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Thomas Hochkofler

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Beschreibung

Thomas Hochkofler zählt seit vielen Jahren nicht nur zu den bekanntesten Südtirolern, sondern steht auch in einer nicht näher definierten Sympathieskala ganz weit oben in der Gunst seiner Landsleute. Ganz gewiss ist das auf sein Talent als Entertainer zurückzuführen, dieses hat er als Schauspieler in rund 220 Theaterproduktionen, als Verfasser und Darsteller von Kabarettprogrammen, als Entwickler von Comedy für Radio und Internet, als Theaterregisseur und als Filmemacher in vielerlei Hinsicht unter Beweis gestellt. Somit überrascht nicht, dass der im Sarntal aufgewachsene und in Meran wohnhafte Schauspieler allgegenwärtig ist, mal als gnadenloser Imitator von Luis Durnwalder, dann als bemitleidenswerter „Motschuner Peppm“ oder prolliger „Joe von Afing“, sehr wohl auch als Hauptdarsteller in ernsten Stücken oder als fordernder Regisseur. Somit hat er in Südtirol einen einmaligen Status inne, der sicherlich auch auf einen außergewöhnlichen Werdegang zurückzuführen ist. Natürlich ist Hochkofler aber keine Gagmaschine und kein Pointen-Goaßlschnöller, vielmehr ist er beständig auf der Suche nach einem Stoff, der ihn überzeugt, nach einer Geschichte, die es wert ist, erzählt zu werden. Dass er dabei so manche Ungeheuerlichkeiten in Kauf nehmen musste, beständig von zufällig aufkreuzenden Szenegrößen dazuzulernen vermochte und sich immer wieder neu erfinden musste, liegt auf der Hand. Davon erzählt dieses Buch. Aber nicht nur.

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Inhaltsverzeichnis

Hoila, wië tüets?

Warum dieses Buch?

1

Bürolehrling Harald wird von der Muse geküsst

2

A Tiroler tuat härter leichter

3

Die Urangst, irgendwann aufzufliegen

4

Oberjäger wird zum Freiwild

5

In der Schule der Revoluzzer

6

Eine Silberhochzeit ist überfällig

7 Tom versus Lukas

8

Allein im dunklen Nichts

9

„Gell, das bin ich?“

10

Früh übt sich auf dem Holzpeckl im Unterdach

11

Joe der Film, ein Himmelfahrtskommando

12

Flausen, flotte Kisten und sonstige Privatangelegenheiten

13

Toms bessere Hälften

14

Experimente mit der Königsdisziplin

15

Lieber Bad Guy als Everybody’s Darling

16

Toms Techtelmechtel …

Hoila, wië tüets?

Das soll keine Entschuldigung sein, aber ich habe mich zu diesem Buch doch eher überreden lassen! Eine Biografie schon so kurz nach 25 oder 32? Ah, na … ich werde ja 50! Zilaschtia!

Aber wozu ein Buch? Wen soll das überhaupt interessieren, was ich da die ganzen Jahre verbrochen habe?

… soll erst mal nicht meine Sorge sein, hieß es.

Gut, dann habe ich angefangen zu erzählen, und beim Erzählen bin ich draufgekommen, dass manche Erinnerungen wieder hochsteigen, die ich fast schon vergessen hätte: schöne, schiache, lustige … Also lohnt es sich vielleicht doch, diese aufzuschreiben, bevor ich sie ganz vergesse … Und da ich immer alles verlege (ja, ich bin professioneller Verleger), ist es vielleicht irgendwie praktisch, dass jetzt doch einiges davon aufgeschrieben wird. In einem richtigen Buch sozusagen.

Da kann ich dann so viele meiner Bücher verlieren, wie ich will, irgendwo hat doch irgendjemand noch immer meine aufgeschriebenen Erinnerungen … oder auch nicht. Ich rechne immer mit allem.

Auch damit, dass ich es nicht allen recht machen werde, mit diesem Buch. Das sagt mir schon mein Bauchgefühl, und das täuscht mich leider NIE!

Ich höre sie schon sagen:

„Ah, iatz moant er woll, ha?“„Na, ober woasch, in DING hasch schun erwähnen miassn …“ oder„Mah, i hätt mi schun gfreit wenn ia kurz vorkemmen war, weil der DING isch jo a drin …“

Eben, hier sind nur die DINGS drinnen und nicht die DONGS, die kommen dann beim nächsten Buch.

Das gibt’s dann mit Ende 70!

Olz derzähl i iatz logisch no net, sischt muas i auswondern! Viel Spaß derweil mit den Buach und Donkschian fürs Lesen, Leit!

Warum dieses Buch?

Irgendwann mal im April 2023 läutete das Telefon. „Wie bitte, ein richtiges Buch?“ Kurze Ungläubigkeit, dann musste ich nochmals nachfragen: „Ob ich mir vorstellen könnte, ein Buch über den Tom Hochkofler zu schreiben?“ Schließlich winke bald schon sein 50. Geburtstag. Obwohl es das allererste Abenteuer dieser Art für mich war, konnte ich mich mit diesem Gedanken anfreunden, sodass es nicht sonderlich vieler Überredungskünste seitens des Verlages bedurfte. Auch wenn der Aufwand beträchtlich sein und sowieso nicht viel dabei herausschauen würde, wie man ja weiß … Aber einmal im Leben kann man so was ja versuchen, und Thomas Hochkofler, dieses Unikum, müsste doch einige interessante Begebenheiten zu erzählen haben, dachte ich mir – und so war es dann auch. Bei mehreren Treffen plauderte er über den Beginn seiner Laufbahn, ihre Höhepunkte, aber auch über Richtungsänderungen, Zweifel und Ängste.

Was aber tun mit all dem Stoff, wie soll man so eine Biografie bloß anpacken? „Hauptsache, die Leit können sich dabei amüsieren“, meinte Tom bei einem unserer Treffen. Diesen Ansatz fand ich ausgesprochen gut, steht Tom doch wie sonst kaum jemand in Südtirol für Unterhaltung und Gaudi. Und so wurde mit diesem Fokus mal in den eigenen vier Wänden, mal in der Bibliothek, mal im Freien geschrieben, außerdem entweder beim Feierabend-Radler oder bei Wanderungen überlegt, fantasiert, weitergesponnen, verworfen und immerzu weiterer Stoff zusammengetragen. Und als wir schließlich an einem guten Punkt angekommen waren, meinte Tom: „Olz derzähl i iatz logisch no net, sischt muas i auswondern!“

Nachdem der Brain-Drain ohnehin schon ein akutes Problem darstellt und wohl niemand für Toms Auswanderung verantwortlich sein möchte, werden wir uns mit dieser … nennen wir sie mal Soft Version zufriedengeben. All jenen, die zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben, etwa als Schnupperleser, als Feedbackgeber oder gar als Impulslieferanten sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Vielleicht schaut als Dankeschön mal ein Autogramm von Tom raus, wer weiß! Allen anderen: Viel Freude und Spaß beim Lesen!

Bürolehrling Harald wird von der Muse geküsst

„Beim Fußball war ich kein Talent, beim Radfahren sowieso der Langsamste und beim Klavierspielen eigentlich gar nicht schlecht, aber dann kam einer im Klavierkurs dazu, der besser war als wir drei Schüler zusammen. Bei einer Theaterprobe sagte mir dann Linde Gögele: Mein Junge, du machst das großartig. Da dachte ich mir: Ah seggo, konn i magari zumindest des?“

Südtirol in den frühen 1990er-Jahren: Der wirtschaftliche Aufschwung ist unübersehbar, der Joe von Afing würde sagen, zio lettn, einfach gewaltig, was da so abgeht. In jedem Dorf entstehen Vereinshäuser, Gewerbezonen und Sozialwohnungen, auch jeder noch so abgelegene Hof bekommt eine Zufahrtsstraße. „Muatr, hoppes gsegn?“, täte ihm ein staunender Motschuner Peppm beipflichten. Zu den größten Profiteuren dieser Entwicklung wird in den Folgejahren ein Autokonzern aus Wolfsburg (Ocio: verstecktes Product-Placement …) gehören, denn heute weiß fast jedes Kind: Je höher der Hof, desto tiefer der Golf. Und einen Golf hatte damals jeder, der etwas auf sich hielt und den aufgetunten Schneggelen vom Nachbarhof imponieren wollte. Logisch auch der Joe. Ganz Afing schwärmt heute noch vom Glanz der Chromfelgen, vom Quietschen in den Kurven und von der Lässigkeit beim Hochschalten der Gänge: „Solbei, Mädls!“ Bei so einer Erscheinung blieb der „Dreiradler-Boygang“ vom hinterschattigen Seitental nichts anderes übrig, als verdattert den Rückzug anzutreten, frage nicht!

Ein gewisser Luis Durnwalder übernimmt 1989 die Amtsgeschäfte als Landeshauptmann von seinem Vorgänger Silvius Magnago. Damals ahnt noch keiner, wie sehr dieser gerissene Politfuchs, dieser leutselige Volkstribun, dieser begnadete Redenschwinger und Händeschüttler nach und nach das Leben in Südtirol prägen und umkrempeln wird. Wehe dem, der es wagt, gegen ihn zu watten. Obwohl oft noch als „Insel der Seligen“ apostrophiert, machen gewisse Entwicklungen von außen vor diesem kleinen idyllischen Fleckchen Erde mit reichlich Berg und üppig Wald nicht halt: So sieht man bald schon die ersten Südtiroler Nerds herumlaufen, wie sie sich klobige Geräte im Ziegelsteinformat ans Ohr halten und so tun, als ob man damit telefonieren könnte; so tragen die ultramodernen Mädels gerne fluoreszierende Neonfarben und Leggins mit Leopardenprint spazieren, während die männlichsten aller Oberchecker allen Ernstes auf Schnauzbart und Vokuhila schwören. Vokuhila ist … ach was, der sollte besser für alle Ewigkeit in der untersten Schublade der schlechtesten Frisurentrends in der Geschichte der Menschheit verschwinden. Aber damals war das „State of the Art“, der letzte heiße Scheiß.

Somit ging dieser Kelch eben nicht am Verkäuferlehrling aus dem Sarntal vorbei, der schon in jenen Jahren mit seinen spitzbübischen Zügen auffiel.

Bürolehrling Harald in Die Maus, 1989 Links: Petra Federicis

Matthias Reim singt „Verdammt, ich lieb‘ Dich“, die deutsche Nationalmannschaft trainiert mit Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann in Kaltern und der jugendliche Thomas Hochkofler – fortan der Einfachheit halber als Tom bezeichnet – beginnt sich so langsam zu fragen: Was könnte ich mit meinem Leben so anstellen? „Anstellen“ im Sinne von machen, also, was möchte ich, was aus mir einmal werden sollte. Viele verpeilte Jugendliche denken dabei gerne an Fußballstar, Schauspieler oder Braunviehkönigin – so in diese Richtung halt, wir verstehen uns hoffentlich!

Daheim im schönen Sarnthein führen seine Eltern einen Blumenladen, der junge Sprössling Thomas – oschpele, wie gesagt Tom natürlich – heuert als Verkäuferlehrling beim Bozner Modehaus Globus an. Zum Verkäuferteam zählt dort auch Gustl Untersulzner, ein wortgewaltiger und vielseitiger Schauspieler, ein Faktotum des Südtiroler Volkstheaters. „Er, der unbestrittene Star der Volksbühne Bozen, kam zu mir her und fragte mich mit meinen 16 Jahren, ob ich denn nicht bei ihnen mitmachen möchte, denn womöglich hätten sie noch eine Rolle zu besetzen: Bürolehrling Harald.“ Tom dachte sich zunächst gar nichts dabei, denn er hätte sowieso nur einspringen sollen, falls die beiden für diese Rolle vorgesehenen Burschen ausgefallen wären. Er war ja bloß die dritte Wahl. Wäre, hätte, Fahrradkette … Wie es der Teufel wollte, hatten diese beiden Burschen tatsächlich Besseres zu tun, als einen auf Bürolehrling Harald zu machen.

Somit zog dieser Kelch eben nicht am Verkäuferlehrling vorbei, der schon in jenen Jahren ein saggrischer Lauser (wohlmeinender Begriff für Bengel) war. „Als mir der Gustl das mitteilte, bekam ich ein bisschen das Muffensausen. Ich druckste hin und her und gab ihm zu verstehen, dass ich ja gar nicht weiß, ob ich das überhaupt kann und er sich lieber irgendjemand anderen suchen soll.“ Gustl Untersulzner ließ sich aber nicht so schnell abspeisen, sondern fuhr ein noch schwereres Geschütz auf: Peter Mitterrutzner. Der Eisacktaler Volksschauspieler, der sich in den Folgejahren zu einem der gefragtesten Charakterdarsteller Südtirols entwickeln sollte, führte Regie beim Stück, in dem dieser Bürolehrling Harald mitwirkte, es nannte sich schlicht und einfach „Die Maus“. Peter Mitterrutzner kam also ins Bekleidungsgeschäft Globus, ohne lange zu fackeln kramte er das Theaterskript hervor. Verkäuferlehrling Tom sollte einfach einige Sätze vorlesen und dabei die Rolle mimen. Mitterrutzner gab ihm schnell zu verstehen: Alles bestens, wir probieren das einfach mal. „So waren damals eben die Castings“, kommt Tom heute – knapp 34 Jahre und 220 Produktionen später – ins Schmunzeln.

Die Muse hatte einen Zwischenstopp bei der Volksbühne Bozen eingelegt, um dem 16-jährigen Tom einen fetten Schmatzer auf sein zartbeflaumtes, rotes Wangele zu drücken.

Das Probelokal der Volksbühne Bozen befand sich damals in einem Lehrlingsheim zwischen dem heutigen Dominikaner- und Verdiplatz, dort also legte Tom flotten Schrittes und mit roten Wangelen die ersten theatralischen Auftritte in der Figur von „Bürolehrling Harald“ hin. Er schien es gar nicht übel hinzubekommen, denn gleich schon flatterte ein Kompliment daher. Eine der Darstellerinnen, Linde Gögele, kommt nach dem Abgang zu ihm und sagt: „Großartig, du machst das großartig!“ Ach, wirklich? Der Bursch aus dem Sarntal nimmt es etwas ungläubig, aber zugleich mit Stolz zur Kenntnis. Vielleicht sollte es gerade das sein, vielleicht war das Schauspielen seine geheime Superkraft? „Beim Fußball war ich kein Talent, beim Radfahren sowieso der Langsamste und beim Klavierspielen eigentlich gar nicht schlecht, aber dann kam einer im Klavierkurs dazu, der besser war als wir drei Schüler zusammen. Und dann kommt die Linde Gögele mit so einem Kompliment daher. Da dachte ich mir: Ah seggo, konn i magari zumindest des?“ Als ihm dann auch noch Petra Federicis zeigte, wie man auf der Bühne zu küssen hat und eine weitere Kollegin beim Umziehen half, dachte sich Tom: Woll, woll, des isch epes für mi!

Tommy in Tommys tolle Tanten, 1993 V.l.n.r.: Hansjörg Buratti, Wolfgang Carli, Thomas Hochkofler, Christl Kofler

Rückblickend hatte er bereits damals Blut geleckt, Theaterblut natürlich. Ohne jegliche Vorwarnung hatte die Muse, diese längst inflationär gebrauchte Schutzgöttin der Künste aus der griechischen Mythologie, einen kurzen Zwischenstopp bei der Volksbühne Bozen eingelegt, um dem 16-jährigen Tom einen fetten Schmatzer auf sein zartbeflaumtes, rotes Wangele zu drücken und ihm ins Ohr zu säuseln: „Jaja, lieber Tom, du kannst das – beschreite deinen Weg in den darstellenden Künsten.“ Er tat, wie ihm geheißen, allerdings ohne zu verstehen, was da überhaupt abging. Denn schließlich hatte er überhaupt keinen Bezug zur Schauspielerei, auch wenn das Theater den heranwachsenden Sarner mit dem losen Mundwerk rückblickend doch schon früh in seinen Bann gezogen hatte. So hatte er als 8-jähriger Bursch zusammen mit seinem um zwei Jahre älteren Bruder Stefan das Spektakel der Theaterleute im baufälligen Theatersaal des Gasthofs Post besucht, eine Dorfarena sondergleichen. 500 Lire kostete der Eintritt, ein gut angelegtes Geld, denn die Sarner Entertainer zählten schon damals zu den besten im Lande. Als sich endlich der Vorhang öffnete, fühlte es sich für den Dreikäsehoch Tom an wie Weihnachten und Ostern zugleich. Es war wohl einfach die Gabe, auf völlig natürliche Art und Weise die Leute unterhalten zu können, die er so langsam in sich entdeckte. Tatsächlich hatte sich diese Gabe schon in der Volksschule gezeigt, wo er in der Rolle des Klassenclowns allerlei freche Sprüche hinter den Stockzähnen hortete und sich sein eigenes Kasperletheater bastelte.

Schauspielerei hatte damals in Südtirol noch für viele den Nimbus des Exotischen, des Entrückten und zuweilen auch des Verruchten.

Im Nachhinein darf auch die Begegnung mit der Volksbühne Bozen als Wink des Schicksals gewertet werden. Natürlich gab es bereits das Volksschauspiel und gut besuchte Stücke, doch von professionellen Strukturen war man noch weit entfernt. Schauspielerei hatte für viele den Nimbus des Exotischen, des Entrückten und zuweilen auch des Verruchten. Und als sich Tom einige Jahre später nach seiner ersten Rolle als Bürolehrling Harald dazu entschied, es beruflich als Schauspieler zu versuchen, wurde dies gemeinhin als Spinnerei abgetan. Noch in den 1990er-Jahren konnte man die Akteure, die sich tatsächlich als Theatermacher durchs Leben schlugen, an einer Hand abzählen. Zu ihnen gehörten beispielsweise Andreas Robatscher, weitum bekannt als „Opal“, der aus dem Eisacktal stammende Georg Kaser oder der aus dem Vorarlberg eingewanderte Rainer Reibenbacher.

Tom konnte sich so einiges von diesen Pionieren abschauen, in der Folge würde er an der Seite von vielen unbeirrbaren Machern und unvergleichlichen Interpreten wachsen. Aber letztlich musste auch er erst seinen ganz eigenen Weg finden, seinen ureigenen Stil entwickeln, seine ganz persönlichen Ängste und Dämonen zähmen.

Bürolehrling Harald in Die Maus, 1989 Links: Elda Furgler (gest. 2023)

A Tiroler tuat härter leichter

„Mit der getroffenen Entscheidung bin ich nach Hause gegangen und habe meinen Leuten daheim gesagt: Ich werde jetzt Schauspieler. Da habe ich das erste Mal Szenenapplaus bekommen: Sie haben die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Dazu gab es den knappen Kommentar: Bua, wersch decht net spinnen.“

Demetrius in Ein Sommernachtstraum, 1998

Da war er also mit dieser merkwürdigen Parallelwelt der Theaterschaffenden in Berührung gekommen, man kann dabei getrost von einem Häuflein Idealisten, Träumern und Paradiesvögeln sprechen. Nicht dass wir uns falsch verstehen, das ist jetzt durchaus mit einer gewissen Bewunderung gemeint, auch wenn von Außenstehenden zuweilen Bezeichnungen wie „Witzknochen“, „Tiatterle“ oder „Schreiberling“ fallen. Solcherart abschätzige Etikettierungen machen heute noch gerne die Runde, aber gekränkte Theaterschaffende wissen so was natürlich zu verwerten, auszuschmücken und, Zack bumm, wie einen Bumerang zurück ins Publikum zu schleudern. Ganz nach dem Motto: Dieser flache Witz ist für dich, nimm das, du Spacko! Aber das ist ein anderes Thema … Wo waren wir noch mal stehengeblieben? Ach ja, von professionellen Strukturen fehlte noch jegliche Spur, die Kellertheater in den Städten begannen sich erst langsam zu formieren, und dennoch gab es da diese paar Unverbesserlichen. Sie schrieben Stücke, erweckten Fantasiefiguren zum Leben, tobten sich auf der Bühne aus. Auf diese Weise sorgten sie für etwas Abwechslung im eintönigen Südtiroler Nachtleben, nicht umsonst brachten damals Alfred E. Mair und Manfred Schweigkofler als

„Em & Emmes“ den Zeitgeist jener Tage mit dem Song „Nix los, jeden Tog die gleiche Soß“ recht gut auf den Punkt.

Demetrius in Ein Sommernachtstraum, 1998

Tom sah sich selbst in einem konventionellen Beruf, der gut angesehen war: Verkäufer in der Modebranche. Nach den Lehrjahren bei Globus und dem Militärdienst wollte er im Traditionshaus Oberrauch Zitt, seit jeher eine der feinsten Textilwaren-Adressen der Stadt, beruflich durchstarten. „Mir wurde sozusagen der goldene Teppich ausgerollt: Das Gehalt war gut, die Wohnung am Obstmarkt bekam ich gratis dazu, eine Garage war auch dabei und das Einzige, was ich bezahlen musste, war der Strom – sogar der war damals günstig. Ein junger Bursch wie ich es war, hätte es kaum besser haben können. Was also macht man da? Etwas komplett anderes, weil: A Tiroler tuat härter leichter. (Zutreffendes Leitmotto für die in Tirol übliche Praxis, mit dem harten Schädel durch die Wand zu wollen, statt auf die offensichtliche, einfache Lösung zu setzen. Hat wohl auch etwas mit männlichem Stolz zu tun.) Aber da waren eben auch diese ersten Erfahrungen mit der Schauspielerei.

Nach seinen ersten Auftritten als Bürolehrling Harald war der Sarner Bursch bei weiteren Theaterproduktionen immer wieder mal gefragt, so beispielsweise beim Evergreen „Mit besten Empfehlungen“, bei dem auch Karl-Heinz Macek mitwirkte, danach beim turbulenten Lustspiel „Thommys tolle Tanten“ mit Hermann Mardessich und Roland Furgler oder auch bei „Geranien und Gerechtigkeit“, einem von Jul Bruno Laner verfassten Stück, angelehnt an „Der zerbrochene Krug“, in dem das typische Unterlandler Kauderwelsch das Publikum erheiterte. Bei absurd anmutenden Wortkreationen wie Mez per Sort (steht für: halb Deutsch und halb Italienisch) oder Unterakzeten (krude Wortkreation für „Sottaceti“, also in Essig eingelegtes Gemüse) können sich noch heute nicht nur Personen, die des Bronzolott oder Laivesott mächtig sind, köstlich amüsieren.

Der Übungssatz für Tom, um die Eigentümlichkeiten des Unterlandler Dialekts zu verinnerlichen, kam von Regisseur Paul Kofler. Und der hatte es in sich, lass ihn dir getrost auf der Zunge zergehen: Fragt der Bua seinen Vater: „Tata, wia schreib man Bein?“ Antwortet der Tata: „Jo, mit B bia Bosser, sell bersch boll bissen!“ Tom dachte sich beim Memorisieren nur: „Boll du, bou binni dou glondet“. Und dann belustigt man sich oft und gerne über chinesische Mitwürger, benn sie fleudestlahlend „liso“ statt riso selvielen. Na ja, Hauptsache nicht 7 Schätze …

Nach diesem kurzen Exkurs in die fantastische Welt der Legastheniker fokussieren wir uns wieder auf Toms erste Bühnenerfahrungen. Nicht fehlen durfte dabei auch „Der Bauer als Millionär“, ein Zaubermärchen mit Gesang und mit einer Thematik, die so alt ist wie die Menschheit: dem stetigen Streben nach Reichtum und Zufriedenheit. Inszeniert wurde das Stück damals an der Bozner Wassermauer.

„Denkst du, das würde reichen? So rein vom Talent her?“

So ging es also von einer Produktion zur nächsten, mit wechselnden Machern und Darstellern, ehe eines Tages im Jahr 1996 „Die spanische Fliege“ auf dem Programm stand. Für Tom sollte damit ein weiteres Schlüsselerlebnis einhergehen. „Wenn ich mich recht erinnere, war es die erste gemeinsame Produktion des Zusammenschlusses der Vereinigten Bühnen Bozen, Michael Weger war der Regisseur.“ Das Ensemble traf sich zur Besprechung, Regisseur Weger gab die Termine bekannt und setzte die erste Probe für den darauffolgenden Tag um 10 Uhr fest. Für Tom ein Ding der Unmöglichkeit, also entwickelte sich der folgende kurze Dialog:

Hochkofler: Um 10 Uhr kann ich nicht, tut mir leid.Weger: Ja, warum denn nicht?Hochkofler: Ja, weil ich arbeiten muss. Um 10 Uhr vormittags muss der normale Mensch arbeiten.Weger: Aha. Bist du kein Schauspieler?

Hochkofler: Aber nein, natürlich nicht.Weger: Aber was arbeitest du dann?Hochkofler: Ich bin Verkäufer in einem Bekleidungsgeschäft.Weger: Eigenartig. Warum bist du denn kein Schauspieler?Hochkofler: Denkst du, das würde reichen? Ich meine, für die Schauspielerei, so rein vom Talent her?Weger: Ja, das könnte ich mir schon vorstellen.

Monsieur Chasse, 2003

Damit wurde Tom, wie er heute sagt, ein Floh ins Ohr gesetzt. Sollte er es tatsächlich versuchen? Sollte er den angepeilten konventionellen und sicheren Weg über den Haufen werfen und stattdessen in dieser vielfach verpönten Parallelwelt sein Glück versuchen? War es schlau, den bereits beschrittenen goldenen Teppich gegen kurze Augenblicke flüchtigen Glücks einzutauschen? Ein kleiner Zweifel machte sich breit, als Tom draufkam, dass Weger in Wirklichkeit Falschlehner hieß, Weger war nur der Künstlername. Dennoch brauchte Tom nicht lange, um diese existenziellen Fragen zu beantworten. Zunächst wirkte er im Weihnachtsmusical „Scrooge“ unter der Regie von Manfred Schweigkofler mit, wenig später folgte „Volpone“, wo ihm eine weitere schicksalhafte Begegnung widerfuhr – jene mit der österreichischen Schauspielerin Brigitte Jaufenthaler. Obschon sie einige Jährchen älter war, genau genommen deren 13, funkte es zwischen den beiden. „Funkte“ im Sinne von kosmischer Energie, der man machtlos ausgeliefert ist.

Es wäre eine Sünde, diesen romantischen „Wow- & Oh là là-Moment“ einfach so lieblos vorbeiziehen zu lassen, weshalb Gitte etwas später selbst zu Wort kommt. Als seine Freundin bestärkte sie ihn im Entschluss, die Modeberatung anderen zu überlassen und alles auf die Karte Schauspiel zu setzen. „Ich habe mir aber gar nicht viele Gedanken gemacht, sondern einfach gedacht: Wenn es nicht funktioniert, dann muss ich halt wieder zurück zur Mode. Was soll schon groß passieren? So bin ich mit dieser Entscheidung nach Hause gegangen und habe meinen Leuten daheim gesagt: Ich werde jetzt Schauspieler. Da habe ich das erste Mal Szenenapplaus bekommen: Sie haben die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Dazu gab es den knappen Kommentar: Bua, wersch decht net spinnen.“ Es war nicht so, dass man ihm diese Gedanken austreiben wollte, denn er war völlig frei, das zu tun, was ihm richtig schien. Allerdings wurde ihm klargemacht: Unterstützen werden wir dich aber nicht, du musst schon selbst für dich sorgen. „Dieser Satz aus dem Munde meines Vaters machte aus mir fast einen Oansberger.“

„Ganze sechs Jahre habe ich durchgearbeitet, wobei ich nicht von der Angst, sondern von der Lust am Spielen angetrieben wurde. In diesen sechs Jahren war ich nur eine Woche im Urlaub, wenn überhaupt […].“

Kabarettproduktion Erstes ordentliches Kabarett, 2000 Vorn: Dietmar Gamper