Sebastian – Ferien im Kanzleramt - Michael Ziegelwagner - E-Book

Sebastian – Ferien im Kanzleramt E-Book

Michael Ziegelwagner

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Beschreibung

Das Schuljahr beginnt! Sebastian ist neu in der Klasse, startet aber gleich voll durch. Mit seinen zwei besten Freunden will er viel verändern, alte Schulstrukturen hinter sich lassen und das Lehrpersonal in eine erfolgreiche Zukunft führen. Michael Ziegelwagner verbindet Enid Blyton mit österreichischer Realpolitik. Aber: Droht am Ende doch Zoff mit den Lehrern? Ein ganz normales Schuljahr auf Schloss Ballhausplatz – mit Mutproben, ersten Küssen, neoliberalen Lausbubenstreichen und Lehrern am Rande des Nervenzusammenbruchs. Und alles tuschelt über Sebastian, den neuen Schüler: Kann der freche brave "Streber" wirklich Schulsprecher werden? Wird er das Internat komplett umkrempeln, das Gebäude neu streichen lassen, alle Fluchtwege schließen und die neugierigen Fragen der Lehrer unbeantwortet lassen? Oder muss er bald seine gesamten Ferien strafweise im Internat verbringen? Klar ist: Es wird nicht leicht für Sebastian und seine zwei allerbesten Freunde. Aber wenn alles gut ausgeht, dann gibt es am Ende hitzefrei … Alle kleinen und großen Leser werden Sebastian die Daumen halten!

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Michael Ziegelwagner

SEBASTIAN

FERIEN IM KANZLERAMT

Roman

INHALT

Ein Junge namens Niemand

So ein Wirbel!

Freundschaft – und mehr …?

Sebastian hat den Bogen raus!

Mit Gernot ist ein Staat zu machen!

Klassensprecher Sebastian?!

Auch Professor Koffner war mal jung

Die Mutprobe

Erstens kommt es anders …

Doktor Samstag bringt die Welt in Ordnung

Hegemonialkämpfe

Hurra, hurra, die Penne (arrabiata) brennt (an)

Sebastian am Ziel

Eine tolle Idee!

Lampenfieber

Eine umheimliche Begegnung

Sebastian ist der Allergeilste!

Sebastian wird das Kind schon schaukeln!

Dolly war überglücklich. Sprecherin der vierten Klasse! Sie hatte immer gewünscht, einmal ein solches Amt zu bekommen. Zum ersten Mal hatte sie nun die Chance, und sie wollte die beste Sprecherin werden, die die Klasse je gehabt hatte!

Enid Blyton, »Klassensprecherin Dolly«

Man muss das Triviale benutzen, um das Erhabene auszudrücken: das ist die wahre Kunst.

Jean-François Millet

Ich sage das ganz bewusst.

Sebastian Kurz

Ein Junge namens Niemand

Malerisch räkelte sich das große, schlossähnliche Gebäude im Morgendunst. Mit großen, unsichtbaren Händen zupfte der Herbstwind die Wolken in handliche Portionen und räumte sie von links nach rechts. Die Luft roch nach Schulbeginn und Kreidestaub und Haargel.

Vor dem Schloss stand ein schlaksiger Junge, stützte sich auf seinen Trolley und staunte.

Das war sie also, dachte er: seine neue Heimat. Was für ein prächtiger Bau! Der Junge legte den Kopf in den Nacken: Gleich vier Türme erhoben sich hoch in die Luft hinauf, mit flatternden Flaggen. Und seine Augen leuchteten bei dem Gedanken, dass er bald in einem dieser vier Türme wohnen werde. Von dort oben, dachte er, war der Blick bestimmt herrlich! Wie überlegen musste man sich fühlen, wenn man von dort aus auf die übrige Welt heruntersah! Und was für ein vornehmes Stück Architektur das Ganze überhaupt war, ein richtiges ehrwürdiges Palais, wahrscheinlich aus dem Palaisozän: barock verziert mit Giebeln, Stuck und Speckstein, mit Simsen und Pilastern und vergitterten Segmentfenstern, herabzwinkernden Ochsenaugen und Konvexbögen und Spiegelgewölben und Kartuschen aus dem 17. Jahrhundert; wirklich sehr beeindruckend, dachte der Junge mit Kennermiene und wischte die vielen Informationen, die er auf seinem Smartphone darüber gefunden hatte, beiseite.

Aber auch der Park konnte sich sehen lassen. In der Allee aus Lindenbäumen konnte man bestimmt prima Wettlaufen spielen, »Räuber und Gendarm« oder Auf- und Abwandeln und Abzählreime auswendig lernen. Die Ecke unter der Regenrinne bei den Mistkübeln – sah sie nicht genauso aus, als würden dort die schlimmen Schüler heimlich ihre Zigaretten rauchen? Und dort oben, hinter den breiten, spiegelnden Fenstern, dort fanden bestimmt die Abschlussprüfungen statt! Gewiss würde dort Blut und Wasser geschwitzt, hoho, würden die Dummen von den Tüchtigen geschieden, wie es sein sollte, und mancher Taugenichts mit Bomben und Trompeten durchfallen! Der Junge freute sich und fühlte sein Herz erwartungsvoll pochen, als säße er selbst bereits vor der Prüfungskommission, und heldenmütige Schauer brandeten ihm über den Rücken.

Das war es also: Schloss Ballhausplatz. Sein neues Zuhause. Viele große Männer haben hier fürs Leben gelernt, dachte er. Sie sind durchs Schultor hineingegangen, so wie ich jetzt, jung und unschuldig, und wenige Jahre später wieder herausgekommen: ernst, erwachsen, bis über beide Ohren vollgepfropft mit nützlichem Wissen und Kompetenzen und jeder Menge Connections … Oh, er wollte sich fleißig Mühe geben! Und dann gleich ein Studium absolvieren und hinterher eine Eigentumswohnung, mit einem Planschbecken davor, als Wertanlage. Das war er seinen armen Eltern schuldig.

Ja – die Eltern. Der Junge zog den Anorak enger um den Brustkorb, in dem es plötzlich ähnlich herbst-, nein, herzbewegend stürmte wie draußen im Freien. Vor ihm lag die neue Heimat – auf unbegrenzte Zeit … Ach, und er war doch niemals länger als zwei Wochen fortgewesen! Sein Herz bäumte sich auf, als ihm die liebe Wohnung einfiel, in der sein Vater jetzt in der Eckbank hockte, bieder, die Pfeife im Gesicht, und seinen Sohn vermisste; und die Mutter daneben, wie sie eine Hand auf der Schulter vom Vater hatte, die Tränen unterdrückte und dabei eine Strumpfhose strickte oder eine Wollhaube, irgendwas Warmes jedenfalls, um es dem Jungen ins Internat nachzuschicken – ja, einhändig, die Mutter konnte das, die Mutter konnte alles …! Ade, du liebe Wohnung, dachte er jetzt mit Herzquietschen und wischte sich eine Träne von der Nasenspitze; fahr hin, du Kinderzeit, macht’s gut, ihr Eltern mein! Ade! Ihr sollt es einmal besser haben als ich. Und es kam ihm vor, als ob es gestern gewesen sei, dass er Abschied genommen hatte; dabei waren es erst fünfzehn Minuten. So schnell war die U-Bahn in Wien.

Ein Räuspern riss ihn aus seinen Gedanken. Er fuhr herum.

»Na, junger Herr? Gedenken junger Herr näherzutreten?«

Der kleine graue Mann mit dem Käppi, der neben dem Schultor auf der Gartenbank kauerte – war der die ganze Zeit schon dagewesen? Der Junge wurde rot. Wie peinlich! Da hatte ihm jemand beim Weinen zugesehen – und noch dazu so ein seltsamer kleiner, höchstwahrscheinlich auch schmutziger und etwas kranker Mann! Klar, das würde wieder gegen ihn verwendet werden, »Verweichlichter Musterschüler im Tränenrausch« oder so, er sah die Schlagzeile schon vor sich – genau wie auf seiner alten Schule, aus der er wegen seiner Nachdenklichkeit, seines großen Herzens für Tiere und seiner leichten Rührbarkeit hinausgemobbt worden war …

Oder war es diesmal anders?

Der Junge rubbelte seine Augen.

Wie ein Schülerzeitungsredakteur sah der Zwerg nämlich eher nicht aus.

Eben stemmte er sich hoch, schwer atmend und eifrig. Dabei zog er das Käppi herunter und hielt es sich vor den Bauch, wobei ihm mehrere beflissene Geräusche entwichen, »Ah« und »So« und »Hm«, um sein Aufstehen akustisch einzurahmen. Nein, begriff der Junge langsam, das war kein Feind. Das war bestimmt kein Redakteur oder sonst ein Intrigant, dafür war der fremde Mann viel zu alt und zu harmlos und auch zu klein mit seiner runden Brille und dem freundlichen Kuckucksgesicht … Das war niemand, dachte der Junge, höchstens der Hausmeister oder sonst jemand vom Personal. Und er verneigte sich.

»Guten Morgen, freundlicher Proletarier«, sagte er. »Könnten Sie mir wohl sagen, wie ich in den zweiten Stock komme? Zur Oberprima?«

Streng genommen hätte er dafür keine Anleitung gebraucht; hinter der Schultür würde gewiss ein Stiegenhaus auf ihn warten, und wie man Stiegen benutzte und Stockwerke abzählte, das hatte er gelernt. Aber – da war etwas in ihm, das Menschen immer einbinden wollte. Ein Herzensdrang, ein Wille, sich bei anderen zu versichern, dass sein Weg der richtige war. Und außerdem konnte man einfachen Menschen eine einfache Freude machen, indem man ihnen einfache Fragen stellte.

Im Alten begann es zu denken. »Die Oberprima?«, brummte er und streichelte sein Käppi. »Freilich. Wenn junger Herr eintreten, werden junger Herr gleich eine große Anzahl Stufen sehen. Wenn junger Herr sich diese hinaufzubequemen geruhen, über zwei Stockwerke«, er trat zutraulich näher, und der Junge wich lächelnd zurück und begann, durch den Mund zu atmen, »dann ist der Klassenraum gar nicht zu verfehlen. Zwei Stockwerke. Junger Herr sind bestimmt, nun …«, er wrang nach Worten und zugleich das Käppi zwischen seinen Händen, »… sind gewiss der Neue, von dem man schon so viel gehört hat?«

Der Junge verbeugte sich. »Nur das Beste, hoffe ich.«

»Auf Schloss Ballhausplatz kommen ohnehin nur die Besten«, sagte der Hausmeister freundlich. Er schob seine Kopfbedeckung wieder dorthin, wo sie hingehörte, und der Junge sah eine kleine Feder daran wackeln. Artig verbeugte er sich ein drittes Mal. Als er sich wieder aufgerichtet hatte, war der Kleine mit dem Käppi verschwunden.

Was für eine merkwürdige Erscheinung.

Davon musste er unbedingt seinen Eltern erzählen.

Seinen Eltern …

Noch einmal drehte er sich um und warf einen letzten Blick zurück auf den U-Bahn-Aufgang. Wo war er stehen geblieben? Richtig, beim Hadern und Abschiednehmen. Also: Noch war es nicht zu spät, umzukehren! Zurück zu den Eltern, die er vielleicht niemals, niemals wiedersehen würde! Da war die Rolltreppe, die ihn heraufgetragen hatte und ihm jetzt traulich zuratterte und -murmelte … Er klaubte sich eine zweite Träne aus dem Gesicht: Wer konnte wissen, wie lange sein Bildungsweg werden würde und wie steinig? Wie alt die beiden Alten, wenn er wiederkehrte? Wiederkehrte als Stütze der Gesellschaft zweifellos, respektiert, akademisch geprüft, liquide, und sie aber weiterhin die unterprivilegierten armen Schluckspechte; er elegant, weltgewandt, sprachgewandt, im Markengewand, und sie stur unverändert die schlichten, primitiven Dummköpfe, die kein bisschen berühmt waren und ihren einzigen Sohn mit Disziplin, Eckestehen und fetter Mehlsuppe aufgezogen hatten, weil sie es nicht besser wussten noch wissen wollten – was sie aber bald bitter bereuen würden, ha! Denn wer war er denn, sie dann immer noch zu besuchen? Wer würde er sein, an die zwei Grobiane in ihrem schäbigen Knusperhäuschen auch nur einen Gedanken zu verschwenden? Sich vielleicht noch die Hosenbeine zu beschmutzen an dem Dreck und Kot, in dem sie hausten? Und recht geschah ihnen damit, dachte er grimmig, hundertprozentig recht, sollten sie doch verschimmeln, die beiden Plagegeister – mich aber, den hoffnungsvollen Knaben Sebastian, mich trägt die neue Zeit! Und er packte wutentschlossen seinen Trolley und stapfte auf die Schule zu.

So ein Wirbel!

Das Klassenzimmer der Oberprima brodelte wie ein Stromkasten voller Bienen. Drei Sachen waren gleichzeitig passiert:

A.) hatte schon wieder der dicke Harald dem kunstsinnigen Gernot das Jausenbrot fortgefressen. »Ich kann doch nichts dafür«, ächzte es aus dem Schwergewicht, »das ist sozial bedingt, meine Eltern können sich einfach kein Magenband für mich leisten!« Typisch Harald – nie um eine Ausrede verlegen! Aber das nützte ihm gar nichts, denn auf seinem Rücken hatte der wütende Gernot Platz genommen und würgte ihn mit seinem typischen Künstlerschal. Hören und Sehen vergingen dem Dicken dabei! So hatte er es sich nun wahrlich nicht vorgestellt, den Hals »vollzukriegen« …

B.) trieben die drei Klassenrowdys Herbert, Norbert und Rohbert ihr böses Spiel mit Efgani. Der Türkenknabe nämlich hatte statt einer Wurst- oder Leberkäsesemmel von seiner Mutter wieder einmal nur Dönerabfälle mitbekommen. Na, wenn das nicht den Spott der drei bösen Berte auf den Plan gerufen hätte, wär’s sehr untypisch gewesen! »Hamm-hamm, mjam-mjam, Lamm ist nicht haram-ram!«, keckerten sie gemein. Dabei umtanzten sie Efgani und machten islamische Bet-Bewegungen in seine Richtung …

Drittens aber war C.) der patenten Elisabeth mal wieder der Kragen geplatzt, weil sie fand, dass die schüchterne Kira, die seit Neuestem im Rollstuhl saß, das Quotensystem der Schule missbrauchte: »Pfui, wie hässlich von dir!«, empörte sie sich. »Du weißt genau, dass unsere Anstalt Platz für drei Mädchen pro Klasse bereithält, aber nur für einen Rollstuhlfahrer! -fahrer, wohlgemerkt, nicht -fahrerin! Aber als wäre der feinen Dame ihr Vagina-Bonus nicht schon Absicherung genug, fährt sie jetzt zweigleisig, spielt die Rollstuhlkarte und nimmt damit einem armen männlichen Behinderten den Platz weg – na, mir langt’s jetzt, Leute, das ist doch pervers, wir müssen endlich loskommen von diesem verkrampften Quotendenken! Wenn man früher als Mädchen aufs Gymnasion gewollt hat, hat man sich einfach als Junge verkleidet, und hat es uns geschadet? Von wegen! Ein herrlicher Spaß war das! Allein die Verwirrungen beim Duschunterricht! Aber heute, in dieser Meinungsdiktatur der Selbstmitleidigen, geht alles den Fluss runter! Stimmt’s, Mädels? Stimmt’s?«

Natürlich erhielt Elisabeth darauf keine Antwort – von welchem Mädel auch? Von der schüchternen Kira etwa? Die saß in ihrem Rollstuhl und schaute auf ihre Knie, und alles, was man mit viel gutem Willen aus ihr heraushören konnte, war das dahingegrummelte Fragment: »… lieber körperbehindert als geistig beschränkt …«

Na, das war ja wieder mal was! Alle Wetter! Das war ja mal wieder typisch für alle, oder genauer gesagt: Jedes Verhalten von jedem Einzelnen war wieder mal typisch für den Betreffenden! Und in Summe herrschte dadurch also ein Höllenlärm, ein Hexensabbat, ein Veitstanz und Riesenwirbel, als der neue Schüler Sebastian seine Nasenspitze zum ersten Mal durch den Türrahmen steckte und gleich dachte: O je! Wie soll jemand diesen riesigen Kuddelmuddel nur bändigen?

Aber da hatte er die Rechnung ohne den Rechenlehrer gemacht! Genauer gesagt, ohne Professor Rudolf Koffner. Wie ein Rechenengel oder Racheengel stand dieser nämlich plötzlich hinter Sebastian in der Tür, brüllte »Ruhe, Ruhe!« und stieß den neuen Schüler zur Seite: »Ihr Malefizbengel, ihr! Ihr Lausekerle! Ihr Produkte von Pubertät und Übermut, ihr Quotienten aus Bildungsmisere durch Verlotterung! Das ist ja wieder mal typisch für jeden Einzelnen von euch, sich genau so zu verhalten, wie es typisch für ihn ist! Na wartet …«

Und jetzt brach die irdische Gerechtigkeit los! Denn jetzt begann Professor Koffner aufzuräumen, dass es nur so staubte: streng, aber gerecht! Dafür war er schließlich da, und dafür war er bekannt. Sebastian musste unwillkürlich an den alten Kinderreim denken:

Ach, was hört man oft von blöden

Schülern blöken oder reden,

wie zum Beispiel hier von diesen,

welche Oberprima hießen.

Frech sind sie und keck und bös,

und ihr Lärm und ihr Getös

macht den Lehrern mächtig Stress.

Dabei gilt doch Folgendes:

Nicht allein das Einmaleins

ist was Schönes und was Fein’s,

nein: Auch Sitten und Manieren

sind es, die den Menschen zieren.

Damit dies in Ordnung war,

war Professor Koffner da.

Nun war dieser brave Lehrer

von dem Zücht’gen ein Verehrer,

was man einem alten Mann

hin und wieder, dann und wann,

in des Alltags Müh und Plag

herzlich gerne gönnen mag.

Ei! Wie flogen da die Fetzen

zu der Schülerschar Entsetzen:

Patsch und Klatsch! So lernt man zählen,

und die Sittlichkeit zu stählen.

Bauz! Da fackelt man nicht lange:

Bumsti! Faust begegnet Wange.

Und schon fliegt das Tintenfass

läuternd durch die ganze Klass,

dass die Striemen, Schrammen, Schmisse,

Beulen, Dellen, Risse, Bisse,

Kratzer, Patscher, Watschenspuren,

Wunden, Blasen und Blessuren

niemals ganz zum Heilen kommen.

Dieses tat dem Koffner frommen,

weil er wusste: Nur Vertrimmen

impft das Bravsein in die Schlimmen,

und der Schlimme kann erbraven

nur durch Strafen, Strafen, Strafen …

… na, und wie das Professor Koffner »frommte«! Puh! Und mit welcher Präzision der strenge Mathematiker zu Werke ging! Sebastian konnte es eigenäugig mitansehen:

Wie als erstes dem dicken Harald eine Backpfeife verabreicht wurde, dass ihm der dünne Gernot in hohem Bogen vom Rücken flog: die Lösung von Problem A.); hernach Rollstuhl-Kira mit einem beherzten Tritt in eine Ecke des Raumes befördert ward, möglichst weit weg von der patenten Elisabeth – Problem B.) war damit ebenfalls ausdifferenziert –; und auch die drei bösen Berte ihr gerechtes Fett abbekamen und von Koffner mit Fausthieben in ihre Bänke getrieben wurden, wo sie sich maulend duckten und begannen, Runen in die Schreibplatten zu schnitzen. Danach war aber immer noch genug Energie im Professor, um sich Efgani vorzunehmen – und, eieiei!, der arme Türkenteufel kriegte es hageldicht. Für ihn krempelte Koffner die Ärmel noch einmal extraweit auf, was aber freilich nur fair zuging, weil der Schlingel doch qua Herkunft schließlich viel mehr gewohnt war als die anderen Kinder – und demgemäß auch um einiges mehr vertrug …

Jetzt begann Professor Koffner aufzuräumen, dass es nur so staubte!

Und zwar um ungefähr dreißig Prozent mehr, schätzte Sebastian, der sich die Prozedur genau anhörte. Sehen konnte er nichts, denn er hatte seine Augen hinter der rechten Hand versteckt – was für unschöne Bilder! – und er blinzelte erst heraus, als das Klatschen und Jaulen allmählich verhallte. Da stand Professor Koffner und schüttelte seine Arme aus. Fast war es geschafft. Nur die Unruhestifter Elisabeth und Gernot fehlten ihm noch.

»Elisabeth und Gernot!«, rief Koffner und krempelte die Ärmel wieder lang. »Von euch beiden hätte ich solch ein Verhalten nicht erwartet. Ich bin sehr enttäuscht! Zur Strafe seid ihr heute den ganzen Tag vom Tafeldienst suspendiert. Kira!«, entschied er nach kurzem Nachdenken. »Du springst ein. Los! Flugs nach vorne gerollt und alles blank gewischt!«

Und Kira gab sich redlich Mühe. Sie putzte wirklich fleißig, aber natürlich erwischte sie nur die untere Hälfte der Tafel. Professor Koffner sah sich das eine Weile vom Lehrertisch aus an, dann schickte er das Mädchen wieder auf seinen Platz zurück. »Na, genug, das wird reichen. Wir haben durch eure Krawallmacherei ohnehin eine Menge Zeit verloren. Und unser Unterrichtsstoff wartet nicht!« Er ließ seinen Blick noch einmal durch die Klasse wandern und blieb an Sebastian hängen, der immer noch im Türrahmen stand. »Du!«, rief er fingerschnipsend. »Wer bist du?«

Sebastian schluckte. »Ich bin der Neue.«