Tapas, Träume und ein Macho - Gabriele Ketterl - E-Book

Tapas, Träume und ein Macho E-Book

Gabriele Ketterl

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Beschreibung

Aus einer lieblosen Ehe auszubrechen kostet Mut, viel Mut. Alexandra hat es geschafft, ihr altes Leben mit Holger ist Vergangenheit. Die Gegenwart heißt Puerto de Mogán. In dem malerischen Ort wartet das nächste Abenteuer. Sie möchte die alte, verfallene Finca zu neuem Leben erwecken. Nur wie mit viel zu wenig Geld, ohne Job und nichts als einem aberwitzigen Plan im Kopf? Der Canario Marcos, attraktiver Flamencotänzer und Cafébesitzer, steht ihr geduldig zur Seite. Trotzdem kommt es zu Spannungen, denn während sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen will, möchte der stolze Spanier sie ganz für sich. Als die Eigentümerin der Finca ein Vermögen für das alte Gemäuer fordert, droht Alex' Traum vom glücklichen Leben zu platzen, ehe er richtig begonnen hat. Obwohl sie weiß, dass Marcos die Liebe ihres Lebens ist, lehnt sie seine Hilfe ab. Bei der alljährlichen Fiesta im Ort kommt es schließlich zur Katastrophe ….

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Kurzbeschreibung:

Aus einer lieblosen Ehe auszubrechen kostet Mut, viel Mut. Alexandra hat es geschafft, ihr altes Leben mit Holger ist Vergangenheit. Die Gegenwart heißt Puerto de Mogán.

In dem malerischen Ort wartet das nächste Abenteuer. Sie möchte die alte, verfallene Finca zu neuem Leben erwecken. Nur wie mit viel zu wenig Geld, ohne Job und nichts als einem aberwitzigen Plan im Kopf?

Der Canario Marcos, attraktiver Flamencotänzer und Cafébesitzer, steht ihr geduldig zur Seite. Trotzdem kommt es zu Spannungen, denn während sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen will, möchte der stolze Spanier sie ganz für sich. Als die Eigentümerin der Finca ein Vermögen für das alte Gemäuer fordert, droht Alex‘ Traum vom glücklichen Leben zu platzen, ehe er richtig begonnen hat. Obwohl sie weiß, dass Marcos die Liebe ihres Lebens ist, lehnt sie seine Hilfe ab. Bei der alljährlichen Fiesta im Ort kommt es schließlich zur Katastrophe ….

Gabriele Ketterl

Puerto de Mogán

Tapas, Träume und ein Macho

Ein Cran-Canaria-Roman

Edel Elements

Edel Elements

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

© 2018 Edel Germany GmbHNeumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

Copyright © 2018 by Gabriele Ketterl

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Ashera Agentur

Lektorat: S. Lasthaus

Korrektorat: Martha Wilhelm

Covergestaltung: Anke Koopmann, Designomicon, München

Konvertierung: Datagrafix

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.

ISBN: 978-3-96215-123-2

www.facebook.com/EdelElements/

www.edelelements.de/

Inhalt

1. Schön bunt

2. Neue Freunde

3. Kleine Notlügen

4. Alter Zauber

5. Neue Wege

6. Unverhofft kommt oft

7. Mit ein bisschen gutem Willen

8. Viel Neues und große Gefühle

9. Zukunftsangst und andere Kalamitäten

10. Zukunftsmusik

11. Männlicher Stolz und weibliche Intuition

12. Andere Länder, andere Sitten

1. Schön bunt

Puerto de Mogán, September 2016

„Das ist … wirklich bunt.“ Alex legte den Kopf in den Nacken und versuchte, das komplette Gebäude zu erfassen. Jetzt, nach Einbruch der Nacht, war das eine Herausforderung. Alleine der Weg zu ihrem neuen Domizil war recht abenteuerlich gewesen.

Die Casa Vista lag mitten in der verwinkelten Altstadt von Puerto de Mogán. Hier kam man mit dem Auto nicht mehr voran, pedes und schiere Muskelkraft waren gefragt. Ohne Marcos wäre es schlecht um Alex bestellt gewesen. Er schleppte ihre beiden Riesenkoffer ohne Probleme über zahllose Treppen, durch enge Gässchen und über verwinkelte Wege, bis er leise stöhnend stehen blieb.

„Hier wären wir. Hier wirst du wohnen … nachdem du ja nicht nach Mogán möchtest. Unser schönes Bergdorf hat natürlich nicht den mediterranen Flair des Hafenortes, verstehe schon.“ Den Seitenhieb schien er sich nicht verkneifen zu können.

Alex ignorierte ihn vorsichtshalber und trat einen Schritt zurück, um das Haus besser sehen zu können.

Ja, bunt war es wirklich, herrlich bunt, herrlich verrückt. Im Licht zahlloser Laternen, in denen Kerzen vor sich hinflackerten, konnte man erkennen, dass dieses Haus alles andere als normal war mit seinen bunten Mauern und den eingearbeiteten Mosaiken. Ein gelb gestrichenes Holztor, auf dem in großen Holzbuchstaben der Name „Casa Vista“ prangte, machte erst recht neugierig auf das, was dahinterlag.

„Also, was ich bis jetzt sehen kann, gefällt mir gut.“

Marcos kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Wirklich? Freut mich. Ich hoffe, dass es innen auch so ist. Mein Hintergedanke war, dass du nach den ganzen supertollen, eleganten Dingen in deinem Leben wieder etwas Farbe brauchst.“

„Nicht schlecht gedacht, wirklich nicht. Du überraschst mich immer wieder. Das kann gerne so weitergehen.“

„Nur nicht übertreiben. Nun komm erst einmal anständig an. Ich bin sicher, dass Barbara und Brigitte schon vor Neugier platzen.“ Marcos drehte den großen kupferfarbenen Knauf in der Mitte der Pforte und diese öffnete sich mit leisem Knarzen.

Während er ihre Koffer in den Hof rollte, betrachtete Alex staunend den Patio, in dem sie sich wiederfand. Ihr direkt gegenüber, erhellt von zahlreichen Kerzen und einer kleinen Lampe, befand sich eine Sitzgruppe aus Korbmöbeln, die sich um einen runden Tisch gruppierte. Der Tisch war ein Kunstwerk per se. Die Einfassung aus Schmiedeeisen, die Tischplatte ausgelegt mit knallbuntem Mosaik, sogar Bruchstücke eines Spiegels waren eingearbeitet, was ihm im Kerzenlicht einen fast schon magischen Schimmer verlieh. Hinter den Stühlen befanden sich drei bunt gestrichene Türen. Auf einer vierten prangten ein gezeichneter Delfin sowie die Aufschrift „Banjo“, also verbarg sich dort das Badezimmer für die Gäste. Rechts neben Alex führte eine schmale, knallblau gestrichene Treppe in die erste Etage. Überall standen Blumenkübel und Blumenkästen, in denen die gewagtesten Pflanzenkombinationen, die Alex jemals gesehen hatte, bunt durcheinander wuchsen. Aber mochte es auch ein wildes Durcheinander sein, es war herrlich farbenprächtig und passte zu der fröhlichen Stimmung, die das ganze Haus verbreitete.

„Da seid ihr ja. Wir warten schon seit Stunden.“ Das Spanisch hatte einen herrlich fränkischen Akzent.

Alex drehte sich neugierig in die Richtung, aus der die Stimme kam, um. Am oberen Ende der Treppe stand eine Frau in einem bodenlangen, türkisfarbenen Kleid, die Arme in die Hüften gestemmt, und musterte sie und Marcos mit strengem Blick. Ihr langes Haar, das im Licht einer Lampe silbern leuchtete, war zu einem dicken Zopf geflochten, der ihr fast bis zur Hüfte baumelte. An ihren Ohren blitzten silberne Ringe und ihre Füße steckten in rosaroten Leinenschuhen. Alex schätzte sie auf gut über fünfzig, und soweit man das im Licht erkennen konnte, hatte sie ein ausnehmend schönes Gesicht. Sie konnte sich vorstellen, dass die Frau in ihrer Jugend so manches gebrochene Herz auf dem Gewissen hatte.

„Stunden? Barbara, ich glaube dir ja beinahe alles, das aber nicht. Du erinnerst dich? Delfine?“ Marcos sah mit schief gelegtem Kopf zu ihr nach oben.

Mit schnellen und sehr eleganten Schritten eilte Barbara die Treppe nach unten. Fast schien es, als würde sie schweben.

„Ihr könnt mir ja viel erzählen. Jetzt möchte ich aber erst einmal unseren neuen Gast begrüßen.“ Barbara blieb vor Alex stehen und streckte ihr die Hände entgegen. Nun, da sie so nah war, erkannte Alex, dass der ernste Blick täuschte. Winzige Lachfalten in den Augenwinkeln und ein warmherziger Ausdruck in den blauen Augen ließen Barbara gleich wesentlich sympathischer wirken. Als sie nun noch lächelte, hatte sie gewonnen. Alex ergriff freudig die ihr dargebotene Hand.

„Ich freue mich sehr, ich bin Alexandra. Es tut mir wirklich leid, dass wir so spät kommen.“

„Ach, nicht der Rede wert. Ich musste nur ihn da ein wenig ärgern. Ich wusste doch, dass er dir zuerst unser Naturschauspiel zeigen wollte. Es ist aber auch zu schön, nicht wahr? Es fördert, zumindest bei mir, jedes Mal die Demut im Angesicht von so viel Schönheit.“ Barbara drückte fest ihre Hand. „Bitte verzeih, dass ich dich einfach duze, das tun hier alle. Ich hoffe, du nimmst mir das nicht übel.“

Alex war nun nicht gerade klein, Barbara überragte sie aber trotzdem um ein paar Zentimeter. Knapp einen Meter achtzig dürfte sie wohl messen. Die Frau war wirklich beeindruckend. Alex blickte lächelnd zu ihr auf.

„Aber nein, sehr gerne. Wie gesagt, Alexandra, Freunde nennen mich Alex.“

Barbara zog eine amüsierte Grimasse. „Nichts da, du bist doch nicht der Berliner Funkturm. Alexandra ist so ein schöner Name.“ Sie wandte sich an Marcos. „Mein Lieber, wenn du dich dazu entschließen könntest, schon einmal die Koffer nach oben zu tragen, würde ich ihr so lange das Haus zeigen. Brigitte ist unterwegs, um im Terazza ein paar Tapas zu organisieren.“ Sie wandte sich mit entschuldigendem Blick an Alex. „Wir hätten ja gerne selbst gekocht, aber heute sind gleich fünf Zimmer frei und zwei neu belegt worden, mal abgesehen von deinem. Da waren wir eingespannt bis zum Gehtnichtmehr. Aber jetzt steht einem gemütlichen Essen nichts mehr im Weg. Komm, ich zeig dir alles.“

Während Marcos beide Koffer die Treppe nach oben wuchtete, zeigte Barbara Alex, sofern möglich, die Räumlichkeiten um den Patio.

„Hier ist die Gemeinschaftsdusche für die drei Zimmer im Erdgeschoss. Dazu haben die beiden eine gemeinsame Toilette samt großem Waschbecken. Zeigen kann ich es dir leider nicht, die Zimmer sind schon wieder belegt. Hier neben dir ist die zweite Toilette für unten. Schau.“ Sie öffnete die schmale, dunkelbraun gestrichene Holztür und knipste eine Lampe im Inneren an. Ein uralter gelber Glasschirm spendete gelbgoldenes Licht, das von Spiegelstücken und Mosaikkacheln zurückleuchtete.

Alex war begeistert. Die Toilette war blitzsauber, mit bunten Mosaiken an den Wänden und einem ebenfalls mit Mosaik eingefassten Spiegel. Das runde Waschbecken befand sich in einem gemauerten, weiß gestrichenen, offenen Schrank und war mit vielen bunten Steinen verziert.

Barbaras Hand beschrieb einen kleinen Kreis. „All das machen wir alleine oder mit Gästen. Die bezahlen dann nur einen Bruchteil der eigentlichen Miete, helfen jeden Tag ein paar Stunden mit und haben einen günstigen Urlaub.“

Alex staunte. „Das ist ja einmal ein sinnvolles Konzept.“

„Allerdings.“ Barbara nickte zustimmend. „Alleine könnten wir das nicht. Das wäre viel zu viel Arbeit. Aber gemeinsam klappt das richtig gut. So werden Zimmer gestrichen, Böden verlegt, Wände mit Mosaik beklebt, Stühle bepinselt und so weiter. Es macht wirklich Spaß. Und nun komm mit nach oben, ich möchte, dass du dein Zimmer siehst. Ich bin neugierig, wie du es findest.“

Sie stiegen hoch in die zweite Etage, wobei Treppe Nummer zwei eine echte Herausforderung war. Steil und schmal führte sie nach oben auf die Dachterrasse. Hier blieb Alex erst einmal stehen und ließ ihren Blick staunend und fasziniert zugleich über die Umgebung schweifen. Von hier aus hatte man einen unbeschreiblich schönen Blick über einen großen Teil von Puerto de Mogán, den Strand, den sie nun in der Dunkelheit nur erahnen konnte, und das Meer. Sie trat an die Brüstung der Dachterrasse und sah hinaus auf den im Licht von Mond und Sternen schimmernden Atlantik. Hellgraue, silberne Schlieren, bedingt durch die unterschiedlichen Strömungen, durchzogen die Wasseroberfläche. Schiffe glitten gemächlich in die Hafeneinfahrt und von irgendwoher erklang leise spanische Gitarrenmusik.

„Das ist ja traumhaft schön.“ Alex wäre gerne expliziter gewesen, aber ihr fehlten schlicht die richtigen Worte.

„Das habe ich gehofft. Komm mit, da drüben ist dein Zimmer. Du hast ein eigenes kleines Bad, also Toilette und Waschbecken, aber leider keine Dusche, die ist hier, gleich am Ende der Dachterrasse. Du teilst sie mit zwei anderen Zimmern. Ich hoffe, das ist kein Problem für dich?“

Alex schüttelte den Kopf. „Ich denke, damit kann ich gut leben.“

Barbara ging voran und auf einen Paravent am anderen Ende der großen, zur Hälfte von einem Holzaufbau überdachten Dachterrasse zu. Sie umrundete ihn und stieß eine Doppeltür aus blau bemaltem Holz auf, deren oberes Drittel aus Glas bestand, und knipste eine Stehlampe an. „Bitte sehr, das ist dein Reich.“

Das etwa fünfzehn Quadratmeter große, fast quadratische Zimmer wurde von einem schmiedeeisernen Doppelbett dominiert, das mit bunter Bettwäsche und einer in Knallgelb und Rot gehaltenen Tagesdecke sehr fröhlich und bequem wirkte. Der Holzboden war aus dicken, dunklen, geölten Bohlen und mit roten Flickenteppichen ausgelegt. Links neben der Tür stand ein runder Tisch mit zwei Bistrostühlen, die in sattem Türkis erstrahlten. Die Wände waren in einem Meeresblau gestrichen. Der Schrank, der zwischen Stühlen und Bett an der Wand stand, musste wohl einmal braun gewesen sein, da die Ränder noch immer diese Farbe hatten, nun aber leuchteten ihr die Türen in dunklem Rot entgegen. An der Wand rechts von ihr befand sich ein helles Rattanregal und direkt dahinter führte eine ebenfalls in Türkis gestrichene Tür ins Bad. Dieses unterschied sich nicht viel von dem im Erdgeschoss. Alex sah sich strahlend um.

„Das ist wunderschön. Ich mag es bunt, ich mag es, wenn ein Raum lebt. Hier leben alle Räume, sogar die Bäder. Und dann dieser Blick! Sehe ich das richtig, dass ich vom Bett aus auf das Meer blicken kann, wenn ich die Tür öffne?“

„Das kannst du tatsächlich, meine Liebe, dazu ist der Paravent da. Den respektiert hier ein jeder, dieser Teil der Dachterrasse gehört zu deinem Zimmer. Das hier ist ganz allein dein Reich. Also kannst du morgens die Tür öffnen, dich wieder ins Bett legen und den Blick auf den Atlantik genießen.“

Alex seufzte genießerisch. „So ein schöner Blick, so ein tolles Zimmer und die Terrasse – ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“

Barbara lächelte. „Sag einfach, dass du denkst, du kannst es bei uns eine Weile aushalten. Das genügt schon. Direkt unter uns liegt die Küche, möchtest du sie sehen?“

Natürlich wollte sie. Das alles war ein wenig wie ein Traum, ein herrlich bunter Traum. Die Küche befand sich in der ersten Etage, zusammen mit zwei weiteren Zimmern und einem Bad. Ein heller, freundlicher Raum, ein großer sechsflammiger Gasherd, ein gigantischer Kühlschrank, ein lang gezogener hölzerner Tisch, in Himmelblau gestrichen, dazu bunte Bistrostühle aus einer Restaurantauflösung, wie Barbara begeistert erzählte. An der Wand unter dem Fenster stand eine Anrichte aus Holz, graublau gestrichen, darauf Gläser, Teller und Besteck in Bastkörben. An die in warmem Gelb gestrichenen Wände hatten Gäste liebevolle Sprüche und Widmungen geschrieben, die Barbara ihr voller Stolz zeigte. Dazwischen fanden sich alte Emailleschilder mit Motiven aus den 60er- und 70er-Jahren. Neben dem Herd baumelten zahllose Küchengeräte an den Haken einer Stange. In der Ecke wuchs in einem riesigen Terrakottatopf eine Zimmerpalme, und in dem Bereich zwischen Flur und Küche stand ein Computer auf einem alten Schreibtisch. Ein handgemaltes Schild verkündete: „WLAN frei, eine halbe Stunde Internet 1 Euro“. Neben dem Schreibtisch entdeckte Alex ein großes Regal mit Büchern aus aller Herren Länder.

„Die bringen die Gäste mit, lesen sie, stellen sie rein, tauschen aus und die nächsten bringen wieder etwas Neues. Das läuft prima.“

Von der Küche aus ging es durch eine große gläserne Doppeltür auf einen geräumigen Balkon. Dort standen neben zwei Bistrotischen samt Stühlen drei gemütliche Sonnenliegen.

„Die meisten Gäste buchen mit Frühstück, dann machen wir die Doppeltür auf und sie können entweder drinnen frühstücken oder an den Tischen draußen. Wenn sie Lust haben, können sie ihre Sachen auch mit auf die Dachterrasse nehmen. Wir sehen das nicht so eng. Nur das Geschirr müssen sie wieder nach unten bringen. Einen tollen Blick haben sie von hier aus auch, wie du morgen sehen wirst.“ Barbara legte die Stirn in nachdenkliche Falten. „Ich denke, das war es für heute. Ich will dich ja nicht überfordern.“

Alex ließ ihren Blick noch einmal über die coole Küche schweifen. „Alles wunderbar. Wenn mir bis morgen etwas entfällt, dann frage ich einfach. Wo steckt eigentlich Marcos?“ Suchend blickte sie sich um.

Barbara fasste sie an den Schultern und drehte sie um etwa hundertachtzig Grad. „Da unten im Patio. Ich denke, er telefoniert mit seinem Bruder. Der hat momentan ein paar Probleme. Allerdings kann er nichts dafür.“

Sebastian steckte in Schwierigkeiten? „Was ist denn los? Hat er Ärger im Hotel?“

Alex bemerkte, dass Barbara nach Worten suchte, und befürchtete schon, zu neugierig gewesen zu sein. „Verzeihung, das geht mich ja eigentlich gar nichts an.“

„Nein, nein“, wehrte Barbara ab, „das ist schon in Ordnung. Ich weiß nur nicht, wie man so viel Hirnlosigkeit in Worte fassen soll.“

Nanu, so hätte sie Sebastian gar nicht eingeschätzt. „Als dumm habe ich ihn eigentlich nicht empfunden.“

„Aber nein. Doch nicht er, der arme Tropf. Die dumme Tussi, die sich einbildet, ihn ins Bett bekommen zu müssen.“

„Wie bitte?“ Alex wurde sofort hellhörig.

„Du kennst Sebastian?“

„Aber ja, während der Top-Seller-Reise haben wir in dem Hotel Grand Mogán gewohnt. Ich habe ihn als sehr lieb in Erinnerung behalten. Abgesehen davon, dass er verflixt hübsch ist.“

Barbara nickte grimmig. „Ja, genau das wird ihm gerade zum Verhängnis. So eine reiche Ziege hat sich in ihn verguckt, er war nett und freundlich wie immer und – zack – schon dachte sie wohl, dass er für alles zu haben sei.“

„Nicht dein Ernst?“

„Leider schon. Mal ganz abgesehen von deutlichen Avancen und anderen Kleinigkeiten, beispielsweise sich Essen aufs Zimmer bestellen und ihn dann nur im Tanga erwarten, fängt sie laut Marcos nun an, ihm zu drohen. Von wegen, wenn er nicht lieb wäre, müsste sie wohl mal mit seinem Chef reden. Außerdem betatscht sie ihn andauernd. Sebastian ist schon einigermaßen durch den Wind. Er ist ja nun wirklich ein Lieber. Bis heute hat er sich noch immer irgendwie aus der Affäre gezogen. Scheint dieses Mal nicht zu klappen.“ Barbara sah ausgesprochen angesäuert aus. „Diese strohdummen, neureichen Trullas.“

Alex überlegte fieberhaft. Schließlich war Sebastian nicht nur Marcos’ Bruder, nein, er war auch für sie da gewesen, als sie so dringend jemanden gebraucht hatte.

„Barbara, lass mich einfach einmal bis morgen nachdenken. Ich glaube, ich habe eine Idee, aber dazu bräuchte ich dich. Ich nehme doch an, du möchtest dem armen Kerl helfen?“

Barbara war sofort Feuer und Flamme. „Aber sicher doch! Es kann ja wohl nicht angehen, dass diese Frau, nur weil sie glaubt, sich alles kaufen zu können, damit auch noch durchkommt.“

Alex rümpfte angewidert die Nase. „Nicht wenn ich es verhindern kann. Sebastian war so lieb zu mir, als ich vor ein paar Wochen dringend Trost brauchte. Ich muss ihm da einfach helfen. Gib mir noch ein wenig Zeit, ich muss meine Ideen erst einmal ordnen. Gut Ding braucht Weile, oder so ähnlich.“

„Sehr gute Einstellung. Ah, ich habe gerade unser Tor im Patio gehört. Das muss Brigitte mit dem Abendessen sein. Komm mit, wir holen Teller und Gläser und verziehen uns auf die Dachterrasse.“

Nur zu gerne folgte Alex ihr in die Küche, ließ sich Teller und Besteck auf die Arme laden und beobachtete, wie Barbara diverse Flaschen aus dem Kühlschrank in eine Basttasche packte. „Zwei Flaschen Rotwein, zwei Flaschen Wasser und ein halbes Fläschchen Honigrum, was denkst du, wird uns das reichen?“

„Könnte knapp werden, aber eventuell kommen wir damit hin.“ Kichernd drehte Alex sich um und eilte zur Treppe in Richtung Dachterrasse.

Hinter sich hörte sie Barbara leise lachen. „Ich mag die Frau.“

2. Neue Freunde

Brigitte war Alex auf Anhieb sympathisch. Als sie, mit zwei schweren Plastiktüten beladen, die Treppe hochprustete und ihr Kopf im Treppenaufgang erschien, musste Alex unwillkürlich lächeln. Knallrotes Haar, eindeutig gefärbt, aber herrlich anzusehen, war zu einem dicken Knoten am Hinterkopf geschlungen. Helle Augen blitzten fröhlich aus einem von der Anstrengung erhitzten und dezent geröteten Gesicht. Brigitte war ein wenig kleiner als Barbara, auch etwas kompakter, aber durchaus eine gut aussehende Frau. Die weiße Bluse klebte an der ansehnlichen Brust. Stöhnend stellte sie die beiden Taschen auf dem Boden ab und musterte Alex und Barbara mit hochgezogenen Brauen.

„Ihr zwei habt gut grinsen. Ihr schleppt ja auch nicht grob geschätzt vier Kilo Tapas in der Gegend rum. Ja, spinne ich denn, dass das jetzt noch so warm ist.“

Barbara erhob sich geschmeidig aus ihrem Korbstuhl und klopfte ihr mütterlich auf den Rücken.

„Armes Hascherl. Wird wirklich Zeit, dass du die Wechseljahre hinter dich bringst.“

„Dumme Witze reißen kann ich immer noch selbst.“ Resolut pustete sich Brigitte eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Stell mir lieber endlich unseren neuen Gast vor. Ach, Humbug, ich mach das selbst. Ich gehe doch recht in der Annahme, dass du Alexandra bist, nicht wahr?“

Alex nickte erfreut. „Bin ich, und du musst Brigitte sein. Barbara und Marcos haben schon von dir erzählt.“

Brigitte zog eine amüsierte Grimasse. „Na toll. Glaub den beiden kein Wort.“ Lachend streckte sie ihr die Hand entgegen. „Herzlich willkommen in der Casa Vista, liebe Alexandra.“

Gut, damit lag „Alex“ wohl vorerst auf Eis, aber da gab es nun wirklich Schlimmeres.

„Vielen lieben Dank. Ich freue mich sehr, hier wohnen zu können.“

„Ah, sehr schön.“ Brigitte blickte sie forschend an. „Darf ich daraus schließen, dass dir unsere Villa Kunterbunt einigermaßen gefällt?“

„Ich finde sie fantastisch.“

„So mag ich das. Nachdem wir die Formalitäten hiermit hoffentlich endlich abgeschlossen haben, könnten wir dann bitte essen? Mir knurrt seit Stunden der Magen.“ Barbara schien sich gefährlich nahe am Unterzucker zu bewegen, was offenbar ihrem Humor und ihrer Geduld ein wenig abträglich war.

Brigitte zuckte lediglich die Schultern. „So schnell verhungert man nicht, außerdem will Marcos einen Happen mitessen, dann muss er Sebastian abholen. So ein Schlamassel, in dem der Junge da steckt.“ Sie bückte sich und begann, zahlreiche Tupperdosen aus den Taschen zu holen.

„Antonio hat mich wieder verflucht, wegen der Dosen. Ich schwöre euch, der tut das nie wieder. Ich habe ihm einen dreißigminütigen Vortrag über Umweltschutz gehalten. Der ist erst mal bedient.“ Mit energischer Miene stellte sie die Dosen auf dem Tisch ab. Als endlich acht auf der Tischplatte aufgereiht waren, richtete sich Brigitte auf und wischte ihre Hände an den dunklen Jeans ab. „Fertig! Das muss reichen. Da haben wir“, sie nahm zügig die Deckel von den Dosen, „spanische Tortilla, Papas Arrugadas, Manchegokäse mit Serrano-Schinken umwickelt, Hackbällchen in Tomatensoße, Chorizowürstchen gegrillt mit Paprika à la Padrón, feurige Hühnerspieße mit Bananensoße, Gambas in Knoblauchöl und Kabeljau in fruchtiger Tomatensoße. Und das frisch gebackene Brot vom Terazza, Achtung, das ist noch warm.“

Der Duft, der den offenen Dosen entströmte, war so lecker, dass Alex’ Magen unwillkürlich knurrte. Brigitte schien sehr feine Ohren zu haben.

„Ich wage anzunehmen, dass hier noch jemand Hunger hat?“ Sie wandte sich zur Brüstung der Dachterrasse, beugte sich vor und rief laut nach Marcos. „Wäre ja schade, wenn es kalt wird, nicht wahr?“ Sie rückte alles zurecht, blickte sich suchend um, entdeckte den Korb mit den Flaschen und angelte einen Wein heraus. „Na dann, lasset die Spiele beginnen.“

Sie luden sich gerade ihre Teller voll, als Marcos atemlos die Treppe hochgeeilt kam. „Bitte entschuldigt. Ich wollte nicht unhöflich sein.“

Barbara winkte sofort ab. „Ganz ruhig, mein Lieber. Du musst dich nicht rechtfertigen. Komm, setz dich und greif zu. Wie geht es Sebastian?“

Marcos nahm sich, nicht ohne doch noch einen entschuldigenden Blick in ihre Richtung zu werfen, ein Stück Manchego samt Schinken und riss sich von einem der drei Baguettes ein großes Stück ab. „Nicht besonders. Er möchte ja schließlich die Jahre im Hotel gut herumbringen, um ein vernünftiges Zeugnis und eine gute Ausbildung zu bekommen. Dieses Biest kann ihm so richtig Schaden zufügen. Ich könnte dieses Weib erwürgen.“ Er hielt sichtlich erschrocken inne. „Bitte entschuldigt den Ausdruck, aber bei ihr fällt mir wirklich nichts anderes mehr ein.“

Brigitte biss vollkommen entspannt in ein Albondiga, eines der pikanten Fleischbällchen. „Schon in Ordnung. Wir hatten bereits ganz andere Namen für die Lady.“

„Danke, das beruhigt mich.“ Er warf einen unruhigen Blick zu der rosa Vintageuhr, die über dem Treppenabgang an der Wand prangte. „Verdammt. Bitte seid mir nicht böse, ich nehme mir noch ein Stück Tortilla, dann muss ich leider los. Ich habe Sebastian versprochen, ihn am Hotel abzuholen, damit sie ihm heute nicht noch weiter auf die Nerven geht.“

„Wie lange ist die Frau denn noch da? Fliegt sie nicht irgendwann wieder nach Hause?“ Barbara drehte nachdenklich ihr Weinglas in den Händen.