Rockersklavin - Joanna Wylde - E-Book

Rockersklavin E-Book

Joanna Wylde

4,9

Beschreibung

Das Letzte, was Marie zurzeit braucht, ist ein Mann in ihrem Leben. Der riesige, tätowierte und knallharte Biker, der eines Nachmittags bei ihrem Bruder aufkreuzt, ist da anderer Meinung. Er möchte Marie auf seinem Motorrad und in seinem Bett. Jetzt sofort. Aber Marie hat gerade ihren gewalttätigen Exmann verlassen und sucht bestimmt nicht nach einem neuen Typen. Besonders nicht nach einem wie Horse – sie kennt weder seinen richtigen Namen, noch weiß sie, wo er wohnt. Außerdem ist sie sich ziemlich sicher, dass er ein Krimineller ist und dass es sich bei dem »Geschäft«, das er immer mit ihrem Bruder bespricht, nicht um Webdesign handelt. Sie will, dass er aus ihrem Leben verschwindet, was viel einfacher wäre, wenn er nicht so gut darin wäre, ihr die besten Orgasmen ihres Lebens zu bescheren.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 515

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,9 (59 Bewertungen)
53
6
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.
Sortieren nach:
howard

Man kann sich nicht von der Lektüre losreißen

Ich muss sagen: Wow. Ich habe dieses Buch in einem Rutsch gelesen und konnte nicht aufhören, weil ich unbedingt wissen wollte, wie die Geschichte endet
00

Beliebtheit




Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage 2014

© 2014 by Lago, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

© der Originalausgabe 2013 Joanna Wylde

Die englische Originalausgabe erschien 2013 als E-Book unter dem Titel »Reaper’s Property«.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Ramona Wilder

Redaktion: Birgit Walter

Umschlaggestaltung: Melanie Melzer, München

Umschlagabbildung: Shutterstock

Satz: Georg Stadler, München

Druck: CPI books GmbH, Leck

Printed in Germany

ISBN Print 978-3-95761-004-1

ISBN E-Book (PDF) 978-3-95762-012-5

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95762-013-2

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.lago-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unterwww.muenchner-verlagsgruppe.de

Ich möchte Raelene Gorlinsky danken, der Lektorin und Verlegerin, die an mich geglaubt hat, und meinen Testleserinnen Mary und Alicia. Danke auch an meinen Mann, der meine kreativen Anstrengungen so unendlich unterstützt. Und schließlich ein besonderes Dankeschön an meine erste Lektorin Martha Punches, die mich immer ermutigt hat weiterzuschreiben, obwohl ich so viele Jahre damit aufgehört hatte. Martha, du hattest recht, was die Verlaufsform der Verben in der Vergangenheit angeht – ich hatte mich geirrt …

Kapitel eins

Eastern Washington, Yakima Valley

17. September – heute

Marie

Mist, vor dem Trailer standen Motorräder.

Drei Harleys und ein großer brauner Laster, den ich nicht kannte.

Bloß gut, dass ich auf dem Heimweg beim Lebensmittelladen gehalten hatte. Es war ohnehin ein langer Tag gewesen, und das Letzte, was ich wollte, war, gleich wieder loszuhetzen und noch mehr Essen zu kaufen, aber die Jungs wollten immer futtern. Jeff hatte mir kein Extrageld für Bier gegeben und ich wollte ihn nicht darum bitten – nicht bei den Geldsorgen, die er hatte. Es war schließlich nicht so, dass ich hier Miete zahlen würde. Für einen Kerl, dessen Lebensinhalt darin bestand, Hasch zu rauchen und Videospiele zu spielen, hatte mein Bruder Jeff in den letzten drei Monaten eine Menge für mich getan. Ich war ihm etwas schuldig, und das wusste ich auch.

Ich hatte schon ein paar Bier und Rinderhack aus dem Sonderangebot gekauft und für Jeff und mich Burger, Brötchen und Fritten geplant, aber ich machte immer etwas mehr, damit wir am nächsten Tag die Reste essen konnten. Gabby hatte mir eine Wassermelone geschenkt, die sie am Wochenende in Hermiston abgegriffen hatte. Ich hatte sogar schon einen großen Kartoffelsalat für das Büfett morgen nach der Arbeit fertig. Ich würde lange aufbleiben und einen neuen machen müssen, aber das war okay.

Ich lächelte, dankbar, dass wenigstens etwas in meinem Leben einmal gut lief. In weniger als einer Minute hatte ich ein Essen geplant – nicht gerade Feinschmeckerstandard, aber auch nicht so, dass Jeff sich dafür schämen musste.

Ich parkte neben den Motorrädern und achtete darauf, dass ich genügend Platz ließ. Als die Reapers das erste Mal vorbeigekommen waren, hatte ich Angst vor ihnen gehabt. Das wäre jedem so gegangen. Sie sahen aus wie Kriminelle, hatten jede Menge Tattoos und trugen schwarze Lederwesten, die mit Aufnähern übersät waren. Sie fluchten und soffen und konnten unverschämt und anspruchsvoll sein, aber sie hatten nie etwas gestohlen oder kaputt gemacht. Jeff hatte mich oft vor ihnen gewarnt, doch er betrachtete sie als Freunde. Ich war zu dem Schluss gekommen, dass er übertrieb, was die Gefahr anging. Horse war zwar gefährlich, aber nicht wegen irgendwelcher kriminellen Machenschaften …

Ich ging davon aus, dass Jeff das Webdesign oder so was für die Reapers machte. Irgendwas Geschäftliches. Warum ein Motorradclub eine Homepage brauchte, kapierte ich allerdings überhaupt nicht. Als ich mich einmal bei Jeff danach erkundigt hatte, hatte er mir gesagt, ich solle nicht fragen.

Danach war er zwei Tage lang im Casino versackt.

Ich stieg aus und ging um das Auto herum, um die Einkäufe aus dem Kofferraum zu holen. Ich fürchtete mich fast davor, das Bike von Horse bei den Motorrädern zu entdecken. Ich wollte ihn so gern sehen, dass es wehtat, wusste aber nicht, was ich ihm sagen sollte, falls er hier war. Es war ja nicht so, dass er auf meine diversen SMS geantwortet hätte. Doch ich konnte nicht anders, ich musste nachschauen. Also packte ich meine Tüten und ging zu den Bikes, um sie mir genau anzusehen, ehe ich reinging.

Ich kenne mich mit Motorrädern nicht besonders gut aus, aber gut genug, um seines zu erkennen. Es ist groß, schnittig und schwarz. Nicht so aufgemotzt und weniger geschmückt als die Bikes, die man oft auf dem Freeway sieht. Einfach groß und schnell, mit riesigen dicken Auspuffrohren und mehr Testosteron, als erlaubt ist.

Das Motorrad war fast so schön wie der Mann, der es fuhr. Aber nur fast.

Mir blieb das Herz stehen, als ich die Maschine sah. Sie stand ganz rechts. Ich wollte das Motorrad berühren, testen, ob das Leder des Sitzes so weich war, wie ich es in Erinnerung hatte. Aber ich war nicht so dumm, es anzufassen. Dazu hatte ich kein Recht. Ich sollte mich auch eigentlich gar nicht so sehr darauf freuen, Horse zu treffen, doch der Gedanke, dass er hier in meinem Trailer war, berauschte mich. Es lief nicht gerade reibungslos zwischen uns und ich wusste wirklich nicht, wie er mich sah. Eine Zeit lang schien es fast so, als wäre er mein neuer Freund, aber das letzte Mal, als ich ihn gesehen hatte, hatte er mir eine Scheißangst eingejagt.

Angst hin oder her, bei dem Mann bekam ich ein feuchtes Höschen.

Er war groß, gut gebaut, hatte schulterlanges schwarzes Haar, das er in einem Pferdeschwanz trug, und dicke schwarze Bartstoppeln im Gesicht. An den Handgelenken und den Oberarmen trug er krasse Tribals. Und sein Gesicht … Horse war so schön wie ein Schauspieler. Ich könnte schwören, dass die Frauen bei ihm Schlange standen, und da er mehr als eine Nacht in meinem Bett verbracht hatte, wusste ich, dass er nicht nur oberhalb der Gürtellinie schön war. Der Gedanke an seine Ausstattung untenherum führte zu einer kurzen, aber intensiven Fantasie, in der ­Horse, ich, mein Bett und Schokoladensirup vorkamen.

Lecker!

Scheiße – Nachtisch! Ich brauchte noch ein Dessert für heute Abend. Horse liebte Süßes. Ob wir noch Schokostückchen hatten? Dann könnte ich Plätzchen backen, vorausgesetzt, die Butter reichte. Bitte lass ihn nicht sauer auf mich sein, bat ich innerlich, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass Gott nicht gerade interessiert an Gebeten war, bei denen die Verheißung von Unzucht so eine wichtige Rolle spielte. An der Tür hantierte ich mit den Tüten herum und schob die meisten auf meinen rechten Arm, sodass ich die linke Hand für die Klinke frei hatte. Ich ging rein und schaute Richtung Wohnzimmer.

Dann schrie ich.

Mein Bruder kniete mitten im Raum. Er war übel zugerichtet, der ganze Teppich war voller Blut. Vier Mann in Reapers-Montur standen um ihn herum: Picnic, Horse und zwei, die ich nicht kannte – ein muskelbepackter Schrank von einem Mann mit Irokesenschnitt, Tattoos auf dem Schädel und tausend Piercings, der andere war groß und kantig mit hellblonder Stachelfrisur. Horse betrachtete mich mit dem gleichen coolen, fast ausdruckslosen Gesichtsausdruck, den er auch gehabt hatte, als wir uns zum ersten Mal begegnet waren. Als wäre er in Gedanken anderswo.

Auch Picnic starrte mich an. Er war groß und hatte kurzes, dunkles Haar, das für einen Biker fast zu stylisch aussah. Seine hellblauen Augen bohrten sich geradezu in mich hinein. Ich hatte Pierce schon mindestens fünfmal getroffen. Er war der Präsident des Clubs, hatte viel Sinn für Humor und trug Fotos von seinen beiden Teenagertöchtern bei sich, die er bei jeder Gelegenheit herumzeigte. Als er das letzte Mal hier gewesen war, hatte er mir beim Maisschälen geholfen.

Jetzt stand er direkt hinter meinem Bruder und hielt ihm eine Pistole an den Kopf.

16. Juni – zwölf Wochen vorher

»Marie, du hast es genau richtig gemacht«, sagte Jeff und hielt mir einen Eisbeutel an die Wange. »Dieser Schwanzlutscher soll verrecken! Du wirst es nicht bereuen, dass du ihn verlassen hast.«

»Weiß ich«, antwortete ich kläglich. Er hatte recht – warum hatte ich mich nicht schon viel früher von Gary getrennt? Wir waren seit der Highschool zusammen und hatten mit neunzehn geheiratet. Als ich zwanzig wurde, wusste ich schon, dass ich einen großen Fehler gemacht hatte. Aber es hatte bis jetzt, noch fünf Jahre, gedauert, bis ich begriffen hatte, wie groß dieser Fehler wirklich war.

Heute hatte er mir eine verpasst. Mitten ins Gesicht.

Danach brauchte ich nur noch zehn Minuten, um das zu tun, was ich vorher nicht geschafft hatte: Ich schmiss meine Klamotten in einen Koffer und verließ diesen Arsch, der mich misshandelte und betrog.

»Irgendwie bin ich sogar froh, dass er es getan hat«, sagte ich und blickte auf den zerkratzten Resopaltisch im Trailer meiner Mutter. Sie war im Moment auf Kurzurlaub im Knast. Das Leben meiner Mutter ist kompliziert.

»Was zum Henker meinst du damit, Marie?«, fragte Jeff und schüttelte den Kopf. »Dir haben sie wohl ins Hirn geschissen, dass du so was sagst?«

Mein Bruder liebte mich, aber ein Dichter war er nicht gerade. Ich lächelte ihn matt an.

»Ich bin viel zu lange bei ihm geblieben und habe alles hingenommen. Vielleicht wäre ich ewig geblieben. Aber als er mich geschlagen hat, war es, als wäre ich dadurch aufgewacht. Vorher hatte ich Angst, ihn zu verlassen, und jetzt ist mir alles egal. Ehrlich, es ist mir scheißegal, Jeff. Er kann alles behalten – die Möbel, die Stereoanlage, den ganzen Scheiß. Ich bin nur froh, dass ich da raus bin.«

»Du kannst hier so lange bleiben, wie du willst«, sagte er und machte eine Geste, die den ganzen Trailer umfasste. Der Wohnwagen war klein und muffig. Er roch nach Pot und schmutziger Wäsche, aber hier fühlte ich mich sicher. Der Trailer war die längste Zeit meines Lebens mein Zuhause gewesen, und obwohl es nicht gerade eine Bilderbuchkindheit gewesen war, hätte es zwei White-Trash-Kinder, deren Vater sich aus dem Staub gemacht hatte, bevor sie eingeschult wurden, schlechter treffen können.

Na ja, es lief alles gut, bis Mom sich am Rücken verletzte und anfing zu trinken. Von da an ging es bergab. Ich sah mich im Trailer um und versuchte nachzudenken. Wie sollte das funktionieren?

»Ich habe überhaupt kein Geld«, sagte ich. »Ich kann dir keine Miete zahlen, solange ich keinen Job habe. Das Konto läuft nur auf Garys Namen.«

»Was für ein Scheiß, Marie – Miete?«, entgegnete Jeff und schüttelte den Kopf. »Das ist auch dein Haus. Ich meine, es ist ein beschissenes Drecksloch, aber es ist immerhin unser Drecksloch. Hier zahlst du keine Miete.«

Ich lächelte ihn an, und diesmal war es ein richtiges Lächeln. Jeff mochte ein Kiffer sein, der neunzig Prozent seiner Zeit mit Videospielen verbrachte, aber er hatte ein Herz. Ich empfand plötzlich unglaublich viel Liebe für ihn und konnte mich nicht zurückhalten. Ich ließ den Eisbeutel fallen, warf mich auf ihn und umarmte ihn fest. Er schlang verlegen die Arme um mich und und erwiderte die Umarmung, doch ich merkte, dass dass er verwirrt und auch ein wenig erschrocken war.

In unserer Familie hatte es selten Liebkosungen gegeben.

»Ich liebe dich, Jeff«, sagte ich.

»Ähm, ja«, murmelte er und machte sich nervös von mir los, aber er lächelte ein klein bisschen. Er ging zum Küchenschrank hinüber, zog eine Schublade auf und holte eine kleine Glaspfeife und ein Tütchen Gras heraus.

»Willst du auch?«, fragte er. Ja, Jeff liebte mich wirklich, er teilte sein Hasch nicht mit jedem. Ich lachte und schüttelte den Kopf.

»Ich passe. Ich gehe morgen früh auf Jobsuche und will bei einem Drogentest nicht durchrasseln.«

Mit einem Achselzucken ging er ins Wohnzimmer – das gleichzeitig Esszimmer, Eingangsbereich und Flur war – und setzte sich auf die Couch. Eine Sekunde später ging der gigantische Großbildfernseher an. Er zappte sich durch die Sender, bis er beim Wrestling ankam – nicht bei dem echten Sport, sondern bei der Variante, in der die Kämpfer merkwürdige Kostüme tragen und es zugeht wie in einer Seifenoper. Gary sah bei uns zu Hause wahrscheinlich gerade dasselbe an. Jeff nahm ein paar Züge, dann legte er seine Pfeife und sein Lieblings-Totenkopf-Feuerzeug auf den Tisch. Er schnappte sich seinen Laptop und klappte ihn auf.

Ich grinste.

Jeff war immer schon der Hammer gewesen, wenn es um Computer ging. Ich hatte keine Ahnung, wie er sein Geld verdiente, aber ich vermutete, dass er möglichst wenig arbeitete, sodass es gerade reichte, um nicht zu verhungern. Die meisten, darunter auch Gary, hielten ihn für einen Versager. Vielleicht war er das auch. Aber das war mir egal, denn er war immer für mich da gewesen, wenn ich ihn gebraucht hatte. Und ich werde immer für ihn da sein, schwor ich mir. Als Erstes würde ich hier mal Ordnung schaffen und und etwas Anständiges zu essen kaufen. Soweit ich sehen konnte, lebte der Mann von Pizza, Chips und Erdnussbutter.

Manche Dinge ändern sich nie.

Es war verdammt viel Arbeit, den Trailer sauber zu kriegen, aber ich genoss jede Minute. Natürlich vermisste ich Mom, aber ich musste zugeben (wenn auch nur vor mir selbst), dass es ohne sie viel gemütlicher war. Sie ist eine fürchterlich schlechte Köchin, lässt den ganzen Tag die Rollos unten und benutzt nie die Klospülung.

Ach ja – und alles, was sie anfasst, verwandelt sich in Chaos und Drama.

Jeff zieht auch nie die Klospülung, aber aus irgendeinem Grund stört mich das nicht so sehr. Wahrscheinlich weil er mir nicht nur das größere Zimmer gegeben, sondern mir an jenem ersten Morgen ein überraschend dickes Bündel an Scheinen in die Geldbörse geschoben, mich auf die Stirn geküsst und mir viel Glück gewünscht hatte, bevor ich mich auf Jobsuche machte. Ich musste es schaffen, Arbeit zu finden, obwohl ich von Garys zärtlichem kleinen Tätscheln einen hässlichen blauen Fleck im Gesicht hatte.

»Du wirst das spitzenmäßig hinkriegen, Schwesterherz«, sagte Jeff und rieb sich die Augen. Ich war gerührt, dass er aufgestanden war, um mich zu verabschieden, denn er war nicht gerade ein Morgenmensch. »Kannst du mir auf dem Rückweg Bier mitbringen? Und ein paar von diesen Kaffeefilterdingern … davon sind keine mehr da und auch keine Papierhandtücher. Ich weiß nicht, ob das auch mit Klopapier geht, und ich brauche unbedingt mein Koffein.«

Ich zuckte zusammen.

»Ich werde mich ums Einkaufen kümmern«, antwortete ich schnell. »Und ums Kochen auch«, fügte ich hinzu, während ich einen Blick auf die Spüle warf, in der sich die Teller und Töpfe stapelten. Auch etwas Grünes wuchs dort vor sich hin – wie ein Experiment für die Krebsforschung …

»Klasse«, murmelte Jeff, drehte sich um und taumelte zurück in sein Zimmer.

Es waren zwei Wochen vergangen und alles sah schon viel besser aus. Ich hatte beim Putzen solche Fortschritte gemacht, dass ich keine Angst mehr hatte, mich auf die Klobrille zu setzen oder zu duschen. Mein nächstes Projekt war der kleine Platz vor dem Trailer, wo seit mindestens zwei Jahren niemand mehr den Rasen gemäht hatte. Außerdem hatte ich einen Job bei Little Britches Daycare gefunden. Denise, die Mutter meiner alten Freundin Cara, leitete die Kinderkrippe. Cara und ich hatten den Kontakt verloren, als sie aufs College gegangen war, doch ihre Mutter traf ich ab und zu und fragte sie immer nach Cara. Sie hatte sich durch ihr Jurastudium geboxt und arbeitete jetzt in New York in einer endgeilen Kanzlei. Ihre Mom zeigte mir manchmal Fotos und ich fand, Cara sah aus wie eine Anwältin aus dem Fernsehen, mit Designerklamotten und superschicken Schuhen.

Bei mir war das anders gelaufen. Ich hatte zwar genauso gute Noten gehabt wie Cara, aber ich war so waaahnsinnig verliebt in Gary gewesen, dass ich jeden Gedanken an ein Studium in den Wind geschlagen hatte. Tolle Zukunftsplanung.

Jedenfalls hatte Denise mich vorsichtig gefragt, ob ich noch mit Gary zusammen sei, und dabei einen Blick auf mein Veilchen geworfen, das ich mit jeder Menge Schminke zugespachtelt hatte. Ich hatte ihr meine neuen Lebensumstände erklärt, und das war’s dann auch schon.

Ich hatte jetzt also einen Job, und obwohl er nicht besonders viel abwarf, arbeitete ich gern mit den Kindern. Ich hatte sogar angefangen, für verschiedene Familien, die ihre Kinder tagsüber zu Little Britches brachten, abends ein bisschen Babysitting zu machen. Jeff hatte mich gern um sich, weil ich kochte und putzte und die Wäsche machte. Das hatte ich für Gary auch alles gemacht, aber er hatte sich nie bedankt.

Im Gegenteil, er hatte immer nur rumgeschnauzt, was ich alles falsch machte.

Dann war er abgehauen und hatte seine Hure gefickt.

An diesem Tag arbeitete ich bis drei Uhr, dann kam ich nach Hause und begann Brot zu backen. Über die Jahre hinweg habe ich meine Technik perfektioniert – ich fange mit einem einfachen französischen Brotteig an, aber dann schmeiße ich Knoblauch, italienische Kräuter und fünf verschiedene Arten Käse dazu und mache eine Eiweißglasur. Das Rezept ergibt zwei große Laibe. Zum Brot wollte ich Spaghetti machen, mit frischen Tomaten aus dem Garten von Denise und mit meinem einzigartigen Spinatsalat. Natürlich würden wir nicht ansatzweise so viel Brot essen, aber ich wollte den zweiten Laib am nächsten Tag für die Mädels in die Arbeit mitnehmen.

Denise hatte hinter dem Haus einen riesigen Garten, und sie hatte mir gesagt, ich könne mich da bedienen. Das wollte ich ordentlich ausnutzen, solange die richtige Jahreszeit dafür war. Ich träumte davon, ein bisschen was einzumachen, aber das war wohl nicht besonders realistisch. Ich hatte mein ganzes Zeug bei Gary gelassen und traute mich da noch nicht wieder hin. Er hatte keinen Kontakt zu mir aufgenommen, seit ich weg war (darüber war ich glücklich), und ich hatte in der Stadt gehört, dass er Misty Carpenter in unser Bett geholt hatte (deswegen hätte ich kotzen können).

Ich bezeichnete Misty gern als DIE HURE. Zur besseren Betonung schrieb ich das in jeder SMS in Großbuchstaben.

Um den Teig gehen zu lassen, stellte ich ihn auf ein Tablett auf den alten Picknicktisch im Freien. Ich beschloss, mich an das Unkraut rund um die Veranda zu machen. Es war heiß, also zog ich ein Bikini-Oberteil an, das ich trotz meiner kleinen Körbchengröße ziemlich gut ausfüllte. Ich schnappte mir ein Paar alte Arbeitshandschuhe, die ich im Schuppen gefunden hatte, goss mir Eistee ein, öffnete die Fenster in meinem Auto und drehte das Radio ordentlich auf. Dann legte ich los, um dem Unkraut so richtig zu Leibe zu rücken.

Eine halbe Stunde später schien das Unkraut mich zu besiegen. Ich entschied, erst einmal Pause zu machen. Ich kletterte auf den Picknicktisch, legte mich hin, stellte die Füße auf die Bank und ließ die Arme an der Seite des Tischs herunterbaumeln. Es fühlte sich fantastisch an, so entspannt und frei von allen Sorgen in meinem eigenen Hof zu liegen.

Natürlich mussten genau in diesem Moment die Biker auftauchen.

Ich hörte sie zwar kommen, aber nicht so früh, wie man meinen könnte, da die Musik aus meinem Autoradio so laut war. Ich merkte nicht, dass ich Gesellschaft bekam, bis die Kerle schon die halbe Einfahrt hinaufgefahren waren, die sich durch den Obstgarten unseres Vermieters schlängelte. Ich setzte mich auf und und stützte mich auf den Händen ab, während sie näher kamen. Ich war völlig verdutzt. Normalerweise lebte ich gern hier am Ende der Welt, ohne Nachbarn, aber jetzt fühlte ich mich auf einmal sehr allein.

Wer waren diese Typen?

Ich war mir nicht bewusst, dass ich schweißüberströmt war, und hatte auch vergessen, dass ich mein Bikini-Oberteil trug – bis die Biker ihre Motoren abstellten, die Helme abnahmen, sich umdrehten und mich gründlich betrachteten. Um das Klischee perfekt zu machen, dröhnte in diesem Moment Def Leppards Pour Some Sugar on Me aus dem Radio. Ich zuckte zusammen – wahrscheinlich sah ich aus wie eine White-Trash-Prinzessin aus der Hölle, die sich zu uralter schlechter Musik neben ihrem Trailer in der Sonne aalt. Ich spürte, wie ihre Blicke regelrecht über mich krochen. Während alle drei den Anblick zu genießen schienen, fiel mir vor allem der Mann in der Mitte auf. Er war groß. Nicht einfach nur hochgewachsen (das war er auch – er musste fast eins fünfundneunzig groß sein im Vergleich zu meinen kleinen eins zweiundsechzig), sondern imposant: Er hatte breite Schultern und muskulöse Arme mit Tribal-Tattoos auf den Handgelenken und Oberarmen. Ich hätte gewettet, dass ich seinen Bizeps nicht umfassen konnte. Und er hatte ausgeprägte Oberschenkel, die ich gerne einmal gedrückt hätte … und vielleicht auch abgeleckt.

Er stieg von seinem Motorrad und kam auf mich zu, wobei er seine Augen nicht eine Sekunde lang von meinen ließ. Ich spürte, wie es zwischen meinen Beinen erschreckend heiß wurde. Erregung hatte ich, ehrlich gesagt, schon lange nicht mehr empfunden. Die letzten Jahre mit Gary waren bestenfalls frustrierend und schlimmstenfalls schmerzhaft gewesen. Doch die Art, wie dieser Biker auf mich zustolzierte, den Raum füllte und die Luft um sich herum zum Schwingen brachte, erwischte mich völlig unvorbereitet und traf mich mitten …

Na ja, ihr wisst schon, wo.

Meine Brustwarzen wurden hart und ich schwankte etwas, als er stehen blieb, die Hand ausstreckte und mit einem Finger erst mein Schlüsselbein entlangfuhr, von der Schulter nach innen, und ihn dann zwischen meinen Brüsten hinabbewegte, die er dabei leicht berührte. Er hob den Finger zum Mund und leckte meinen Schweiß ab. Der Mann roch nach Motoröl und Sex.

Heilige Scheiße!

»Hallo, Süßarsch«, sagte er. Das durchbrach den Zauber. Süßarsch? Was für ein Schwachkopf nannte eine Frau so, die er noch nie gesehen hatte? »Ist dein Kerl hier? Wir müssen ihn sprechen.«

Ich kletterte rückwärts vom Tisch, weg von ihm, und wäre dabei fast hinuntergefallen. Plötzlich verstummte die Musik. Ich drehte mich um und sah, dass einer seiner Kumpel in mein Auto gegriffen und den Schlüssel aus dem Zündschloss gezogen hatte. Er steckte ihn in die Tasche. Oh je.

»Jeff? Der ist in der Stadt«, sagte ich und versuchte mich zu beruhigen. Scheiße, vielleicht hätte ich nicht zugeben sollen, dass ich allein war! Aber ich hatte gar keine Wahl. Ich hätte zwar behaupten können, dass ich Jeff hole, und dann in den Trailer rennen und die Tür verriegeln können, aber der Trailer war dreißig Jahre alt. Der Riegel war schon verrostet gewesen, als ich klein war. Außerdem hatten sie ja meinen Schlüsselbund. »Wartet doch einfach hier draußen, ich rufe ihn schnell an.«

Der große Mann sah mich scharf an, sein Gesicht war kalt und ausdruckslos. Ich fand, dass ich nicht ganz sicher sein konnte, ob er wirklich ein Mensch war. Er war eher so etwas wie ein Terminator. Da ich seinem Blick nicht mehr standhalten wollte, schaute ich auf seine Weste. Total abgenutzt, schwarzes Leder, jede Menge Aufnäher. Einer davon fiel mir besonders auf, ein hellrotes Viereck, das auf der Spitze stand, darauf eine Eins und ein Prozentzeichen. Ich wusste nicht, was das zu bedeuten hatte, aber ich war mir vollkommen klar darüber, dass ich in den Wohnwagen gehen und mir etwas anziehen wollte.

Am besten eine Burka.

»Klar doch, Baby«, sagte er und setzte sich rittlings auf die Bank. Seine Freunde zuckelten zu ihm herüber.

»Wie wär’s mit was zu trinken, Mädel?«, fragte einer der beiden, ein großer Mann mit kurzem schwarzen Haar und leuchtend blauen Augen. Ich nickte und ging schnell zum Trailer. Ich brauchte meine ganze Selbstbeherrschung, um nicht loszurennen. Hinter mir hörte ich die Biker lachen. Es war kein freundliches Lachen.

Zum Glück ging Jeff sofort ans Telefon.

»Hier sind ein paar Typen, die dich sehen wollen«, sagte ich und spähte durchs Küchenfenster. Dabei achtete ich darauf, dass die zugezogenen Gardinen mit den Bildern von kleinem fliegenden Gemüse geschlossen blieben. »Es sind Biker. Ich glaube, die könnten gefährlich sein. Für mich sehen sie aus wie Mörder, aber ich glaube, ich mache mich da gerade ein bisschen verrückt. Bitte sag mir, dass ich unter Verfolgungswahn leide, ja?«

»Fuck …«, antwortete Jeff. »Das ist der Reapers MC. Marie, mit denen ist nicht zu spaßen. Tu, was sie dir sagen, aber komm ihnen bloß nicht zu nah. Was immer du tust, berühre keinen von ihnen und sprich nur mit ihnen, wenn sie dich zuerst ansprechen. Schau sie am besten nicht einmal an! Geh ihnen bloß aus dem Weg! Ich bin in zwanzig Minuten da.«

»Was heißt MC?«

»Motorradclub. Ganz ruhig bleiben, klar?«

Jeff legte auf.

Nun hatte ich richtig Angst bekommen. Ich hatte erwartet, er würde mich auslachen und mir sagen, dass es harmlose Kerle seien, die gern auf ihren Bikes herumführen und einen auf böse Jungs machten. Aber das hier war wohl ernst. Ich rannte in mein Zimmer und zog ein schlabberiges T-Shirt an, das ich gern als Nachthemd trug. Ich streifte meine Shorts ab, wechselte in Caprihosen und wurstelte mein langes dunkelbraunes Haar zu einem unordentlichen Knoten zusammen. Ein schneller Blick in den Spiegel überzeugte mich, dass ich mir zu viele Sorgen machte – die Kerle mochten zwar mir gegenüber derb und anzüglich gewesen sein, aber ich war bestimmt keine Traumfrau. Mein Gesicht war mit Dreck beschmiert, die Nase von der Sonne verbrannt, und irgendwie hatte ich mir einen riesigen Kratzer auf der Wange eingehandelt. Er bildete ein schönes Gegenstück zu dem verblassenden rot-gelben Veilchen, das Gary mir verpasst hatte.

Mir zitterten die Hände, als ich Eistee in drei große Plastikbecher goss und mich fragte, ob ich Zucker dazugeben sollte. Ich beschloss, die Zuckerdose mit nach draußen zu nehmen, und steckte einen Löffel hinein. Dann klemmte ich mir zwei Becher zwischen rechten Arm und Oberkörper und nahm den dritten in die Hand. Ich schnappte mir den Zucker mit der linken Hand und schaffte es, mich vorsichtig durch die Tür zu manövrieren. Die Männer unterhielten sich leise, als ich herauskam, und beobachteten, wie ich zum Tisch ging. Ich setzte ein strahlendes Lächeln auf, so wie damals, als ich noch auf der Highschool war und ab und zu kellnerte. Ich würde das hier schaffen!

»Hast du deinen Kerl angerufen?«, fragte der Große. Ich starrte ihn an und vergaß dabei völlig, dass ich seinem Blick ja eigentlich ausweichen sollte, da seine Augen so unergründlich und wunderschön grün waren.

»Meinen Kerl?«, fragte ich.

»Jensen.«

Mist, ich hatte gar nicht mehr daran gedacht, dass sie mich ja für Jeffs Freundin hielten. Sollte ich ihnen die Wahrheit sagen? Ich konnte mich nicht entscheiden. Ich sah den Biker an und überlegte mir, was die sicherste Antwort wäre. Er begegnete meinem Blick, ohne mit der Wimper zu zucken. Sein Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden und sein Kinn war voller dicker schwarzer Bartstoppel. Mein blöder Körper wurde schon wieder munter, als ich mich fragte, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn ich meine Lippen langsam über seinen Bart gleiten ließe.

Wahrscheinlich einfach nur saugut.

»Mädel, beantworte die verdammte Frage«, rief der Mann mit den blauen Augen. Ich zuckte zusammen und sabberte etwas Tee auf mein T-Shirt. Natürlich ausgerechnet auf meinen rechten Busen. Meine Brustwarze stand wie eine Eins, als sie mit dem eiskalten Getränk in Berührung kam. Der große Typ sah zu, wie sie hart wurde, und seine Augen wurden dunkel.

»Jeff kommt«, erklärte ich und schaffte es, nicht zu stottern. »Er sagt, er ist in zwanzig Minuten hier. Und ich habe Tee für euch«, fügte ich etwas dämlich hinzu. Der große Kerl streckte die Hand aus und nahm den Becher aus meiner Hand. Damit saß ich in der Klemme, denn ich konnte die anderen beiden Becher nicht abladen, ehe ich nicht die linke Hand frei hatte. Entweder gab ich ihm den Zucker oder ich musste mich über ihn beugen und die Dose auf den Tisch stellen. Und ich war mit ganz sicher, dass ich das nicht wollte.

Er löste das Problem für mich, indem er wieder die Hand ausstreckte und sich einen der Becher griff, die ich an meinen Körper gedrückt hielt. Es kribbelte wie blöd, als seine Finger zwischen das kalte Plastik und meinen Körper glitten, und ich stand da wie festgefroren, als er es mit dem zweiten Becher genauso machte. Dann nahm er den Zucker. Er ergriff meine Hand und zog mich an seine Schenkel, bis mein Bauch ganz nah vor seinem Gesicht war.

Ich bekam kaum noch Luft.

Er fasste an mein Kinn und drehte mein Gesicht, sodass er den blauen Fleck genau sehen konnte. Ich hielt den Atem an und hoffte, er würde mich nicht danach fragen. Das tat er auch nicht. Stattdessen legte er seine Hand auf meine Taille und ließ sie langsam an meiner Hüfte hinauf- und hinuntergleiten. Ich musste mit aller Kraft gegen den Wunsch ankämpfen, mich an ihn zu schmiegen und ihm meine Brüste ins Gesicht zu drücken.

»War das Jensen?«

Verdammt. Ich musste es ihnen sagen, es durfte nicht so aussehen, als hätte Jeff mir wehgetan. Das hatte er nicht verdient.

»Nein, so etwas würde er nie tun. Jeff ist mein Bruder«, sagte ich schnell, während ich rot wurde, und machte mich mit einem Ruck los. Dann drehte ich mich um und rannte ins Haus.

Sie saßen am Tisch, tranken ihren Eistee und quatschten, bis Jeff kam. Es kam mir vor, als würde er Stunden brauchen, obwohl er den Weg in Rekordzeit schaffte. Zwischendurch langte der große Typ einmal quer über den Tisch und warf einen Blick unter das Handtuch, das über dem Brotteig lag. Der würde jetzt viel zu sehr gehen, wenn ich ihn nicht bald in den Ofen kriegte.

Mist.

Aber ich würde nicht wieder nach draußen gehen. Nicht bis sie weg waren.

Leider schienen sie nicht in der Stimmung zu sein, bald zu verschwinden. Als Jeff in seinem alten Firebird angerollt kam, stand er eine Weile bei ihnen, und sie redeten miteinander. Dann kamen sie zur Eingangstür und der Große warf einen Blick auf das Fenster, hinter dem ich stand. Obwohl ich wusste, dass er mich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht sehen konnte, schienen sich unsere Blicke zu treffen.

Als sie hineinkamen, lächelte Jeff und sah ganz entspannt aus. Die anderen auch. Die Stimmung war freundlich. Ich runzelte die Stirn und fragte mich, ob ich mir nur eingebildet hatte, dass Jeff vorhin am Telefon so ernst geklungen hatte.

»Schwesterherz, meine Geschäftspartner bleiben zum Essen«, kündigte er großspurig an. »Du machst dich am besten an dein Brot, ich glaube, der Teig ist jetzt lange genug gegangen. Maries Brot ist ganz wunderbar, es wird euch schmecken. Sie macht euch ein spitzenmäßiges Essen.«

Ich lächelte ihn ein wenig zittrig an und verfluchte ihn innerlich. Was zum Teufel sollte das? Klar, ich kochte für ihn, aber die hier wollte ich nicht bekochen. Sie machten mir Angst. Dazu kam das merkwürdige Bedürfnis meines ungehorsamen Körpers, der am liebsten den großen Typen auf der Stelle besprungen hätte. Mir fiel aber kein Ausweg ein, der nicht unsere nette kleine Show, dass nichts Unheimliches daran war, dass drei furchterregende Biker aus dem Nichts bei uns auftauchten, zerstören würde.

Und nicht nur das, auch der Teig wäre ruiniert, wenn er nicht bald in den Ofen kam. Die Spaghettisauce köchelte schon auf dem Herd und sie roch fantastisch. Ich konnte noch nicht einmal behaupten, es wäre zu heiß, um den Ofen anzumachen, denn wir hatten ein paar dieser kleinen Klimaanlagen an den Fenstern, die wie kleine Dampflocks vor sich hintuckerten und den Innenraum angenehm kühlten. Die Männer machten es sich im Wohnzimmer bequem, nur der Große nahm sich einen Hocker von der Küchenbar, die gleichzeitig unser Esstisch war. Er setzte sich, lehnte sich gemütlich an die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust.

Er würde mir die ganze Zeit beim Kochen zuschauen können und gleichzeitig alles mitbekommen, was im Wohnzimmer lief.

Ich rannte nach draußen und holte den Brotteig, während Jeff den Fernseher anmachte. Als ich zurückkam, lief irgendein Kampf, diesmal kein Wrestling, sondern ein echter Fight in einer Art Käfig. »Bring uns ein paar Bier, Süßarsch«, sagte der dritte Typ, ein dunkelhaariger Mann mit leicht pockennarbigen Wangen. Ich biss mir auf die Lippe. So wurde ich wirklich nicht gern genannt. Es war nicht nur erniedrigend, sondern es lag auch eine hässliche Andeutung in seinem Ton. Jeff warf mir jedoch einen Blick zu und sagte tonlos »bitte«. Also stellte ich den Teig weg, ging zum Kühlschrank und holte vier Bier heraus. Während ich das Essen machte, ignorierten sie mich größtenteils. Nur nicht der große Kerl. Ab und zu schaute ich auf und sah, dass er mich nachdenklich betrachtete. Er lächelte nicht und sprach nicht mit mir, kein Wort. Er studierte mich nur aufmerksam, besonders meinen Busen (kleiner als manche, aber kecker als die meisten) und meinen Arsch (ein bisschen größer, als mir lieb war).

Ich nahm mir auch ein Bier, entspannte mich nach einer Weile und nahm die Dinge hin. Vielleicht hätte ich sauer sein sollen, dass dieser Typ einfach nur dasaß und mich aufdringlich anstarrte, aber irgendwie fühlte es sich auch gut an, dass ein Mann mich würdigte.

Es war schon ganz schön lange her, dass ich das erlebt hatte.

Als ich das Brot aus dem Ofen holte, war der Kampf im Fernsehen vorbei. Ich legte Unterlagen für die heiße Pasta und die Sauce auf den Tisch und stellte den Salat dazu. Die Männer fielen über das Essen her wie ausgehungerte Tiere.

»Das ist echt toll«, sagte der Mann mit den blauen Augen, als ob er mich zum ersten Mal als Person wahrnahm. Er hatte kräftige, klare Gesichtszüge, und ich fand, dass er für einen alten Kerl echt scharf aussah. »Du kannst wirklich kochen. Meine Alte Lady hat früher so gekocht.«

»Danke«, sagte ich und hoffte, dabei nicht rot zu werden. Dies war wohl die seltsamste Dinnerparty meines Lebens, aber ich kochte gern für Leute, die gutes Essen zu schätzen wussten. Während der Highschool hatte ich ernsthaft darüber nachgedacht, auf eine Kochschule zu gehen.

Wegen dir habe ich gar nichts gemacht, Gary. Vielen Dank!

Der große Typ sagte nichts, aber mir fiel auf, dass er sich ein zweites und drittes Mal nachnahm. Nach dem Essen fing ich an aufzuräumen, aber er langte über die Bar und packte mich am Arm.

»Du möchtest doch sicher ein bisschen herumfahren«, sagte er und wies mit dem Kinn auf die Tür. »Wir haben was Geschäftliches zu besprechen.«

Ich sah Jeff an und er lächelte mir beruhigend zu.

»Macht dir doch nichts aus, Schwesterherz?«, fragte er. Ich schüttelte den Kopf, obwohl es mir ein bisschen gegen den Strich ging zu gehen, ohne ihre Namen erfahren zu haben. Irgendwie hatten sie im Lauf des Abendessens aufgehört, mir Angst einzujagen, und waren erstaunlich menschlich geworden. Ich wusste aber, wann ich nicht erwünscht war, und war es Jeff schuldig, ihm keinen Ärger zu machen. Also lächelte ich alle strahlend an und schnappte mir auf dem Weg zur Tür meine Geldbörse von der Ablage.

»Also, war nett, Sie kennenzulernen, ähm …«

Mister Blaue Augen, auf dessen Weste das Wort »President« stand, grinste.

»Ich bin Picnic und das sind meine Brüder Horse und Max«, sagte er.

Ich warf einen Blick auf den großen Typen. Horse? Was war das denn für ein Name? Und wie Brüder sahen sie auch nicht gerade aus …

»War nett, Sie kennenzulernen, Mr Picnic«, sagte ich, ohne nachzufragen.

»Einfach nur Picnic. Und danke noch mal fürs Essen.«

Horse stand auf.

»Ich bringe dich zum Auto«, sagte er mit tiefer, polternder Stimme. Jeff riss die Augen auf und warf den Kopf zurück, dann wurde er ruhig. Picnic grinste mich wissend an.

»Lass dir Zeit, wir warten gern«, sagte er zu Horse, fischte meine Schlüssel aus der Hosentasche und warf sie mir zu. Ich ging in den warmen Sommerabend hinaus, Horse folgte mir. Er riss mich an der Hand und zog mich zum Picknicktisch. Mein Herz raste bei jedem Schritt. Ich hatte keine Ahnung, was jetzt passieren würde, aber ein Teil von mir sehnte sich danach, von ihm berührt zu werden.

Vielleicht.

Vielleicht auch nicht.

Scheiße.

Horse packte mich unter den Achseln und setzte mich auf den Tisch. Dann ließ er seine Hände an mir heruntergleiten, schob sie zwischen meine Beine und drückte sanft meine Knie auseinander. Er stellte sich zwischen meine Schenkel und beugte sich vor.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich kurz davor war umzukippen.

»Ich glaube, das ist keine gute Idee«, sagte ich und schaute zum Trailer. Mein Herz hämmerte in meiner Brust. Jeff würde das hier nicht gefallen. Horse war gefährlich, das konnte ich riechen, ehrlich. Unter dem appetitlichen Duft von Leder, Schweiß und Mann lag ein stechender Geruch von purem Ärger. »Ich meine, die warten doch alle auf dich, oder? Ich verschwinde einfach und wir vergessen das Ganze, okay?« Er sagte gar nichts, sondern sah mich nur mit seinem kühlen, ausdruckslosen Gesichtsausdruck an.

»So willst du’s also damit halten, Süßarsch?«

»Ich bin nicht dein Süßarsch«, blaffte ich und kniff wütend die Augen zusammen. Ich hasste es, mit solchen Ausdrücken bezeichnet zu werden. Gary hatte das immer getan. Warum nannten sie mich bloß die ganze Zeit so?

Zur Hölle mit ihm und mit Gary sowieso.

Männer!

»Hau ab«, sagte ich und starrte ihn an.

Horse stieß ein bellendes Gelächter aus, das die Stille abrupt durchbrach und mich in die Realität zurückholte. Er umschlang meine Taille und zog mich an sich, sodass mein Unterleib sofort an etwas stieß, was eine ansehnliche Erektion sein musste.

Er bewegte seine Hüfte an meiner entlang und schob sie langsam nach oben über meine Klit. Es ist mir peinlich, aber ich muss zugeben, dass ich auf der Stelle ein feuchtes Höschen bekam, statt ihm in die Eier zu treten, wie jede vernünftige Frau es getan hätte. Er beugte sich zu mir. Ich hielt den Atem an und wartete darauf, dass er mich küssen würde. Stattdessen flüsterte er mir ins Ohr:

»Hübscher Hintern. Süßarsch.«

Sein Ton gefiel mir nicht, also biss ich ihm ins Ohr, und zwar fest.

Er sprang zurück und ich fragte mich, ob er mich nun umbringen würde. Stattdessen fing er an, herzhaft zu lachen. Ich machte ein finsteres Gesicht, und er hielt die Arme hoch als Zeichen, dass er kapitulierte.

»Ich hab’s kapiert, Hände weg«, sagte er und schüttelte amüsiert den Kopf. »Mach es so, wie du es für richtig hältst. Und du hast recht: Wir haben etwas Geschäftliches zu besprechen. Fahr eine Stunde herum, das sollte reichen.«

Ich glitt vom Tisch und huschte um ihn herum. Er folgte mir zu meinem Auto. Ich öffnete die Wagentür und war schon fast eingestiegen, als mich dieser dumme Anflug von Neugier überkam, der mir schon mein ganzes Leben lang Ärger einbrachte und meinen Selbsterhaltungstrieb erstickte. Ich hielt inne und sah ihn über das Autodach hinweg an.

»Horse ist doch nicht dein richtiger Name, oder?« Er lächelte. Seine weißen Zähne blitzten in der Dunkelheit wie die eines Wolfes.

»Straßenname«, erwiderte er und lehnte sich aufs Autodach. »So funktioniert das in meiner Welt. Die Spießbürger haben Namen, wir haben Straßennamen.«

»Was bedeutet das?«

»Du kriegst sie, wenn du mit dem Motorradfahren anfängst«, sagte er beiläufig. »Sie können alles Mögliche bedeuten. Picnic hat seinen Namen weg, weil er total aufwendig ein beschissenes Picknick für eine Schlampe geplant hat. Sie hat sein Essen gefuttert und seinen Alkohol getrunken. Dann hat sie ihren idiotischen Freund angerufen, damit er kommt und sie abholt, während Picnic pinkeln war.«

Ich verzog bei seiner Derbheit das Gesicht und versuchte das Ganze zu kapieren.

»Das ist ja sehr … unerfreulich. Warum sollte er sich daran erinnern wollen?«

»Weil Picnic diesen idiotischen Freund, als der auftauchte, mit dem Kopf auf einen Picknicktisch geschmettert hat.«

Ich holte tief Atem. Das klang gar nicht gut. Ich wollte fragen, ob der Mann die Geschichte überlebt hatte, beschloss aber, dass ich die Antwort lieber nicht hören wollte.

»Und Max?«

»Wenn er trinkt, werden seine Augen manchmal ganz groß, und er sieht völlig verrückt aus, genau wie Mad Max aus dem Film.«

»Ach so«, sagte ich und dachte über den Mann nach. Er sah tatsächlich ein bisschen aus wie Mad Max… es war sicher besser, ihn nicht in betrunkenem Zustand zu sehen.

Die Stille hing schwer zwischen uns.

»Und, willst du’s nicht fragen?«

Ich schaute ihn genau an und kniff die Augen zusammen. Ich hatte ein schlechtes Gefühl bei der Sache, aber die Worte spudelten mir einfach aus dem Mund, völlig außerhalb meiner Kontrolle.

»Und warum heißt du Horse?«

»Weil ich ausgestattet bin wie ein Pferd«, antwortete er grinsend.

Ich ließ mich in den Autositz fallen und schlug die Tür zu. Durch das offene Fenster hörte ich ihn lachen, während ich mit quietschenden Reifen die Einfahrt entlangschoss.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!