenten gerade die Haare ondulierten oder eine dieser Trockenhauben überstülpten, die François aus eher nostalgisch-dekorativen Gründen in seinem Salon versammelte, den er vor ein paar Jahren von seiner geliebten Tante übernommen hatte.

Lars spürte die Blicke der nicht mehr ganz jungen Damen förmlich auf seiner Haut prickeln. Ja, François hatte tatsächlich Wunder gewirkt! Das hätte man doch wirklich nicht zu träumen gewagt! Vom »Langweiler« zum »Womanizer« in nur drei Tagen. Fantastisch!

 

 

Eine Welle heißen Glücks durchströmte Lars, wie anders fühlte sich plötzlich alles an – bis er die Rechnung sah. Ihm wurde schlagartig klar, dass sich an der ökonomischen Front in seinem Leben etwas grundlegend ändern musste, denn Attraktivität war – so viel hatte er in diesen Tagen gelernt – nicht umsonst zu haben.

»Man müsste Saloninhaber sein wie Sie, François.« Mit diesen Worten knallte Lars vier Tausendkronenscheine auf die Glastheke. Dann gab er François die Hand und stellte sich augenzwinkernd als Michèl vor. Er sei ebenfalls kein Franzose, gestand er ihm hintergründig lächelnd.

François spitzte die Lippen. Er ließ seinen Blick zu den beiden Damen unter den Trockenhauben schweifen. Beide dösten in der Wärme und mit Latinosongs aus den Kopfhörern vor sich hin.

»Salonbesitzer! Um Himmels willen, Michèl, das sollten Sie nicht mal Ihrem ärgsten Feind wünschen! Sie haben ja keine Ahnung, wie tief ich am Anfang im Schlamassel steckte. Ein gewisses Talent zu haben ist das eine. Aber genug Kunden zu gewinnen, um den Laden am Laufen zu halten, ist etwas ganz anderes! Noch dazu, wenn man Angestellte hat! Nur dass Sie das wissen: Es ist wirklich kein Zuckerschlecken.«

Lars sah sich um. »Läuft Ihr Salon denn nicht sehr gut?«

»Inzwischen schon.« Er schwieg und fuhr nach einer Pause leiser fort: »Aber auch nur, weil ich jetzt immer die Traueranzeigen lese.«

Lars zog die dezent gezupften Augenbrauen fragend in die Höhe. So ganz erschloss sich ihm nicht, was François da gerade gesagt hatte.

»Ja, so ist das. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich diese Idee hatte, aber – das klingt jetzt vollmundiger, als es gemeint ist – damit geht’s mir inzwischen wirklich gut.« François blickte wieder zu den anderen Kunden im Salon, dann lehnte er sich vertraulich zu Lars hinüber. »Also: Wenn eine der Damen aus dem Whiskygürtel Witwe wird, dann lasse ich mich von Sture zu ihrem Wohnsitz fahren«, flüsterte er Lars ins Ohr. »Und dann lege ich so ganz zufällig«, er zeichnete Anführungszeichen in die Luft, »das hier in ihre Briefkästen.«

Er nahm eine der eleganten Hochglanzbroschüren und platzierte sie vor Lars auf die gläserne Theke unter dem Spiegel. Die Überschrift sagte alles. »Neues Leben«, stand da, und der dann folgende Maßnahmenkatalog, mit dem dieses Ziel zu erreichen sein würde, wirkte topprofessionell, überaus verlockend und dabei seriös und stilvoll. Zudem gab es das Versprechen, sich den Klienten absolut individuell zu widmen. Und – auch nicht ganz unwichtig: man könne sich 100prozentiger Diskretion sicher sein.

Na ja, was konnte sich eine reiche Witwe, die ihre besten Tage hinter sich hatte und nicht wollte, dass ihre Nächte deshalb langweilig wurden, denn mehr wünschen als ein »Neues Leben«?

François verstand sein Handwerk. Er war nicht nur ein ausgezeichneter Friseur und Visagist – er hatte auch ein unleugbares Talent, sich in die Psyche seiner Kundschaft hineinzuversetzen und deren Bedürfnisse von Grund auf zu erspüren. So lockte man Kundschaft an!

 

 

Eine Zeitlang spürte Lars deutlich die Wirkung seiner wundersamen Verwandlung auf seine Umgebung. Anerkennende Blicke auf der Straße, die er nicht gewohnt war und mit denen er auch noch gar nicht so richtig umzugehen wusste, unerwartete Aufmerksamkeit von Angestellten in teuren Geschäften und nicht zuletzt dunkle und etwas irritierende Blicke von Männern.

So fühlte sich das also an, attraktiv und begehrenswert zu sein! Ja, daran konnte man sich gewöhnen. Und es tat verdammt gut.

Etwa einen Monat nach der ersten Schönheitsbehandlung fiel Lars jedoch auf, wie der Effekt nachließ und offenbar hinter der Fassade der traurige alte Langweiler wieder zum Vorschein kam. Doch das zu akzeptieren, dazu war er nun definitiv nicht mehr bereit. Kurz entschlossen ging er zur Bank und hob weitere viertausend Kronen ab. Er war sich seiner beschränkten Mittel durchaus bewusst. Nur noch zweimal zu François, dann war das Konto leer und das neue Image, das François so hübsch mit »glatt zum Anbeißen« umschrieben hatte, wäre wieder Vergangenheit.

Verdammt. So langsam musste er sich etwas einfallen lassen.

 

 

Noch am selben Tag nahm er wieder auf dem Friseurstuhl Platz und nickte via Spiegel ein paar aufregend duftenden Damen zu, deren zarte Füße in extravaganten Stilettos steckten. Leise fragte er François, ob er diese beiden auch per Traueranzeigenmethode rekrutiert habe.