Stockholm - K. C. Summers - E-Book

Stockholm E-Book

K. C. Summers

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Beschreibung

Emma hat alles, was sie sich wünschen könnte. Eine kleine Wohnung in einer Kleinstadt, tolle Freundinnen, einen Studienplatz in Aussicht, einen total süßen schwedischen Freund. Es sollte ein unvergesslicher Sommerurlaub werden, doch so hatte sie es sich nicht vorgestellt. Nie hätte sie auch nur einen Gedanken an das verschwendet, was sie alle erwarten würde. Eine kleine, kurze Geschichte, geschrieben als Projekt für den NaNoWriMo für Leser*innen ab 16 Jahren.

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Stockholm

Stockholm

K. C. Summers

Impressum

Copyright: K. C. Summers

Jahr: 2023

ISBN: 9789403704371

Verlagsportal: bookmundo.de

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig

Prolog

'Oh mein Gott! Jetzt habe ich doch tatsächlich vergessen, mein Handy abzuholen! Gut, dass dir das mal wieder so früh einfällt, Emilie. Am Sonntag! Heute Abend geht es los und du vergisst, dein Handy aus der Reparatur zu holen! Na super! Wenigstens den alten Fotoapparat hast du mit. Du hast den doch in die Tasche getan, oder? Ach, du keine Schluderin. Den Kopf verlierst du auch noch, wenn er nicht festgewachsen ist.'

Es waren nur noch 5 Stunden, bevor ich mich mit meinen Freundinnen treffen wollte. Zwei Wochen Ferienfreizeit in Schweden. Zum Glück für unsere Clique durfte ich mitfahren, obwohl ich schon über 18 bin. Zwar musste ich mich als Mitarbeiterin eintragen lassen, aber immerhin. Manchmal hat es doch Vorteile, wenn man viele Menschen kennt, dachte ich damals. Naja, wenn man schon keine Eltern hat, die einen daran erinnern, was alles eingepackt werden muss, muss man auf die Freunde hoffen, die natürlich wieder viel zu viel mitnehmen würden.

***

"Hey, Sweetpea! Da bist du ja endlich!", wurde ich begrüßt, als ich als Letzte unserer Gruppe am Treffpunkt ankam. "Wo hast du den Rest deiner Sachen versteckt?

"Oh. Das ist alles. Wechselsachen, Duschzeug, Badeanzug... Alles Überlebensnotwendige halt."

"Wie teuer war deine Handyreparatur jetzt eigentlich? Der Wasserschaden war bestimmt nicht billig."

"Naja, das kläre ich nach unserem Urlaub alles."

"Warte! Soll das bedeuten, dass du dein Handy gar nicht mit hast?"

Ich schüttelte nur den Kopf, woraufhin meine Freundinnen mich entgeistert anschauten. Die sind noch 15 und 16, da ist das Handy der beste Freund. Es sind nur ein paar Jahre, die uns trennen, aber trotzdem gefühlte Welten. Ich bleibe lieber bei meinen Büchern, die sind viel sinnvoller und lehrreicher.

Wir wurden zusammengerufen, um unsere Koffer in den Reisebus zu verfrachten.

"Warum verbringen wir nochmal ausgerechnet in Schweden unseren Sommer? Hätten wir nicht besser mit irgendeiner anderen Truppe nach Malle gehen können?", meckerte Lina.

"Weil eure Eltern das so wollten und du noch nicht alt genug bist, um irgendwo Alkohol zu bekommen.", entgegnete ich zum millionsten Mal.

Ich ließ mich von meinen Freundinnen in den Bus ziehen und schwupps ging es auch schon los.

Einen ganzen Tag würde diese Fahrt dauern, also haben wir genug Snacks und Getränke mitgenommen. Sogar ich. Es wurden unzählige Fotos gemacht und wir alberten rum soviel es ging. Immer wieder meldete sich mein Gehirn, um mir aufzuzeigen, was alles hätte schief laufen können, wie ein geplatzter Reifen oder eine Polizeikontrolle. Der Gedanke, in naher Zukunft vor Gericht zu stehen, ist mir aber nicht gekommen. Warum auch, immerhin waren wir nur eine Gruppe Teenager, die irgendwo im Nirgendwo einen entspannten Urlaub verbringen wollten.

***

Nachdem wir angekommen waren, schaltete ich meine Sorgen aus und genoss den Urlaub. Die erste Woche verbrachten wir mit Spielen und kleinen Aktivitäten. Wir schwammen jeden Tag im See neben unserem Haus und versteckten uns für den Camp-Tratsch. Es war eine tolle erste Woche. Wäre ich doch nur nie nach Stockholm gefahren. Dort sollte sich unser Leben drastisch ändern. Ich sollte so tief in etwas rein geraten, dass es mich vor Gericht beförderte. Heute ist der Prozess. Aber von Vorne und in Ruhe.

2 Monate zuvor

Um mir die Umgebung des Summercamp anzuschauen, bin ich in meiner freien Zeit während der Abiturprüfungsphase nach Schweden, besser gesagt, in die Nähe von Stockholm geflogen. Da ich nicht allzu viel Geld zur Verfügung hatte, hatte ich mir ein Zimmer bei einer Gastfamilie, wie aus einem Bilderbuch, gebucht. Während der Vater den ganzen Tag arbeitete, half ich meiner Gastmutter im Haushalt und verbrachte viel Zeit mit den Kindern der Familie. Svenja war 14 und brachte mir bei, wie man Kühe molk und wie aus der Milch Käse hergestellt werden würde. Wir lachten viel und redeten abends stundenlang über alles mögliche.

Anders war es mit Erik. Er hatte etwas Geheimnisvolles an sich und er redete nur sehr selten und leise, als müsse jedes Wort wohl gewählt sein. Nachts kletterte er zu mir auf den Balkon und wir schauten schweigend in die Sterne oder zum nächsten Wald. Pro Nacht bekam ich vielleicht ein paar wenige Sätze aus ihm heraus. Trotzdem fühlte ich mich von Nacht zu Nacht immer verbundener mit ihm.

Zwei Nächte vor meiner Abreise nahm er meine Hand und am Morgen nach der letzten Nacht küssten wir uns. Ich konnte mir nicht erklären, warum ich einen Jungen küsste, den ich eigentlich gar nicht wirklich kannte, aber es fühlte sich richtig an. Bei ihm hatte ich ein Gefühl von Sicherheit und Ruhe. Deshalb verabredeten wir uns für den Tag, an dem ich mit meinen Freundinnen nach Stockholm kommen wollte. Es würde zwar nur kurz sein, aber ich versprach ihm, ihn nicht zu vergessen und wir telefonierten von da an oft miteinander, auch wenn wir den Großteil der Zeit nur den Atem des anderen hörten und wenig wirklich sprachen.

Hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, hätte ich mich nie auf ihn eingelassen.

Stadtgang

Es war Tag 8 unserer Reise. Wir haben uns schon die ganze Zeit über auf den Trip nach Stockholm gefreut. Ich wollte meinen Freundinnen endlich meinen geheimnisvollen, schwedischen Freund zeigen, weil sie dachten, dass es ihn nicht wirklich gibt. Wir gingen zu der Eisdiele, an der Erik und ich uns treffen wollten. Während wir Mädels da saßen und unser Eis aßen, hoffte ich, er würde auftauchen und keinen Rückzieher wegen meinen Freundinnen machen.

Ich sah ihn, als wir fast fertig waren und zahlen wollten. Er saß auf der anderen Straßenseite zwischen zwei Häusern im Familientransporter und schaute mich mit seinen wunderschön leuchtenden Augen an. Sie hatten etwas unergründlich Trauriges an sich. Ich bedeutete meinen Freundinnen, zu warten, damit ich alleine zu ihm gehen konnte.

Bei ihm angekommen, verschränkte ich meine Finger mit seinen und gab ihm einen kurzen Kuss.

"Meine Freundinnen sitzen da drüben.", flüsterte ich in meinem besten Englisch. "Sie würden dich gerne kennenlernen. Sie denken, dass ich dich nur erfunden habe. Ist das in Ordnung für dich?"

Er nickte nur und ließ meine Hände los, damit ich meine Freundinnen holen konnte. Die waren sofort Feuer und Flamme, als wir uns zu ihm in den Laderaum des Wagens setzten. Sie bombardierten ihn mit Fragen, die er alle nicht beantwortete. Er schaute nur immer wieder auf seine Uhr und sonst blieb sein Blick an mir kleben. Als wir Durst bekamen, holte er zwei Flaschen Wasser aus einer Kühlbox. Eine gab er an meine Freundinnen und nahm die andere für mich.

Irgendwann bemerkte Lina, dass wir uns wieder auf den Weg zum Treffpunkt machen mussten. Erik bot an, uns hinzufahren, also klappten wir die Sitze um und fuhren los. Meine Freundinnen schliefen ein, sobald wir losfahren, auch wenn der Weg nicht weit sein konnte. So war ich zwischen ihnen eingequetscht, als ich merkte, dass etwas nicht stimmte. Wir waren höchstens eine halbe Stunde zu Fuß gegangen, aber den Weg, den Erik fuhr, waren wir ganz sicher nicht gegangen.

"Ist das wirklich der schnellste Weg zum großen Brunnen?", fragte ich verwirrt.

Ich bekam nur eine leise Entschuldigung als Antwort. Je öfter ich ihn ansprach, desto öfter entschuldigte er sich bei mir. Ich konnte sehen, dass er irgendwann Tränen in den Augen bekam, aber da waren wir schon aus der Stadt raus auf einem ländlicheren Weg.

Er hielt irgendwann vor einem kleinen, unscheinbaren Haus.

"Wir müssen aussteigen. Hilf mir mal."

Er schaute mich nicht mehr an, sondern versuchte nur, meine beiden Freundinnen irgendwie ins Haus zu tragen, als ich mich nicht bewegte. Er stieß die Tür auf und rief mich zu sich. Seine Stimme war das erste Mal laut, aber es steckte keine Kraft dahinter. Was bei jeder anderen Person nach einem Befehl oder einer Aufforderung geklungen hätte, war bei ihm eher ein Flehen. Ich stieg langsam aus und ging auf ihn zu. Ich hätte in diesem Moment einfach abhauen sollen. Wegrennen oder mich hinters Steuer setzen, aber es ging nicht. Irgendetwas in mir konnte Erik hier nicht alleine lassen. Es wollte mir bis zu diesem Moment noch nicht in den Sinn, dass das vielleicht eine schlechte Idee gewesen sein könnte und dass er vielleicht doch nicht so ein toller Kerl ist, wie ich in ihm sehen wollte. Ich konnte aber nicht anders als den Jungen zu sehen, der nachts mit mir auf dem Balkon saß und sich die Sterne anschaute.

Einen bösen Erik konnte ich mir einfach nicht vorstellen, kann es bis zum heutigen Tag noch nicht. Egal, wie es so weit kommen konnte, heute erfahre ich es hoffentlich endlich.

Das Versteck

"Schließ die Tür ab und zieh die Vorhänge vor die Fenster.", meinte er, als wir im Haus waren. "Ich bringe die beiden eben ins Bett."

Ich bekam ein ungutes Gefühl im Magen, aber er schaute mich flehend an, bis ich mich zur Tür drehte. Nach ein paar Minuten hörte ich einen Schlüssel im Schloss drehen. Dann kam er zu mir und nahm meine Hand. Wir gingen in die Küche und er holte zwei Gläser Wasser. Wir saßen an einem kleinen Tisch, als er meine Hände nahm.

"Es tut mir leid. Es ging nicht anders. Du bist bei mir in Sicherheit. Ich verspreche es."

"In Sicherheit? Was soll das heißen? Wo sind wir hier? Und wo sind meine Freundinnen?"

"Im Keller.", war seine Antwort.

Mehr bekam ich nicht aus ihm heraus. In diesem Moment hasste ich seine Verschwiegenheit, die ich vorher so geliebt hatte. Ich erfuhr nicht, was los war, sondern nur Regeln, die ich einzuhalten hatte. Zu meiner eigenen Sicherheit.

1. Keine Fragen

2. Nicht nach draußen oder in den Keller gehen. Da die Türen abgeschlossen waren, wäre es eh schwierig gewesen.

3. Kein Kontakt zur Außenwelt.

4. Vorhänge bleiben zu, Kamin und Lampen aus.

Es war schon komisch und ich fragte mich, warum ich plötzlich so tun sollte, als gäbe es mich nicht, aber Erik schwieg eisern.

Als ich am Abend im Bett lag, sah ich durch die offene Tür, dass er die Handys und Portmonaise von uns auf dem Tisch hatte. Er schien sich Nummern abzuschreiben und nahm dann die Akkus raus, bevor er mit einem Hammer sowohl auf den Akku, als auch auf die Handys schlug. Er nahm die Ausweise und das Geld, dann steckte er den Rest, sowie die Kleidung, die wir an dem Tag getragen hatten, in einen großen Sack und stand auf. Schnell schloss ich die Augen, damit er nicht merkten konnte, dass ich noch wach war. Er kam zu mir, gab mir einen Kuss auf die Stirn und hauchte eine erneute Entschuldigung. Er verschwand mit dem Auto und kam erst wieder, als ich schon eingeschlafen war.

Wäre ich in dieser Nacht einfach abgehauen, hätte alles gut gehen können und ich müsste jetzt nicht so eine Angst haben.

Der erste Morgen

Am nächsten Morgen wurde ich von dem Geruch von Pfannkuchen geweckt. Ich ging in die Küche und holte mir einen Kuss ab. Es war angenehm hell im Wohnbereich, weil abdunkelbare Spiegelfenster in die Decke eingelassen waren, wie ich später erfuhr. So war es bei uns angenehm hell, aber die Hubschrauber, die uns ein paar Tage später suchen würden, sahen nur ein Dach. Über Hubschrauber und Polizei habe ich mir damals komischerweise keine Sorgen gemacht. Ich hatte sogar für einen kurzen Augenblick vergessen, dass unsere Gruppe nicht von dem kleinen "Ausflug" wusste, den meine Freundinnen und ich gemacht hatten. Ich schwebte auf Wolke 7, als wir in Ruhe aßen.

Plötzlich hörten wir ein Auto vor der Tür. Wir schauten uns überrascht an, als er mich am Arm packte, die Kellertür aufmachte und im Keller vor einer weiteren stand.

"Geh rein. Schnell. Er darf nicht wissen, dass du hier oben bist."

Er erinnerte mich an die Regeln, also nickte ich und im nächsten Moment hörte ich schon, wie er die Tür wieder verschloss. Es war dunkel und bekam Angst.

"Hallo? Ist da jemand?", fragte ich vorsichtig.

Ich wusste, dass kein Mörder antworten würde, aber trotzdem hatte ich die leise Hoffnung. Statt Mördern hörte ich die Stimmen meiner Freundinnen und etwas Raschelndes. Ich tastete mich an der Wand entlang, bis ich etwas spürte. Es schien eine Kette zu sein. Ein Ende war an der Wand eingelassen, das andere Ende waren zwei Fesseln, in denen Linas Füße steckten. Meine Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt, sodass ich auch Lynns Schemen erkennen konnte.

"Alles in Ordnung bei euch?"

"Ja, alles gut. Wo sind wir hier? Und warum bist du erst jetzt bei uns? Was ist hier los?"

"Echt keine Ahnung, was los ist. Wir haben aber wohl Besuch bekommen, der mich nicht sehen sollte. Wenn Erik gleich wiederkommt, lässt er euch bestimmt gehen."

Wir flüsterten, als würde uns jemand belauschen wollen. So bekamen wir mit, dass Erik sich mit einem anderen Jungen, nicht viel älter als Erik und ich, unterhielt. Sie kamen die Treppen herunter. Sie redeten miteinander über uns, aber mehr als "drei Mädchen" verstand ich nicht.

Die Tür wurde geöffnet und ein Lichtschalter betätigt. Ich prägte mir ein, wo der Schalter in diesem kleinen Raum war, bewegte mich aber nicht. Ich merkte, wie meine Freundinnen zitterten, doch ich war die Ruhe selbst, was mich etwas verwirrte. Der junge Mann, der nun den Raum betrat, war groß und sportlich. Ich konnte seine Muskeln unter dem zu engen Hemd erkennen, als wäre das Hemd gar nicht da. Sein Gesicht war hinter einer Maske versteckt, die mich an einen Harlekin erinnerte, aber trotzdem elegant. Er blickte zuerst meine Freundinnen abschätzig an, dann blieb sein Blick an mir hängen. Ohne den Blick von mir zu wenden, fragte er Erik: "Varför är hon inte bunden?"

"Hon är ledare. Hon kommer inte att lämna utan sina flickvänner och kan lugna ner henne. Jag trodde att hon kunde sätta lösen framåt för oss."

Ich verstand fast nur Bahnhof, aber ich wollte auch nichts verstehen, was Erik schon Angst macht.

"Varifrån kommer de?"

"Från Tyskland."

Der junge Mann kam ein paar Schritte auf mich zu.

"Steh auf und komm her.", forderte er mich auf.

Es brauchte einen Moment, bis ich realisierte, dass er deutsch mit mir redete. Er hatte nur einen leichten Akzent. Als ich vor ihm stand, betrachtete er mich genauer, drehte mein Gesicht hin und her, löste meinen Zopf und erneuerte ihn. Dann drehte er sich um und ging, dicht gefolgt von Erik, der mir einen entschuldigenden Blick zuwarf.

Routine

Es musste Nachmittag sein, als Erik mich aus dem Keller holte. Er hatte etwas zu essen und trinken für Lina und Lynn mitgebracht, während ich oben mit ihm etwas Ordentliches essen sollte. Wie immer schwieg Erik und ich wusste nach dem Besuch des Unbekannten, dass die Regeln einen Grund hatten. Keine Fragen. Den Abend verbrachten wir mit Gesellschaftsspielen, bevor wir uns im Wohnbereich auf den Boden legten und in die Sterne schauten, bis ich fast einschlief und er mich ins Bett trug. Er deckte mich zu. Dann legte er sich neben mich und hielt mich im Arm, als müsse er mich beschützen. Im Nachhinein gesehen war das wahrscheinlich sogar nah an der Wahrheit.

Ab da gab es immer den gleichen Tagesablauf. Der Unbekannte kam regelmäßig, um zu überprüfen, wie wir aussahen und ob alles in Ordnung war. An den Tagen, an denen er nicht kam, verbrachten Erik und ich unsere Zeit damit, Pärchensachen zu machen. Wir machten ein Picknick im Wintergarten, schauten uns romantische Serien oder Filme an und lagen oft einfach den ganzen Tag im Bett. Mit der Zeit verlor ich den Überblick, wie lange wir schon in diesem Häuschen waren.

Nach einer Zeit musste ich nicht mehr meine Vormittage in dem dunklen Kellerraum verbringen, sondern "durfte bei den Männern bleiben". Sie unterhielten sich dann kurz auf schwedisch, gingen ein paar Minuten nach unten (wo ich nicht mit sollte) und redeten dann nochmal ein wenig, während wir zu Mittag aßen. Obwohl ich viel Zeit mit dem Unbekannten und Erik verbrachte, erfuhr ich nichts von ihm. Ich fand lediglich heraus, dass Erik panische Angst vor ihm haben musste und dieser Typ ihn irgendwie in der Hand hatte. Er war Eriks "Auftraggeber", wofür auch immer.

Ich schwieg, wie es sein sollte, aber je mehr ich den Unbekannten beobachtete, desto öfter trafen sich unsere Blicke, was ihn anfangs noch überraschte, dann irritierte und irgendwann nur noch amüsierte.

Das ging eine ganze Zeit lang so. In der Zwischenzeit bekam ich durch die Zeitung, die Erik immer las, von der Suche nach Lina, Lynn und mir mit. Natürlich konnte ich kein schwedisch, auch wenn ich seit meinem ersten Besuch Vokabeln geübt hatte, aber die Bilder und unsere Namen erkannte ich. Anfangs waren nur unsere Gesichter oder Familien zu sehen, irgendwann musste eine Prämie für Hinweise ausgestellt worden sein. Immer und immer wieder erwischte Erik mich dabei, die Artikel anzuschauen und nahm mir dann immer erschrocken und ein wenig verärgert die Zeitungen weg. Das ging so weiter bis zum Tag, nachdem ich den ersten Hubschrauber über unserer Hütte sah.

Partnertausch