Second Ghost - Imilia Summer - E-Book
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Second Ghost E-Book

Imilia Summer

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Beschreibung

Nachdem Malia ihrem Rudel den Rücken kehrt, findet sie Zuflucht in einer der letzten Städte der Menschheit. Geschickt verbirgt sie ihre wahre Natur und führt ein Leben inmitten der Hunter. Ihre Welt gerät ins Wanken, als ein Angriff auf ihr altes Rudel Opfer fordert. Die Angst um jene, die sie liebt, treibt sie zurück in die Fänge des Mörders ihrer Eltern. Neue Bündnisse entstehen, als ein totgeglaubter Widersacher aus dem Schatten tritt. Die Ereignisse überschlagen sich und Malia wird Teil eines Spiels ohne Regeln. Kann sie jene schützen, die ihr die Welt bedeuten? Oder reißen sie die Wogen des Wahnsinns in den tödlichen Abgrund?

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Inhaltswarnung

Körperliche Gewalt

Seelische Gewalt

Sexualisierte Gewalt

Krieg

Tod

Trauer

Psychische Erkrankungen

WREADERS EBOOK

Band 239

Dieser Titel ist auch als Taschenbuch erschienen

Copyright © 2024 by Wreaders Verlag, Sassenberg

Verlagsleitung: Lena Weinert

Umschlaggestaltung: Ines Winter (unter Verwendung von Motiven von Adobe Stock: © klayksun © MdLothfor © AGSTRONAUT)

Illustrationen: Jasmin Kreilmann

Lektorat: Alina Schunk, Nyura Sheva

Satz: Ryvie Fux

www.wreaders.de

Für Isabel, weil ich ohne dich und deine Unterstützung wohl beinahe aufgegeben und diese Geschichte zurück in die Schublade gesteckt hätte, aus der sie gekrochen kam.

Danke.

Chronologie von Hass und Neid

Seit Anbeginn ihrer gemeinsamen Existenz herrschte ein erbarmungsloser Kampf zwischen der Menschheit und den Gestaltwandlern. Die eine Rasse war mit Magie geboren und die andere, die in deren Schatten lebte und um jeden Funken Magie kämpften. Seit Anbeginn der Zeit gab es diesen Disput zwischen den beiden Rassen. Ein immerwährender, schwelender Konflikt. Unterbrochen durch kurze Phasen eines fadenscheinigen Friedens zog sich dieser Krieg durch alle Epochen der Vergangenheit. Im Laufe der Zeit verloren die Menschen ihren Bezug und ihren Glauben an die ureigene Magie der Erde. Im Laufe der Zeit entwickelten einige der Menschen seltene Fähigkeiten, die sie nutzten, um jene zu jagen, die in Magie gehüllt lebten. Diese Jäger führten einen gnadenlosen Kampf gegen die Wandler und mit jeder neuen Generation wurde ihre Zahl größer. Während die Wandler um das Leben jedes einzelnen Kindes bangten, aus Angst sie an den geistigen Verfall zu verlieren, vermehrten sich die Jäger der Menschen wie die Heuschrecken. Sie formierten sich zu einer gnadenlosen Streitmacht – den Huntern.

Angesichts der natürlichen Macht der Hautwechsler, des gesegneten langen Lebens und des scheinbaren Reichtums der Rudel, wuchs mit jeder weiteren Generation der Neid unter den Menschen. Während sie unter Seuchen, Missgunst und Krieg litt, schufen die Hautwechsler eine Gesellschaft des Wohlstandes. Die Magie in ihrem Blut schenkte ihnen ein langes Leben – solange sie ihr nicht entsagten und sich wandelten. Einzig und allein der degenerative Verfall, ein Wahnsinn einer Krankheit gleich, bedrohte ihre Art.

Lange wurden diese Kämpfe im Verborgenen gefochten. Unter dem Deckmantel von Religion, Reichtum und Reinheit starben Abertausende auf beiden Seiten. Waren die Kräfte einst ausgewogen, gerieten sie im Laufe der Zeit in ein Ungleichgewicht. Je mehr sich die menschliche Rasse entwickelte, desto gefährlicher und tödlicher wurden ihre Waffen für die Hautwechsler. Die schiere Zahl der Menschen zum Ende des 21. Jahrhunderts der alten Zeitrechnung machte es den Gestaltwandlern nahezu unmöglich, sich weiterhin in den Schatten zu verbergen. Die Hunter drängten sie immer weiter in das Licht und schürten so die Angst vor dem Unbekannten. Jene globale Hetzjagd fand in einem allumfassenden Feuersturm ihren Gipfel, ausgelöst durch die leichtfertige Nutzung der Atomwaffen. Als die letzten Flammen erloschen und der verseuchte Regen das übrige Land vergiftete, war das Ausmaß der Zerstörung kaum vorstellbar. Erneut forderte der Hass der Hunter auch unzählige unschuldige Opfer unter den Menschen. Dieses Mal erholte sich die menschliche Rasse nur schwer von den Folgen des letzten Angriffs der Hunter.

Die Natur erholte sich rasch von den Schrecken dieser schicksalhaften Nacht. Befreit von der erdrückenden Last der Menschheit erblühte die alte Magie der Welt. All jene, die die Verbindung zu diesem Zauber nicht verloren hatten, erhoben sich wie ein Phönix aus der Asche. Dichte Wälder überzogen bald die Kontinente, verschlangen einstige Metropolen. Weite Graslandschaften und fruchtbare Erde bedeckten einst verdorrte Landstriche. Das Wasser der Flüsse und Seen war rein, wie seit Jahrhunderten nicht mehr. Längst vergessene Arten bevölkerten die zurückgewonnenen Lebensräume. Während die Wandler ihr neues Leben im Licht genossen, verkümmerten die letzten Überlebenden der menschlichen Rasse. Zurückgezogen in den Überbleibseln ihrer einst schillernden Städte, versteckt unter Kuppeln aus Glas und Stahl, starben sie an Hunger. Vom Elend gezwungen, suchten selbst die Hunter Rat bei den Hautwechslern. Mit ihrer Hilfe gelang es den Menschen, etwas Neues zu erschaffen. Geführt von den Gestaltwandlern fanden sie einen neuen Zugang zu jener Magie dieser Welt.

Der Zeit des Hungers folgte eine Periode des Wohlstandes und des Friedens. Doch mit dem Reichtum gerieten die Lehren der Vergangenheit in Vergessenheit. Es brauchte nur wenige Generationen und aus Wohlwollen und Dankbarkeit wurde Neid und Gier. Diese Gier schürte erneut den Hass auf jene außerhalb der Mauern. Die Städte füllten sich, wuchsen weiter und mit jedem neuen Gebäude verschwand ein Stück Natur. Sie verloren den Zugang zur Magie dieser Welt erneut.

Die Wandler lebten in bescheidenen Gemeinschaften abseits der zerstörten Städte. Im Einklang mit der Natur und ihrer Magie erschufen sie eine andere Welt. Aus Überlebenden wurden Überlebenskünstler, die ganz ohne die Technik der Menschen eine neue Epoche schufen. Geprägt von Frieden und Wohlstand nahmen einige dieser Gruppen auch Menschen in ihre Mitte auf. Die Gesellschaft der Hautwechsler wuchs zu nie dagewesenem Glanz und die Handelsbeziehungen und Friedensabkommen erstreckten sich über den gesamten Planeten. Dank ihrer eigenen Technologie festigten sie ihren Wohlstand und waren schon bald die herrschende Rasse.

Aber nicht alle magischen Geschöpfe genossen den Schutz eines Rudels. Ausgestoßene, Fahnenflüchtige oder Verräter lebten abseits der sicheren Gemeinschaften. Während die einen ziellos durch die Reviere streiften, immer auf der Hut, immer auf der Flucht, versteckten sich andere in den Städten der Menschen. In den Städten bei den Menschen zu leben, bedeutete für die Wandler, sich zu verstecken. Während die einen ihrer Art sich unter die zivile Bevölkerung mischten, gab es jene, die sich zwischen den Huntern selbst versteckten. Diese Wandler besaßen ein hohes Maß an Selbstdisziplin. So schafften sie es, ihre wahre Natur von den Blicken der Jäger zu verbergen.

Kapitel 1

Um diese späte Uhrzeit war es still in den Gängen des Hauptquartiers. Vereinzelt waren noch einige Hunter auf den Beinen oder brachen zu nächtlichen Missionen auf. Teil des Hauptsitzes des nordamerikanischen Kontinents war die Akademie der Hunter. Hier bildeten sie ihren Nachwuchs aus. Das hektische Treiben, das der reguläre Schulbetrieb mit sich brachte, ließ bis zum Morgengrauen auf sich warten. Die junge Huntress hielt auf dem Weg zu ihrem Zimmer am Fenster des Treppenaufgangs inne und ließ ihren Blick gedankenverloren über die Stadt schweifen. Der untere Teil des alten Gebäudekomplexes stammte aus der Zeit vor dem großen Feuersturm. Im restlichen Teil des Hauptquartiers der Hunter hatte die Moderne Einzug gehalten. In den oberen Stockwerken beherrschten Stahl und Glas das Erscheinungsbild. Die gläsernen Flächen gaben den Blick auf die Stadt der Menschen frei. Wie Ameisen drängten sie sich über den Tag durch die Straßen und Gassen. Der Schein trügte. War hier im Stadtkern, rings um das imposante Hauptgebäude des Hunterverbandes, alles gepflegt, so versanken die Randbezirke in Dreck, Armut und Elend. Zu viele hungrige Mäuler drängten sich in den weniger betuchten Vierteln der Stadt. Müde rieb sich die Huntress die Stirn, als sich die Flügeltüren fast lautlos hinter ihr schlossen. In den letzten Wochen fiel es ihr zunehmend schwerer. Mit jeder Injektion musste sie die Dosis des Antigens erhöhen. Die Folgen konnte sie nicht länger leugnen. Das jahrelange Versteckspiel forderte seinen Tribut. Das Tier in ihr, ihr zweiter Geist, war ruhelos und wurde mit jedem Tag gereizter. Sie sehnte sich nach der reinen Luft und die dichten Wälder ihrer Kindheit. Der Katze fehlte vor allem die Jagd. Zu lange hatte sie die Haut nicht mehr gewechselt. War nicht mehr durch die sternenklare Nacht gehetzt und hat frisches Blut geschmeckt. Sie vermisste das nasse Gras unter ihren Pranken ebenso wie den Duft eines warmen Sommerregens. Alles, was ihre hochsensible Nase innerhalb der Stadtmauern roch, war der Gestank einer sterbenden Zivilisation. Die Hinterlassenschaften der Menschen verunreinigten das Wasser und verpesteten die Luft. Innerhalb dieser meterhohen Mauern schien es nie wirklich Nacht zu werden. Die Flutlichtwerfer, die auf den Dächern der Stadt verteilt waren, zuckten scheinbar zufällig über die Häuserschluchten.

Die braunhaarige Huntresserwachte aus ihrer Starre und schüttelte den Gedanken ab. Selbst nach all den Jahren unter den Menschen war das zarte Kribbeln auf der Haut, das kaum hörbare Knistern im Wind, für sie immer noch greifbar. Selbst hier. Im Herzen der Stadt war die Magie für Malia spürbar. An Tagen wie diesen erinnerte sie dieses Gefühl an ihre Natur. Es ließ den Keim der Sehnsucht weiter wachsen. Sehnsucht nach einem Zuhause, das sie nie wieder gefunden hatte. Kurz fiel ihr Blick auf ihr verschwommenes Spiegelbild im Fensterglas. Die langen Haare waren streng zusammengebunden, nur ein paar Strähnen hingen ihr in das bleiche Gesicht. Sie hatten sich im Laufe des Tages aus dem Dutt gelöst. Die einst strahlenden, braunen Augen blickten ihr stumpf entgegen. Sie sah kränklich aus. Die Wangen waren eingefallen, die Haut ergraut und dunkle Schatten lagen unter den Augen. Die adrette Uniform mit dem mitternachtsblauen Blazer und dem kurzen Faltenrock komplettierte das Trugbild der Huntress.

Der Rock endete eine Handbreit über dem Knie und war damit nicht für eine Jagd geeignet. Doch Frauen wie sie waren kein Teil der aktiven Hunter. Sie bildeten den Nachwuchs aus, saßen in den Büros und führten die Archive. Das strahlendweiße Hemd und die schwarzen, kniehohen Absatzstiefel waren ebenfalls wenig für eine blutige Hetzjagd geeignet. Frauen waren die Zierde des Hunterverbandes. Sie wahrten das Bild der umsorgenden Beschützerinnen, während die Männer trinkend und pöbelnd durch die Gassen zogen. Längst fürchteten nicht nur die versteckten Wandler die Truppen des Verbandes. Selbst die Bewohner der äußeren Viertel litten unter den Eskapaden der Hunter. Jener Codex der alten Familien war schon lange in Vergessenheit geraten.

Die alte Turmuhr des Hauptgebäudes schlug zu voller Stunde. Der letzte der 4 Schläge hallte auf dem Innenhof und in den Straßen der Stadt wieder. In wenigen Stunden würde sie erneut vor den Schülern der Akademie stehen. Ihr Leben als Lehrkraft war angenehm leicht. Sie konnte die Trainingshallen nutzen, wann immer sie es wollte. Während ihrer eigenen Ausbildung war es ihr schwer gefallen, ihre Katze in Zaum zu halten. Immer wieder geriet sie in Situationen, in denen sie drohte, aus der Haut zu fahren. Insbesondere während des Nahkampftrainings fiel es ihr unsagbar schwer, ihre natürliche Stärke zu unterdrücken. Doch es war ihr gelungen und sie schaffte es, in den Lehrkörper aufgenommen zu werden. Sie löste den Blick von ihrem Spiegelbild und ging auf leisen Sohlen in Richtung der Unterkünfte. Sie versuchte, so wenig Zeit wie möglich in dem kleinen Raum zu verbringen. In den letzten Monaten fiel es ihr zunehmend schwerer, das Tier in ihr zu kontrollieren. Die notwendige Dosis des Antigens hatte längst die übliche Menge überschritten und die Intervalle wurden mit jeder Anwendung kürzer.

Die Schritte der Huntress hallten auf dem einsamen Innenhof wieder. Sie vermisste die nächtliche Ruhe der weiten Wälder. Selbst um diese Uhrzeit herrschte geschäftiges Treiben innerhalb der zerfallenen, gläsernen Kuppel. Für menschliche Ohren nur schwer hörbar, so war der ständige Lärm für die Wandler nur schwer zu ertragen, was einer der Gründe für ihre verschlechterte Selbstbeherrschung war. Seit einiger Zeit beschlich sie immer wieder dieses Gefühl. Als würde etwas in der Luft liegen und im Schatten lauern – bereit zum Angriff. Doch so schnell, wie diese Ahnung in ihre Glieder kroch, so schnell verschwand sie auch wieder. Wie eine seltene Duftnote im von Gerüchen überlagerten Wind der Stadt. Ein Windstoß fuhr durch den Innenhof und löste eine der Strähnen aus ihrem Dutt. Sanft tanzten die einzelnen Haare im Wind, während sie selbst zu Eis erstarrte. Die schützenden Gänge bereits im Blick, war sie unfähig, sich zu bewegen. Der Schmerz fuhr ihr bis in die Fingerspitzen. Eisige Klauen schlugen sich in ihr Herz und rissen daran. Mit einem Schlag wich die ganze Luft aus ihren Lungen. Sie rang nach Atem und geriet ins Schwanken. Nur wenige Meter. Sie musste in die Schatten. Niemand durfte sie sehen. Niemand durfte die Funken sehen, die um sie herum tanzten. Doch der Schmerz raubte ihr sämtliche Sinne. Mit einem stummen Schrei fasste sich die Wandlerin an die Kehle. Ihre Finger bohrten sich in die dünne Haut, rissen diese auf und Blut quoll hervor. Ihre Sicht verschwamm und weiße Flecken tanzten durch ihr Blickfeld. Die schwarzen Funken zogen sich über ihre Fingerspitzen, brannten sich ihren Weg die Arme hinauf. Erneut geriet sie ins Taumeln. Sie schwankte bedrohlich und drohte zu Boden zu stürzen. Das Funkenmeer, das einer Wandlung vorausging, wurde dichter. Ihre Katze fauchte tief in ihrem Inneren und schlug mit ausgefahrenen Krallen wild um sich. Sie riss an ihren Ketten, wollte hinaus. Sie wollte Blut sehen und war gleichermaßen krank vor Sorge.

Malik.

Ein einziger Name schoss durch ihren Kopf. Ihre Hände lösten sich von ihrem Hals. Während eine hilfesuchend ins Nichts griff, grub die andere sich in den Stoff ihrer Kleidung. Er starb, er stand bereits an der Schwelle. Sie konnte es überdeutlich spüren. Sein Licht flackerte nur noch schwach. Dieser Schmerz überstieg alles. Noch nie hatte sie einen solchen Schmerz verspürt. Nur verschwommen nahm sie jene Person wahr, die sich ihr näherte.

Alles war ihr gleich, alles war verloren.

Sie schnappte noch immer nach Luft, doch ihre Lungen füllten sich nicht. Sie konnte das Krachen der Knochen hören, doch es war nicht ihr Brustbein, das zerschmettert wurde.

Malik.

Sie spürte den eisernen Griff kaum, der sich um ihren Oberarm schloss. Benommen taumelte sie neben der Person her, die sie in die Schatten dirigierte. Völlig wirr und orientierungslos war ihr Blick, als sie zu dem weißhaarigen Hunter aufsah.

»Malik.« Nur ein leises Wimmern glitt über ihre aufgerissenen Lippen, als sie den Namen ihres Bruders aussprach. Sie schmeckte Blut, fühlte den Schmerz jedoch nicht.

Starr und kalt lag der Blick von Nathaniel Ophelion auf ihr. Noch immer schloss sich seine Hand wie ein Schraubstock um ihren Oberarm. Ein erneutes Wimmern entfloh ihren Lippen, ehe sie mit einem tiefen Atemzug nach Luft schnappte. Panik schlich sich in ihren wirren Blick, als dieser zu ihrem Gegenüber sprang. Instinktiv griff sie nach einem der versteckten Wurfmesser, um sich zu verteidigen. Doch allein der Versuch wurde von dem erfahrenen Hunter vor ihr im Keim erstickt. Mit seiner zweiten Hand griff er nach ihrer Rechten, riss sie in die Höhe und fixierte sie an der Wand hinter ihr. Er drängte sie an das kalte Mauerwerk und trat einen weiteren Schritt an sie heran.

»Hätte ich dich töten wollen, wärst du längst tot.« So emotionslos verließen die Worte seine Lippen. Das weiße Haar war streng zu einem Zopf gebunden. Die edle und teure Uniform saß wie angegossen. Sie kannte diesen Mann, wusste, wozu er und seines Gleichen fähig war. Er war eine lebende Legende, der Albtraum aller Wandler innerhalb der Städte. Ein geborener Jäger. Teil jener alten Blutlinien, die seit Anbeginn der Geschichte jene jagten, die den zweiten Geist teilten. Nathaniel Ophelion, Ratsherr und oberster Befehlshaber dieser Bastion.

»Dein Rudel?«

Völlig erstarrt, blickte die Huntress zu diesem Monster auf. Wie sehr hatte sie darauf geachtet, ihm und seines Gleichen nicht über den Weg zu laufen. Sein regungsloser Blick ließ sie erschaudern. Er kannte ihre wahre Natur. Doch er schien nicht im Geringsten überrascht davon.

»Nein, Familie«, wisperte die Huntress, ehe sie kraftlos in sich zusammensank. Sie hörte in sich. Suchte das Band, das sie mit ihrem Bruder verband. Sie fand es. Schwach und in Fetzen gerissen. Aber es war da. Er lebte, doch ein anderes Licht in ihrem Rudel war erloschen. Ihre innere Raubkatze war zu weit in ihrem Innersten verborgen, um zu sehen, wer es war. Sie holte einige Male tief Luft, ehe sie wieder Herrin ihrer Sinne war. Der stählerne Griff des Hunters löste sich allmählich. Er stützte sie, während er ihre Wunden begutachtete.

»Ein Angriff auf den Marrok?« Stumm nickte die verängstigte Huntress, versuchte, die Überraschung vor ihm zu verbergen. Woher wusste er, welchem Rudel sie einst angehörte? Sie erntete lediglich ein überhebliches Grinsen. Er beließ es dabei. Nathaniel nickte in Richtung des eisernen Tores.

»Dann solltest du zu ihm gehen.«

Der Hunter musterte sie. Forschte nach einer Reaktion ihrerseits. Sie konnte sich dieses Interesse nicht erklären. Nathaniel Ophelion war ihr ein Rätsel. Sie wusste, dass es einige Hunter gab, die den alten Codex wahrten. Die nur jene jagten und töteten, die Unschuldige gefährdeten. Doch dass die Spur der Verbündeten so weit hinauf bis in die Führungsriege reichte, schien ihr unmöglich. Ihr Kopf schnellte in Richtung der Stimmen, die sich unweit in ihre Richtung bewegten. Ihre Augen glitten durch die Dunkelheit, während sie nach einem Fluchtweg suchte. Der Hunter wandte sich von ihr ab und sah ebenfalls in jene Richtung, aus der er die Stimmen hörte.

Die Huntress wägte ab, unsicher ob sie ihm wirklich vertrauen konnte. Er brauchte keine Unterstützung. Er konnte sie mit Leichtigkeit ausschalten, vor allem in diesem Zustand. Sie wich einige Schritte zurück, als er sich in die Richtung der anderen Männer begab. Gerade, als die junge Frau sich abwenden wollte, blickte er sie über die Schulter hinweg an.

»Malia? Komm nicht zurück!« Sein intensiver Blick unterstrich die Warnung. Malia nickte stumm, ehe sie sich abwandte und in zügigen Schritten zum Tor ging. Schnell verschwand sie in den Schatten der Häuserschluchten.

Flink und geschickt ging sie dabei jedem aus dem Weg, der ihren kreuzte. Leichtfüßig überwand sie Mauern und Zäune, ehe sie in einem der Randviertel innehielt. Versteckt unter alten Blechen und Gerümpel, holte sie eine schlichte schwarze Tasche hervor. Rasch zog sie den Blazer aus und streifte die Stiefel ab. Sie zog sich einen unauffälligen grauen Kapuzenpullover über und wechselte die edlen Stiefel gegen ein Paar Laufschuhe. Fahrig stopfte sie die Sachen in die Tasche, schulterte diese und verschwand in einer der Gassen.

In einem der alten Wartungsgebäude, am Rande der gläsernen Kuppel, zwängte sie sich durch eine kleine Öffnung im maroden Mauerwerk. So dicht an der alten, gläsernen Schutzhülle hielten sich nur selten Menschen auf. Die Gefahr, von einem herabstürzenden Trümmerteil erschlagen zu werden, war zu groß. Einst hatte die Glaskuppel die Menschen der Stadt vor den Auswirkungen des atomaren Endschlags geschützt. Doch als die Menschen ihren Schutz nicht mehr brauchten, verwahrloste die Kuppel, bis sie schließlich in sich zusammenstürzte. Hunderte Menschen verloren an diesem Tag ihr Leben.

Im Inneren der alten Halle befand sich, versteckt unter Planen und Kisten, ein Fluchtfahrzeug. Die meisten Wandler in den Städten hatten einen solchen Exit-Plan. Malia war es gelungen, eines der Fahrzeuge des Hunterverbandes verschwinden zu lassen. Sie hatte alle Aufzeichnungen gelöscht und das Fahrzeug schon vor etlichen Monaten hier versteckt. Lautlos räumte sie die Kisten bei Seite und entfernte die Planen. Eingestaubt und eingemottet stand der Hoover inmitten von Schrott und unbrauchbaren Ersatzteilen. Mit den einstigen Autos des Menschen hatten diese Fahrzeuge nicht mehr viel gemein. Den Menschen war es mit Hilfe der Wandler gelungen, sich die ureigene Magie der Welt zu nutzen zu machen. Mit Hilfe eines Magnetfeldes schwebten die Hoover unmittelbar über den Boden, konnten jedoch auch in luftige Höhen aufsteigen. Es gab nicht mehr viele dieser alten Modelle. Als die Menschen ihren Zugang zur Magie erneut verloren, waren alle Errungenschaften, die mit ihr betrieben wurden, nutzlos. Nur wenige dieser Fahrzeuge gammelten in den Bunkern der Hunter vor sich hin, unbeachtet und ungenutzt.

Malia öffnete die Fahrertür schwungvoll. Sie ließ sich auf die eingestaubten Polster fallen. Nervös glitten ihre Finger durch die Haare, lösten den strengen Dutt und fuhren anschließend über das Bedienterminal. Mit zitternden Fingern nahm sie das Gefährt in Betrieb und versuchte es zu starten. Ungeduldig biss sich Malia auf die Lippe und zuckte zusammen, als sie der Schmerz unerwartet traf.

»Komm schon!« Zischend drückte sie erneut auf die Taste, die das Hoover starten sollte. Doch auch dieses Mal gab das Fahrzeug keinen einzigen Ton von sich. Malia rieb sich die Stirn, ehe sie mit der flachen Hand gegen das Steuerelement schlug. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Magie, die sie mit dieser Welt verband. Sie suchte nach jenem Summen, jenes kribbelnde Gefühl, dass über ihre Haut wanderte wie die Strahlen der aufgehenden Frühlingssonne. Sie schaffte es, die Funken der Wandlung bewusst hervorzurufen. Malia berührte das Bedienfeld erneut, lediglich mit der Fingerspitze. Doch dieser Funken Magie genügte bereits und ein leises Summen verkündete den Start der Spulen, die das Magnetfeld erzeugten.

Mit einem leisen Surren setzte sich das Gefährt in Bewegung und verschwand in einem der Schleusentunnel, die sie aus der Stadt führten.

Kapitel 2

Die Umrisse der Stadt unter der zerborstenen Kuppel verschwammen, je weiter sich Malia von ihr entfernte. Krampfhaft umklammerte sie das Steuerelement. Die Knöchel ihrer Finger waren weiß verfärbt. Ihr Entfernen war bisher unentdeckt geblieben. Auf die Liebe der Stadtwächter zum Alkohol war Verlass. Dennoch musste sie einige Kilometer langsamer fahren, als ihr lieb war. Noch konnte man sie vom Rand der Kuppel aus sehen. Erst wenn sie diese nicht mehr in ihrem Rückspiegel sah und der Lichtschein der Stadt in der Dunkelheit verglommen war, dann konnte sie endlich so schnell wie möglich zu ihm. Sie lenkte das Hoover an den ersten einzelnen Bäumen vorbei. Das Fahrzeug schwebte nur eine Handbreit über den Spitzen der hohen Grashalme. Hier draußen, so weit weg von den Menschen, behielt die Natur ihre Unberührtheit. Zogen zunächst die ausgedörrten Felder der Stadt an ihr vorbei, so fuhr sie nun durch sattes Grün und steuerte auf die Waldgrenze zu. Im Osten konnte sie bereits die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne ausmachen. Soweit draußen, außerhalb der zerstörten Kuppel, war der Himmel um ein Vielfaches klarer.

Doch die langersehnte Schönheit der Wiesen und Wälder zog nur verschwommen an Malia vorbei. Immer wieder kämpfte sie mit den Tränen und hatte Probleme, sich auf ihre Strecke zu konzentrieren. Gerade noch rechtzeitig gelang es ihr, das Hoover nach oben zu ziehen. Sie steuerte direkt auf einen dichten Wald zu. Im Schein der Dämmerung wirkten die knorrigen, verschlungenen Äste und die aus dem Boden ragenden Wurzeln wie eine undurchdringbare Mauer. Für die Menschen war es genau das. Ab hier begann das Königreich der Gestaltwandler. Hier lagen die äußersten Grenzen der neutralen Zone. Doch die Menschheit wagte sich schon seit gut einhundert Jahren nicht einmal mehr in die Nähe jener Bereiche.

Malias Gedanken drehten sich im Kreis. Niemals hätte sie mit einem Angriff gerechnet. Sie wähnte Malik in Sicherheit. In Sicherheit bei ihm. Ein Angriff auf das Rudel war ein Angriff auf den Marrok selbst. Der Marrock galt als der Mächtigste unter den Hautwechslern. Niemand stellte sich gegen den Herrn der Bestien. Er war der Alpha aller Alphas und seine Macht seit jeher unangefochten. Malik stand unter seinem Schutz. Allein sein Name versprach Sicherheit und Geborgenheit, zumindest für all jene, die sich ihm unterwarfen. Wer würde es wagen, so tief in sein Revier vorzudringen und eines seiner Kinder zu bedrohen?

Malia spürte den Tod des anderen Wandlers tief in ihrem Geist. Doch all ihr Fokus lag auf ihrem Bruder. Wenn sie die Augen schloss und tiefschürfend in ihren Geist hinein hörte, dann sah sie es. Jenes Gebilde, ähnlich dem Sternenhimmel, der die Verbundenheit des Rudels widerspiegelte. Sie sah es nur verschwommen und undeutlich. Sie war kein Teil dieses Gebildes, war es nie. Einzig durch ihren Zwillingsbruder hatte sie Zugriff auf diese, durch Magie gewobenen, Bande. Doch das Leuchten der Sterne wurde schwächer, je weiter ihr Bruder auf den Abgrund zuschritt. Er lag im Sterben und ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Malia hoffte inständig, dass die Heilerin des Marrok mächtig genug war, um ihn am Leben zu halten, bis sie endlich dort eintraf. Der Schmerz war noch immer allgegenwärtig. Selbst durch die stets schwächer werdende Verbindung zu ihrem Bruder konnte sie ihn spüren. Malik litt Höllenqualen, während er immer weiter auf den Tod zu Schritt ging. Die unbändige Trauer des Rudels und der Zorn, der unter dem Kummer schwelte, verblasste angesichts des Schmerzes, der in Malias Geist widerhallte wie ein Echo in den tiefsten Bergen.

Sie wischte sich die nasse Tränenspur aus dem Gesicht. Sie musste sich konzentrieren. Das Hoover würde bald gegen eine unüberwindbare, magische Barriere stoßen. Ein Schutzwall, der die Grenzen des Marrok und damit das Ende der neutralen Zone markierte. Malia hielt Ausschau nach einer Lichtung, einer Möglichkeit, das Gefährt zu Boden zu bringen. Sie kannte diese Wälder. Als Kind war sie oft nächtelang durch das dichte Unterholz gestreift. Doch diese Erinnerungen schienen wie aus einem anderen Leben.

Es war ein anderes Leben.

Sie schüttelte den Gedanken ab, als sie die gesuchte Lichtung entdeckte. Sie steuerte das Hoover behutsam auf die Waldschneise zu, war jedoch viel zu nervös, um sanft zu landen. Die Erschütterung trieb die Tiere aus ihren umliegenden Verstecken, doch es war ihr egal. Sie hatte nicht vor, unentdeckt zu bleiben. Sie wollte zu ihrem Bruder. Doch bevor sie jene Grenze überschritt, die ihr die Freiheit kosten würde, brauchte sie noch etwas.

Sie kniff die Augen zusammen, als sie das Hoover verließ. Der strahlende Schein der Mittagssonne brannte in ihren Augen. Sie war dieses Licht schon lange nicht mehr gewohnt. Über den Städten der Menschen hing stets ein dichter Schleier aus Ruß und Qualm. Kurz rieb sie sich die Augen, ehe sie achtlos die Tür des Hoover schloss. Zielstrebig führten ihre Füße sie einen kleinen, kaum sichtbaren Pfad entlang. Die zierliche Gestalt bahnte sich ihren Weg durch das Unterholz. Leichtfüßig überwand Malia Wurzeln und herabgestürzte Äste, während sie immer tiefer in den Wald eindrang. Hier und da scheuchte sie eines der Wildtiere auf oder wich einem tieffliegenden Vogel aus. Die Baumkronen wurden schnell dichter und das tiefgrüne Blattwerk dämpfte das Licht. Dieser Wald war ursprünglich, wild und alt. Er gehörte noch immer zur neutralen Zone, doch so dicht an das Revier des Marrok hatten sich die Menschen niemals gewagt. In diesen Wäldern verbrachte sie ihre frühe Kindheit. Glückliche Zeiten, umgeben von Liebe und Geborgenheit. In diesen Wäldern besiegelte sie das Schicksal ihrer Familie. Hier starben ihre leiblichen Eltern. Malia schüttelte den Gedanken ab. Diese Erinnerungen waren ein Fluch, der sie noch heute in ihren Nächten heimsuchte. Auch wenn über 15 Jahre vergangen waren, konnte sie sich an jedes einzelne Detail dieser verhängnisvollen Nacht erinnern.

Sie überwand einen letzten Baumstamm, der den Weg blockierte. Sie stützte sich mit den Händen ab und sprang geschickt über den umgestürzten Riesen. Doch sie war unkonzentriert. Mit einem Zischen fasste sie sich nach der Landung an den linken Knöchel. Die lange Zeit ohne ihre Schwester forderte ihren Tribut. Von der naturgegebenen Eleganz, die ihres Gleiches selbst in menschlicher Gestalt innehatte, war nach all den Jahren ohne eine Wandlung nicht mehr viel übrig. Ihre übernatürlichen Fähigkeiten waren verkümmert. Sie rieb sich die schmerzende Stelle, ehe sie sich aufrichtete. Ihr Blick fiel auf eine kleine, heruntergekommene Hütte. Inmitten von alten Bäumen stand sie dort im Schatten der Baumkronen. Verborgen vor der Welt war dies einst ihr Elternhaus. Das moosbewachsene Dach war in Teilen eingestürzt. Die morsche Eingangstür aus den Angeln gerissen. Ein Teil der Fenster war zerschlagen. Ein Bild huschte ihr vor Augen. Eine braunhaarige Frau stand am Eingang der Hütte. Die Arme verschränkt, blickte sie mit einem liebevollen Lächeln hinein in den Wald. Sie rief etwas, ehe sie sich kopfschüttelnd abwandte und im Haus verschwand. Malia kämpfte sich aus dem Sog der Erinnerungen. Sie war seit jener Nacht nicht mehr hier.

In jener Nacht tötete der Marrok ihre Eltern. Nach den Gesetzen ihres Volkes geschah dies zurecht, aber sie verzieh es dem Rudel nie. Ihr Vater hatte nichts Unrechtes getan. Er jagte nicht, verletzte keinen Menschen oder verstieß gegen das Abkommen. Er wollte nur mit seiner Gefährtin und seinen Kindern in Frieden leben. Doch dann war ihr dieser eine schreckliche Fehler unterlaufen. Es war ihre Schuld. Sie spielte im Wald, entfernte sich viel weiter, als sie es durfte. Wie oft hatte sie sich nachts aus der Hütte geschlichen und ihrer Katze freien Lauf gelassen. Ihre Familie war in der neutralen Zone geduldet, doch Malia überschritt allzu oft die Grenzen in sein Reich. In dieser Nacht trugen sie die Pfoten ihrer Katze weiter von Daheim fort. Spielerisch jagte das nachtschwarze Kitten einem Falter hinterher, überwand tapsig die Grenze zu seinem Revier. Sie witterte die Fährte eines Kaninchens und der kleine Panther begab sich auf die Pirsch.

Dann war dort dieser wilde Wolf. Bedrohlich knurrend trat er aus den Schatten. Die blutroten Augen und der stinkende Geifer an seinen Lefzen zeigten deutlich, welchen Wahnsinn er verfallen war. Er umkreiste das Kind, drängte sie immer tiefer in das Unterholz. Dann setzte er zum Sprung an, das Maul weit aufgerissen. Noch ehe sie hätte schreien können oder gar davonlaufen, tötete ihr Vater ihn und schützte sein Junges. Er wandelte sich im Territorium eines fremden Rudels. Vergoss auf ihrem Grund und Boden Blut. Sie verstand damals nicht, warum alle auf einmal so hektisch wurden. Ihre Mutter suchte wahllos Sachen zusammen und hatte Tränen in den Augen. Ihr Vater ging nervös auf und ab, während er den Blick nicht vom umliegenden Wald löste.

Dann kam er und mit ihm sein Rudel. Malia erinnerte sich an sein lautstarkes Gebrüll. Sie hörte das Bersten des Holzes, als er die Tür aus ihren Angeln riss. Ihre Mutter trug sie auf dem Arm die Treppe hinauf, lief ihrem Sohn hinterher. Panisch riss sie den Kopf herum und blickte zur Treppe, ehe sie die Tür des Zimmers schloss. Sie versteckte ihre Kinder in einem alten Wandschrank voller duftender Kräuter. Gerade noch rechtzeitig bedeutete sie ihren Kindern, leise zu sein und verriegelte die Schranktüren. Sie wandte sich der Tür zu, bereit zum Kampf.

Der Kampf war kurz und schnell beendet. Malias Mutter schaffte es nicht einmal mehr, die Haut zu wechseln. Nur Dunkel erinnerte sich Malia an jene Schemen, die sie durch die Spalten der Türen beobachtete.

Erst später entdeckte man die Kinder. Die ganze Zeit über hatte sie in den Armen ihres Bruders gelegen und versucht, nicht zu weinen. Auch dann nicht, als der tote Körper ihrer Mutter mit einem stumpfen Knall vor jenem Schrank zu Boden fiel. Keinen Mucks gaben die Kinder von sich, ganz so, wie ihre Mutter es ihnen gesagt hatte. Die duftenden frischen Kräuter im Möbelstück übertünchten den ohnehin kümmerlichen Geruch der Kinder. Er wollte den Raum wieder verlassen, als er aus einem unbestimmten Grund innehielt. Er wandte sich um, wechselte in die menschliche Gestalt und öffnete die Tür des Wandschrankes. Malia wäre in diesem Moment beinahe vor Angst gestorben. Ihr gellender Schrei war meilenweit zu hören.

Sie zögerte, zog die Hand sogar etwas zurück, als sie vor der alten verwitterten Eingangstür zum Stehen kam. Sie hing nur zur Hälfte in den Angeln, deutlich konnte man die Spuren von langen und scharfen Krallen erkennen. Noch einmal holte sie tief Luft und zwang ihre aufkeimenden Gefühle nieder. Mit festem Griff schob sie die Eingangstür bei Seite und erstarrte augenblicklich in ihrer Bewegung. Vor ihr, direkt in der Mitte des Eingangsbereiches lag das ausgedörrte und vertrocknete Skelett eines Wolfes. Man konnte die Spuren fremder Zähne deutlich an den Knochen erkennen, doch den Beweis für den unnatürlichen Tod fand man etwas abseits. Ein leises Wimmern durchbrach die gespenstische Stille in dem alten Haus. Kurz drohten ihr, ihre Beine den Dienst zu versagen. Beängstigend weich waren ihre Knie bei diesem Anblick. Einige Sekunden vergingen, ehe sie sich sammelte und neu fokussierte. Ihr Blick folgte jenen dunklen Flecken, die sich tief in das alte Holz fraßen. Dort, in der Tür zu Wohnzimmer, lag er, der knöcherne Schädel eines Wolfes. Achtlos in die Ecke geworfen lag er fernab seines restlichen Körpers. Die Dielen waren teils moosüberzogen und knarrten gefährlich, als Malia weiter in das Haus hineintrat.

Die Spuren der Zeit sind deutlich zu sehen. Durch die vielen offenen Stellen war Feuchtigkeit eingedrungen. Vereinzelt sah man Spuren anderer Tiere, Vogelnester oder Gebeine toter Waldbewohner. Sie zwang sich, an der Leiche ihres Vaters vorbeizugehen. Malia verdrängte die schmerzhaften Erinnerungen, die sie schwanken ließen.

Die Zeit in der Stadt lehrte ihr, nicht nur ihren Körper zu beherrschen, sondern auch ihren Geist. Sie straffte die Schultern. Strich sich eine lose Strähne hinter das Ohr, ehe sie schnellen Schrittes an den sterblichen Überresten ihres Vaters vorbei die Treppe hinaufeilte. Malik brauchte sie, er wurde von Minute zu Minute schwächer. Zielstrebig wich sie einer maroden Stelle aus und lief vorbei an dem Schlafzimmer ihrer Eltern, in dem der Leichnam ihrer Mutter lag. Zu genau erinnerte sie sich an jenes Versteck, das ihre Mutter ihr einst zeigte. Verborgen unter einer Diele am Ende des Flures versteckte sich eine alte, blecherne Schatulle. Nur sie und ihre Mutter wussten von diesem Versteck. Es war ihr kleines Geheimnis. Malia sank auf die Knie und fühlte mit den Fingerspitzen über das alte Holz. Dort war es, doch die Diele ließ sich nicht anheben. Sie holte eines der versteckten Wurfmesser hervor und hebelte die Diele auf.

Mit einem Krachen brach diese in der Mitte durch und Malia warf sie achtlos zur Seite. Eingebettet in vertrockneten Kräutern und Blumen glänzte die kleine Schatulle im Zwielicht des alten Hauses.

Vorsichtig hob die Huntress das kostbare Stück aus seinem Versteck. Mit geschickten Fingern öffnete sie den Verschluss und hob den Deckel an. Eine leise Melodie erklang, als das Spielwerk der Spieluhr seinen Dienst aufnahm. Ein trauriges Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Diese Melodie gehörte zu jenem Schlaflied, das einst ihre Mutter jeden Abend sang. Andächtig strich sie über die edel verzierte Schatulle und lauschte den Klängen der alten Spieluhr. Sie schloss die Augen und gab sich jenen Erinnerungen an glückliche Tage hin. An die Abende vor dem knisternden Kaminfeuer, sicher geborgen in den Armen ihres Vaters, lauschte sie den märchenhaften Gute-Nacht-Geschichten ihrer Mutter. Sie sah sich in den Armen jener Frau liegen, eng an die Brust ihrer Mutter geschmiegt, während diese zu den Klängen der Spieluhr sang. Doch etwas ließ sie herumfahren. Dieses Gefühl, diese Ahnung beobachtet zu werden, gepaart mit dem Knarren einer Diele. Für den Moment glaube sie, das Klicken von langen Krallen auf dem alten Holzfußboden zu hören. Ihr Blick suchte nach dem Ursprung dieses Geräusches, während sich jede Faser ihres Körpers anspannte. Sie zuckte jämmerlich zusammen, als ein fauchender Waschbär quer durch Flur in ein anderes Zimmer flüchtete.

Sie seufzte leise und rieb sich die Stirn. Sie musste dringend wieder jagen. Sie griff nach der Schatulle und holte einen kleinen, schimmernden Gegenstand heraus. Damals versprach sie ihrer Mutter, diesen Talisman nur im äußersten Notfall aus seinem Versteck zu holen. Der seltene Edelstein in Form einer Mondsichel war ein uraltes Erbstück ihrer Familie. Andächtig strich sie über den glattgeschliffenen Stein, ehe sie ihn sich mit dem alten Lederband um den Hals band. Das Band war lang genug, um bei einer Wandlung nicht zu reißen. Sie schob den Anhänger unter ihre Bluse und legte die Schatulle zurück in ihr Versteck. Man sagte diesen Edelstein mystische Kräfte nach. Richtig angewandt unterstützten sie die Heilung von Wunden. Doch der Preis dafür war hoch.

Malia erhob sich und blickte sich ein letztes Mal um. Dieses Gefühl beobachtet zu werden, mochte verschwunden sein, doch etwas ließ sie nicht los. Eine Art Vorahnung, eine Bedrohung, die man tief in seinen Knochen spürte. Sie schüttelte den Gedanken ab. Ihre Sinne spielten ihr einen Streich. Erleichtert atmete sie tief durch, als sie aus dem Schatten des Hauses heraustrat. Das Gefühl der Bedrohung verschwand fast augenblicklich. Mit zitternden Fingern fischte sie ihren Communicator hervor. Erneut kämpfte sie mit den Tränen, als ihre Gefühle wieder an die Oberfläche brachen. Beinahe glitt ihr das Gerät aus der Hand, als eine Welle des Schmerzes sie heimsuchte. Es war nicht ihr Schmerz. Ihr Bruder litt höllische Qualen und war der Grenze zum Tod näher als jemals zuvor.

Sie durfte nicht zögern. Wenn sie zu ihrem Bruder wollte, dann musste sie diesen Anruf tätigen. Sie konnte die Grenzen nicht einfach übertreten, galt sie doch als vogelfrei. Man würde sie in Stücke reißen, ehe sie überhaupt in die Nähe ihres Bruders kam. Gerade jetzt, unmittelbar nach einem solch schweren Angriff. Die junge Frau holte tief Luft. Sie wischte sich die letzten Tränen aus dem Gesicht und seufzte leise. Mit gezielten Bewegungen tippte sie die Nummer ein, die man ihr von klein auf eingebläut hatte. Ein weiteres Mal zögerte sie, ehe sie die grüne Wählfläche antippte. Zügig hielt sie sich das Gerät an das Ohr, schloss die Augen und sammelte sich. Die Frau zuckte kurz zusammen, als das Freizeichen ungewöhnlich laut in ihrem Ohr widerhallte. Malia sollte es kein zweites Mal hören. Jemand nahm das Gespräch an, sprach jedoch kein Wort. Es vergingen einige Sekunden, ehe eine kalte und gepresste Stimme die Stille durchbrach.

»Was willst du?«

Die junge Frau zuckte etwas zurück und kniff die Augen zusammen. Alles in ihr schrie danach, so weit wie möglich davon zu laufen. Weg von dieser Dominanz, die sie allein über die Entfernung schon in Angst und Schrecken versetzte. Doch die Sorge um ihren geliebten Bruder überwog alles. Sie hatte keine Wahl.

»Ich …« Schluckend stockte Malia. »Ich erbitte den Schutz des Rudels.« Sie klang schwächer, als sie es wollte. Fast schon weinerlich und gebrochen kamen die Worte über ihre bebenden Lippen. Arien antwortete ihr nicht sofort, sondern reagierte mit Schweigen. Ehe sie es hätte verhindern können, stahl sich ihr ein Schluchzen über die Lippen.

»Bitte, ich will doch nur zu ihm …« Ohne es zu wollen, schlich sich jener unterwürfige Ton in ihre Stimme. Arien war nur der Zweite des Rudels, seine rechte Hand und dennoch. Sie stand damals schon an unterster Stelle, jetzt war sie nicht einmal mehr Teil davon. Malia lauschte angespannt in die Stille.

»Wo bist du?«

Fast hätte man meinen können, die bedrohliche Stimme ihres Gegenübers sei ein wenig sanfter geworden, doch wie schnell man sich täuschen konnte. Sie wollte antworten, doch ein lautes Schluchzen unterbrach ihre Stimme.

»Zuhause.«

Sie zuckte jämmerlich zusammen, als sie ein Knurren am Telefon vernahm und es war nicht Arien, der dort knurrte.

»Ich bin zuhause«, brachte Malia gerade noch so hervor, ehe ihre Stimme versagte. Selbst jetzt, wo sie ihn nur durch ein Gerät an ihrem Ohr hörte, jagte er ihr eine unsagbare Angst ein. Sein Knurren hallte in ihren Ohren wider, wie der Donnerschlag zwischen den Häusern der Stadt. Sie hörte das Rascheln von Kleidung, ehe eine zweite Stimme erklang.

»Eine Stunde. Arien holt dich.«

Ihr jagte ein gewaltiger Schauer über den Rücken, als sie seine Stimme am Telefon vernahm.

»Okay«, zwang sie sich zu antworten. Malia war vor Schreck so gut wie gelähmt. Unbewusst hielt sie den Atem an. Sie konnte das Grollen in seiner Stimme überdeutlich hören. Instinktiv zog sie den Kopf ein und das, obwohl sie Kilometer von ihm trennten.

»Und Kätzchen – wage es nicht, davon zu laufen.«

Selbst Minuten nachdem ihr Alpha das Gespräch beendet hatte, hielt sie den Communicator noch immer an Ort und Stelle fest umklammert. Kaum hatte er den letzten Satz ausgesprochen und ihr damit die verbliebene Hoffnung auf eine Rückkehr in ihr bisheriges Leben genommen, brach sie in Tränen aus. Sie weinte bitterlich, als die Anspannung der letzten Stunden von ihr abfiel. Das schiere Chaos an Gefühlen, die Sorge um ihren Bruder, die Angst vor einer Rückkehr zum Marrok und die Trauer um eine verloren geglaubte Zukunft, rissen ihr den Boden unter den Füßen weg. Doch die Sorge um ihren Bruder überwog sie alle, all den Zorn, die Verzweiflung und den Schmerz. Sie brauchte einige Zeit, um sich zu sammeln. Noch immer zitterten ihre Hände leicht, als sie sich die letzten Tränen aus dem Gesicht wischte. Ihr Blick glitt hinauf zum klaren Himmel über ihr. Sie konnte hier nicht herumstehen und warten. Sie musste so schnell wie möglich zu ihrem Bruder. Ihm blieb keine Stunde mehr. Ohne zu zögern verfiel sie in einem Laufschritt und begab sich in Richtung der Reviergrenze. Sie blickte sich nicht noch einmal um, ließ die Vergangenheit hinter sich. Hätte sie es getan, so wäre sie um ihr Leben gerannt. Aus dem Inneren der Hütte starrte ihr ein blutrotes Augenpaar hinterher.

Kapitel 3

Malia verfiel in einen Laufschritt. Ihr Weg führte sie den überwucherten Pfad zurück, am Hoover vorbei immer dichter an die übernatürliche Barriere. Arien würde sie nicht in menschlicher Gestalt abholen, nicht unmittelbar nach solch einem Angriff. Sie wich geschickt einigen Ästen aus, als sich die Farbe ihrer Augen langsam aber sicher änderte. Nach und nach tanzten die gold-gelben Funken auf ihrer Regenbogenhaut, spalteten sich, vermehrten sich und färbten ihre braunen Augen in ein stechendes Goldgelb. Mit jedem Funken wurde ihre Sicht in der Dämmerung klarer, sie sah die Umgebung um sich herum schärfer. An der Barriere angekommen, streifte sich Malia den grauen Pullover ab. Das Kribbeln breitete sich aus, über das kleinste Fingerglied, immer weiter den Arm hinauf. Sie musste sich beeilen, die Wandlung setzte ein. Hastig öffnete sie die Knöpfe ihrer weißen Bluse, bevor diese ebenfalls unachtsam auf dem Boden landete. Sie entriegelte den Verschluss ihres BHs, spürte den leichten Hauch von Pelz und den Fingerspitzen, der sich über ihren Rücken zog. Schnell befreite sie sich vom Rest ihrer Kleidung, warf diese zu Boden, ehe sie die Schmerzen der Wandlung in die Knie zwangen. Gerade noch rechtzeitig, denn keine zwei Sekunden später tanzte ein schwarzes Funkenmeer um sie herum.

Man vernahm den dumpfen Aufschlag zweier kraftvoller Pranken, bevor sich die Funken lichteten. Den Kopf gesenkt, jede Faser des Körpers zum Zerreißen angespannt und die Zähne gebleckt, stand sie dort. Der lange Schweif zuckte nervös hin und her. Das bildschöne Wesen sammelte sich. Erkämpfte sich ihre Sinne zurück. Nach und nach lockerten sich die Muskeln und der Schmerz der Wandlung verschwand. Das anmutige Tier schüttelte sich die letzte Anspannung aus dem nachtschwarzen Pelz und sah sich aufmerksam um. Langsam trottete das Weibchen zur Barriere und besah sich die Spiegelung der flirrenden Magie. Zu lange trug sie den Pelz ihrer Schwester nicht mehr. Ihre Ohren zuckten wild hin und her, dabei erforschte sie wachsam den abendlichen Wald. Mit der rauen Zunge fuhr sich die Großkatze über die Schnauze und Teile des eleganten schwarzen Gesichtes. Mit langsamen und bedachten Bewegungen wandte sich der Panther von seinem Spiegelbild ab und schritt durch die übernatürliche Mauer. Behutsam sah sie sich um und verschwand kurz darauf mit großen Sätzen in der Dunkelheit des Waldes.

Waren ihre Sprünge zu Beginn unsicher und zurückhaltend, so wurden sie mit jedem Meter, jedem Hindernis auf ihrem Weg, fester und gezielter. So lange war sie nicht mehr im Pelz ihrer Katze gerannt. Ihre Sinne waren abgestumpft, seit geraumer Zeit nahm sie die feinen Nuancen nicht mehr wahr, die sie früher so geliebt hatte. Der schimmernde, nachtschwarze Pelz verschwamm mit der abgedunkelten Umgebung, zielgenau und nahezu lautlos sprang das edle Tier über einen umgestürzten Baum und geriet ins Straucheln. Sie verlor den Halt und rutsche auf dem nassen, sandigen Boden weg. Unsanft schlug sie auf der Seite auf. Frustriert knurrte die Raubkatze und richtete sich auf. Ein Geräusch einige hundert Meter hinter ihr ließ sie aufschrecken. Es klang ähnlich einem belustigten Schnauben eines anderen Tieres. Wachsam und angespannt reckte sie die Schnauze in die Luft, ihre Ohren zuckten wild und aufgebracht hin und her. Die ungewohnten Geräusche und Gerüche drohten sie zu überrollen und an den Abgrund der Beherrschung zu treiben. Unnatürlich laut hallte ihr eigener Herzschlag in den sensiblen Ohren wider. Unmittelbar neben ihr erhob sich eine Eule fast lautlos in den Nachthimmel, dennoch zuckte das nervöse Tier jämmerlich zusammen und sprang zur Seite. Angestrengt versuchte sie, die Ursache für das verstörende Geräusch zu finden und als ihr Blick auf den kleinen und ungefährlichen Vogel fiel, entspannte sie sich merklich. Sie konzentrierte sich auf ihren schnellen Herzschlag, auf das Pulsieren in ihrem Körper, das immer leiser wurde. Nach und nach drangen die anderen Geräusche des nächtlichen Waldes wieder zu ihr durch. Sie klangen klarer und definierter, bei weitem nicht mehr so furchteinflößend wie vor wenigen Augenblicken.

Sie blähte die Nase auf und zog tief die Luft ein. Jetzt ließen sich allmählich die Vielzahl an Gerüchen einordnen, die auf sie einströmten. Sie witterte das junge Reh, welches unweit von ihr in einem Busch schlief, hörte das Wiesel durch das Unterholz huschen, welches sich von ihr entfernte. Sie vernahm die leisen, präzisen Flügelschläge der Schleiereule. Sie schloss die Augen, stellte sich bildlich vor, wie jene Eule in diesem Moment zu Boden schoss. Sie hörte das entsetzte Fiepen einer Maus, hörte überdeutlich das Reißen von Haut, als die Klauen des Greifvogels sich in den kleinen Körper bohrten. Aber vor allem roch sie das frische Blut, das in diesem Moment vergossen wurde. Dicht schmiegte sich die Katze an den nassen Waldboden. Die Krallen fuhren hervor und gruben sich in den feuchten, sandigen Boden. Jede Faser ihres Körpers zog sich zusammen, alle Sehnen spannten sich an. Doch dieses Mal war sie nicht verunsichert, nein. Fest entschlossen, selbstsicher und fast schon arrogant, fixierte sie den kaum erkennbaren Pfad vor ihr. Mit einem kräftigen und graziösen Satz schnellte die Raubkatze nach vorn und wand sich ihren Weg durch das dichte Unterholz des uralten Waldes. Sie genoss das Gefühl der feuchten Erde unter ihren Pranken, das Streicheln des Windes durch ihren dichten Pelz. Sie war genau dort, wo sie hingehörte. In freier Natur und nicht eingepfercht zwischen engen Betonblöcken, verdreckten Straßen und verpesteter Luft. Ohne Mühe erklomm sie eine steile Felswand, die zu einem Plateau hinaufführte. Mit einem letzten, gezielten Sprung überwand sie den Abhang und fand sich auf einer Anhöhe wieder. Hinter ihr lag jener Teil des Waldes, in dem sie einst glückliche Jahre verbracht hatte. Indem sie gelacht und geweint hatte. Dort war sie zum ersten Mal bewusst in den Pelz ihrer Katze gefahren, hatte mit ihrer Mutter und ihrem Bruder gespielt.

Vor ihr lag jener Teil des Waldes, der einzig und allein dem Marrok gehörte. Zwar war das Gebiet hinter hier Teil des Revieres, doch dort gab es kaum Wild, Sumpf und altes Gehölz. Sie patrouillierten nicht einmal in diesem Rest des Waldes. Man hatte ihre Familie geduldet, solange sie sich an die Regeln hielt. Ein letztes Mal sah sie über die Schulter zu ihrer Vergangenheit und ihrer Freiheit, ehe sie in einem langsamen Trab verfiel und die Anhöhe hinunter trottete. Sie sollte dort oben auf Arien warten, nicht alleine so tief in ein mittlerweile fremdes Revier vordringen. Doch ihre Katze war nervös. Sie fühlte sich bei dem Gedanken, dort oben auf dem Silbertablett zu sitzen, unwohl. So trabte sie gemächlich in Richtung des Flusses, der sich am Fuße der Anhöhe entlang zog. Etwas skeptisch blieb sie vor dem tosenden Gewässer stehen, besah sich missmutig die reißende Strömung.

Dieser Fluss bildete die Trennung zwischen dem Grenzgebiet hinter der Barriere und seinem Königreich. Es stand ihr nicht zu, diese Linie ohne Einladung zu überschreiten. Arien, die rechte Hand des Marroks, würde sie von hier an begleiten. So verlangte es das Gesetz. Sie sollte hier auf Arien warten, doch nach einem erneuten Blick über die Schulter wurde der innere Drang wieder stärker. Sie fühlte sich hier nicht sicher, eingekesselt von einem reißenden Fluss vor ihr und ein Abgrund hinter ihr. Kurzentschlossen nahm sie Anlauf und setzte zum ersten Sprung an. Etwas ungelenk landete sie auf den rutschigen Felsen in der Mitte des Flusses. Kurzzeitig rutschte sie zur Seite ab, fand am Rand des Steines halt. Leise fauchend rappelte sie sich auf und sprang schnell zum rettenden Ufer. Die Böschung gab zu ihrem Entsetzen nach. Gerade als sie mit den Vorderpfoten auf dem nassen Erdreich aufkam, brach der Boden unter ihr. Mit letzter Kraft krallte sie sich in die feuchte Uferböschung, landete dennoch mit dem Hinterleib in den eisigen Fluten des Gebirgsflusses. Mit einem undefinierbaren Laut, mehr Knurren als Fauchen, überwand sie die Böschung und lies sich missmutig in das feuchte Gras fallen. Kurz schnaufte sie genervt, ehe sie sich aufrappelte und das kalte Wasser aus ihrem Fell schüttelte.

Dabei war sie so auf ihren nassen Pelz fixiert, dass sie die lauernde Gestalt im Unterholz zu ihrer Linken nicht bemerkte. Sie schüttelte die letzten Tropfen aus dem seidigen Pelz und sah jenen verräterischen Schatten auf sie zu schnellen. Zum Ausweichen war es längst zu spät. Der prächtige Tiger prallte mit voller Wucht in ihre Seite, holte sie von den Beinen und schnappte, bedrohlich nah, nach ihrer Kehle. Fauchend versuchte sie, das gewaltige Männchen loszuwerden, teilte den einen oder anderen Hieb mit der Pranke aus, während sie sich unter ihm hervorkämpfte. Die beiden Raubkatzen wälzten sich durch das hohe Gras und kamen dem Fluss immer näher. Knurrend schnappte die junge Frau nach ihrem Gegenüber, doch sie war dem männlichen Gestaltwandler um Welten unterlegen. Wieder wich er ihren Attacken aus, seine Klauen gruben sich tief in ihre Haut. Bedrohlich nah hörte sie das Rauschen des Flusses, als sie endlich unter ihm zu liegen kam. Er drehte sie auf den Rücken, die ausgefahrenen Krallen bohrten sich tief in ihre Schultern und ihre empfindliche Unterseite lag, nahezu ungeschützt, vor ihm.

Panisch wich ihr Blick hin und her. Sie ragte gefährlich über die Böschung, würde er sie loslassen, würde sie im Fluss landen. Der gigantische Tiger knurrte bedrohlich und sein Maul sank zu ihrer Kehle hinab. Er riss die Schnauze auf und präsentierte ihr die tödlichen Fänge. Stocksteif lag sie unter ihm, als sie seine Zähne an ihrem empfindlichen Hals spürte. Er verstärkte den Druck und sie stieß ein klägliches, schmerzvolles Fauchen hervor. Sie gab seinem Drängen nach, ließ sich tiefer in die Böschung pressen, die Stück für Stück unter ihr brach. Erst als seine Fänge sich von ihrem Hals lösten, öffnete sie die Augen wieder. Fast schon verzweifelt, reckte sie den Kopf weitestgehend in die Höhe, ignorierte das warnende Knurren des Tigers. In einer Geste der puren Unterwürfigkeit fuhr sie ihm mit der rauen Zunge über das Kinn, putze ihn, soweit es ihr möglich war. Sie zuckte kläglich zusammen, als sein Kopf erneut nach vorne schnellte und seine Fänge sich in ihre zarte Schulter bohrten. Mit einem einzigen, kräftigen Ruck sprang er von ihr und zog sie von der Böschung weg, ehe er sich in einiger Entfernung positionierte. Mit zittrigen Beinen stemmte sich die geschlagene Großkatze in die Höhe, wirkte für einen Moment benommen und verstört. Sie schwankte etwas, als sie die pure Dominanz des Zweiten überrollte wie einen Tsunami. Jetzt war sie wieder hier, eingebunden in das Geflecht des Rudels. Die uralte Magie des Marrok durchströmte sie. Sie hüllte sie ein, wie ein undurchdringbarer Nebel, berauschte ihre Sinne und vergiftete ihren Verstand. Ihre Katze jammerte kläglich, als der Schmerz des Rudels sie wie eine gewaltige Welle von den Beinen riss. Sein Zorn drang in jeden ihrer Gedanken. Alles in Malia schrie danach, so weit weg wie nur möglich zu fliehen. Doch allen Instinkten zum Trotz, bei all der Angst, die er schürte. Sowohl die Frau als auch die Katze wollten einzig und allein zu ihrem Bruder.

Malia hatte sich dem dominanteren Männchen unterworfen. Sie streifte die Zweifel und den Schmerz ab, der sich von ihrer Schulter ausbreitete. Nach dem kurzen Moment der Schwäche sammelte sie sich und schüttelte den letzten Rest des Schocks wieder aus ihrem Pelz. Ihr wurde schlecht bei dem Gedanken, dass diese kleine Machtdemonstration nichts war im Vergleich zu der, die sie erwartete. Sie hatte einst dem Herren der Bestien den Rücken gekehrt, sein Vertrauen missbraucht und seine Güte mit Füßen getreten. Die distanzierte Haltung des Beta-Tieres dieses Rudels erinnerte sie deutlich an ihre Verfehlung. Doch Arien würde sie nicht richten, das oblag einzig und allein dem Marrok. Sein Beta war ein Vorbote dessen, was ihr widerfahren würde. Sie schritt mit gesenktem Blick an jenem Tiger vorbei und drehte sich wieder zu ihm um. Erst jetzt bemerkte sie die anderen Wandler im Schatten des Waldes. Mit deutlichem Abstand beobachteten sie die Szene. Sie waren angespannt und sicherten die Umgebung, während ihr Beta sich mit der Katze befasste. Malia spürte ihre Ablehnung, doch etwas zog ihre Aufmerksamkeit auf sich, etwas jenseits des Flusses am anderen Ende des Plateaus. Ehe sie herausfinden konnte, was es war, fühlte sie das leichte Zwicken in ihrem rechten Ohr. Ihr Kopf schnellte herum. Sie sah den Tiger und sein Gefolge im Unterholz verschwinden. Sie wandte sich von diesem Plateau ab und unterdrückte den Drang, sich umzudrehen. Ihr lief ein eisiger Schauer über den Rücken und sie floh regelrecht in den Schutz des Waldes.Besorgt musterte Arien die junge Katze vor seiner Nase. Sie hätte ihn bemerken müssen, selbst ein Mensch hätte ihn hören sollen. Sie war unglaublich leichtfertig. Er ahnte, dass ihre Zeit im Herzen der Menschen Konsequenzen nach sich zog, aber es war beängstigend, wie armselig ihre Sinne ausgeprägt waren. Früher zeigte sie mehr Gegenwehr, war nicht so leicht von den Beinen zu holen. Arien war zwar noch immer zornig über ihre Flucht und ihren Verrat, doch die Sorge um eines ihrer schwächsten Rudelmitglieder überwog. Er hatte seit jeher Mitleid mit dem Mündel, das mit ansah, wie man ihre Mutter tötete. Ihre Eltern waren gründlich. Sie bemerkten die Kinder in diesem Wandschrank erst, als alles längst verloren war. Der Duft der frischen Kräuter überdeckte den ohnehin flüchtigen Geruch der Geschwister. Nicht einen Laut gaben sie von sich. Der Instinkt seines Freundes war es, der das Versteck enttarnte. Im Gegensatz zu ihrem Bruder lebte sie sich nie im Hauptrudel des Marrok ein. Malik verstand schnell, dass der Marrok nur nach geltendem Recht handelte. Malik begriff, dass sein Vater nicht der Held war, den seine kleine Schwester in ihm sah. Aber sie hasste sie alle für das, was in jener Nacht geschah. Zwar ordnete sie sich dem Rudelleben unter, doch der Trotz und der lauernde Zorn waren allgegenwärtig. Er machte sie blind für das neue Leben, das sie besaß. Ihr Verschwinden riss alte Narben auf und schürte Ängste, die längst besiegt galten.

Er wartete, bis Malia die erste Welle der Magie verarbeitet hatte, die sie nun heimsuchte. Sie hatte nicht nur ihre Niederlage eingestanden, sondern sich ihm und seinem Alpha unterworfen. Damit war sie wieder ein Teil des Rudels und somit Teil seiner Magie, zumindest vorerst. Niemand wusste, wie der Marrok, wie Curran, in diesem Fall entscheiden würde. Er würde sie nicht töten oder fortjagen, aber er würde sie nicht mehr ziehen lassen. Er beobachtete besorgt, wie sie ihren Blick in die Ferne schweifen ließ und nach etwas suchte, das es dort nicht gab. Er schritt vollkommen unbemerkt auf sie zu, stupste sie kurz mit der Schnauze an, ehe er ihr leicht ins Ohr biss. Erst jetzt wandte sie sich wieder ihm zu. Er vertraute darauf, dass sie ihm folgen würde, so schritt er zurück in den Wald, während er langsam das Tempo anzog. Zu Beginn hatte sie Mühe, dem Beta ihres Rudels zu folgen, immer wieder verschwand er aus ihrem Blickfeld. Aber sie hätte den Weg zurück zum Haupthaus blind gefunden. Ihr Innerstes trieb sie dorthin. Sie folgte einzig und allein diesem Gefühl, dass sie zum letzten Rest ihrer Familie zog. Sie schloss kurz die Augen, atmete tief durch und konzentrierte sich auf das Band, welches sie mit ihrem Bruder verband. Unbewusst zog sie das Tempo an, legte mehr Kraft in jeden einzelnen Sprung und zog mit dem Tiger auf ihrer linken Seite gleich. Ihr Blick war klar nach vorn gerichtet, einzig und allein auf ihren Weg fixiert. Sie musste es sich eingebildet haben, eine andere Erklärung gab es nicht. Er hätte einen Feind bemerkt. Sie war schlicht und einfach überempfindlich, zu angespannt, um ein klares Urteil zu fällen. Die Sorge um ihren Bruder überwog alles, sie beherrschte ihr Handeln. Ohne es zu merken, fuhr sie die Krallen aus, welche sich mit jedem Sprung tiefer in das feuchte Moos bohrten. Geschickt wand sie sich zwischen uralten Bäumen und dichtem Unterholz hindurch, nicht bereit ihr Tempo zu drosseln oder einen anderen Weg einzuschlagen. Sie musste zu ihm und das hier war der schnellste Weg. Sie bemerkte nicht, wie sie den schwerer und breiter gebauten Tiger und seine Soldaten hinter sich ließ. Sie hörte nicht, wie er einen anderen Weg einschlug. Ihre Instinkte führten sie zielgerichtet zu jenem einen Wolf, den sie so liebte. Arien verlor den Panther aus den Augen. Zwar hörte er Malia durch das dichte Unterholz jagen, doch dieser Weg war ihm wahrlich zu beschwerlich. Er bahnte sich seinen Weg hinaus aus dem Dickicht und folgte längst ausgetreten Pfaden zurück zum Haupthaus. Unweit des Hauptsitzes des Rudels fand er sie wieder. Sie stand in einigen Abstand zum Haus, schien für einen Moment zu zögern und wich sogar einen Schritt zurück. Doch dann begannen die ersten schwarzen Funken um ihre Pfoten zu schweben. Sie würde sich zurückverwandeln und er ebenfalls.

Kapitel 4

Arien wandte den Blick ab, ging zu einem der zahlreichen Verstecke und verwandelte sich zurück. Das Rudel hatte hier überall Kleidung deponiert, jeder hatte seine eigenen kleinen Depots. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, da entstieg dem schwarz-roten Funkenmeer ein großer, breitschultriger Mann. Die letzten Spuren der Fellzeichnung verblassten auf seiner hellen Haut. Er war hünenhaft, wie die meisten seiner Art.ie aristokratischen, aber dennoch harten Gesichtszüge ließen kaum erahnen, wie lange er schon auf dieser Welt jagte. Schnell streifte er sich eine bequeme Hose über, ehe er sich wieder zu jener jungen Frau umwandte, die ihnen allen nur Kummer und Ärger bereitete. Er seufzte leise, beobachtete, wie sich langsam das Funkenmeer legte und das mädchenhafte Weibchen ungelenk die Glieder streckte. Die Wandlung dauerte zu lange, sie hatte eine Menge ihrer ureigenen Magie bei den Menschen eingebüßt. Kurz wanderte sein Blick über den nackten Körper der jungen Frau. Sie war zu schmal, wirkte unterernährt und kraftlos. In diesem Zustand wäre sie für jeden streunenden Gestaltwandler leichte Beute. Sie schwächte so das gesamte Rudel. Doch etwas Zusätzliches störte den Beta des Rudels.

Für einen Moment schärfte er seinen Blick, sah durch die Augen seines Tigers. Ihr Körper war übersäht von blauen Flecken, manche älter, manche frischer. Sie schien nicht mehr so zu heilen, wie sie es sollte. Es war fahrlässig von ihr, sich so lange nicht zu verwandeln. Das letzte Mal musste Jahre her sein. Er knirschte mit den Zähnen und griff in das Versteck, aus der er auch seine Kleidung geholt hatte. Er fischte einen Satz Sachen heraus. Der Beta pfiff leise, um die Aufmerksamkeit Malias zu erlangen. Als diese sich erschrocken zu ihm umwandte, warf er ihr das Bündel Kleidung zu.Malia hatte seine Blicke auf ihrer nackten Haut gespürt. Es war ihr unangenehm, dass er sie so sah. So erbärmlich, wie sie mittlerweile war. Malia wandte ihrem Beobachter bewusst den Rücken zu, ehe sie sich schnell mit zitternden Händen etwas überzog. Gerade, als sie das Shirt über ihren Kopf zog, roch sie ihn in ihrer unmittelbaren Nähe. Doch bevor sie das Shirt richten konnte, fuhr er mit einer federleichten Berührung über ihren Rücken. Sie zuckte für einen Moment zurück, zog das Shirt an Ort und Stelle und drehte sich zu ihm rum. Wie lange hatte sie nicht mehr ein vertrautes Gesicht gesehen. Doch anders als damals war sein Blick starr und berechnend.

»Was ist passiert?« Erwartungsvoll sah sie zum größeren Mann auf, die Sorge stand ihr förmlich ins Gesicht geschrieben. Die geröteten Wangen bildeten einen starken Kontrast zu der bleichen, fast schon grauen Haut. Die dunklen Schatten unter ihren Augen unterstrichen den sorgenvollen Blick eindrucksvoll, der direkt zum Haupthaus des Rudels glitt.

»Es sieht schlecht aus. Ria versucht ihr Bestes, doch seine Wunden sind tief.« Abweisend und kalt lag sein Blick auf ihr und die junge Frau zog unbewusst den Kopf ein. Ein Teil von ihm wollte das verletzliche, junge Ding packen und nicht mehr loslassen. Wie sie dort vor ihm stand. Verletzlich und gebrochen. Doch Malia hatte ihr aller Vertrauen auf das Tiefste missbraucht, als sie dem Rudel den Rücken kehrte.

»Das meinte ich nicht«, brachte sie kleinlaut über die Lippen. Natürlich wollte sie wissen, wie es ihrem Bruder ging, doch wenn er lebte, gab es einen anderen, der nicht länger mit ihnen jagte. Fest umschloss ihre Hand den sichelförmigen Talisman und sie wandte sich dem Haupthaus zu. Sie wartete einen Moment, bis Arien ihr folgte.

»Sie waren auf Patrouille. Auf dem Rückweg wurden sie angegriffen«, antwortete er und biss die Zähne zusammen, um ein Knurren zu unterdrücken.

Fest hielt die junge Frau den Halbmond umklammert, als würde er ihr all den Halt geben, den sie so brauchte.  

»Arien … Wer?« Sie ließ zu, dass er ihr die Tür aufhielt. Wie von selbst führten ihre Schritte die Treppe hinauf, vorbei an dem großen Gemeinschaftszimmer.

 »Thomas und Malik«, sprach Arien, doch der unterdrückte Zorn umgab ihn wie eine Aura. Sein Blick glitt einmal wieder prüfend über die Lichtung. Im Anschluss musterte er das Häufchen Elend vor ihm. Sie schien einige Sekunden zu brauchen, um diese Information zu verarbeiten. Thomas war der Eine, der die dicken Mauern um sie herum niederriss. Zu sehen, dass sein Tod sie auf diese Weise traf, überraschte Arien. Er hatte stets geglaubt, Malia wäre keinerlei emotionale Bindungen in diesem Rudel eingegangen.