Sturmhöhe - Emily Brontë - E-Book
SONDERANGEBOT

Sturmhöhe E-Book

Emily Bronte

0,0
7,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 7,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein Monolith der Weltliteratur – bewegend und einzigartig

Als Findelkind kommt der junge Heathcliff in das Anwesen Wuthering Heights, das der rauen Witterung der englischen Küste schutzlos ausgesetzt ist. Von Gutsbesitzer Mr. Earnshaw liebevoll aufgenommen, führt seine Anwesenheit jedoch schon bald zu Zwietracht in der Familie. Tochter Catherine erkennt in dem fremden Jungen eine verwandte Seele und verliebt sich in ihn, doch ihr Bruder Hindley ist voller Neid auf den Eindringling. Er beginnt ihn zu quälen und verstößt ihn nach dem Tod des Vaters. Als Catherine sich für eine Heirat mit dem reichen Nachbarn entscheidet, schwört Heathcliff Rache …

«Sturmhöhe» blieb der einzige Roman von Emily Brontë, der noch zu ihren Lebzeiten veröffentlich wurde. Er wurde zu einem Fixstern am weltliterarischen Firmament.

PENGUIN EDITION. Zeitlos, kultig, bunt. – Ausgezeichnet mit dem German Brand Award 2022

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 632

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Große Emotionen, große Dramen, große Abenteuer – von Austen bis Fitzgerald, von Flaubert bis Zweig. Ein Bücherregal ohne Klassiker ist wie eine Welt ohne Farbe.

Emily Jane Brontë (1818–1848) wuchs mit ihren ebenfalls literarisch hochbegabten Schwestern Charlotte und Anne sowie ihrem Bruder Branwell vollkommen abgeschieden im väterlichen Pfarrhaus in Yorkshire auf. 1845 wurden die Gedichte der Brontë-Schwestern unter Pseudonym gedruckt; 1847 veröffentlichten die drei jeweils ihren ersten Roman.

»Es ist, als könnte Emily Brontë alles, woran wir menschliche Wesen erkennen, null und nichtig machen und diese unerkennbaren Schemen mit solch brausendem Leben erfüllen, dass sie die Realität übersteigen.« Virginia Woolf

»Genauso mitreißend wie vor 150 Jahren ist die ungezügelte Emotionalität der Figuren, die nicht domestizierbar scheint.« Deutschlandradio – Radiofeuilleton

»Die Wiederentdeckung dieses zur Weltliteratur zählenden Romans ist nicht nur fesselnde Lektüre, sondern besticht auch durch Einsichten, die bis in die Gegenwart reichen.« Hersfelder Zeitung

Besuchen Sie uns auf www.penguin-verlag.de und Facebook.

Emily Brontë

STURMHÖHE

Roman

Aus dem Englischen von Siegfried Lang

Mit einem Nachwort von Susanne Ostwald

Die Originalausgabe erschien

unter dem Titel Wuthering Heights.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2022 by Penguin Verlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Regg Media in Adaption der traditionellen Penguin Classics Triband-Optik aus England

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel GmbH

ISBN 978-3-641-28612-5V001

www.penguin-verlag.de

1

1801. – Ich komme eben von einem Besuch bei meinem Mietsherrn zurück, dem einsamen und einzigen Nachbarn, mit dem ich mich abzugeben habe. Das ist freilich eine wunderbare Gegend! Ich glaube, in ganz England hätte ich keinen allem Gesellschaftstreiben gleich entzogenen Ort finden können. Der wahre Himmel für einen Menschenfeind! Und Mr. Heathcliff und ich, wir eignen uns so trefflich dazu, diese Verlassenheit unter uns zu teilen. Ein prächtiger Kerl! Er ahnte nicht, wie ihm mein Herz entgegenschlug, als ich beim Anhalten meines Pferdes sah, wie seine dunklen Augen misstrauisch in ihre Höhlen zurückwichen, wie seine Finger mit einer heftigen Entschlossenheit sich tiefer in sein Wams vergruben, als ich meinen Namen nannte.

«Mr. Heathcliff?», fragte ich.

Ein Kopfnicken war die Antwort.

«Mr. Lockwood, Ihr neuer Mieter, mein Herr. Ich habe die Ehre, Ihnen sogleich nach meiner Ankunft meine Aufwartung zu machen, um der Hoffnung Ausdruck zu geben, ich habe Sie mit der Dringlichkeit meines Wunsches, Thrushcross Grange zu bewohnen, nicht belästigt; ich hörte gestern sagen, Sie hätten Bedenken …»

«Thrushcross Grange gehört mir, Herr», sagte er zusammenzuckend. «Ich lasse mich von niemandem belästigen, wenn ich es verhindern kann. Treten Sie ein!»

Dieses «Treten Sie ein» wurde durch die zusammengepressten Zähne hervorgestoßen und schien eher zu bedeuten «Geh zum Teufel». Selbst die Tür, an der er lehnte, verriet durch keine Bewegung eine Übereinstimmung mit seinen Worten. Ich glaube, dass dieser Umstand mich bewog, der Einladung zu folgen: Ich interessierte mich für den Mann, der sich einer noch übertriebeneren Zurückhaltung zu befleißigen schien als ich selbst.

Als er bemerkte, wie die Brust meines Pferdes gemächlich gegen das Gatter stieß, zog er seine Hand hervor, um die Kette zu lösen. Dann ging er mir plötzlich auf dem Fahrweg voraus und rief, als wir den Hof betraten: «Joseph, nehmen Sie Mr. Lockwoods Pferd und holen Sie Wein herauf.»

«Das ist vermutlich die gesamte Dienerschaft», war der Gedanke, den dieser umfassende Befehl mir eingab. «Kein Wunder, dass hier zwischen den Steinfliesen Gras wächst, und die Kühe sind wohl die einzigen Heckenputzer.»

Joseph war ein älterer oder vielmehr ein alter Mann, sehr alt vielleicht, aber frisch und kräftig. «Helf uns Gott!», sagte er im Ton gereizten Unmuts vor sich hin, während er mich von meinem Gaul befreite. Dabei schaute er mich so verdrossen an, dass ich mir barmherzigerweise einredete, er vermöge sein Mittagsmahl nur unter göttlichem Beistand zu verdauen, und sein frommer Ausruf stehe zu meiner ungelegenen Ankunft in keiner Beziehung.

«Wuthering Heights» ist der Name von Mr. Heathcliffs Wohnsitz. Wuthering ist ein Dialektwort, das treffend den atmosphärischen Tumult zur Anschauung bringt, dem der Ort bei stürmischer Witterung ausgesetzt ist. Eine reine, stärkende Luft müssen sie dort oben in der Tat zu allen Jahreszeiten haben. Mit welcher Gewalt der Nordwind über den Hügelkamm hinfährt, mag man aus der außerordentlichen Neigung einiger verkümmerter Föhren am Ende des Hauses ermessen sowie aus einer Reihe magerer Dornsträucher, die alle ihr Geäst zur gleichen Seite ausstrecken, als erflehten sie von der Sonne ein Almosen. Zum Glück hatte der Baumeister das Haus fest gefügt; seine schmalen Fenster sitzen tief in der Mauer, seine Ecken sind durch vorspringende Verstärkungen geschützt.

Noch vor dem Überschreiten der Schwelle hielt ich an, um die groteske Bildhauerarbeit zu betrachten, mit der die Fassade verschwenderisch verziert war, besonders über dem Haupteingang; über diesem entdeckte ich, unter einem Kunterbunt von verwitterten Greifen und schamlosen kleinen Buben, die Jahreszahl 1502 und den Namen Hareton Earnshaw. Ich hätte dazu gerne einige Bemerkungen gemacht und mir von dem brummigen Eigentümer in Kürze die Geschichte des Besitztums erzählen lassen; doch seine Haltung an der Tür schien mir den sofortigen Eintritt oder den endgültigen Abschied zu verlangen, und ich begehrte nicht, vor der Betrachtung des Innern seine Ungeduld noch zu vermehren.

Eine einzige Stufe brachte uns ins Wohnzimmer hinab, ohne dass wir erst einen Gang oder Vorraum zu durchschreiten brauchten. Diesem Raum vor allem gilt hierzulande die Bezeichnung «das Haus». Er dient im Allgemeinen als Küche und Wohnstube zugleich; doch glaube ich, in Wuthering Heights musste die Küche sich in einen andern Teil des Gebäudes verziehen: Wenigstens vernahm ich aus seiner Tiefe geschwätzige Zungen und das Klappern von Küchengerät; und unter dem geräumigen Kamin bemerkte ich keinerlei Anzeichen des Kochens oder Backens oder Brotröstens; kein Blinken von Kupferpfannen oder zinnernen Seihern an den Wänden. Am Ende einer Wand allerdings strahlten Licht und Hitze prächtig von einer Reihe ungeheurer Zinnplatten zurück, gemischt mit silbernen Krügen und Kannen, die auf einer großen eichenen Anrichte bis zur Decke übereinander aufgetürmt waren. Diese ist unverkleidet: Ihre ganze Anatomie liegt vor dem spähenden Blick offen zutage; nur an einer Stelle wird sie durch einen Holzrahmen verdeckt, wo Gerstenkuchen lagern und an dem Bündel von Ochsenschenkeln, Hammelkeulen und Schinken hängen. Über dem Kamin waren einige plumpe, alte Gewehre und ein paar Sattelpistolen zu sehen, und statt anderer Zierstücke standen drei bunt bemalte Teebüchsen auf dem Gesims. Der Boden war aus glattem Stein; die hochlehnigen Stühle von altertümlicher Form waren grün gestrichen, im Schatten ragten einige noch gewichtigere von schwarzer Färbung auf. In einer Wölbung unter dem Anrichtetisch schlief eine große gelbliche Hündin von der Rasse der Hühnerhunde, umgeben von einem Wurf quietschender Jungen; in andern Winkeln lagerten andere Hunde.

Wohnung und Einrichtung wären nichts Ungewöhnliches gewesen, hätten sie einem ehrbaren Bauern aus dem Norden gehört, einem Starrkopf mit kräftigen Gliedern, die durch Kniehosen und Gamaschen noch mehr zur Geltung kommen. Solch eine Gestalt, in ihrem Armstuhl sitzend, vor sich auf dem runden Tisch den schäumenden Krug mit Ale, ist im Umkreis von sechs Meilen dieses Hügellandes überall zu finden, wenn man sich nur zur rechten Zeit nach ihr umsieht. Aber Mr. Heathcliff bildet einen seltsamen Gegensatz zu seiner Wohnung und Lebensweise. Er hat das Gesicht eines dunkelhäutigen Zigeuners, die Kleidung und Manieren eines Gentleman, wenigstens so weit wie die Mehrzahl der Landedelleute; vielleicht etwas nachlässig in seinem Anzug, was ihm, bei seiner aufrechten, stattlichen Erscheinung und dem grüblerischen Gesichtsausdruck, nicht schlecht steht. Mögen ihn ein paar Leute eines plebejischen heimlichen Stolzes verdächtigen, eine innere Stimme sagt mir, dass nichts daran sei; ich weiß, aus Instinkt: Seine Zurückhaltung entspringt dem Widerwillen gegen das Zurschaustellen von Gefühlen und Bekundungen gegenseitiger Liebenswürdigkeit. Gefühle von Liebe und Hass wird er nicht verraten, und er sähe darin eine Unverschämtheit, wenn man ihm Liebe oder Hass erwiderte. Aber nein, ich bin wohl zu rasch, ich bekleide ihn zu unbedenklich mit meinen Eigenschaften. Mr. Heathcliff könnte völlig andere Gründe haben, seine Hand zurückzuziehen, wenn er einem Möchtegern-Bekannten begegnet, als die, die mich bestimmen. Hoffen wir, meine Konstitution sei so ziemlich einzigartig. Meine liebe Mutter pflegte zu sagen, ich werde nie ein behagliches Heim mein Eigen nennen, und noch im vorigen Sommer erwies ich mich als eines solchen ganz unwürdig.

Als ich, beim anmutigsten Wetter, einen Sommer an der Meeresküste verbrachte, wurde ich vom Zufall mit einem der anziehendsten Geschöpfe zusammengeführt: einer wahren Göttin in meinen Augen, solange sie mich unbeachtet ließ. Ich «erklärte ihr nie meine Liebe», zumindest nicht in Worten; doch wenn Blicke beredt sind, dann müsste auch der Einfältigste bemerkt haben, dass ich bis über die Ohren verliebt war. Sie begriff das endlich und schenkte mir ihrerseits einen Blick – den zärtlichsten aller vorstellbaren Blicke. Und was tat ich da? Ich muss es zu meiner Schande bekennen: Wie eine Schnecke zog ich mich eiskalt in mich selber zurück; nach jedem weiteren Blick verkroch ich mich noch etwas tiefer in mein Haus, derart, dass die arme Unschuldige ihren eigenen Sinnen nicht mehr traute und, bei dem Gedanken an ihren Fehlschluss auf das Äußerste verwirrt, ihre Mutter zur Abreise überredete.

Ich setzte mich an der einen Ecke des Feuers, dem Platz gegenüber, auf den mein Mietsherr zuging, und füllte eine Pause des Schweigens damit aus, dass ich versuchte, die Hundemutter zu streicheln, die sich von ihren Pfleglingen erhoben hatte und nun wie eine Wölfin um meine Waden herumstrich, mit hochgezogenen Lefzen und die weißen, feuchten Zähne zum Biss bereit.

Meine Liebkosung erwiderte sie mit einem lang gezogenen Knurren.

«Lassen Sie die Hündin lieber in Ruh’», brummte Mr. Heathcliff, während er eine gefährliche Kundgebung durch einen Fußtritt verhinderte. «Sie ist das Hätscheln nicht gewohnt – nicht als Lieblingstier aufgezogen.» Darauf, zu einer Seitentür hinübergehend, rief er nochmals: «Joseph!»

Joseph murmelte etwas Unverständliches in der Tiefe des Kellers, doch machte er keine Anstalt, heraufzukommen; folglich tauchte sein Herr zu ihm hinab und ließ mich in Gesellschaft der mir übel gesinnten Hündin und zweier schrecklicher langhaariger Schäferhunde, die miteinander jede meiner Bewegungen misstrauisch überwachten, zurück. Nicht begierig, mit ihren Fangzähnen in Berührung zu kommen, verhielt ich mich still. Doch nahm ich an, sie würden eine schweigende Verhöhnung kaum verstehen. So erlaubte ich mir unglücklicherweise, zu zwinkern und dem Trio Gesichter zu schneiden, und eine meiner Mienen muss Madame so erbost haben, dass sie plötzlich in voller Wucht gegen mein Knie sprang. Ich stieß sie zurück und beeilte mich, den Tisch zwischen uns zu schieben. Das aber brachte die ganze Meute gegen mich in Aufruhr: ein halbes Dutzend feindseliger Vierbeiner, ungleich an Alter und Größe, kam aus verborgenen Schlupforten in den Raum geschossen. Meine Absätze und Rockschöße, fühlte ich, waren das besondere Ziel ihres Angriffs; indem ich mich der stärkeren Gegner, so gut ich konnte, mit dem Schüreisen erwehrte, war ich genötigt, mit lauter Stimme nach irgendeiner Person des Haushalts zur Wiederherstellung des Friedens zu rufen.

Mr. Heathcliff und sein Mann bewegten sich mit so empörender Gemächlichkeit die Kellertreppe herauf: Ich glaube, sie beschleunigten ihr Tempo auch nicht um eine Sekunde, und doch war die Horde jetzt ein einziger Wirbelsturm von Gezappel und Gebell. Da bequemte sich, zu meinem Heil, jemand von dem Küchenpersonal zu größerer Eile. Eine derbe Frau mit aufgeschürztem Rock, nackten Armen und feuergeröteten Wangen kam, eine Bratpfanne schwingend, in unsere Mitte gelaufen, und sie gebrauchte diese Waffe wie ihre Zunge so sachgemäß, dass das Getümmel sich wie durch Zauberhand legte und sie allein noch, schwer atmend, in Bewegung blieb, gleich der See nach einem heftig tobenden Wind, als ihr Herr die Szene betrat.

«Was zum Teufel ist hier los?», fragte er und schaute mich auf eine Weise an, die nach solch ungastlicher Behandlung für mich schwer erträglich war.

«Was zum Teufel, in der Tat! Jene Herde der besessenen Säue konnte von keinen übleren Geistern bewohnt sein als diese Ihre Hunde, mein Herr! Ebenso gut könnten Sie einen Fremden mit einer Brut von Tigern zusammenbringen.»

«Leute, die nichts anrühren, belästigen sie nicht», bemerkte er, stellte die Flasche vor mir nieder und rückte den Tisch an seinen Ort. «Die Hunde tun gut daran, wachsam zu sein. Ein Glas Wein?»

«Nein, danke.»

«Nicht gebissen worden?»

«Wäre ich das, so würde der Beißer jetzt mein Handsiegel auf sich tragen.» Heathcliffs Gesicht entspannte sich zu einem Grinsen.

«Nun, nun», sagte er, «Sie sind aufgeregt, Mr. Lockwood, kommen Sie, trinken Sie ein Glas Wein. Gäste sind in diesem Hause so äußerst selten, dass ich und meine Hunde, ich gebe das gerne zu, nicht wissen, wie wir sie empfangen sollen. Auf Ihr Wohl, Herr!»

Ich verbeugte mich und trank ihm zu. Ich begann zu verstehen, wie töricht es wäre, wegen des Benehmens dieses Hundepacks schmollend dazusitzen; außerdem begehrte ich nicht, dem Menschen noch eine weitere Belustigung auf meine Kosten zu verschaffen – danach nämlich schien seine Laune zu verlangen. Vermutlich durch die kluge Überlegung bewogen: Es wäre Narrheit, einen guten Mieter zu kränken, ließ er ein wenig ab von seiner lakonischen Redeweise, in der die Pronomina und Hilfszeitwörter keinen Platz hatten, und ging über zu einem Gegenstand, von dem er denken konnte, er dürfte mich interessieren: einer Erörterung der Vor- und Nachteile meines gegenwärtigen Zufluchtsortes. Ich fand ihn über die Dinge, die wir berührten, sehr gut unterrichtet. Vor meiner Heimkehr hatte ich die Kühnheit, ihm einen zweiten Besuch für den nächsten Tag vorzuschlagen. Augenscheinlich wünschte er den Eindringling nicht schon wieder bei sich zu haben; dessen ungeachtet werde ich gehen. Es ist zum Verwundern, wie gesellig ich mir, mit ihm verglichen, vorkomme.

2

Der Nachmittag gestern begann mit Nebel und Kälte. Ich hatte halb im Sinn, ihn am Kamin meines Studierzimmers zu verbringen, statt durch Heide und Schmutz nach Wuthering Heights zu stapfen. Vom Mittagessen kommend (nebenbei bemerkt: Ich esse zwischen zwölf und ein Uhr; die Haushälterin, eine ehrbare Matrone, konnte oder wollte meinen Wunsch, um fünf Uhr zu speisen, nicht verstehen), stieg ich in dieser trägen Absicht die Treppe hinauf, betrat mein Zimmer und sah dort, von Besen und Kohleneimern umstellt, ein Dienstmädchen knien, das einen Höllenstaub erzeugte, indem es die Flammen mit Haufen von Asche zum Verlöschen brachte. Dieser Anblick ließ mich sogleich zurückschrecken. Ich nahm meinen Hut, und nach einer Wanderung von vier Meilen erreichte ich Heathcliffs Gartentor, gerade früh genug, um dem ersten Schauer eines Schneesturms zu entkommen.

Auf dieser kahlen Hügelhöhe war die Erde unter schwarzem Frost erstarrt, und der Luftzug ließ mich bis ins Mark erschauern. Es gelang mir nicht, die Kette zu entfernen; ich sprang darüber und lief den gepflasterten, da und dort mit Stachelbeersträuchern gesäumten Fahrweg hinab und klopfte vergeblich um Einlass, bis die Knöchel meiner Finger brannten und die Hunde losheulten.

«Elende Sippschaft in diesem Gemäuer!», schalt ich innerlich. «Ihr verdientet, für eure lümmelhafte Ungastlichkeit auf immer von der menschlichen Gattung abgesondert zu bleiben. Am Tag mindestens brauchtet ihr eure Türen nicht zuzusperren. Gleichviel – ich will hinein!» Nach diesem Entschluss fasste ich die Klinke und rüttelte heftig daran. Aus einer runden Luke der Scheune schaute jetzt Josephs essigfarbenes Gesicht.

«Was woll’n Sie?», rief er. «Der Herr ist unten bei den Schafen. Geh’n Sie um die Scheune herum, wenn Sie ihn sprechen wollen.»

«Ist niemand im Haus, um zu öffnen?», war meine Antwort.

«Niemand da, nur Missis; die tut Ihnen nicht auf, und wenn Sie lärmen bis zur Nacht.»

«Warum? Könnten Sie ihr nicht sagen, wer ich bin, Joseph?»

«Nicht ich! Nein, nein! Da lassen wir die Hände von», brummte der Kopf und verschwand.

Der Schnee fiel jetzt dichter. Ich wollte es nochmals mit der Türklinke versuchen, als ein junger Mann ohne Rock und mit einer Mistgabel über der Schulter im Hofe hinter dem Haus erschien. Er rief mir zu und bedeutete mir, ihm zu folgen, und nachdem wir eine Waschküche und einen gepflasterten Hof, der einen Kohlenschuppen, eine Pumpe und einen Taubenschlag enthielt, durchschritten hatten, erreichten wir schließlich die geräumige, warme, heitere Wohnstube, darin ich bereits einmal empfangen worden war. Sie glühte köstlich im Schein eines mächtigen Feuers von Kohle, Torf und Holz, und in der Nähe des für eine reichliche Mahlzeit gedeckten Tisches erblickte ich mit Entzücken «die Herrin», ein Wesen, von dessen Dasein ich bis zur Stunde nichts geahnt hatte. Ich verbeugte mich, in der Erwartung, dass sie mich werde sitzen heißen. In ihren Stuhl zurückgelehnt, schaute sie mich an und verharrte so, unbeweglich und stumm.

«Ein wüstes Wetter!», bemerkte ich. «Ich fürchte, Mrs. Heathcliff, die Tür wird die Folgen der Nachlässigkeit Ihrer Dienerschaft zu tragen haben: Ich hatte meine Not, mich bemerkbar zu machen.»

Sie öffnete den Mund nicht. Ich sah sie groß an – sie schaute mich groß an; sie hielt ihren kalten, gleichgültigen, höchst verwirrenden und unangenehmen Blick auf mich gerichtet.

«Setzen Sie sich», sagte der junge Mann mürrisch. «Er wird gleich kommen.»

Ich gehorchte, hustete und rief die Vettel Juno heran, die bei dieser zweiten Begegnung geruhte, zum Zeichen des Wiedererkennens das Ende ihrer Rute zu bewegen.

«Ein sehr schönes Tier!», begann ich wieder. «Haben Sie die Absicht, es von seinen Kleinen zu trennen?»

«Sie gehören nicht mir», erwiderte die liebenswürdige Hausherrin in noch abweisenderem Ton, als selbst Mr. Heathcliff in seine Antwort hätte legen können.

«Ach! Dann befinden sich zweifellos Ihre Lieblinge unter jenen?», fuhr ich fort, nach einem Kissen im Halbdunkel weisend, auf dem etwas lag, das ich für Katzen hielt.

«Eine merkwürdige Auslese von Lieblingen», sagte sie verächtlich. Es war leider ein Haufen toter Kaninchen. Ich hustete aufs Neue, rückte näher an den Kamin heran und gab nochmals meine Ansicht über das schlimme Wetter zum Besten.

«Sie hätten nicht ausgehen sollen», sagte sie, sich erhebend und nach zweien von den bemalten Teebüchsen langend.

Bis dahin war sie vor dem Licht beschirmt gewesen; doch jetzt konnte ich ihre Gestalt und ihr Gesicht deutlich sehen. Sie war schlank und, so schien es, dem Mädchenalter kaum entwachsen; von wunderbarer Körperbildung und mit dem reizendsten kleinen Gesicht, das zu betrachten ich je das Vergnügen hatte; feine, sehr regelmäßige Züge; blonde oder vielmehr goldschimmernde Locken, die frei über ihren zarten Nacken fielen; und Augen, die, bei einem angenehmeren Ausdruck, unwiderstehlich gewesen wären. Zum Glück für mein allzu empfängliches Herz schwankte das einzige Gefühl, das sie verrieten, zwischen Verachtung und einer Art Verzweiflung, was in ihnen wahrzunehmen seltsam berührte. Die Teebüchsen standen fast außer ihrer Reichweite; ich machte eine Gebärde, ihr zu Hilfe zu kommen; sie drehte sich zu mir um mit der Miene eines Geizhalses, dem einer beim Zählen seines Goldes beistehen wollte.

«Ich brauche Ihre Hilfe nicht», fuhr sie mich an, «ich kann sie selbst herabholen.»

«Ich bitte um Verzeihung!», beeilte ich mich zu antworten.

«Hat man Sie zum Tee eingeladen?», fragte sie, während sie eine Schürze über ihrem sehr reinen schwarzen Kleid festband, und stand nun dort, einen Löffel voll Tee über der Kanne wiegend.

«Nein», sagte ich, halb lächelnd. «Doch Sie sind wie dazu geschaffen, es zu tun.»

Sie warf die Teeblätter zurück, legte den Löffel und alles beiseite und setzte sich wieder auf den Stuhl; die Stirn gerunzelt, ihre rote Unterlippe leicht vorgestellt, glich sie einem Kind, das zu weinen beginnt.

Mittlerweile hatte der junge Mann einen ausgesprochen schäbigen Rock über seinen Rücken geworfen. Er stand jetzt vor dem Kaminfeuer aufrecht da und schaute mich von der Seite an, bei Gott nicht anders, als bestünde zwischen uns eine seit Jahren nicht ausgetragene Todfehde. Ich begann zu bezweifeln, dass er zu den Hausangestellten gehöre: Anzug und Sprache waren bei ihm gleich grob und entbehrten vollständig der an Mr. und Mrs. Heathcliff bemerkbaren höheren Art, sein Backenbart wucherte bärenhaft auf seinen Wangen, und seine Hände waren braun wie die eines gewöhnlichen Ackerknechts. Doch hatte seine Haltung etwas Ungezwungenes, beinahe Hochmütiges, und er zeigte nicht die Beflissenheit eines Dieners, der seiner Herrin gefallen möchte. Des sichern Zeugnisses über seine Stellung ermangelnd, hielt ich es für das Beste, auf sein seltsames Benehmen nicht zu achten. Nach etwa fünf Minuten wurde ich durch den Eintritt Mr. Heathcliffs aus meinem unbehaglichen Zustand befreit.

«Sie sehen, Herr, wie ausgemacht, bin ich gekommen!», rief ich mit gespielter Fröhlichkeit. «Und ich fürchte, das Wetter wird mich für eine halbe Stunde hier festhalten, wenn Sie mir für diese Frist Obdach gewähren wollen.»

«Eine halbe Stunde?», sagte er und schüttelte die weißen Flocken von seinen Kleidern. «Ich wundere mich, dass Sie sich gerade den dicksten Schneesturm ausgesucht haben, um hier herumzustreichen. Wissen Sie, dass für Sie die Gefahr besteht, sich in den Marschen zu verlieren? Leute, die mit der Gegend ganz vertraut sind, finden sich an solchen Abenden oft nicht mehr zurecht; und ich kann Ihnen sagen, es besteht jetzt keine Hoffnung auf einen günstigen Umschlag.»

«Vielleicht könnte mich einer von Ihren Knechten zurückbegleiten und in der Grange übernachten – falls Sie ihn entbehren könnten?»

«Nein, das könnte ich nicht.»

«Oh! Wirklich! Nun, dann werde ich eben auf meinen eigenen Spürsinn angewiesen sein.»

«Hm!»

«Werden Sie ’n Tee machen?», fragte der Mann in dem abgetragenen Anzug, indem er seinen wilden Blick von mir weg und der jungen Dame zuwandte.

«Soll er welchen haben?», fragte sie, sich an Heathcliff wendend.

«Bereiten Sie jetzt den Tee, hören Sie?», kam die Antwort, und zwar so schroff, dass ich erschrak. Der Ton, in dem diese Worte gesprochen wurden, verriet eine von Grund auf böse Natur. Ich fühlte mich nicht mehr bewogen, Mr. Heathcliff einen Prachtkerl zu nennen. Als die Vorbereitungen beendet waren, lud er mich ein: «Jetzt, Herr, rücken Sie Ihren Stuhl heran.»

Und alle, der junge Landarbeiter inbegriffen, versammelten sich um den Tisch. Eine nüchterne Stille herrschte während unserer Mahlzeit.

Ich sagte mir: Habe ich das Ungemach hervorgerufen, dann sei es meine Pflicht, zu versuchen, es wieder zu zerstreuen. Sie konnten nicht täglich so grimmig und schweigsam beisammensitzen; es war doch nicht möglich, und wären sie noch so schlimm geartet; diese finstere Miene, die jeder von ihnen zur Schau trug, konnte nicht ihr Alltagsgesicht sein.

«Es ist seltsam», so begann ich, nachdem ich eine Tasse Tee geleert und nun eine andere entgegengenommen hatte, «es ist seltsam, wie viel die Gewohnheit über unsern Geschmack und unsere Ideen vermag; manche Leute könnten sich die Möglichkeit des Glücks in einem von der Welt so völlig zurückgezogenen Leben wie das Ihre, Mr. Heathcliff, nicht vorstellen; und doch wage ich zu sagen, dass, umgeben von Ihrer Familie und mit Ihrer liebenswerten Gattin als waltendem Genius, der Ihr Haus und Herz bewacht …»

«Meiner liebenswerten Gattin!», unterbrach er mich, mit einem fast teuflischen Lachen auf seinem Gesicht. «Wo ist sie, meine liebenswerte Gattin?»

«Mrs. Heathcliff, Ihre Frau, meinte ich.»

«Ach! Nun ja – Sie wollten sagen, ihr Geist habe das Amt des Schutzengels übernommen und wache über die Geschicke von Wuthering Heights, wenn selbst ihr Körper den Ort verlassen hat. Ist es dies?»

Ich erkannte meinen Missgriff und versuchte ihn zu berichtigen. Ich hätte erkennen müssen, dass ein zu großer Unterschied der Jahre zwischen den beiden es unwahrscheinlich machte, dass sie Mann und Frau seien. Der eine war um die vierzig, stand somit auf einer Stufe der geistigen Kraft, auf der Männer sich selten der Illusion hingehen, von jungen Mädchen aus Liebe geheiratet zu werden; dieser Traum bleibt unsern späteren, sinkenden Jahren als Trost vorbehalten. Der andere Teil war nicht mal siebzehn.

Plötzlich kam mir die Erleuchtung: Der Tölpel an meiner Seite, der seinen Tee aus einem Napf trinkt und sein Brot mit schmutzigen Händen isst, könnte ihr Gatte sein, Heathcliff junior, zweifellos. Da haben wir die Folgen des Lebendigbegrabenseins: Sie hat sich an diesen Bauern weggeworfen, unwissend, dass es noch bessere Geschöpfe gäbe! Das ist ein Jammer. Ich muss versuchen, in ihr die Reue über ihre Wahl zu wecken. Der letzte Gedanke könnte als sehr eingebildet erscheinen; das war er aber nicht. Mein Nachbar hatte für mich fast etwas Abstoßendes, dagegen wusste ich aus Erfahrung, dass mein Äußeres nicht ohne Anziehung war.

«Mrs. Heathcliff ist meine Schwiegertochter», sagte Heathcliff und bestätigte damit meine Vermutung. Während er so sprach, richtete er einen merkwürdigen Blick auf sie: einen Blick voller Hass – es sei denn, seine Gesichtsmuskeln hätten die verkehrte Gewohnheit, nicht wie bei andern Menschen die Regungen ihres Trägers auszudrücken.

«Ach! Allerdings – nun verstehe ich; Sie sind der glückliche Besitzer dieser wohltätigen Fee», bemerkte ich, mich an meinen Tischnachbarn wendend.

Das war nun noch schlimmer: Der junge Mann wurde dunkelrot und ballte die Faust, mit allen Zeichen eines handgreiflichen Vorhabens. Doch jetzt schien er sich zu fassen, und der drohende Sturm entlud sich in einem Fluch, den er mir zuknurrte; ich gab mir Mühe, diesen zu überhören.

«Kein Glück im Erraten, mein Herr», warf der Gastgeber ein, «und keiner von uns hat das Glück, Ihre gute Fee zu besitzen; ihr Gatte ist tot. Ich sagte, sie sei meine Schwiegertochter, demnach muss sie meinen Sohn geheiratet haben.»

«Und dieser junge Mann ist …?»

«Sicherlich nicht mein Sohn.»

Heathcliff lachte vor sich hin, als finde er es wirklich ein wenig stark, dass man die Vaterschaft dieses Bären ihm zutrauen wollte.

«Mein Name ist Hareton Earnshaw», grollte jetzt der andere, «und ich möchte Ihnen raten, ihn zu respektieren!»

«Ich habe in nichts einen Mangel an Respekt gezeigt», erwiderte ich, während ich innerlich über die Würde, mit der er sich vorgestellt hatte, lachte.

Er fixierte mich länger mit seinem Blick, als ich diesen aushielt; denn ich fürchtete, in Versuchung zu geraten, ihn zu ohrfeigen oder laut herauszuplatzen. Ich begann, mich in diesem heiter gestimmten Familienkreis nicht am rechten Ort zu fühlen. Das warme körperliche Behagen, das mich umgab, wurde durch die unheilschwangere geistige Atmosphäre mehr als neutralisiert. Ich beschloss, es mir doch zu überlegen, ehe ich mich ein drittes Mal unter diese Balkendecke begeben werde.

Da die Mahlzeit inzwischen beendet war und niemand das Wort zu einer geselligen Unterhaltung ergriff, trat ich ans Fenster, um nach dem Wetter zu schauen. Es bot sich mir eine traurige Sicht: Schwarze Nacht brach vorzeitig herein, und Himmel und Hügel verwischten sich in einem Getobe von Wind und dichtem Schnee.

«Ich glaube nicht, dass es mir jetzt möglich sein wird, ohne Führer meinen Heimweg zu finden!», konnte ich mich nicht enthalten auszurufen. «Die Straßen werden bereits zugedeckt sein, und wären sie noch erkennbar, so würde ich auf ihnen doch kaum einen Schritt weit sehen.»

«Hareton, treib das Dutzend Schafe in die Scheune. Lässt man sie über Nacht im Pferch, so werden sie morgen völlig eingeschneit sein, und stell ein Brett vor sie hin.»

«Was tun?», fuhr ich in steigendem Unmut fort.

Meine Frage wurde nicht beantwortet; als ich mich umblickte, sah ich einzig Joseph, der einen Eimer Porridge für die Hunde hereinbrachte, und Mrs. Heathcliff, über das Feuer geneigt, sich damit vergnügend, ein Paket Streichhölzer zu verbrennen, das vom Kaminrand gefallen war, als sie die Teebüchse an ihren Platz zurückgeschoben hatte. Joseph, nachdem er seine Last hingestellt hatte, sah sich prüfend im ganzen Raume um und meckerte alsdann mit schartiger Stimme:

«Ich frag’ mich schon, wie Sie’s fertigbringen, da müßig herumzusteh’n, nachdem schon alle hinausgegangen! Doch Sie sind ein unnützes Ding; schad für jedes Wort – Sie werden von Ihrem schlechten Weg nie abweichen, sondern grad so auf ihm weiter zum Teufel geh’n wie vor Ihnen Ihre Mutter.»

Einen Augenblick dachte ich, dieser Redeschwall gelte mir, und bereits erhitzt genug, ging ich auf den Schurken zu in der Absicht, ihn mit Fußtritten vor die Tür zu befördern. Doch Mrs. Heathcliff kam mir mit ihrer Antwort zuvor.

«Sie Heuchler und altes Lästermaul!», rief sie. «Fürchten Sie sich denn nicht, selbst weggeholt zu werden, wenn Sie des Teufels Namen aussprechen? Ich sage Ihnen: Reizen Sie mich nicht, oder ich werde mir Ihre Abführung als eine spezielle Gunst erbitten. Da schauen Sie her, Joseph», sprach sie weiter, ein großes schwarzes Buch von einem Regal herunternehmend, «ich werde Ihnen zeigen, was für Fortschritte ich in der Schwarzen Kunst gemacht habe: Bald werde ich imstande sein, mit ihrer Hilfe reinen Tisch zu machen. Die rote Kuh ist nicht zufällig gestorben; und Ihr Rheumatismus wird schwerlich unter die Geschenke der gütigen Vorsehung zu zählen sein.»

«Oh, die Boshafte, die Boshafte!», schnappte der Alte. «Der Herr erlöse uns vom Übel!»

«Nein, Gottloser! Sie gehören zu den Verworfenen! – Fort, oder ich tue Ihnen ernstlich etwas an! Ich werde euch alle in Wachs und Ton nachbilden; und der Erste, der die Grenze übertritt, der wird – ich sage euch nicht, was ihm geschehen wird, doch ihr werdet sehen. Nun hinweg! Ich habe einen Blick auf Sie!»

Die kleine Hexe ließ gespielte Bösartigkeit in ihren hübschen Augen aufblitzen, und Joseph, in aufrichtigem Schrecken erzitternd, flüchtete sich unter dem Murmeln eines Gebets und wiederholend: «Die Boshafte!» Ich dachte, sie habe sich bloß einen unheimlichen Scherz erlaubt, und nun, da wir allein waren, versuchte ich, sie für meine Bedrängnis zu interessieren.

«Mrs. Heathcliff», begann ich in ernstem Ton, «ich bitte um Entschuldigung, wenn ich Sie störe. Ich nehme mir diese Freiheit, weil jemand mit einem solchen Gesicht in seinem Innersten gewiss nur gut sein kann. Nennen Sie mir ein paar Wegzeichen, die es mir ermöglichen, nach Hause zu gelangen. Ich weiß nicht, in welche Richtung ich mich wenden muss, so wenig wie Sie, wenn Sie die Straße nach London suchen müssten.»

«Gehen Sie den Weg zurück, auf dem Sie gekommen sind», antwortete sie und machte es sich im Sessel bequem, ein Kerzenlicht und das große, aufgeschlagene Buch vor sich, «das ist eine knappe Auskunft, doch die beste, die ich Ihnen geben kann.»

«So würde Ihnen, wenn Sie vernähmen, man habe mich in einem Sumpf oder Schneeloch tot aufgefunden, Ihr Gewissen nicht zuraunen, dies sei zum Teil Ihre Schuld?»

«Woher denn? Ich kann Sie nicht begleiten. Sie würden mir nicht erlauben, bis ans Ende der Gartenwand zu gehen.»

«Sie! Ich wäre untröstlich, wenn ich Sie bitten müsste, meinethalben bei solcher Nacht die Schwelle zu verlassen!», rief ich. «Ich bitte Sie bloß, mir zu sagen, wo mein Weg entlanggeht, nicht, ihn mir zu zeigen; oder vielleicht Mr. Heathcliff zu überreden, dass er mir einen Führer gibt.»

«Wen? Außer ihm sind da nur Earnshaw, Joseph, Zilla und ich. Wen möchten Sie mithaben?»

«Gibt es auf dem Hof denn keine Knechte?»

«Nein; da ist niemand, den ich Ihnen nicht bereits genannt habe.»

«Folglich werde ich hierbleiben müssen?»

«Das mögen Sie mit Ihrem Gastgeber ausmachen. Mich geht das nichts an!»

«Ich hoffe, es sei für Sie eine Warnung, unbedachte Spaziergänge über diese Hügel zu unterlassen», rief jetzt Heathcliffs kräftige Stimme aus der Küchentür. «Was das Hierbleiben angeht, so bin ich für Besucher nicht eingerichtet; Sie müssen ein Bett mit Hareton oder Joseph teilen, wenn Sie bleiben.»

«Ich kann auf einem Stuhl in diesem Zimmer schlafen», erwiderte ich.

«O nein! Ein Fremder ist ein Fremder, sei er reich oder arm. Mir konveniert es nicht, einem den Gebrauch dieses Raumes zu gestatten, während ich zu seiner Überwachung nicht anwesend bin!», erklärte der ungeschliffene Geselle.

Nach dieser Beleidigung war meine Geduld erschöpft. Mit einem Ausruf des Abscheus lief ich an ihm vorbei, eilte in den Hof und stieß in meiner Hast mit Earnshaw zusammen. Es war so dunkel, dass ich den Ausgang nicht finden konnte; während meines Umhertappens erlebte ich ein weiteres Beispiel ihres liebenswürdigen Verkehrs untereinander. Der junge Mann schien einen Augenblick meinetwegen besorgt.

«Ich will mit ihm bis zum Park gehen», sagte er.

«Du wirst mit ihm zur Hölle gehen!», rief sein Herr (oder in welchem Verhältnis er zu ihm stehen mochte). «Und wer wird die Pferde versorgen, he?»

«Ein Menschenleben ist wichtiger als eine einmalige Vernachlässigung der Pferde: Jemand muss gehen», murmelte Mrs. Heathcliff mit mehr Güte, als ich von ihr erwartet hätte.

«Nicht auf Ihren Befehl!», gab Hareton zurück. «Legen Sie Wert darauf, so schweigen Sie lieber.»

«Dann hoffe ich, dass sein Gespenst Sie plagen werde, und ich hoffe, Mr. Heathcliff wird keinen andern Mieter mehr erhalten, bis Thrushcross Grange in Stücke zerfällt!», versetzte sie in schneidendem Ton.

«Hört da, hört, wie sie sie verflucht!», brummte Joseph, auf den meine Blicke fielen.

Er saß, die Kühe melkend, in Hörweite, beim Schein einer Laterne; ich ergriff ohne Umstände dieses Licht, rief ihnen zu, ich werde es am folgenden Tag zurückschicken, und rannte auf die nächste Ausgangstür zu.

«Meister, Meister! Er stiehlt meine Laterne», rief der Alte, mir nacheilend. «He! Gnasher! He, Hund! He! Wolf! Fasst an! Fasst an!»

Als ich die kleine Tür öffnete, sprangen zwei zottige Ungeheuer an meinen Hals, warfen mich auf den Rücken, indessen das Licht erlosch, während das schallende Gelächter Heathcliffs und Haretons das Maß meiner Wut und meiner Demütigung bis zum Rande füllte. Doch zum Glück zeigten die Bestien mehr die Neigung, ihre Pfoten über mir auszustrecken, zu gähnen und mit dem Schwanz zu wedeln, als mich lebendig aufzufressen; aber sie duldeten nicht den geringsten Versuch, mich zu erheben, und so war ich gezwungen, liegen zu bleiben, bis es ihren schadenfrohen Herren passte, mich zu befreien. Dann, ohne Hut und vor Zorn bebend, rief ich diesen Heidenseelen zu, mich hinauszulassen – hielten sie mich eine Minute länger zurück, so wäre das auf ihre eigene Gefahr –, unter Drohungen mit Rachehandlungen, die in ihrer Heftigkeit und in ihrem wolkigen Tiefsinn an König Lear gemahnten. Die starke Erregung rief bei mir ein reichliches Nasenbluten hervor; Heathcliff fuhr zu lachen, ich zu schimpfen fort. Ich weiß nicht, wie die Szene geendet hätte, wäre nicht eine Person in der Nähe gewesen, verständiger als ich und wohlwollender als mein Wirt. Es war Zilla, die dralle Haushälterin, die schließlich herauskam, um sich nach dem Grund des Aufruhrs zu erkundigen. Sie glaubte, einer von den beiden habe mich verletzt; und da sie ihren Herrn nicht zu beschuldigen wagte, richtete sie ihre Wort-Artillerie gegen den jüngeren der Missetäter.

«Nun ja, Mr. Earnshaw», rief sie, «ich möchte wissen, was Ihnen demnächst noch einfällt! Bringen wir jetzt die Leute auf unserer Hausschwelle um? Ich sehe, dieses Haus ist nichts für mich – schau’n Sie den armen Jungen an, er ist fast am Ersticken! Seht! Seht! Kommen Sie herein, ich bring’ das in Ordnung, kommen Sie, nur ruhig!»

Mit diesen Worten goss sie mir unversehens eine halbe Pinte eiskalten Wassers in den Nacken und schob mich in die Küche. Mr. Heathcliff folgte mir dorthin; seine bei der Gelegenheit erwachte Heiterkeit machte gleich wieder dem an ihm gewohnten Missmut Platz.

Mir war übel und schwindlig, und ich fühlte mich schwach; so war ich wider meinen Willen genötigt, die Gastfreundschaft unter diesem Dache zu beanspruchen. Mein Wirt wies Zilla an, mir ein Glas Branntwein einzuschenken, darauf ging er ins angrenzende Zimmer. Zilla tat, was ihr Meister befohlen, und bekundete ihre Teilnahme an meiner Unbill, was mich ein wenig ermunterte, und führte mich sodann in einen Schlafraum.

3

Während des Aufstiegs über die Treppe bat sie mich, das Licht hinter der Hand zu bergen und keinen Lärm zu machen; denn ihr Herr habe eine eigentümliche Vorstellung von dem Zimmer, in das sie mich bringe, und es gehe gegen seinen Willen, dass es jemand betrete. Ich fragte nach dem Grund. Sie kenne ihn nicht, antwortete sie; sie sei erst etwa zwei Jahre in diesem Haus, und seine Bewohner hätten so mancherlei seltsames Gebaren an sich, dass sie, wenn sie darüber nachdenken wollte, zu keinem Schlüsse käme.

Noch zu benommen, um allzu neugierig zu sein, schloss ich die Tür und sah mich nach einem Bette um. Die ganze Einrichtung bestand aus einem Stuhl, einem Schrank und einem großen eichenen Verschlag mit viereckigen Öffnungen in der Höhe, die Kutschenfenstern ähnelten. Ich näherte mich diesem Bauwerk, blickte hinein und erkannte eine eigenartige Lagerstatt in altertümlichem Stil, sehr sinnreich ausgedacht, um die Notwendigkeit, jedem Familienmitglied einen eigenen Raum zuzuweisen, zu umgehen. Das Ganze bildete in der Tat eine kleine Kammer, und der Sims eines Fensters in seiner Tiefe diente als Tisch. Ich schob die Seitenwand auseinander, betrat die Klause mit meinem Kerzenlicht, schloss sie wieder und fühlte mich sicher vor Heathcliffs und jedes andern wachsamem Blick.

Auf dem Fenstersims, wo ich mein Licht hinstellte, erblickte ich in der Ecke einen Haufen stockfleckiger Bücher; der Sims selbst war mit eingeritzten Namen bedeckt. Diese Inschriften wiederholten überall ein und denselben Namen in allen erdenklichen großen und kleinen Schrifttypen: Catherine Earnshaw, da und dort die Abwandlung Catherine Heathcliff und dann wieder Catherine Linton.

In meiner stumpfen Teilnahmslosigkeit lehnte ich am Fenster und buchstabierte weiter Catherine Earnshaw … Heathcliff … Linton …, bis mir die Augen zufielen. Doch hatte ich sie noch keine fünf Minuten geschlossen, als aus dem Dunkel Bündel von weißen Buchstaben hervorbrachen, in gespenstigem Glanz … die Luft war durchschwärmt von Catherines; als ich aufsprang, um diesen zu dringlichen Namen zu verscheuchen, bemerkte ich, dass der Docht meiner Kerze auf eines der alten Bücher herabgesunken war und dass der Raum nach angebranntem Kalbleder roch. Ich schneuzte den Docht, und in einer sehr unbehaglichen Verfassung unter dem Einfluss der Kälte und der noch stets anhaltenden Übelkeit, setzte ich mich hin und öffnete den beschädigten Band. Es war eine Bibel, in schrägen Lettern gedruckt und scheußlich nach Schimmel riechend. Ein Vorblatt trug die Aufschrift: «Catherine Earnshaw, ihr Buch», und ein Datum, das etwa ein Vierteljahrhundert zurücklag. Ich schloss es und griff nach einem andern, dann wieder nach einem andern, bis ich in alle hineingesehen hatte. Catherines Büchersammlung war wohlausgewählt, und ihr Zustand verriet, dass sie fleißig, wenn auch nicht immer in löblicher Absicht benutzt wurden: Denn kaum ein Kapitel ließ sich finden, das einer Kommentierung mit der Schreibfeder – oder dem, was so aussah – entgangen wäre; jedes Stückchen Weiß, das der Drucker gelassen, war damit bedeckt. Da standen einzelne abgerissene Sätze; an anderer Stelle wurde richtig Tagebuch geführt, in einer ungefügen kindlichen Handschrift. Zuoberst auf einem leeren Blatte (es musste, als man es entdeckte, als ein wahrer Schatz bewertet worden sein) machte mir eine ausgezeichnete Karikatur meines Freundes Joseph großes Vergnügen; sie war mit groben, doch wirksamen Strichen skizziert. Jetzt erwachte in mir die Neugier auf die unbekannte Catherine, und alsbald begann ich mit dem Entziffern ihrer schon halb verblassten Hieroglyphen.

«Ein schrecklicher Sonntag!» So begann der nun folgende Abschnitt. «Ich wünschte, mein Vater wäre wieder bei uns. Hindley ist ein abscheulicher Stellvertreter – sein Verhalten Heathcliff gegenüber ist furchtbar – H. und ich, wir werden uns empören – diesen Abend haben wir den ersten Schritt getan.

Den ganzen Tag hat es in Strömen geregnet. Wir konnten nicht zur Kirche gehen, also war Joseph genötigt, in der Bodenkammer eine Gemeinde um sich zu versammeln; und während Hindley und seine Frau sich unten vor einem tüchtigen Feuer wärmten – mit allem andern, ich wette, als mit dem Bibellesen beschäftigt –, befahl man Heathcliff, mir und dem armen Ackerknecht, mit unsern Gebetbüchern hinaufzugehen. In einer Reihe auf einem Kornsack sitzend, stöhnend vor Wut und schaudernd und hoffend, auch Joseph werde bald schauern und dann, zu seinem Besten, die Homilie abkürzen. Doch welch trügerische Hoffnung! Der Gottesdienst dauerte drei volle Stunden; und gleichwohl hatte mein Bruder, als er uns herabkommen sah, die Stirn, uns zuzurufen: ‹Was, schon fertig?› An früheren Sonntagnachmittagen hatte man uns zu spielen erlaubt, vorausgesetzt, dass wir dabei keinen großen Lärm machten; jetzt genügt das leiseste Kichern, um uns in eine Ecke zu weisen!

‹Ihr vergesst, ihr habt jetzt einen Meister hier!›, sagt der Tyrann. ‹Ich werde den Ersten zusammenhauen, der mich zornig macht! Ich verlange vollkommenen Ernst und vollkommene Stille. Ach, mein Junge, du warst das? Frances, Liebste, ziehen Sie ihn im Vorbeigehen an den Haaren: Ich hörte ihn mit den Fingern schnippen!› Frances zerrte tüchtig an seinem Schopf, worauf sie zurückkam und sich auf ihres Gatten Knie niedersetzte; und so blieben sie eine Stunde lang, wie zwei kleine Kinder, und küssten einander und schwatzten Unsinn – leeres, ödes Zeug, dessen wir uns geschämt hätten. Wir machten es uns unter der Wölbung der Anrichte so bequem wie möglich. Ich hatte eben unsere Schürzen zusammengebunden und dort als Vorhang aufgespannt, als Joseph von einem Gang durch die Pferdeställe zurückkehrte. Er riss meinen Vorhang herunter, ohrfeigte mich und krächzte: ‹Der Herr ist noch kaum begraben, der Sonntag noch nicht vorbei, das Wort des Evangeliums noch in euern Ohren, und da wagt ihr’s zu spielen! Schande über euch! Setzt euch hin, böse Kinder! Es gibt gute Bücher genug, wenn ihr lesen wollt; setzt euch hin und denkt an eure Seelen.›

Mit diesen Worten zwang er uns, eine Stellung einzunehmen, bei der von dem entfernten Feuer her etwas Licht auf den gedruckten Plunder fiel, mit dem er uns belästigte. Ich hielt das nicht aus. Ich fasste meinen unsauberen Band beim Rücken, warf ihn in das Hundeloch und erklärte: Ich hasse gute Bücher. Heathcliff beförderte das seine mit einem Fußtritt an denselben Ort. Gab das einen Radau!

‹Herr Hindley!›, krähte unser Kaplan. ‹Bitte, Herr! Miss Cathy hat den Rücken vom Helm des Heils zerrissen, und am Breiten Weg zur Verdammnis lässt Heathcliff seine Wut aus! Eine Schande, dass sie’s so treiben dürfen. Ha! Der alte Mann hätte sie gehörig durchgewalkt … aber der ist nicht mehr!›

Hindley kam von seinem Paradies am Kamin auf uns zugeeilt, fasste mich am Kragen, ihn am Arm und warf uns beide in die Küche hinaus, wo, versicherte Joseph, der alte Düvel* uns holen werde, so gewiss, als wir lebten; in dieser trostreichen Aussicht setzten wir uns jeder in eine andere Ecke, um dessen Ankunft abzuwarten. Ich nahm dieses Buch und ein Tintenfass vom Schaft, öffnete die Außentür, um Licht zu erhalten, und schrieb etwa zwanzig Minuten lang. Doch mein Kamerad ist unruhig! Er schlägt vor, den Wettermantel der Milchmagd zu nehmen und, darunter versteckt, in die Heide hinauszulaufen. Ein guter Einfall … und wenn dann der alte Murrkopf kommt, mag er seine Prophezeiung verwirklicht glauben. Feuchter und kälter als hier kann es im Regen draußen nicht sein.»

Ich nehme an, dieser Plan wurde ausgeführt, denn im folgenden Satz berührte Catherine einen andern Gegenstand; sie begann zu klagen.

«Konnte ich ahnen, dass Hindley mich so quälen würde?», schrieb sie. «Mein Kopf schmerzt mich, dass ich ihn nicht auf dem Kissen stillhalten kann; aber ich gebe nicht nach. Armer Heathcliff! Hindley schilt ihn einen Vagabunden und verbietet ihm, mit uns zu essen; er sagt, wir dürfen nicht mehr zusammen spielen, und er will ihn aus dem Haus jagen, wenn wir seine Gebote übertreten. Er tadelt unsern Vater (wie wagt er’s!?), er sei gegen H. zu gütig gewesen, und er schwört, ihm den Platz anzuweisen, an den er gehöre.»

Ich begann, über der halb verblassten Schrift schläfrig zu nicken. Mein Blick wanderte vom Handgeschriebenen zum Gedruckten. Ich sah einen rot verzierten Titel: Siebzigmal siebenmal und die Erste der Einundsiebzigsten.** Eine fromme Ansprache, gehalten durch Reverend Jabes Branderham, in der Kapelle von Gimmerton Sough. Während ich mir mit umnebelten Sinnen das Gehirn zermarterte, um zu erraten, was wohl Jabes Branderham diesem Thema abgewonnen habe, sank ich auf das Bett zurück und schlief ein. Aber ach! Die kläglichen Folgen des schlechten Tees und der üblen Laune! Oder was sonst hätte mir eine so schreckliche Nacht bereiten können? Ich wüsste keine mit dieser zu vergleichen, seit ich zu leiden fähig bin.

Ich träumte, bevor ich noch das Bewusstsein meiner Umgebung verloren hatte. Es schien mir, es sei Morgen und ich befinde mich, in Josephs Begleitung, auf meinem Heimweg. Da lag eine mehrere Ellen dicke Schneedecke. Während des mühsamen Schreitens überhäufte mich mein Begleiter ständig mit Vorwürfen, weil ich keinen «Pilgerstab» mitgenommen habe; ohne einen solchen, erklärte er, werde ich nicht in das Haus gelangen können, und dabei schwang er prahlerisch einen Knotenstock mit schwerem Griff, den er, wie ich verstand, mit jenem Namen beehrte. Einen Augenblick überlegte ich, es wäre doch lächerlich, wenn ich mir mit einem solchen Prügel den Zutritt zu meiner eigenen Wohnung erkämpfen müsste. Dann durchzuckte mich ein anderer Gedanke: Wir gingen nicht dorthin, sondern wir wollten den berühmten Jabes Branderham über den Text «Siebzigmal siebenmal» predigen hören; einer von uns – Joseph, der Prediger oder ich – hatte die «Erste der einundsiebzig Sünden» begangen und sollte öffentlich angeklagt und exkommuniziert werden. Wir kamen vor der Kapelle an. In der Tat war ich auf meinen Wanderungen öfter an ihr vorbeigegangen; sie ist in einer Vertiefung zwischen zwei Hügeln errichtet, ziemlich hoch gelegen, in der Nähe eines Sumpfes, dessen torfhaltiger Schlamm, wie man sagt, die Eigenschaft hat, die wenigen dorthin gebrachten Leichen zu konservieren. Das Dach ist bis heute intakt geblieben, doch da die jährliche Besoldung des Pfarrers nur zwanzig Pfund beträgt, verbunden mit einem Haus von zwei Zimmern, doch in Gefahr, bald zu einem einzigen Raum zu werden, will hier niemand das Pfarramt ausüben: zumal die Meinung besteht, dass die Schäfchen ihren Hirten lieber verhungern lassen, als seinem Gehalt auch nur um einen Penny aus eigener Tasche aufhelfen möchten. In meinem Traum indessen hatte Jabes eine zahlreiche und aufmerksame Zuhörerschaft. Und er predigte – guter Gott, was für eine Predigt: Aus vierhundertneunzig Abschnitten bestehend, ein jeder vom Umfang einer gewöhnlichen Kanzelrede, und jeder behandelte eine besondere Sünde. Wo er sie herhatte, weiß ich nicht. Er erklärte den Text auf seine eigene Weise. Der Gläubige musste notwendig bei jeder Gelegenheit neue Sünden begehen. Es waren Sünden der seltsamsten Art, Übertretungen, wie sie mir zuvor nie in den Sinn gekommen wären.

Ach, wie war ich müde! Wie ich mich wand und gähnte, wieder einnickte, wieder ermunterte! Wie ich mich selber kniff und zwickte, mir die Augen rieb, aufstand, mich wieder hinsetzte und Joseph mit dem Ellbogen anstieß, damit er mir sage, ob diese Predigt denn jemals ende. Ich war dazu verdammt, alles bis zum Schluss anzuhören. Endlich begann er mit der «ersten Einundsiebzig». In diesem kritischen Augenblick verspürte ich plötzlich den Drang, aufzustehen und Jabes Branderham der Sünde anzuklagen, welche ein Christ nicht zu verzeihen braucht.

«Herr!», rief ich. «Hier zwischen diesen vier Mauern habe ich in ununterbrochener Folge die vierhundertundneunzig Artikel Ihrer Predigt über mich ergehen lassen. Siebzigmal siebenmal habe ich nach meinem Hut gegriffen und wollte gehen … Siebzigmal siebenmal haben Sie mich unsinnigerweise genötigt, meinen Sitz wieder einzunehmen. Das vierhunderteinundneunzigste Mal geht über die Hutschnur. Genossen der Folter, los auf ihn! Holt ihn herunter, zerkrümelt ihn in Atome, auf dass der Ort, der ihn kannte, ihn nicht mehr kennt.»

«Du bist der Mann!», rief, nach einer feierlichen Pause, Jabes und neigte sich über sein Polster. «Siebzigmal siebenmal hast du gähnend dein Gesicht abgewandt – siebzigmal siebenmal bin ich mit meiner Seele zu Rat gegangen … Sieh!, sagte ich zu ihr, das ist menschliche Schwäche, das kann man noch verzeihen. Doch da ist nun die ‹erste Einundsiebzig›, Brüder, sprecht über ihn das Urteil der Schrift. Das ist eine Ehre für alle getreuen Christenmenschen.»

Nach diesem Schlusswort umzingelten mich alle Mitglieder der Gemeinde und hieben gemeinschaftlich mit ihren Knotenstöcken auf mich ein. Ich, ohne Waffe zu meiner Verteidigung, versuchte Joseph, meinem nächsten und wütendsten Angreifer, die seine zu entwinden. In der Verwirrung des Gemenges prallten verschiedene Knüppel aufeinander; Hiebe, für mich bestimmt, sausten auf andere Schädel. Die ganze Kapelle hallte von Schlag und Gegenschlag wider; jeder stürzte sich auf seinen Nachbarn; und Branderham – nicht gewillt, müßig zu sein – bezeugte seinen Eifer durch einen Hagel lauter Schläge, den er auf den Rand seiner Kanzel niedertrommeln ließ, an welchem Lärm ich endlich, zu meiner unsäglichen Erleichterung, erwachte. Und was hatte mir dieses ganze Getümmel vorgespiegelt? Wer hatte in dem Traum Jabes Rolle gespielt? Nichts weiter als ein Tannenast, der, wenn der Wind von dieser Seite kam, an mein Fenster schlug und mit seinen dürren Zapfen an die Scheiben pochte! Noch zweifelnd, lauschte ich kurze Zeit; dann erkannte ich den Störer, drehte mich um, schlief wieder ein und träumte von Neuem: wenn möglich, jetzt noch unangenehmer.

Diesmal blieb ich mir bewusst, in dem Verschlag aus Eichenholz zu liegen, und ich unterschied die peitschenden Stöße des Windes und das Treiben des Schnees; ich hörte auch das anhaltende und aufreizende Klopfen des Tannenzweiges und schrieb es seiner wahren Ursache zu: Doch quälte mich dieses Geräusch nun so, dass ich beschloss, es, wenn es irgend ginge, zum Verstummen zu bringen, und ich sah mich, in dem Versuch, das Fenster zu öffnen, aufstehen. Der Griff war im Verschluss festgelötet: eine Merkwürdigkeit, die ich wachend festgestellt, doch inzwischen vergessen hatte. «Gleichwohl, das muss aufhören!», murmelte ich. Ich durchschlug mit der Faust die Scheibe und streckte den Arm aus, um den zudringlichen Ast zu packen; doch statt seiner hielten meine Finger die Finger einer eiskalten, kleinen Hand umfasst! Das ganze Grauen des Albtraums bedrängte mich: Ich wollte meinen Arm zurückziehen, doch die Hand klammerte sich an ihm fest, und eine tieftraurige Stimme schluchzte: «Oh, lassen Sie mich ein, lassen Sie mich ein!» – «Wer sind Sie?», fragte ich, immer weiter um die Befreiung meines Armes kämpfend. «Catherine Linton», antwortete eine bebende Stimme (Was dachte ich an Linton? Ich hatte zwanzigmal Earnshaw für einmal Linton gelesen), «ich komme heim: Ich hatte mich in der Heide verirrt!» Die Stimme sprach noch, da sah ich, undeutlich, ein Kindergesicht durch das Fenster blicken. Der Schrecken machte mich grausam; als ich erkannte, dass ich das Geschöpf nicht von mir abschütteln könne, rieb ich sein Handgelenk auf der zerbrochenen Scheibe hin und her, bis das Blut floss und die Betttücher durchnässte. Noch immer klagte es: «Lassen Sie mich ein», und gab in seiner hartnäckigen Umklammerung nicht nach. Ich war vor Grauen fast wahnsinnig. «Wie kann ich denn?», rief ich endlich; «wenn ich Sie einlassen soll, so geben Sie meine Hand frei!» Die Finger lösten sich, ich zog die meinen durch die Öffnung zurück, türmte eilig die Bücher zu einer Pyramide auf und bedeckte mir die Ohren, um das jammervolle Betteln nicht mehr zu hören. Mir schien, ich habe sie eine Viertelstunde lang zugehalten; doch in dem Augenblick, da ich wieder hinhörte, vernahm ich das stets fortklagende Stöhnen! «Fort!», rief ich. «Ich lasse Sie nicht ein, und wenn Sie mich zwanzig Jahre darum bitten!» «Es sind zwanzig Jahre», jammerte die Stimme, «zwanzig Jahre. Seit zwanzig Jahren irre ich herum.» Darauf vernahm ich außen ein leises Kratzen, und der Bücherberg bewegte sich, als werde er vorwärts gestoßen. Ich wollte aufspringen, doch ich vermochte kein Glied zu rühren, und so schrie ich in meinem Entsetzen laut auf. Zu meiner Bestürzung musste ich erkennen, dass ich tatsächlich gebrüllt hatte. Ich hörte rasche Schritte in meine Richtung kommen; jemand stieß die Tür mit kräftiger Hand auf, und ein Lichtschein fiel durch die viereckigen Öffnungen über meinem Bette. Ich zitterte noch immer und saß da und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Der Eindringling schien zu zögern, er redete mit sich selbst.

Endlich fragte er halb laut und offenbar keine Antwort erwartend: «Ist jemand hier?» Ich hielt es für das Beste, ihm meine Anwesenheit zu gestehen, denn ich hatte Heathcliffs Stimme erkannt und befürchtete, er werde, falls ich stillhielt, seine Nachforschungen fortsetzen. Also drehte ich mich um und öffnete die Verkleidung meines Verschlags. Der Eindruck, den ich auf ihn machte, wird mir unvergesslich bleiben. Heathcliff, mit Hemd und Hose bekleidet, stand in der Nähe des Eingangs, in der Hand eine Kerze, die ihm auf die Finger tropfte, und sein Gesicht so weiß wie die Wand hinter ihm. Das erste Krachen im Eichenholz ließ ihn erzittern wie unter einem elektrischen Schlag; das Licht stürzte aus seiner Hand in einiger Entfernung zu Boden; so groß war seine Bewegung, dass er es kaum mehr aufzunehmen vermochte.

«Nur Ihr Gast, Herr!», rief ich und wünschte ihm damit weitere Bekundungen seiner Feigheit zu ersparen. «Ich hatte das Pech, im Schlaf zu schreien, denn ich hatte einen schrecklichen Angsttraum. Es tut mir …» «Oh! Gott verdamme Sie, Mr. Lockwood! Ich wollte, Sie wären …», begann mein Gastgeber und stellte die Kerze auf einen Stuhl; er wusste, dass er sie nicht mehr festzuhalten vermochte. «Und wer hat Sie in dies Zimmer geführt?», fuhr er fort, die Nägel in das Handinnere gepresst und mit den Zähnen knirschend, um die krampfhafte Bewegung seiner Kiefer zu meistern.

«Wer war’s? Ich hätte Lust, diese Person in diesem Augenblick aus dem Haus zu werfen.»

«Es war Ihre Magd, Zilla», antwortete ich, sprang auf den Boden und schlüpfte eilig in meine Kleider. «Ich hätte nichts gegen Ihre Absicht einzuwenden, Mr. Heathcliff; sie hätte es reichlich verdient. Ich glaube, sie wollte sich auf meine Kosten einen weiteren Beweis verschaffen, dass es an diesem Ort spuke. Nun – so verhält sich’s; es wimmelt von Geistern und Gespenstern! Sie tun gut daran, ihn abzuschließen; niemand wird Ihnen für Obdach in einem solchen Loch danken!»

«Was meinen Sie damit?», fragte Heathcliff. «Und was tun Sie? Legen Sie sich wieder hin und beenden Sie so die Nacht, da Sie einmal hier sind; doch um Himmels willen, erheben Sie nicht nochmals diesen grässlichen Lärm, solange man Ihnen nicht den Hals abschneidet!»

«Wenn die kleine Teufelin durch das Fenster geschlüpft wäre, dann hätte sie mich wahrscheinlich erwürgt!», erwiderte ich. «Ich werde mich den Freundlichkeiten Ihrer gastlichen Vorfahren nicht länger aussetzen. War nicht der Reverend Jabes Branderham mütterlicherseits mit Ihnen verwandt? Und jene Plaudertasche, Catherine Linton oder Earnshaw oder wie sie hieß, muss eine rechte Närrin – eine böse kleine Seele gewesen sein! Sie sagte mir, seit zwanzig Jahren gehe sie auf der Erde um: doch wohl nur die gerechte Strafe für ihre Todsünden!»

Kaum gesagt, kam mir in den Sinn, dass Heathcliffs Name mit dem Catherines in dem Buche in enger Verbindung stand. Dieses Sachverhalts, meinem Gedächtnis entfallen, war ich mir nun wieder lebhaft bewusst. Ich errötete über meine Unbedachtheit. Ohne jedoch mein Schuldgefühl noch mehr zu verraten, fügte ich eilig hinzu: «Die Wahrheit, Herr, ist, ich verbrachte den ersten Teil der Nacht damit» – wieder hielt ich inne, denn ich hätte sonst «mit der Durchsicht dieser alten Bände» gesagt und ihm damit gestanden, dass ich sowohl ihren geschriebenen als ihren gedruckten Inhalt kenne. Ich verbesserte mich sogleich und fuhr fort: «die auf dem Fensterbrett eingekratzten Namen zu entziffern. Eine eintönige Beschäftigung, der ich mich hingab, um mich in Schlaf zu versetzen, so wie man zählt oder …»

«Was soll das heißen, was sprechen Sie so zu mir?», schrie Heathcliff mit Donnerstimme. «Wie wagen Sie’s? Und das unter meinem Dach? Bei Gott!» Und wütend schlug er sich mit der Hand gegen die Stirn.

Ich wusste nicht, sollte ich mich mit seiner Ausdrucksweise aufhalten oder meine Erklärung beenden. Aber er schien so schmerzlich erregt, dass er mir leidtat; darum erzählte ich noch mehr von meinen Träumen. Ich versicherte ihm, dass ich nie zuvor den Namen «Catherine Linton» gehört hatte, doch da ich ihn so oft gelesen hatte, habe er schließlich, als ich nicht mehr Herr meiner schläfrigen Sinne war, Gestalt angenommen. Während ich sprach, war Heathcliff in die Tiefe des Bettraumes getreten; er hatte sich auf das Lager gesetzt und war hinter dessen Wand kaum mehr zu sehen. Aus seinem unregelmäßigen und abgebrochenen Atem schloss ich, dass er gegen eine leidenschaftliche innere Bewegung ankämpfte. Ich wollte ihm nicht zeigen, dass ich dieses Zwiespaltes gewahr geworden war, und setzte meine Toilette geräuschvoll fort, schaute auf die Uhr und erging mich in einem Selbstgespräch über die Länge der Nacht: «Noch nicht mal drei Uhr! Ich hätte schwören mögen, es sei sechs. Die Zeit scheint hier stillzustehen. Sicherlich sind wir gestern schon um acht Uhr zu Bett gegangen!»

«Im Winter immer um neun und aufstehen um vier», sagte mein Gastgeber, unterdrückte dabei ein Stöhnen und wischte eine Träne aus seinem Auge, wie ich aus einer Bewegung, die der Schatten seines Armes beschrieb, schloss … «Mr. Lockwood», sagte er weiter, «Sie können in mein Zimmer gehen; Sie würden nur stören, wenn Sie jetzt so früh hinabgingen; und Ihr kindisches Geschrei hat meinen Schlaf zum Teufel gejagt.»

«Den meinen ebenso», erwiderte ich, «ich werde, bis es Tag ist, im Hof herumspazieren und dann weggehen. Und befürchten Sie von meiner Seite keine Belästigung mehr. Ich verspüre nicht mehr die geringste Neigung, irgendwelche Gesellschaft, sei es in der Stadt oder auf dem Lande, aufzusuchen. Ein verständiger Mensch sollte Gesellschaft genug in sich selber finden.»

«Anmutige Gesellschaft!», murmelte Heathcliff. «Nehmen Sie die Kerze und gehen Sie, wohin Sie wollen. Ich folge Ihnen gleich. Gehen Sie aber nicht in den Hof, denn die Hunde sind losgelassen; und im Wohnzimmer – dort liegt Juno auf der Lauer und – doch nein, Sie können bloß auf den Treppen und in den Gängen herumlaufen. Aber nun fort! Ich komme in zwei Minuten.»

Ich gehorchte insofern, als ich das Zimmer verließ; doch, unwissend, wohin der enge Korridor führte, stand ich still und wurde zum unfreiwilligen Zeugen des abergläubischen Verhaltens meines Gastherrn, das seine anscheinende Vernünftigkeit Lügen strafte. Er schritt gegen das Bett, öffnete gewaltsam das Fenster, und während er daran riss, brach er, seiner nicht mehr mächtig, in Tränen aus. «Komm herein! Komm herein!», seufzte er. «Cathy, komm doch … nur einmal! Oh, Liebling meines Herzens, hör mich doch diesmal, Catherine!» Der Geist bezeigte die übliche Laune der Geister: Er gab kein Zeichen seines Daseins; nur Schnee und Wind wirbelten in wilden Stößen herein, bis zu mir heran, und löschten das Licht. Eine solche Seelenqual offenbarte sich aus dieser Klage, dass mein Mitleid mich das Unsinnige darin vergessen ließ; ich machte mich davon, zu einem ärgerlich, dass ich überhaupt zugehört, zum andern reuig, dass ich meinen Traum erzählt hatte, der nun diesen Jammer hervorgerufen hatte, wiewohl ich den Grund nicht begriff. Vorsichtig begab ich mich in den unteren Teil des Hauses und gelangte im Erdgeschoss in die Küche, wo die zusammengescharrte schwache Herdglut es mir ermöglichte, meine Kerze wieder anzuzünden. Nichts rührte sich außer einer getigerten grauen Katze, die aus der Asche kroch und mich mit einem kläglichen Miauen begrüßte.

Zwei halbrunde Bänke umschlossen den Herd fast ganz: Ich ließ mich auf der einen nieder, Grimalkin*** war auf die andere geklettert. Wir waren beide am Einnicken, als jemand uns in unserm Schlupfwinkel störte; es war Joseph, der mühsam eine hölzerne Leiter herabgestiegen kam, deren oberes Ende durch eine Falltür in der Decke verschwand: dem Eingang zu seiner Kammer, vermute ich. Er warf einen finsteren Blick auf die kleine Flamme, die ich zwischen den veraschten Gitterstäben des Herdes zu beleben vermochte, stieß die Katze aus ihrer erhöhten Lage und nahm selbst diese Stelle ein, sich anschickend, eine drei Daumen lange Pfeife zu stopfen. Meine Anwesenheit in seinem Heiligtum wurde von ihm zweifelsohne als eine so maßlose Unverschämtheit eingeschätzt, dass er es verschmähte, sich darüber zu äußern: Er führte das Pfeifenrohr schweigend an seine Lippen, kreuzte die Arme und paffte vor sich hin. Ich unterbrach ihn nicht in seinem Genuss. Nachdem er den letzten Zug getan hatte, stieß er einen tiefen Seufzer aus, erhob sich und zog sich zurück, so würdig, wie er gekommen war.

Ich vernahm jetzt einen behänderen Schritt und öffnete schon den Mund zu einem «Guten Morgen»; doch schloss ich ihn, ohne den Gruß auszusprechen, denn Hareton Earnshaw verrichtete sein Morgengebet sotto voce, mit Flüchen über jeden Gegenstand, den er berührte, während er in einem Winkel nach einer Hacke oder Schaufel suchte, um einen Weg durch die Schneemassen zu bahnen. Er warf einen Blick über die Banklehne herüber, blähte seine Nüstern und dachte so wenig daran, mit mir einen freundlichen Gruß auszutauschen, wie mit meiner Gefährtin, der Katze. Ich schloss aus seinen Vorbereitungen, das Hinausgehen sei gestattet, verließ meinen harten Sitz und machte eine Bewegung, ihm zu folgen. Er bemerkte dies und stieß mit dem Ende seiner Hacke gegen eine innere Tür, mir zugleich durch einen unartikulierten Laut anzeigend, dass ich, wenn ich den Platz wechseln wolle, durch diese gehen müsse.

Sie führte in den Wohnraum, wo ich die Frauen bereits in voller Tätigkeit vorfand. Zilla fachte mit einem ungeheuren Blasbalg im Kamin die Flammen an; Mrs. Heathcliff, am Herde kniend, las im Schein des Feuers in einem Buch. Sie hielt ihre Hand schützend zwischen die Herdglut und ihre Augen und schien ganz in ihre Beschäftigung vertieft; sie ließ nur davon ab, um die Haushälterin zu schelten, wenn diese sie mit Funken überschüttete, oder um hin und wieder einen Hund wegzujagen, der mit seiner Schnauze ihrem Gesicht allzu vorwitzig nahe kam. Zu meiner Überraschung erblickte ich auch Heathcliff. Er stand, den Rücken gegen mich, am Feuer, nachdem er eben der armen Zilla eine heftige Szene gemacht hatte; diese unterbrach von Zeit zu Zeit ihre Arbeit, um ihren Schürzenzipfel zu fassen und tief empört aufzustöhnen.