Tropes, Klischees und Spice: Warum ist New Adult so vorhersehbar?

Ineke Reichel 26.08.2024

Ein Gastbeitrag von Alina A.E. Maurer

Dass New Adult ein relativ neues Genre ist, fühlt sich mit dem aktuellen Boom im Buchmarkt kaum noch so an. Dabei ist diese Art, Romance-Bücher zu schreiben, noch gar nicht so alt. In den Sozialen Medien geht New Adult so durch die Decke, dass Sticker wie „BookTok Hit“ oder „TikTok Bestseller“ immer wichtiger werden, um die Popularität und Wertigkeit eines Buches auszudrücken.

Marketing durch Social Media wird damit immer wichtiger – und immer einfacher. Bücher werden auf Tropes, also bestimmte Handlungen bzw. Muster, und Spice-Ratings heruntergebrochen und verirren sich dabei immer mehr in Klischees, um die breite Masse einzufangen. Was vielen gefällt, muss ja gut sein – oder?

Über den Einfluss von Erwartungen

Dabei wird durch diese Art zu vermarkten auch beeinflusst, wie und was geschrieben wird, um die Erwartungen des Buchmarktes und der Leser*innen zu erfüllen. Erwartungen sind per se nichts Schlechtes, ganz im Gegenteil. Sie geben Leser*innen eine Vorstellung davon, was ihnen im Buch begegnen wird. Damit kann man einschätzen, ob das Buch den eigenen Geschmack trifft oder nicht.

Genau hier liegt aber auch der Knackpunkt: Tropes werden oft auf eine ganz bestimmte Art und Weise geschrieben und sind dadurch immer so gleich, so vorhersehbar, dass viele ein Buch mit einem bestimmten Trope liegen lassen, weil sie ihn in Buch XY nicht mochten.

Da nehme ich mich selbst nicht raus. Nehmen wir den Trope Second Chance. Das Wort selbst sagt nur aus, dass die Protagonist*innen bereits einmal eine Beziehung geführt haben und nun im Buch eine zweite Chance auf ihr gemeinsames Glück bekommen. Umgesetzt sieht es meist so aus: Kapitel bzw. Szenen aus der Vergangenheit nehmen einen wichtigen Teil im Plot ein, der Mann ist jetzt so viel griesgrämiger als damals und sie erkennt ihre alte Liebe kaum noch wieder, bis er sich mit ihr zusammen zurückverwandelt in sein altes Ich und sie schließlich – als dramatischen Höhepunkt – auf die gleiche Art oder aus dem gleichen Grund verlässt wie damals. Am Ende finden sie natürlich wieder zueinander. Nachdem ich mehrere Bücher in dem Stil gelesen habe, weiß ich für mich: Second Chance ist kein Trope, der mich ein Buch lesen wollen lässt.

Trotzdem habe ich ein eigenes Buch mit dem Trope geschrieben. Warum?

Zweite Chance für Second Chance

Um es anders zu machen. Mir gefällt an Second Chance, dass von Anfang an zwischen den Charakteren eine Sehnsucht, eine Vertrautheit da ist, die sich nur schwer abschütteln lässt. Ich mag es, wie man mit dem „Warum ging es damals in die Brüche?“ spielen kann und wie die Charaktere damit hadern, ob die aufkommenden Gefühle nur ein Rest der gemeinsamen Vergangenheit sind oder doch der Anfang von etwas Neuem, Besserem.

Schon öfter habe ich von Leser*innen gehört, dass sie eigentlich Second Chance oder Friends to Lovers als Tropes nicht mögen, meine Umsetzungen jedoch geliebt haben. Weil sie eben anders waren. Weil sie nicht dem vertrauten Schema F folgen und damit eine neue Leseerfahrung bieten – kurzum, sie überraschen.

Das ist jedoch eine schmale Gratwanderung und immer auch eine Herausforderung für das Marketing. Denn wenn Erwartungen entstehen und dann enttäuscht werden, kann das Buch noch so gut sein – am Ende ist man enttäuscht, da man etwas anderes vom Buch haben wollte. Das Buch wird als unglaublich spicy mit fünf Chilischoten beworben und dabei gibt es nur eine Szene mit Blümchensex? Erwartungen nicht erfüllt. Das Buch soll eine heftig knisternde Enemies to Lovers-Geschichte sein, dabei finden sich die beiden von Anfang an heiß und eigentlich können sie sich nur aufgrund eines kleinen Missverständnisses nicht leiden? Erwartungen nicht erfüllt.

New Adult darf mutig sein und überraschen

Man sieht, es ist wichtig, bestimmten Vorgaben eines Genres zu folgen. Das bedeutet aber nicht, dass ein Trope oder Trend bestimmen sollte, wie ein Buch geschrieben wird. Das gilt vor allem für den aktuellen Trend Spice, also expliziten, intimen Szenen. Wenn es nur um die Menge an Chillischoten geht, bleibt die Romance gezwungenermaßen auf der Strecke, wenn die Protagonist*innen sich nur noch sexy finden und so schnell wie möglich – und so oft wie möglich – intim werden wollen. Am Ende bleibt nur ein Einheitsbrei auf dem Buchmarkt, auf dem sich kaum eine Geschichte von der anderen unterscheidet.

Die wichtigste Frage bleibt immer: Was macht dieses eine Buch so einzigartig? Und ich denke, es sollte nicht nur der Schreibstil, die Charaktere oder das Setting sein. Sondern die Geschichte selbst und wie sie erzählt wird. Nicht bei jedem Friends to Lovers müssen die beiden sich von Anfang an schon lieben und nur äußere Umstände – oder die allseits beliebte Misskommunikation – dafür sorgen, dass sie nicht sofort zusammenkommen. Nicht bei jeder Second Chance muss die Vergangenheit riesig aufgerollt werden, sodass die Lovestory jetzt untergeht. Und bitte, nicht jedes New Adult-Buch braucht dieses Schlussmachen kurz vor Ende!

Drama kann anders erzeugt werden. Spannung kann anders erzeugt werden. Ein Trope kann anders erzählt werden. Am Ende zählt immer das, was eine Geschichte frisch, neu, aufregend und gefühlvoll macht. Und solange sich das auch im Marketing und den Klappentexten widerspiegelt, können die Erwartungen von Leser*innen entsprechend erfüllt werden.

New Adult darf mutiger werden. Sich von Trends und Vorgaben und Erwartungen lösen und wieder überraschen. Denn nur so lesen wir Bücher, die unter die Haut gehen, die uns fühlen lassen und bei denen wir nicht von vornherein wissen, wie wo was passieren wird.


Über die Autorin

Alina A.E. Maurer, geboren 1999, entdeckte ihre Leidenschaft für das Schreiben bereits in ihrer Jugend und veröffentlichte zunächst als Selfpublisherin erfolgreich die »Broken Souls«-Trilogie, bevor sie 2024 den Schritt in die traditionelle Verlagswelt wagte.
Ihre Bücher behandeln komplexe Themen wie Trauma und Verlust, tun dies jedoch auf eine einfühlsame und hoffnungsvolle Art und Weise. Ihre Charaktere sind vielschichtig und authentisch, ihre Geschichten oft herzzerreißend und inspirierend zugleich. Zuletzt ist von der Autorin die »A Sea of Starlight«-Reihe erschienen.

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