Texas Heat - Gerry Bartlett - E-Book

Texas Heat E-Book

Gerry Bartlett

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Beschreibung

Eine überraschende Erbschaft und ein sexy Milliardär in Cowboystiefeln Cassidy Calhoun wurde im Leben nichts geschenkt. Seit sie denken kann, arbeitet sie hart für ihr Studium und ihren Lebensunterhalt. Als Cass erfährt, dass sie die Tochter eines kürzlich verstorbenen Texas Milliardärs ist, kann sie es kaum glauben. Ihr Erbe ist jedoch an eine Bedingung geknüpft: Sie muss ein Jahr in der Firma ihres Vaters arbeiten, bevor sie einen Cent sieht. Zur Unterstützung wird ihr Mason MacKenzie zur Seite gestellt. Mason ist ein attraktiver, Cowboystiefel tragender Milliardär und der größte Rivale ihres Vaters. Vom ersten Augenblick an funkt es zwischen Cassidy und Mason. Doch je näher sich die beiden kommen, desto mehr seltsame Unfälle geschehen Cassidy. Kann sie Mason vertrauen und gemeinsam mit ihm die Firma ihres Vaters retten? Oder wird sie am Ende beides verlieren – ihr Erbe und ihr Herz? Gerry Bartlett liefert eine brandheiße Liebesgeschichte mit genau der richtigen Portion Texas-Charme! (USA Today Bestsellerautorin Kimberly Raye) Ein Spannendes Lesevergnügen mit einen Hauch Erotik, tiefen Gefühlen und Intrigen bis zum Finale. (s.stricko) Mit "Texas Heat: Gefährliche Leidenschaft" schafft Gerry Bartlett einen schönen Auftakt, der mich durch viele spannende und erotische Momente begeistern konnte. (Stefanie Brandt)

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Seitenzahl: 517

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Die AutorinGerry Bartlett wurde in Texas geboren. Die ehemalige Lehrerin eroberte mit ihrer Real Vampires-Serie die amerikanischen Bestsellerlisten. Inzwischen wohnt sie auf halbem Weg zwischen Houston und Galveston und betreibt dort ein Antiquitätengeschäft. Texas Heat ist der erste Band ihrer neuen Romantic-Suspense-Reihe.

Das Buch

Eine überraschende Erbschaft, eine große Verantwortung und ein Mann, dem sie nicht widerstehen kann …Cassidy Calhoun, die in einer Kleinstadt in Texas aufgewachsen ist, wurde im Leben nichts geschenkt. Seit sie denken kann, arbeitet sie hart für ihr Studium und ihren Lebensunterhalt. Als Cass erfährt, dass sie die Tochter eines kürzlich verstorbenen Milliardärs ist, kann sie es kaum glauben. Ihr Erbe ist jedoch an eine Bedingung geknüpft: Sie muss ein Jahr in der Firma ihres Vaters arbeiten, bevor sie einen Cent sieht. Zur Unterstützung wird ihr Mason MacKenzie zur Seite gestellt. Mason ist ein attraktiver, Cowboystiefel tragender Millionär und der größte Rivale ihres Vaters. Vom ersten Augenblick an funkt es zwischen Cassidy und Mason. Doch je näher sich die beiden kommen, desto mehr seltsame Unfälle geschehen Cassidy. Kann sie Mason vertrauen und gemeinsam mit ihm die Firma ihres Vaters retten? Oder wird sie am Ende beides verlieren – ihr Erbe und ihr Herz?Gerry Bartlett liefert eine brandheiße Liebesgeschichte mit genau der richtigen Portion Texas-Charme! (USA Today Bestsellerautorin Kimberly Raye)

Gerry Bartlett

Texas Heat

Gefährliche Leidenschaft

Übersetzung Anja Mehrmann

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Deutsche Erstausgabe bei Forever. Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Juli 2017 (2) © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016 © Lyrical Shine, Kensington Publishing Corp., New York 2016 © 2016 by Gerry Bartlett Titel der englischen Originalausgabe: Texas Heat  Übersetzung: Anja Mehrmann Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic®  ISBN 978-3-95818-176-2  Hinweis zu Urheberrechten Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Kapitel 1

Cassidy Calhoun hatte schon schlechtere Zeiten erlebt, aber sie konnte sich in diesem Moment beim besten Willen nicht daran erinnern. In ihrem Wagen war es fast vierzig Grad heiß, die Klimaanlage hatte auf halbem Weg zum Stadtzentrum von Houston den Geist aufgegeben, auf der Autobahn herrschte völliger Stillstand und sie würde zu spät kommen. Beim Versuch, auf ihre Spur zu wechseln, hätte irgendein Idiot sie außerdem gerade fast umgebracht. Zweimal. Puh. Ihre Hände zitterten immer noch.

Wehe diese ganze Erbschafts-Geschichte war nur Beschiss. Allerdings hatte der Typ sie bei der Arbeit aufgespürt, ihr die Visitenkarte einer noblen Anwaltskanzlei überreicht und behauptet, es würde sich für sie auszahlen, wenn sie heute im Büro dieses Anwalts erschiene. Für einen bloßen Schwindel wäre das verdammt viel Aufwand gewesen.

Also hatte sie sich kurzerhand einen Tag freigenommen. Warum auch nicht? Wenn irgendein längst verloren geglaubter Verwandter ihr tatsächlich Geld hinterlassen hatte, um diesen Schrotthaufen von Auto gegen etwas Besseres einzutauschen und vielleicht noch ein paar Rechnungen zu bezahlen, dann lohnte sich jede schmerzhafte Minute dieser morgendlichen Fahrt.

Cass fuhr in ein Parkhaus – Mindestgebühr zwanzig Dollar. Großartig. Als hätte jemand einen Blick in ihr leeres Portemonnaie geworfen. Sie hoffte für die Anwälte, dass sie das bezahlen würden …

Wenige Minuten später versuchte sie, ihr zerknittertes Kleid glattzustreichen. Schwarz stand ihr zwar nicht, aber schließlich war gerade irgendein armer Teufel gestorben, nicht wahr? Als sie sich in den verspiegelten Wänden des Aufzugs betrachtete, der sie in den dreißigsten Stock brachte, war sie keineswegs überrascht zu sehen, dass ihr Make-up sich fast aufgelöst hatte. Natürlich hatte die Hitze auch ihre professionelle Frisur zerstört, so dass sie jetzt aussah wie Jane aus dem Dschungel. Aber gleichzeitig mit dem Fahrstuhl schossen auch ihre Erwartungen in die Höhe. Dies war ein Gebäude der Luxusklasse. Wenn sie die richtigeCassidy Calhoun war und tatsächlich bald zu Geld kommen sollte, würde sich vielleicht ihr ganzes Leben ändern.

Sie lehnte sich an das kühle Spiegelglas und malte sich aus, was sie mit diesem zusätzlichen Geld alles anstellen könnte. Nummer Eins auf der Liste? Eine eigene Wohnung ohne lüsterne Mitbewohnerin, deren Schreie sie jedes Mal hörte, wenn ihr Freund über Nacht blieb. Apropos Freund … Die Fahrstuhltür glitt auf, und der Gedanke verblasste, als sie das attraktivste Exemplar eines Mannes erblickte, das ihr außerhalb der Anzeigenseiten von Illustrierten je unter die Augen gekommen war.

»Gorikai itadaki arigatōgozaimasu.« Er hielt sich ein Handy ans Ohr, beendete jedoch gerade das Telefonat, verbeugte sich dann und fragte: »Habe ich das gerade wirklich getan, oder bilde ich mir das nur ein?«

Cass konnte nicht widerstehen. Sie verbeugte sich ebenfalls.

Er lachte, ein lautes Lachen aus dem Bauch heraus, unwiderstehlich und ansteckend. Cass grinste und spürte, wie die Anspannung, von der sie bereits Kopfschmerzen hinter dem rechten Auge bekommen hatte, ein wenig nachließ. Das Handy in seiner Hand klingelte erneut, und sein Lachen verebbte, als ob jemand einen Wasserhahn zugedreht hätte. »Scheiße.« Er lehnte sich an die Fahrstuhltür, die sich gerade schließen wollte.

Cass klemmte sich ihre Handtasche unter den Arm. War sie schon im richtigen Stockwerk? Nein, erst im achtundzwanzigsten.

»Ja, ich bin durchgekommen und habe mit ihnen geredet. Es bleibt bei dem Deal.« Einen Moment lang hörte er zu. »Nein, du lässt die Japaner jetzt in Ruhe. Ist mir egal, ob du sie bescheuert findest. Ich habe die Sache geregelt, und die wollen todsicher nicht noch mal mit dir reden.« Er stieg in den Fahrstuhl und blickte auf den Tastenblock neben der Tür, dann musterte er Cass so eindringlich, dass sie sich die Haare hinter die Ohren schob. Je weniger davon zu sehen war, desto besser.

»Hör zu, ich gehe jetzt ins Meeting und schalte mein Handy aus. Ich habe meinen Job gemacht, und damit solltest du zufrieden sein, Ed. Bis später.« Er schaltete das Handy aus und schob es demonstrativ in seine Brusttasche.

»Wollen Sie auch in den Dreißigsten?« Er hielt den Finger auf den Knopf, der dafür sorgte, dass die Türen offenblieben. Der Aufzug hatte zu summen begonnen, während er noch telefoniert hatte.

»Nein, Dreißigster.« Cass schob sich in eine Ecke des Aufzugs, weg von ihm. Was nicht etwa hieß, dass sie sich von seinem teuren Anzug und der Selbstsicherheit, die sie heutenicht empfand, einschüchtern ließ.

»Sag ich doch.« Endlich ließ er dem Fahrstuhl seinen Willen und lächelte Cass an, wobei in seinem gebräunten Gesicht perfekte, schneeweiße Zähne aufblitzten. »Da will ich auch hin. Sind Sie zufällig Cassidy Calhoun?«

»Äh … ja. Die bin ich. Cass.« Sie blinzelte, als er ihr die Hand reichte. Saubere, polierte Fingernägel, aber schwielige Hände. Cass schlug ein. Fester Händedruck. Angenehm. Nicht dieser schlaffe Pseudo-Händedruck, den Frauen nach Ansicht mancher Männer offenbar erwarteten oder verdienten.

»Mason MacKenzie.« Er deutete auf die Fahrstuhltüren, die in diesem Augenblick wieder aufglitten. »Wir sind da.«

»Sind Sie einer der Anwälte?« Auf der Visitenkarte hatte MacKenzie & Harper gestanden. Sie schob sich an dem Mann vorbei und betrat eine geräumige Empfangshalle mit glänzendem Parkettboden. Ein unaufdringlicher, eleganter Duft stieg ihr in die Nase. Appetitlich. Fast so appetitlich wie seine breiten Schultern in dem vermutlich maßgeschneiderten italienischen Anzug. Sie blieb mit dem Absatz am Rand des Orientteppichs vor dem Empfangstresen hängen und stolperte. Er hielt sie am Ellbogen fest, bevor sie hinfallen konnte.

Super Aktion, Cass.

»Vorsicht.« Erst, als sie wieder sicher auf beiden Füßen stand, ließ er sie los. »Nein, ich bin kein Anwalt. Aber mein Bruder Dylan. Sie lernen ihn gleich kennen.«

Cass bemerkte, dass er glänzende schwarze Cowboystiefel zum Anzug trug. Außerdem blitzte an seinem Finger der Absolventen-Ring eines Colleges in Texas, von dem sie wünschte, sie hätte es sich selbst leisten können. Der Anzug passte zu seinem dunklen Haar, und die Krawatte schien extra für ihn im hellen Blau seiner Augen gefärbt worden zu sein. Augen, die sie jetzt von Kopf bis Fuß musterten. Cass konzentrierte sich auf die Frau, die hinter dem Tresen aus Chrom und Glas von ihrem Stuhl aufgesprungen war. Über ihrem Arbeitsplatz prangte das Firmenschild der Anwaltskanzlei. Mörderische High Heels, teures rotes Kostüm, groß und dünn wie ein Model. So elegant hatte Cass nicht mal vor ihrer Höllenfahrt ausgesehen.

»Mr MacKenzie! Sie werden im großen Konferenzraum erwartet. Sind Sie Miss Calhoun? Dann sind Sie die Letzte, die noch fehlt. Abgesehen von Ihnen natürlich, Mr MacKenzie.« Die Frau errötete. Offensichtlich hatte sie gemerkt, dass sie gerade beide des Zuspätkommens beschuldigt hatte. »Kann ich einem von Ihnen ein Wasser bringen? Oder vielleicht etwas Stärkeres?« Die letzte Frage richtete sie an Mason, begleitet von einem koketten Augenaufschlag und einem verführerischen Hüftschwung.

»Nein, danke, Amber. Ja, das ist Ms Calhoun. Cass?« Mason blieb an Cass‘ Seite, als wollte er sie erneut auffangen, sollte sie noch einmal stolpern.

»Nehmen wir beide an demselben Termin teil? Einer Testamentseröffnung?« Cass blickte zu ihm auf. Er war ihr schrecklich nah, so nah, dass sie seine dichten Wimpern sehen konnte, als er nickte und erneut ihren Ellbogen berührte.

»Genau. Ich schätze, für Sie wird es äußerst interessant.« Mason lächelte und schob sie sanft vorwärts. »Es ist da hinten, am Ende des Flurs.«

»Und wie wäre es mit einem Wasser?« Die Rezeptionistin war ihnen gefolgt und musterte Cass stirnrunzelnd. »Nehmen Sie es mir nicht übel, aber Sie sehen aus, als hätte die Hitze Ihnen ziemlich zu schaffen gemacht.«

»Sie hat recht, Cass«, sagte Mason und blieb stehen. »Ihr Gesicht ist ganz rot.«

»Probleme mit dem Wagen, die Klimaanlage ist ausgefallen. Ein Wasser wäre prima. Aber wie Sie schon sagten: Wir sind spät dran. Können Sie es mir ins Besprechungszimmer bringen? Bitte?« Cass bat nur ungern darum, aber genauso unangenehm war es ihr, Leute warten zu lassen.

»Natürlich. Still oder prickelnd?«

»Wie bitte?«, fragte Cass.

Mason setzte sich wieder in Bewegung und schob sie weiter am Ellbogen den Flur entlang. »Sie will wissen, ob Sie Ihr Wasser mit oder ohne Kohlensäure möchten.«

»Oh. Ohne, bitte. Und vielen Dank.« Jetzt kam sie sich wie eine Idiotin vor.

»Entspannen Sie sich. Der Spaß hat gerade erst begonnen. Warten Sie ab, bis Sie die restlichen Calhouns kennenlernen.«

Mason stieß eine Tür auf, und die Gespräche in dem Raum verstummten, weil alle Anwesenden sich umdrehten und sie anstarrten. »Hallo zusammen. Das hier ist Cassidy Calhoun, genannt Cass. Seien Sie nett zu ihr. Sie hatte Probleme mit ihrem Wagen, und ich fürchte, sie fällt gleich vor Hitze und Erschöpfung in Ohnmacht.« Er deutete auf einen freien Sessel. »Der Mann am Kopfende dort ist mein Bruder Dylan, der Anwalt, der Sie gebeten hat, herzukommen.«

»In Ohnmacht fallen? Kommt nicht in Frage. Holt ihr mal jemand ein Wasser?« Die Stimme gehörte einer Frau mittleren Alters mit hübschem blondem Haar und funkelnden blauen Augen. »Ich bin Missy Calhoun, Connies zweite Frau.«

»Wasser. Ja, bitte«, sagte Cass und ließ sich in dem bequemen Ledersessel nieder. »Connie?«, wollte sie gerade fragen, da setzte sich eine Frau, die mehrere Jahre jünger zu sein schien als sie selbst mit ihren neunundzwanzig, vor ihrer Nase auf den Besprechungstisch.

»Mensch, sie ist Daddy wie aus dem Gesicht geschnitten, stimmt’s, Mama?« Wie die ältere Frau hatte auch die jüngere blondes Haar und blaue Augen.

»Allerdings. Dunkle Haare und dieses unselige, störrische Kinn. Bist du dickköpfig, Mädchen?« Missy nahm offensichtlich kein Blatt vor den Mund.

»Das sagt man mir zumindest nach. Wem sehe ich ähnlich?« Wer war »Daddy«? Und mit ihrem Kinn war alles in Ordnung, verdammt. Außer, dass es kantig war und dazu neigte, sich vorzuschieben, wenn sie wütend war. Okay, dann war es eben unselig. Und störrisch.

»Das weißt du nicht?« Die junge Frau zog die Augenbrauen hoch. »Du machst wohl Witze. Na ja, egal. Ich bin jedenfalls Megan. Das da ist meine Schwester Shannon, und der Typ da drüben, der dauernd Textnachrichten schreibt, ist mein Bruder Ethan.« Megan lächelte und rutschte von ihrem Sitzplatz auf dem Tisch herunter. »Wir hatten keine Ahnung, dass es dich gibt. Wird wohl ein bisschen dauern, bis wir uns dran gewöhnt haben. Weiß nicht, warum Dad all die Jahre so ein großes Geheimnis daraus gemacht hat.« Sie blickte in die Runde, und die andere junge Frau am Tisch, die ihr sehr ähnelte, nickte.

Der Junge, der das gleiche unselige Kinn wie Cass hatte, schenkte ihnen keine Beachtung, er interessierte sich nur für sein Handy.

»Trinken Sie.« Mason drückte Cass ein Glas in die Hand. Die Rezeptionistin stellte ein Tablett mit einer Karaffe Eiswasser und weitere Gläser auf den Tisch, dann verließ sie eilig den Raum und schloss die Tür hinter sich.

Dankbar stürzte Cass das Wasser hinunter. Ihre Hand zitterte, als sie sie ausstreckte, um sich noch etwas einzugießen, und sie verschüttete Wasser auf dem Tisch. Schließlich gab sie auf und setzte sich wieder hin.

»Entspann dich, Süße, wir beißen nicht. Ich schwör’s.« Missy Calhoun lächelte sie mitfühlend an und betupfte sich die Augen mit einem Taschentuch. »Für uns ist es ein trauriger Tag. Hat dein Daddy dich jemals besucht?«

»Ich habe keine Ahnung, von wem Sie reden.« Cass ließ den Blick durch den Raum schweifen. Mason war ans andere Ende des Tisches gegangen, um mit seinem Bruder, dem Anwalt, zu sprechen. Jetzt starrten alle Cass an. »Ich habe meinen Vater nie kennengelernt, und er hat mich todsicher nie besucht. Wenn es hier um ihn geht, bin ich raus.« Sie stand auf, die Handtasche rutschte ihr vom Schoß und landete auf dem Boden. Typisch, jetzt fielen auch noch ihr Portemonnaie und das Handy heraus, dazu ein Päckchen Taschentücher und ihr verdammter Schlüsselbund.

»Warten Sie.« Mason bückte sich und schob alles wieder in die schwarze Tasche. Dann hielt er sie hoch, so dass Cass nicht rankam. »Soll das etwa heißen, ihre Mutter hat Ihnen nie erzählt, dass Conrad Calhoun Ihr Vater war?«

»Offensichtlich nicht.« Cass dachte gar nicht daran, hochzuspringen und nach ihrer Handtasche zu greifen. Der Typ war verdammt noch mal zu groß, und vor diesen gutgekleideten Menschen, die sie beobachteten wie einen Käfer unter dem Mikroskop, würde sie sich nicht lächerlich machen. »Mein Vater hat meine Mutter verlassen, als sie schwanger war, und er hat nie einen Cent Unterhalt gezahlt. Wir mussten immer allein zurechtkommen. Warum sollte ich jetzt irgendetwas von ihm erwarten können?«

Mason gab ihr die Handtasche, ließ sie aber nicht los. »Würden Sie meinem Bruder eine Minute lang zuhören? Und in Betracht ziehen, dass Ihre Mutter Ihnen möglicherweise nicht die ganze Geschichte erzählt hat? Oder nicht die wahre Geschichte?«

Missy nahm sich ein Glas Wasser. »Connie konnte ein mieser Scheißkerl sein, ja, aber er hat seine Familie geliebt. Ich kann nicht glauben, dass er seine Frau und sein Kind im Stich gelassen haben soll.« Sie musterte den Anwalt. »Vielleicht ist das Ganze ein Irrtum.«

»Mit Sicherheit. Seine Familie hat er vielleicht geliebt, aber meine nicht.« Cass zuckte die Schultern. »Wenn dieser Connie wirklich behauptet hat, er sei mein Vater, dann kann ich Ihnen eines sagen, Lady: Er hat uns auf dem Trockenen sitzen lassen. Mein Studiendarlehen in Höhe von mehreren tausend Dollar ist der Beweis dafür. Hey, Mädels, musstet ihr auch bei McDonald’s im Drive-through arbeiten, um für euer College aufzukommen? Habt ihr je einen Test verpennt, weil ihr die Nachtschicht bei Hootersdurchgezogen habt?« Oh, das hätte sie nicht sagen sollen. Ethan, der Typ, der angeblich ihr Bruder war, blickte auf und starrte ihr auf die Oberweite. Mason hatte sie schon vorher gemustert, warf jetzt aber auch einen zweiten Blick darauf. Dylan, der Anwalt, sah ebenfalls automatisch hin, aber dann fiel ihm offenbar wieder ein, dass er bei diesem traurigen Anlass seriös wirken musste. Er räusperte sich und schob ein paar Papiere hin und her.

»Er hat nicht einfach nur behauptet, Ihr Vater zu sein …«, sagte Dylan und sah ihr nun ins Gesicht.

»Es tut uns leid, Cassidy.« Megans Augen füllten sich mit Tränen. »Ich bin sicher, wenn Daddy gewusst hätte, dass …«

»Warum glauben Sie, dass er es nicht wusste?«, fragte Cass und machte Anstalten, zur Tür zu gehen. »Und sich nur einfach nicht um mich gekümmert hat.« Ja, ihr Kinn tat, was es wollte. Und ja, sie war wütend. Wer waren diese Leute, dass sie über »Daddy« redeten wie über jemanden, den sie geliebt hatten, während Cass nie einen Vater zum Lieben gehabt hatte?

Sie ließ den Blick durch den Raum schweifen. Alle schienen sie kritisch zu mustern.

»Hey, ich habe nicht in Sibirien gelebt. Wenn euer ›Daddy‹ euch hier in Houston aufgezogen hat, dann haben wir nur ungefähr eine halbe Autostunde voneinander entfernt gewohnt. Aber bis heute habe ich noch nie seinen Namen gehört, geschweige denn jemals eine Geburtstagskarte von ihm bekommen.« Cass legte die Hand auf den Türknauf, bereit, hinauszustürmen. »Ich brauche das hier nicht.« Aber sie brachte es nicht fertig, die Tür zu öffnen. Ein teurer Anwalt, elegant gekleidete Leute. Conrad Calhoun. Wo hatte sie diesen Namen schon mal gehört?

Sie zögerte. In diesem Raum roch es förmlich nach Geld. Was bedeutete, dass vielleicht – nur vielleicht – auch für sie etwas herausspringen würde. Sie war weder stolz noch verrückt genug, um einfach abzuhauen und so die Chance zu verpassen, ihre Schuldenlast ein wenig zu verringern. Sie überlegte noch, wie sie nach diesem dramatischen Auftritt wieder einlenken sollte, da trat Dylan mit einem Bündel Papiere in der Hand vor.

»Warten Sie. Bitte. Conrad hat sich aus gutem Grund nicht um Sie gekümmert, Cassidy.« Er deutete auf den Stuhl, von dem sie gerade aufgestanden war. »Würden Sie sich bitte wieder setzen und mir zuhören? Geben Sie mir fünf Minuten. Ich sehe, Sie haben das Temperament Ihres Vaters geerbt, aber glauben Sie mir, wenn ich Ihnen alles erklären darf, werden Sie verstehen, warum er keinen Kontakt zu Ihnen aufnehmen konnte. Oder Ihnen finanziell unter die Arme greifen.« Der Mann, der Mason so sehr ähnelte, kam näher und hielt eine Akte hoch. »Jedenfalls bis jetzt. Connie hat mir nach dem Tod meines Vaters, der ebenfalls Anwalt war, sein Vermögen und seine privaten Angelegenheiten anvertraut. Er und mein Dad waren eng befreundet. Das hier sind die Scheidungsunterlagen Ihrer Eltern.« Dylan öffnete die Akte und fuhr fort: »Im Rahmen der Scheidung wurde ihm untersagt, Kontakt zu Ihnen aufzunehmen. Wenn Sie einverstanden sind, fasse ich das Ganze für Sie zusammen.«

Cass setzte sich. »Untersagt? Das kommt mir ziemlich extrem vor.« Was hatte Conrad Calhoun getan, dass ihre Mutter glaubte, ihm den Kontakt zu ihr verbieten zu müssen? Dass er sie nicht besuchen, kein Geld für sie ausgeben durfte? Cass sah ihre angeblichen Geschwister an, die all dies zum ersten Mal hörten, wenn sie ihren erstaunten Gesichtern Glauben schenken durfte. Missy, Conrads Ehefrau Nummer Zwei, schürzte nur die Lippen und war offensichtlich nicht im Geringsten schockiert. »Bitte, sprich weiter.«

Dylan nahm die Akte und blätterte in den Dokumenten. »Ihre Eltern waren einige Jahre verheiratet, als Ihre Mutter mit Ihnen schwanger wurde. Offensichtlich war die Ehe von Anfang an schwierig. Dann ist etwas passiert, und Ihre Mutter hat die Scheidung eingereicht. Conrad war bereit, sehr viel Unterhalt zu zahlen. Sein Unternehmen lief inzwischen sehr gut, und er war schon recht wohlhabend. Sie hätte eine Abfindung in Millionenhöhe und außerdem großzügigen Kindesunterhalt bekommen können.«

Cass hob eine Hand. »Warten Sie. Sein Unternehmen. Was war das?« Conrad Calhoun. Der Name kam ihr irgendwie bekannt vor, aber sie wusste nicht …

»Calhoun Petroleum, Cassidy. Haben Sie schon mal davon gehört? Das Unternehmen ist heute milliardenschwer«, sagte eine Frau, die an einem Glas Weißwein nippte. Sie saß in einem Sessel in einer Ecke des Konferenzraums und gehörte eindeutig nicht zu der Familie Calhoun am Tisch. Sie war schön, hatte sorgfältig frisiertes rotes Haar und einen Porzellanteint. Cass musste nicht erst in einem Modemagazin nachsehen, um zu erkennen, dass ihr elegantes graues Kleid wahrscheinlich ein Designer-Label hatte.

»Da sich niemand die Mühe gemacht hat, mich vorzustellen: Ich bin Alexandra, Ehefrau Nummer Drei. Keine Kinder mit Conrad. Wir haben es geliebt zu reisen und zu spielen.« Sie lächelte Missy an. »Ich war die Ehefrau für den Spaß.«

»Natürlich warst du das«, sagte Missy und kehrte ihr dann den Rücken zu. »Es tut mir leid, dass du deinen Vater nie kennengelernt hast, Cassidy. Er ist fantastisch mit seinen Kindern umgegangen. Viel besser als mit seinen Frauen.« Jetzt blickte Missy Alexandra an und sagte: »Wie ich höre, hattet ihr euch getrennt, und er war wieder ins Haus gezogen. Du kannst von Glück sagen, dass er den Löffel abgegeben hat, bevor du dich mit dem Ehevertrag beschäftigen musstest, den du unterschrieben hast.«

»Arme Missy. Hättest du dir rechtzeitig ein Facelifting gegönnt, hätte er dich vielleicht nicht für mich sitzen lassen.« Alexandra ließ ihren riesigen Diamantring aufblitzen. »Können wir jetzt weitermachen?«

»Ja, das sollten wir unbedingt tun.« Dylan schien bereit, sich zwischen die beiden Frauen zu stellen, obwohl keine von ihnen sich die Mühe gemacht hatte, aus dem Sessel aufzustehen.

»Daddy war ein wunderbarer Vater«, sagte Megan und klopfte Cass auf die Schultern. »Egal, was mit deiner Mama passiert ist.« Sie warf ihrer Mutter einen Blick zu. »Den Kontakt zu dir komplett zu unterbinden, das ist hart. Und das Geld nicht zu nehmen, finde ich furchtbar hochmütig.«

»So war es im Scheidungsurteil festgelegt. Liz sollte kein Geld von Connie bekommen, und er hat auf seine Elternrechte verzichtet, einschließlich des Rechts, Kontakt zu seinem Kind aufzunehmen – zu Ihnen, Cassidy. Er hat unterschrieben, ohne zu kämpfen, und er hat nie gesagt, warum. Seine Freunde – auch mein Vater – vermuteten, dass er die Nase voll hatte von den Streitereien und dass er damals handlungsfähig sein musste, um auf ein feindliches Übernahmeangebot zu reagieren. Einen großen Rechtsstreit konnte er sich zu diesem Zeitpunkt einfach nicht erlauben«, sagte Dylan und schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid.«

»Er hat mich wegen Geld aufgegeben? Wegen seiner Geschäfte, meine ich?« Cassidy lehnte den Kopf an das kühle Leder des Sessels und versuchte vor diesen fremden Menschen zu verbergen, wie sehr sie das verletzte.

»Vielleicht sind Sie ja gar nicht seine Tochter. Wir sollten einen DNA-Test durchführen lassen.« Alexandra stellte ihr Weinglas ab. »Sie sind doch sicherlich hier, weil er Sie in seinem Testament erwähnt hat. Stimmt das, Dylan?«

»Ja, so ist es. Ihr alle seid deswegen hier«, antwortete Dylan und griff nach einem zweiten Bündel Papiere.

Cass erschauerte. In dem Raum war es kalt, die Klimaanlage war offensichtlich auf arktisch eingestellt.

Im Testament eines Milliardärs erwähnt. Eines Mannes, der sie nicht gewollt hatte. »Vielleicht sollten Sie wirklich einen DNA-Test machen lassen. Wenn ich nicht seine Tochter bin, würde das vieles erklären. Und ich sollte nichts von ihm annehmen.«

»Du bist seine Tochter, Cassidy. Es wäre bequem für uns, wenn es anders wäre, aber hat Megan nicht gerade gesagt, dass du ihm wie aus dem Gesicht geschnitten bist?« An den Rechtsanwalt gewandt, sagte Missy: »Und wie ich Dylan kenne, hat er das bestimmt schon längst überprüft.«

»Ja. Normalerweise halte ich nichts von solchen Nacht-und-Nebelaktionen, aber ich habe dem Detektiv, der Sie bei der Arbeit aufgespürt hat, gesagt, dass er die Kaffeetasse von Ihrem Schreibtisch mitnehmen soll, Cassidy. Anhand der Lippenstiftspuren haben wir einen DNA-Test gemacht. Sie sind eindeutig Conrads Tochter.« Dylan legte ein weiteres Blatt Papier auf den Tisch. »Hier sind die Testergebnisse, falls jemand sie sehen möchte.«

Tatsächlich nahm Alexandra das Blatt und las es gründlich durch.

»Ich habe mich schon gefragt, wo meine Lieblingstasse geblieben ist. Und sowas geht? Die DNA aus Lippenstiftspuren auf einem Kaffeebecher ablesen?« Cass‘ Finger begannen zu schmerzen, und erst da bemerkte sie, dass sie sich an ihre Handtasche klammerte wie an einen Rettungsring.

Ethan meldete sich zu Wort. »Ja, das ist möglich. Ich habe gerade im Internet nachgesehen, und es stimmt. Drei Schwestern. Na großartig«, sagte er und wandte sich wieder seinem Handy zu.

Cass schluckte, denn sie fürchtete, dass ihr das Wasser wieder hochkommen würde. Das hier passierte wirklich. Ihr Vater war ein berühmter Ölmagnat. Ein Milliardär. Calhoun Petroleum. Wer kannte dieses Unternehmen nicht? Sie wollte ihr Handy herausholen und sofort ihre Mutter anrufen. Wie hatte sie ihrem einzigen Kind so etwas antun können? Wie konnte sie zulassen, dass ihre Tochter so viel und so schwer arbeiten musste? Ihre Mutter wusste, wie verzweifelt Cass sich nach einem Vater gesehnt hatte. Aber diesen reichen Mann aus Houston hatte sie nie erwähnt.

Sie blickte auf, und das Mitleid in den Augen der anderen widerte sie an. Verdammt. Ja, sie und ihre Mutter würden ein sehr ernstes Gespräch führen müssen, falls sie es überhaupt über sich brachte, je wieder ein Wort mit Elizabeth Calhoun zu sprechen. Und außerdem: Wenn ihre Mutter Conrad so sehr gehasst hatte, warum hatte sie dann seinen Namen behalten? Nur ein einziger Mensch konnte ihr diese Fragen beantworten, und dieser Mensch war nicht hier. Cass atmete tief durch und richtete sich in ihrem Sessel auf.

»Okay, ich bin also Conrad Calhouns Tochter. Er ist gestorben. Sind wir nicht hier versammelt, damit sein Testament verlesen werden kann?« Sie sah sich um, blickte einem nach dem anderen in die Augen und begegnete nacheinander mitleidigen, feindseligen und gelangweilten Blicken. »Ich … äh … ich bedaure Ihren Verlust. Bitte verzeihen Sie, dass ich es nicht genauso empfinde. Für mich ist das alles völlig neu.«

»Das verstehen wir, Cassidy.« Megans Schwester – wie hieß sie noch gleich? – legte ihr Handy auf den Tisch. »Willkommen in der Familie. Sie hat recht, Dylan. Wenn es keine weiteren Geschwister gibt, mit denen du uns überraschen willst, dann sollten wir jetzt zur Sache kommen. Ich habe später noch ein Treffen mit dem Rodeo-Komitee.« Sie stützte die Ellbogen auf den Tisch und musterte den Anwalt aufmerksam. »Gehörst du dieses Jahr nicht auch zum Ausschuss für Unternehmensentwicklung? Wollen wir nachher gemeinsam hinfahren? Du weißt schon, die Besprechung auf der Bar-S-Ranch.«

»Keine weiteren Geschwister«, sagte Dylan lächelnd. »Und ja, Shannon, ich gehe auch dorthin. Später.« Er blätterte die Papiere durch, und seine Miene wurde wieder ernst.

»Ach, darum trägst du die Lederkluft, Shannon.« Alexandra hob eine Braue. »Typisch Texaner. Überstürzt ihr die Dinge nicht ein wenig? Ich dachte, die Rodeo-Saison beginnt nicht vor Februar. Wir haben jetzt August.«

»Stimmt. Aber wir planen das ganze Jahr über. Wir arbeiten hart und feiern hart. Stimmt’s, Dylan?« Shannon rückte auf ihrem Stuhl näher an den Anwalt heran. »Du ziehst dich doch noch um, bevor wir losfahren, oder?« Sie strich ihm über die Hand, die gerade eine Akte durchsuchte.

»Natürlich. Bevor wir starten, ziehe ich mir meine Stiefel an. Im Gegensatz zu meinem Bruder trage ich sie nicht rund um die Uhr. Und jetzt lasst uns zur Sache kommen.«

»Typisch verklemmter Anwalt.« Mason hatte es sich in einem der Ledersessel bequem gemacht. »Die Japaner mochten meine Stiefel und waren enttäuscht, weil ich meinen Stetson nicht aufhatte.«

»Du hast den coolen Texaner bestimmt perfekt gespielt.« Dylan schenkte Masons unhöflicher Bemerkung keine Beachtung. »Aber jetzt wieder zur Sache.« Der Anwalt saß am Kopfende des Tisches und forderte sie auf, zu dem großen Fernsehbildschirm auf der anderen Seite des Raums zu blicken. »Conrad hat sein Testament auf Video aufgezeichnet. Natürlich habe ich sämtliche nötigen Unterlagen hier, um seinen letzten Willen zu belegen. Das Testament ist rechtskräftig. Glaubt also nicht, ihr könntet euch aus euren Verpflichtungen herauswinden.«

»Verpflichtungen?« Endlich legte Ethan sein Handy auf den Tisch. »Was zum Teufel hat Daddy sich diesmal einfallen lassen? Dieser Mann hat immer schon an alles Bedingungen geknüpft.«

»Da hast du allerdings recht, mein Sohn. Versuchst du etwa, uns Angst zu machen, Dylan?« Missy stolzierte zur offenen Bar hinüber und goss sich ein Glas Rotwein ein.

»Nein, ich bereite euch nur auf das vor, was gleich kommt.« Dylan schaltete den Fernseher ein, der an der Wand hing, und der Bildschirm erwachte zum Leben.

Cassidy blieb die Luft weg. Conrad sah wirklich aus wie sie. Er hatte das gleiche dunkle Haar, nur an den Schläfen war es grau. Und er hatte ihren Kiefer und das störrische Kinn, das ihr gute Dienste leistete, wenn sie ernst genommen werden wollte. Seine Augen waren dunkler, nicht haselnussbraun wie ihre. Aber sie hatte immer schon gewusst, dass sie die Augen ihrer Mutter hatte. Er war ungefähr so alt wie Mom, in den Fünfzigern oder etwas über sechzig vielleicht. Zu jung, um tot zu sein. Sie wollte gerade fragen, wie er gestorben war, da fing er an zu sprechen. Seine tiefe Stimme erfüllte das Konferenzzimmer.

»Also, wenn ihr das hier seht, habe ich vermutlich das Zeitliche gesegnet. Verdammt, dabei hatte ich eigentlich gehofft, ewig zu leben.« Sein Gelächter dröhnte durch den Raum. »Okay, wahrscheinlich seid ihr gerade nicht zum Scherzen aufgelegt. In letzter Zeit deuten ein paar Dinge darauf hin, dass meine Zeit hier auf Erden bald abläuft, und darum habe ich dieses Testament gemacht. Gott scheint seine eigenen Pläne zu haben, und aus diesem hier konnte ich mich nicht freikaufen, obwohl ich es versucht habe, das könnt ihr mir glauben.« Wieder Gelächter.

»Ich habe mein Leben so gelebt, wie ich es wollte, nach meinen eigenen Regeln«, sagte er und nickte nachdenklich. »Ich bin ein Sünder. Das weiß ich. Also werde ich vermutlich in der Hölle schmoren, und Luzifer wird mich mit einem Teelöffel Jauchegruben ausheben lassen, während ihr in Dylans Büro sitzt und mir zuhört.« Conrad ließ die Schultern sinken, nahm eine Kaffeetasse und trank einen Schluck. »Egal. Ich bin jedenfalls weg, und ihr seid noch da. Und darum muss ich mich um euch kümmern.« Er blickte unverwandt in die Kamera, so dass Cass das Gefühl hatte, er spräche sie direkt an. Was unmöglich war, weil sie sich nie kennengelernt hatten.

Sie hörte jemanden schluchzen und sah sich um. Shannon hielt Dylans schneeweißes Taschentuch in Händen und saß an seine Schulter gelehnt da. Missy liefen ebenfalls Tränen über die Wangen, während Alexandra ihren Wein austrank und sich die Augen mit einer Serviette betupfte. Megan nahm Cass‘ Hand. Ethan blickte auf den Bildschirm, seine Augen glänzten vor unterdrückten Tränen.

»Nun, wahrscheinlich hat Dylan euch alle versammelt. Ihr könnt ihm vertrauen. Er ist ein anständiger Kerl. Missy, du und die Kinder, ihr seid da. Alexandra, ich bin sicher, du wirst dir das hier nicht entgehen lassen, und ich werde dich nicht enttäuschen. Ich hoffe, er hat es geschafft, Cassidy zu diesem Treffen zu holen. Tut mir leid, Schatz, dass deine Mutter eine sture blöde Kuh ist. In all diesen Jahren habe ich versucht, auf dich aufzupassen. Wollte sogar dafür sorgen, dass das College für dich bezahlt wird, aber Liz hat es nicht zugelassen. Darum weiß ich, dass du wegen ihres Grolls und ihres Stolzes leiden musstest. Ich hoffe, das hat dich nicht völlig gegen mich eingenommen. Ich wollte dich. Wollte helfen, dich großzuziehen. Ich hätte dich jedes Wochenende besucht, aber das hat sie verhindert. Sie hatte mich in der Hand – ich werde nicht verraten, womit -, darum musste ich ihren Bedingungen zustimmen, auch später noch, als du schon erwachsen warst.« Er legte sich eine Hand auf die Brust und sah auf einmal älter aus. »Nichts bereue ich mehr als das. Aber jetzt kann ich es hoffentlich wiedergutmachen. Also, Folgendes habe ich mir überlegt.«

Die Ellbogen auf die Knie gestützt, beugte er sich vor. Er trug ein marineblaues Polohemd und eine schwarze Freizeithose. Das Shirt war mit einem Schriftzug bedruckt, und Cass erkannte, dass es das Logo seiner Ölfirma war. Sie hatte es auf den Tanklastwagen gesehen, die hinter ihr über die Autobahn gedonnert waren. Sie wollte ihm glauben, diesem Fremden, der aussah wie sie selbst. Dass er sie gewollt hatte. Aber hätte sie selbst ein Kind gehabt, wäre es nichts und niemandem gelungen, sie von ihm oder ihr fernzuhalten. Das wusste sie tief in ihrem Innern. Ihr Zorn verdrängte den Wunsch zu weinen. Warum hatte er nicht härter um sie gekämpft? Warum hatte er sie aufgegeben? Erneut musterte sie seine anderen drei Kinder. Sie hatten ihn ihr Leben lang gehabt. Es war einfach nicht fair.

»Ich weiß, was mit Kindern von Milliardären passiert, die für ihr Geld nicht arbeiten müssen. Sie enden als Drogensüchtige oder als Nichtsnutze, die ihren Angehörigen auf der Tasche liegen und keine Ahnung haben, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen.« Er schlug sich mit der Faust aufs Knie. »Das werde ich nicht zulassen. Bisher war ich nachsichtig mit euch dreien. Habe euch alles gegeben, was ihr wolltet. Hab’s nicht übers Herz gebracht, Nein zu sagen, obwohl ich es hätte tun müssen. Aber damit ist jetzt Schluss.«

Cass hörte die drei fraglichen Personen in ihren Sesseln hin und her rutschen. Sie konnte sie um ihre Kindheit nur beneiden. Vermutlich war sie wundervoll gewesen, und sie hatten in jeder Hinsicht im Luxus geschwelgt.

»Ich habe mein Glück ganz allein gemacht, Kinder. Ich habe bei Null angefangen, und seht nur, was ich am Ende alles hatte. Ich möchte, dass auch ihr dieses Gefühl von hart erarbeitetem Erfolg kennenlernt. Nichts lässt sich damit vergleichen. Und darum wird jeder von euch ein Jahr lang in der Firma arbeiten.«

Allen im Raum stockte der Atem.

»Oh, nicht Missy und Alexandra. Ihr beiden habt euch eure Erbschaft verdient, indem ihr mich als Ehemann ertragen habt. War bestimmt nicht lustig, mit einem Arbeitssüchtigen zusammenzuleben. Missy, du hast dich deswegen oft genug beklagt. Darum bekommt jede von euch zwanzig Millionen, die MacKenzie & Harper treuhänderisch verwalten werden. Das sollte euch ein hübsches Auskommen auf Lebenszeit sichern. Nach eurem Tod wird der Rest unter meinen Kindern aufgeteilt. Ich hoffe, damit seid ihr glücklich.«

»Also, ich habe wesentlich mehr erwartet.« Alexandra griff nach ihrer Designertasche und stand auf. »Ich habe genug gehört. Ich gebe Ihrer Sekretärin meine Adresse, Dylan. Den ersten Scheck erwarte ich Montag bei Geschäftsschluss.«

»Natürlich.« Dylan drückte auf die Pausentaste. Er begleitete Alexandra zur Tür, dann nahm er wieder Platz und musterte Missy. »Hast du auch etwas zu sagen?«

»Nein, ich bin zufrieden. Ich habe bereits einen Anteil bei der Scheidung bekommen. Aber ich möchte hören, was er für meine Kinder auf Lager hat. Lass das Band weiterlaufen, Dylan.« Sie warf Mason einen Blick zu. »Und warum ist Mason hier?«

»Das wirst du gleich sehen.« Er drückte auf die Starttaste.

»Also, Kinder, für euch sieht es folgendermaßen aus … Ja, ich weiß, ihr seid alle erwachsen. Aber seid ihr das wirklich? Ihr habt keinen einzigen Tag in eurem Leben gearbeitet, stimmt’s? Genau das wird sich jetzt ändern. Ihr werdet erfahren, wie es ist, wenn man sich seinen Lebensunterhalt verdienen muss. Nur einen begrenzten Etat zur Verfügung hat. Eure Kreditkarten sind ab sofort nutzlos, und ihr müsst von dem leben, was ihr im nächsten Jahr bei Calhoun Petroleum verdient. Ich glaube, das wird euch verdammt guttun.« Er nahm seine Kaffeetasse und trank noch einen Schluck. »Ja, Missy, da ist Bourbon drin. Den habe ich mir verdient, findest du nicht? Denn das hier fällt mir schwer, ob du es glaubst oder nicht. Den Rockzipfel abzuschneiden sozusagen.«

Cass sah, wie die anderen drei Calhoun-Kinder sich entsetzt anstarrten.

»Keine Kreditkarten? Wie soll ich denn dann tanken?« Ethan stand auf und ging zur Bar. Er schenkte sich ein Glas ein, während Dylan das Video noch einmal anhielt.

»Das ist eine Ausnahme. Ihr bekommt eine Tankkarte. Aber glaubt nicht, dass ihr damit an Bargeld kommt. Connie hat mir sehr genau erklärt, wie es laufen soll.« Dylan zog einen kleinen Stapel Tankkarten aus der Tasche und legte ihn auf den Tisch.

Shannon holte ihr Portemonnaie heraus, und Cass sah, dass sie eine Kreditkarte von jedem exklusiven Geschäft in der Stadt hatte. Eine von Neiman’s, von Saks und Kundenkarten von kleineren Boutiquen, die Cassidy mit Sicherheit noch nie betreten hatte.

»Soll das heißen, dass er die alle gekündigt hat?« Sie nahm die Karten heraus und drückte sie an ihre Wange.

»Du kannst es ausprobieren, aber vermutlich wird es peinlich für dich, wenn die Karten nicht akzeptiert werden.« Dylan konnte sein Lächeln kaum verbergen.

»Du freust dich auch noch darüber!« Shannon sprang auf und warf die Karten auf den Tisch. »Was stimmt nicht mit dir?«

»Ein Budget einzuhalten, wird dich schon nicht umbringen, Shan. Es gibt aber noch mehr zu sehen.« Dylan drückte erneut auf die Starttaste, und Ethan setzte sich wieder.

»Shannon, du hast einen Marketing-Abschluss, den du nie genutzt hast.« Conrad lächelte stolz, und seine Tochter ließ sich verärgert wieder in ihrem Sessel nieder. »Ich sehe dich Großartiges in der PR-Abteilung von Calhoun leisten. Also wirst du ein Jahr lang dort arbeiten.«

»Ja, Daddy, in Public Relations bin ich wirklich fantastisch.« Shannon bedachte Dylan mit einem Blick, der versprach, dass sie ihm schon zeigen würde, wo’s langging. Währenddessen sammelte sie ihre Kreditkarten ein und steckte sie wieder in ihr Portemonnaie.

»Du, Megan, musst das Geschäft von Grund auf erlernen, und darum wirst du dich in die Praxis stürzen. Du schließt dich einem meiner Ingenieure an und lernst alles über die Arbeitsabläufe. Ich bin mir absolut sicher, du wirst dein technisches Talent entdecken, wenn du dir selbst die Chance dazu gibst. Ich wünsche mir, dass du nach diesem Praxisjahr wieder zur Uni gehst und den Abschluss nachholst, aber diese Entscheidung überlasse ich dir.« Conrad lehnte sich wieder auf seinem Stuhl zurück.

»Ingenieure?« Diesmal sprang Megan von ihrem Sessel auf.

Dylan hielt das Band an. »Ist das so schlimm? Wenn ich mich recht erinnere, warst du in der Schule in Mathe und Naturwissenschaften ein Ass.«

Megan runzelte die Stirn, setzte sich aber wieder und gab Dylan mit einem Winken zu verstehen, dass er das Video wieder starten sollte.

»Ethan, hörst du zu, oder bist du in irgendein Videospiel vertieft? Also, mein Sohn, es ist an der Zeit, diesen Computerkram nutzbringend einzusetzen. Dich stecke ich in die IT-Abteilung. Bei diesen Geeks heißt es für dich: Friss oder stirb. Ich weiß, dass du Kurse belegt hast, aber du hast dich nicht auf das College konzentriert. Das hier ist deine Chance zu beweisen, dass du einem richtigen Job in diesem Bereich gewachsen bist. Oder auch nicht.«

»Ich kann sie hacken.« Auf Ethans Gesicht lag ein boshaftes Lächeln, während er an seinem Drink nippte. »Warte nur ab, was ich mit den Computern in deiner dämlichen Ölfirma alles anstellen kann.«

Dylan warf Ethan einen strengen Blick zu, ließ das Video aber weiterlaufen.

»Kommen wir zu Cassidy. Dieses Mädchen hat sich auf dem College tatsächlich angestrengt. O ja, mein Kind, ich weiß genau, was du getrieben hast. Ich habe meine Quellen. Du hast hart gearbeitet, einen Abschluss in Finanzwissenschaft gemacht, und dann bist du in dieser kleinen Bank in Clear Lake aufgestiegen. Hast neben der Vollzeitbeschäftigung deinen MBA-Abschluss noch draufgesetzt, und schließlich haben sie dich letztes Jahr zur stellvertretenden Direktorin befördert. Lächerlich, der Laden. Vergibt Titel, anstatt Gehälter zu erhöhen. Das war gut für dich. Aber nicht gut genug für die Tochter von Conrad Calhoun. Darum will ich, dass du diesen Job kündigst und in das Buchhaltungsteam meiner Firma einsteigst. Als stellvertretende Finanzdirektorin wirst du viel mehr verdienen als bei dieser verdammten Bank. Klingt das gut?«, fragte Conrad und lachte.

»Ich wette, ihr verflucht mich jetzt, weil ich versuche, eure Leben in Ordnung zu bringen. Natürlich gibt es da noch einen Haken. Und eine Belohnung. Während dieses Jahres werdet ihr beurteilt. Von jemandem, dem ich vertraue. Am Ende wird dieser Jemand entscheiden, ob ihr eure Arbeit gut gemacht habt oder nicht. Ob ihr euch ins Zeug gelegt oder nur gefaulenzt habt.« Er deutete mit dem Finger in den Raum, und seine dunklen Augen schienen sie vom Bildschirm aus anzusehen. »Ich meine es ernst, Kinder. Wenn ihr’s vermasselt, kriegt ihr nur ein bisschen Taschengeld von mir.«

»Scheißkerl! Der zieht das wirklich durch. Kontrolliert uns noch aus dem Grab heraus, dieser Bastard.« Megan stampfte durch den Raum.

Ethan textete wie wild auf seinem Smartphone, und Shannon ließ Dylan nicht aus den Augen, als heckte sie gerade einen Plan aus.

Auf dem Bildschirm sahen sie Conrad erneut lachen und sich mit der Faust aufs Knie schlagen. »Pass auf, was du sagst, Meggie. Ja, ich weiß genau, dass du mich gerade wild beschimpfst. Du ähnelst mir zu sehr, Schätzchen, und ich bin sicher, bei der Vorstellung, dass dich jemand zwingt, für ihn zu arbeiten, fährst du aus der Haut. Tja, damit wirst du dich abfinden müssen. Ihr alle müsst das. Denn wenn ihr in euren Jobs erfolgreich seid, wenn mein Mann sagt, dass ihr euer Bestes gegeben und erreicht habt, was möglich war – und ich habe ihm genaue Anweisungen gegeben, darauf könnt ihr Gift nehmen -, dann geht jeder von euch mit fantastischen dreihundert Millionen Dollar nach Hause. In einem Jahr seid ihr selbständig und frei. Keine Treuhandfonds oder Vertragslücken wie bei eurer Mama, Kinder. Cassidy, deine Mutter bekommt natürlich fast gar nichts von mir. So hat sie es damals gewollt, und so ist es jetzt auch.«

Er rieb sich den linken Arm und verzog das Gesicht. »Und wenn der Mann, der euch beurteilt, der Meinung ist, dass ihr den Test nicht bestanden habt? Tja, dann kommen eure Millionen wohltätigen Zwecken zugute. Dem Herzzentrum im Texas Medical Center. Meine Pumpe macht mir in letzter Zeit zu schaffen, und die haben da erstklassige Ärzte. Ich bin mir sicher, die würden sich über die Spende freuen.« Ächzend setzte er sich wieder.

»Bleibt nur noch eines zu sagen. Arbeitet hart, arbeitet clever, aber macht es nicht wie ich und seht die Arbeit als das Wichtigste im Leben an. Ich liebe meine Familie, aber ich habe viel zu viel Zeit mit dem Aufbau der Firma verbracht. Diese verlorenen Stunden gibt mir niemand zurück. Die Stunden, die ich bei Ethans Roboterwettbewerben, bei Shannons Tanzaufführungen und Megans Reitturnieren hätte verbringen sollen. Es tut mir leid, Kinder. Ich liebe euch mehr als alles auf der Welt, aber ich habe es euch nicht oft genug gezeigt.«

Megan ließ sich wieder in ihren Sessel sinken. »Oh, Scheiße, Daddy. Wir wussten, dass du uns liebst.«

Shannon schluchzte schon wieder.

»Und Cassidy …« Er fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht. »Was deine Mutter da wusste … weiß … na ja … ich war damals ziemlich skrupellos. Sie kann der Firma immer noch Schaden zufügen. Es ist jetzt an dir, dafür zu sorgen, dass sie den Mund hält, denn sonst jagt sie alles, was ich je aufgebaut habe, mit Karacho in die Luft. Tut mir leid, dass ich dich in diesem Schlamassel sitzen lassen muss. Denn ich liebe auch dich. Ich habe versucht, dich zu besuchen, Baby, wirklich. Ich habe mich im Publikum versteckt, als du die Highschool als Jahrgangsbeste abgeschlossen hast. Bei deiner Rede bin ich vor Stolz fast geplatzt. Und wie du dann das College gepackt hast. Du weißt es nicht, aber du hast mir an vielen Abenden im Drive-through Kaffee ausgeschenkt.« Conrad wischte sich die Augen.

»Ich hoffe, deine Mutter weiß, dass sie jetzt dir schadet, wenn sie die Klappe aufreißt, und nicht mehr mir. Hoffentlich bringt sie das zum Schweigen.« Er putzte sich die Nase mit einem grauen Stofftaschentuch. »Bei dieser Frau kann man nie wissen, also wünsche ich dir viel Glück. Und jetzt höre ich auf, denn allmählich wird’s rührselig, und ich hab noch was anderes zu tun. Dylan wird euch mit den Details langweilen.« Er hob die Hand zum Abschied in einer bekannten Geste und grinste. »Lebt lang und in Frieden, liebe Familie. Ich wünschte, ich könnte dabei sein. Aber wer weiß, vielleicht sehe ich euch genau in diesem Augenblick zu, weil ich wissen will, wie ihr euch anstellt.« Der Bildschirm wurde dunkel.

Cass atmete zitternd durch. Wieso hatte sie nicht gewusst, dass sie einen liebenden Vater hatte? Ihre Mutter würde ihr einiges erklären müssen. Und war offensichtlich eine Erpresserin. Mason reichte ihr ein Taschentuch, das sie dankbar annahm.

Dreihundert Millionen Dollar. Sie hatte sich bestimmt verhört. Das war unmöglich. Und dafür sollte sie nur ein Jahr lang in einem angenehmen Job mit hervorragender Bezahlung arbeiten? Die Sache musste einen Haken haben. So viel Glück hatte eine Cassidy Calhoun nicht. Sie musterte die Fremden, die angeblich mit ihr verwandt waren. Sie war nicht wie sie. Ihre Kleider stammten aus dem Fabrikverkauf, und die Haare ließ sie sich von ihrer Mitbewohnerin schneiden. Ihr Wagen in der Tiefgarage war zwölf Jahre alt. In der Handtasche auf ihrem Schoß befanden sich ein Zwanzig-Dollar-Schein und vielleicht noch dreißig Cent und eine Bankkarte.

Auf einmal stand Dylan neben ihr. »Cassidy? Ich habe noch ein wichtiges Dokument für Sie. Conrad wollte noch etwas für Sie tun. Ihrer Mutter wird das nicht gefallen, aber er hat es so eingerichtet, dass es erst bei seinem Tod geschieht, also verstößt es nicht gegen ihre Vereinbarung.«

Cass starrte auf das Blatt Papier mit dem Briefkopf des US-Bildungsministeriums. Sie überflog den Text, aus dem hervorging, dass eine gewisse Cassidy Jane Calhoun ihr Studiendarlehen vollständig zurückgezahlt hatte.

Atmen. Sie versuchte es. Wirklich. Aber es ging nicht.

»Cassidy? Alles in Ordnung mit Ihnen?«

Wie aus weiter Entfernung hörte sie die Stimme. Und sie wollte verdammt sein, wenn sie nicht gleich zum ersten Mal in ihrem Leben ohnmächtig wurde.

Kapitel 2

Cass wollte niemandem Umstände machen, aber Missy gab erst Ruhe, als ein kühles Tuch auf ihrer Stirn lag und sie ein weiteres Glas Wasser getrunken hatte.

»Es geht mir gut, wirklich, ich bin nur ein bisschen überfordert.«

»Kann ich mir vorstellen.« Missy kicherte und setzte sich wieder in ihren Sessel. »Tut mir leid, dass deine Mom dir all das vorenthalten hat, Schätzchen. Aber jetzt hast du eine neue Familie. Wenn du was brauchst, musst du nur laut genug schreien.« Sie betrachtete ihre Kinder. »Wir sind für dich da, so wie dein Daddy es sich mit Sicherheit von uns gewünscht hat. Okay?« Sie wartete, bis alle ringsum genickt hatten.

»Mir geht es wieder gut. Dylan, wenn Sie uns noch mehr zu sagen haben, dann tun Sie das bitte.« Keine Schulden durch das Studiendarlehen mehr. Nicht zu fassen. Sie berührte das Stück Papier, um sich zu vergewissern, dass es wirklich da war.

»Also«, setzte Dylan an und räusperte sich. »Ich bin sicher, ihr habt noch Fragen.«

»Wann müssen wir eigentlich anfangen?« Die Frage kam von Ethan. »Ich habe ein Date auf der Comic Con, die geht bald los.« Er war überraschend ruhig. Cassidy sah, wie er mit seinem Handy umging, und dachte, dass es bestimmt kein Problem für ihn sein würde, einen Job zu übernehmen, bei dem er mit Computern zu tun hatte.

»Gleich nach dem Labor Day. Damit bleiben Cassidy zwei Wochen, wenn sie bei ihrem alten Job eine Kündigungsfrist einhalten muss.«

»O Gott, ich muss das wirklich tun, stimmt‘s? Ich muss kündigen!« Cass dachte daran, wie schwer sie gearbeitet hatte, um diese Stelle zu bekommen, und sie dachte an die Freunde, die sie zurücklassen würde. Aber Conrad hatte recht, die Bezahlung war schlecht, vor allem in Anbetracht der Verantwortung, die sie zu tragen hatte. Dreihundert Millionen Dollar. In ihrer Bank gab es keinen einzigen Kontoinhaber mit so viel Geld. Sie spähte zu der offenen Bar hinüber. Was diese Leute wohl von ihr denken würden, wenn sie sich einfach einen starken Drink machte? Nein, sie hatte noch die lange Heimfahrt vor sich.

»Wer entscheidet, ob wir bei diesen Scheinjobs versagt haben oder nicht?« Megan hatte die Hände zu Fäusten geballt, wie als wenn sie auf der Suche nach jemandem wäre, den sie schlagen konnte. »Ich soll auf die Ölfelder gehen? Ich weiß noch, wie ich mal mit Daddy in seinem Pick-up da draußen war. Dreckig, laut und immer mitten im Nirgendwo. Das ist also die Strafe dafür, dass ich das College nicht abgeschlossen habe.« Wütend starrte Megan erst Shannon, dann Cassidy an. »Er hat ja gerade klargestellt, wie stolz er auf die Töchter ist, die ihren Abschluss gemacht haben.«

»Hey, ich weiß nicht, wie das bei Cass war, aber ich habe auf dem College hart gearbeitet.« Shannon lächelte Cass an, und Cass nickte.

»Hart gearbeitet? Du warst die Königin der wilden Bierpartys, das trifft es wohl eher, und wahrscheinlich hast du außerdem das gesamte Footballteam flachgelegt!«, fauchte Megan und sah aus, als wollte sie über den Tisch springen.

»Ach, du hast doch keine Ahnung!« Shannon stützte die Ellbogen auf den Tisch und beugte sich vor. »Es wird dich schon nicht umbringen, wenn du zur Abwechslung mal ein bisschen fleißig bist, Schwesterherz. Und sorry, aber was heißt hier ›nicht abgeschlossen‹? Du bist zweimal geflogen, bevor du das College endgültig aufgegeben hast. Überleg dir lieber, wie du jetzt das Beste draus machst.«

»Das Beste?«, kreischte Megan. »Was soll an den Ölfeldern denn das Beste sein?«

»Gib’s zu: Du bist immer schon lieber draußen an der Luft als drinnen gewesen. Dieser Job ist perfekt für dich. Also hör auf zu jammern.« Shannon grinste hämisch. »Ehrlich gesagt bin ich ziemlich aufgeregt. Public Relations! Daddy hat es zwar nicht gesagt, aber ich wette, er hat dafür gesorgt, dass ich auch stellvertretende Abteilungsleiterin werde, genau wie Cassidy. Denen trete ich richtig in den Arsch!« Sie fuhr sich durchs Haar. »Dylan, wirst du unsere Leistungen beurteilen?« Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.

»Nein, das macht Mason«, sagte er und zeigte auf seinen Bruder.

»Stimmt, Jungs und Mädels«, bestätigte Mason grinsend. »Da ich mich im Ölgeschäft auskenne, hat Conrad sich gedacht, dass ich bestimmt beurteilen kann, ob ihr euren Kram geregelt kriegt oder nicht.«

»Was?«, meldete Ethan sich zu Wort. »Du arbeitest für einen unserer größten Konkurrenten!«

»Hat Daddy etwa den Verstand verloren? Ich wette, das wäre Grund genug, dieses angebliche Testament anzufechten. Hab ich recht, Dylan?« Megans Gesicht war rot angelaufen.

»Conrad Calhouns Verstand war messerscharf bis zum Tag seines Todes, Megan Louise Calhoun.« Missy sprang auf, zog Megan zu sich hoch und starrte ihr ins Gesicht. »Wage es nicht, die geistige Gesundheit deines Vaters in Frage zu stellen!« Sie musterte ihre Tochter von Kopf bis Fuß, dann schüttelte sie den Kopf. »Ich kann mich nicht erinnern, dass du jemals etwas länger als ein halbes Jahr durchgehalten hättest, verdammt. Ich wette, dein Outfit stammt noch aus der Boutique, die du letztes Jahr mit deiner Freundin Chiquita eröffnet hast, oder wie zum Teufel die heißt.«

»Ja, ist der nicht süß?« Megan hob ihren Rock an. »Den Concho-Gürtel hat ein mexikanischer Kunsthandwerker in Taxco gefertigt. Gefallen dir die Ohrringe? Sie passen genau dazu.«

»Ja, schon gut. Was ist aus dem Laden geworden, Megan?« Missy rückte noch näher an sie heran. »Ich habe gehört, dass er schon wieder einen anderen Namen hat.«

»Er läuft gut. Chica hat den Namen geändert, nachdem ich beschlossen hatte, dass … äh … ich nichts mehr damit zu tun haben will.« Megan wich dem Blick ihrer Mutter aus.

»Weil dir langweilig geworden ist, stimmt’s?« Missy blickte über die Schulter zu Shannon, die zu kichern begonnen hatte. »Verdammt, Shannon hat recht. Es wird dich nicht umbringen, wenn du mal ein Jahr lang bei einer Sache bleiben musst. Wenn ich ehrlich bin, gefällt mir Connies Plan. Er hat mit mir darüber gesprochen, und ich habe ihm gesagt, dass ich ihn gut finde. Sehr gut sogar.« Sie atmete durch, und eine Träne rollte ihr über die Wange. »Aber ich hätte nicht gedacht, dass es so bald dazu kommen würde. Oder dass Cassidy darin vorkommt.«

»Du wusstest Bescheid?« Shannon fasste ihre Mutter am Arm. »Und du hast es ihm nicht ausgeredet?«

Cass versuchte das Familiendrama zu ignorieren, das sich vor ihren Augen abspielte. Arme Kinder reicher Leute, die nun für ihren Lebensunterhalt arbeiten mussten.

Megan wirbelte herum und versuchte, Cass in den Streit hineinzuziehen. »Cass, Masons Onkel ist der Geschäftsführer von Texas Star Oil and Gas. Mason ist sein Stellvertreter. Nichts täten sie lieber, als uns aus dem Business zu verdrängen. Ich weiß nicht, was Dad sich dabei gedacht hat, einen Spion von Texas Star mit dieser Aufgabe zu betrauen«, sagte Megan und starrte Mason wütend an. »Ich glaube, deine Abteilung wäre ein hervorragender Ort, um an Insiderinformationen zu kommen, Cass. Sei also gewarnt.«

Cass drehte sich zu Mason um. Industriespionage? Sie begann nun ebenfalls, am Verstand ihres Vaters zu zweifeln. »Lassen Sie mich eines klarstellen. Ich bin vielleicht neu im Ölgeschäft, aber mit Bilanzen kenne ich mich aus. Wenn Sie glauben, dass ich Ihnen Firmengeheimnisse verrate, Mason, dann haben Sie sich getäuscht.«

»Moment mal.« Mason ging zum schmalen Ende des Tisches. »Nur damit wir uns richtig verstehen: Calhoun Petroleum steckt in großen Schwierigkeiten. Conrad war ein Kontrollfreak, und als er starb, ist die Firma im Chaos versunken. Die Finanzhaie lauern schon, Leute. Er wollte, dass ihr im Unternehmen arbeitet, weil er gehofft hat, dass es für einen oder mehrere von euch vielleicht genau der Ort ist, an dem ihr sein solltet.« Er ließ den Blick über den Tisch schweifen und musterte jeden einzelnen der Calhoun-Erben durchdringend. »Dass einer von euch eines Tages die Zügel in die Hand nimmt.«

Als Masons sie ansah, reckte Cass das Kinn, entschlossen, sich von seinem Blick, der so intensiv wie ein Laserstrahl war, nicht beeindrucken zu lassen. Aber sie hatte keine Ahnung vom Ölgeschäft. Wie sollte sie dort erfolgreich arbeiten? Glücklicherweise betrachtete er bereits Ethan, als sie in sich zusammensank und auf den Tisch starrte, weil sie wusste, dass sie der Sache nicht gewachsen war.

»Und verdammt, auch ich hoffe, dass genau das passiert, denn sonst habt ihr am Ende des Jahres vielleicht überhaupt kein Erbe mehr, wenn eure Firma in dieser Zeit den Bach runtergeht.« Mason hielt eine dicke Akte hoch. »Ja, es gibt jede Menge Güter, die abgestoßen werden könnten, um Geld aufzutreiben, aber ich hoffe, das wird nicht nötig sein. Euer Dad hat Calhoun Petroleum aus dem Nichts erschaffen. Für euch.« Er nickte Missy zu, die sich erneut die Augen mit einem Taschentuch betupfte. »Vertraut mir oder lasst es bleiben, mir ist es egal. Aber was ist, wenn ich die Firma nur retten kann, indem ich sie übernehme? Nun, dann werde ich genau das tun. Ich habe euch gewarnt.«

»Jetzt warte doch mal, verdammt.« Dylan nahm seinem Bruder die Akte aus der Hand. »Das war bestimmt nicht Connies Absicht.«

»Ich habe gesagt, dass es der letzte Ausweg wäre«, erwiderte Mason und sah seinem Bruder ins Gesicht. »Und ich habe nicht um diese Aufgabe gebeten. Stimmt’s, Dylan?«

»Ja, das ist wahr.« Stirnrunzelnd blickte Dylan auf den Stapel Papiere.

»Aber eines ist trotzdem klar: Du bist einer der Haie, die die sterbende Firma umkreisen«, sagte Cass. Bei der Vorstellung verkrampfte sich ihr Magen. Und wenn sie sich das ganze Jahr für nichts und wieder nichts den Arsch aufriss? Mit den versprochenen Millionen vor Augen, nur um dann … nein, sie durfte gar nicht erst anfangen, so negativ zu denken. Außerdem war sie auch so schon einen Schritt weitergekommen: Sie war schuldenfrei. Bei dem Gedanken wurde ihr schwindelig.

»Cass hat recht, Mason.« Megan lehnte sich in ihrem Sessel zurück. »Man munkelt, du würdest alles tun, um von deinem Onkel und Texas Star wegzukommen.«

Mason widersprach ihr nicht.

Shannon starrte erst Cass an, dann Megan. »Wir kennen Mason schon ewig«, sagte sie. »Er ist ein geschätzter Freund der Familie. Mir ist es jedenfalls lieber, er bewertet meine Arbeit und nicht irgendein Fremder, dem wir völlig egal sind. Ich bin mir sicher, dass er uns helfen wird, die Firma zu retten. Wo ist dein Vertrauen geblieben, Meg?«

»Typisch Shannon, immer schön einschleimen.« Megan beugte sich vor und musterte ihre Schwester. »Vielleicht habe ich mein Vertrauen ja verloren, als ich gehört habe, dass ich mit irgendeinem Streber aus der technischen Abteilung zu den Fördertürmen in ein elendes texanisches Loch fahren soll.« Megan griff nach Shannons Handtasche und holte deren Platinum-Karte von American Express heraus. »Und außerdem habe ich schlechte Laune wegen dem, was wir gerade über unsere finanzielle Situation erfahren haben.« Sie knickte die Karte in der Mitte, was sie einige Mühe kostete. »Die brauchst du ja jetzt nicht mehr, stimmt‘s?«

»Du Miststück!« Shannon stürzte sich auf Megan und bekam eine Handvoll Haare zu fassen.

»Mädels, hört auf. Ihr solltet eigentlich wissen, dass ich es euch nicht unnötig schwer machen werde. Jede von euch bekommt eine Guthabenkarte, damit ihr über die Runden kommt.« Missy stellte sich zwischen ihre Töchter. »Meg, zieh Shannon nicht an den Haaren. Das sind teure Extensions.«

»Mama!« Shannon musterte Dylan, während sie vorsichtig Megans Finger aus ihren langen blonden Haaren löste. »Eine Guthabenkarte? Wie viel ist da drauf?«

Cass unterdrückte ein Lächeln. Schwestern. Jetzt hatte sie zwei. Nach einem Leben als Einzelkind war dies eine Neuerung, die sie sehr neugierig machte. Sie spürte Mason neben sich. Was ihr Vertrauen betraf, war sie sich nicht sicher, und sie hatte sich noch nie bei jemandem eingeschleimt, aber sie wollte ihn auch nicht gegen sich aufbringen.

»Hört auf, euch zu zanken, ihr beiden, dann bekomme ich vielleicht auch mal ein Wort dazwischen.« Er ließ seine Hand auf Cass‘ Schulter liegen. »Cass kennt mich nicht, aber ihr. Ich werde keinen von euch beobachten, um ihn zu bewerten. Ihr werdet Vorgesetzte haben, die ich zu eurer Leistung befragen kann. Und was die Geschäfte bei Calhoun betrifft, so werde ich die Situation im Auge behalten.« Er blickte auf Cass hinab. »Ich kann tatsächlich ein Hai sein. Diese Bezeichnung verstehe ich nicht als Beleidigung.« Einen Moment lang war Cass von seinem Lächeln überwältigt. »Aber ich will, dass diese Familie bekommt, was sie verdient. Also halte ich mich zurück und greife nicht an, solange kein anderer auftaucht und die Firma zu übernehmen versucht.«

»Das ist ein großzügiges Angebot, Leute.« Dylan klopfte auf den Tisch. »Mehr, als die meisten Männer der Ölindustrie euch zugestehen würden.«

»Na also. Können wir jetzt endlich von hier verschwinden, verdammt?« Mason deutete auf die Tür.

»Einen Moment. Ich habe noch ein paar Fragen.« Ethan legte sein Handy auf den Tisch und beugte sich vor. »Wer zur Hölle bekommt das Haus in River Oaks, die Autos und die Ranch? Und es gibt noch weitere Anwesen.«

»Gute Frage.« Dylan zückte einige Papiere und reichte jedem der Calhoun-Kinder, wie Cass sie im Stillen nannte, ein Exemplar. »Hier steht, wie die Sache laufen soll. Ihr werdet zusammen in dem Haus in River Oaks wohnen. Es ist groß genug für euch alle. Ich weiß, dass Missy nach Conrads Tod dort eingezogen ist. Nach seinem Willen muss sie wieder in ihr eigenes Haus umziehen.« Er musterte Missy. »Alexandra behält die Penthouse-Eigentumswohnung im Market Square Tower. Steht so im Ehevertrag.«

»Im Ernst? Er will mir verbieten, mit meinen Kindern zusammenzuleben?« Missy runzelte die Stirn, als Dylan nickte. »Also gut. Ich ziehe mein Haus diesem Alptraum von Master Suite sowieso vor. Noch vor dem Wochenende bin ich verschwunden.«

»Warte. Heißt das, der Rest von uns muss zusammenwohnen? Cassidy, du weißt nicht mal, wo dieses Haus ist, oder?« Shannon sah von der Liste auf, um Cass am anderen Ende des Tisches einen Blick zuzuwerfen.

»Ich bin zwar in der Vorstadt aufgewachsen, aber ich weiß durchaus, wo River Oaks liegt. Ich nehme an, von dort aus ist es viel näher zum Hauptsitz von Calhoun Petroleum als zu meiner Wohnung in Clear Lake.« Cass las die Adresse auf dem Blatt Papier, das Dylan ihr zugeschoben hatte, und atmete aus, als sie merkte, dass sie die Luft angehalten hatte. Die Anschrift befand sich in einem Teil von Houston, der für seine überaus herrschaftlichen Villen bekannt war. »Okay. Solange jeder von uns sein eigenes Schlafzimmer bekommt«, sagte sie und lächelte.

»Und sein eigenes Auto«, fügte Ethan grinsend hinzu. »Ich erhebe Anspruch auf den Porsche. Streitet ihr Mädels euch meinetwegen um den Rest. Dad war ein Autonarr. Das wirst du sofort sehen, wenn du zum ersten Mal dort bist, Cassidy.«

»Aber niemand bekommt einen Oldtimer. Conrad hat darauf bestanden, dass sie versteigert werden. Er wollte nicht, dass einer von euch sie fährt.« Dylan überhörte Ethans Fluch. »Wir haben genug Autos für jeden von euch geleast. Entscheidet selbst, welches ihr wollt. Das restliche Eigentum darf nicht vor Jahresende veräußert werden. Nicht, bevor wir wissen, wie ihr euch in der Firma macht. Möglicherweise muss alles verkauft werden, damit euch euer Erbe ausgezahlt werden kann.«

»Das ist zwar nicht, was ich hören wollte, aber ich werde damit klarkommen.« Ethan hatte sein Handy wieder in die Hand genommen, seine Daumen rasten über das Display. »Heute Abend Party. Um Cassidy in der Familie willkommen zu heißen. Zu schade, dass du nicht dabei bist, Shan. Pass auf, dass du auf der Ranch nicht wieder in einen Kuhfladen trittst.«

»O ja, zu schade, dass ich eine von deinen Partys verpasse, kleiner Bruder.« Shannon blickte kaum von der Liste in ihrer Hand auf. »Trink bloß nicht wieder die ganze Bar leer.«