111 Gründe, Hamburg zu lieben - Ann-Christin Zilling - E-Book

111 Gründe, Hamburg zu lieben E-Book

Ann-Christin Zilling

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Beschreibung

Die Autoren Ann-Christin Zilling und Torsten Lindner zeigen, dass Hamburg das alles und noch viel mehr ist. In 111 kleinen Geschichten locken sie ihre Leser dorthin, wohin der normale Reiseführer sie nicht bringt. Sie zeigen, was Hamburg zu etwas ganz Besonderem macht, und nehmen den Leser mit auf einen Streifzug durch die Elbmetropole, in der sich maritime Traditionen mit dem Großstädtisch-Modernen verbinden. Sie verraten viele Insidertipps, angefangen bei Sehenswürdigkeiten und den besten Shopping-Adressen, über kulinarische Höhepunkte, Musik, Kunst und Kultur, Events und Treffpunkte für Jung und Alt, Singles und Familien bis hin zum pulsierenden Nachtleben. Nicht zuletzt gehen sie der hanseatischen Gesinnung und den Hamburger Befindlichkeiten mit scharfem Blick und viel Humor auf den Grund. 111 Gründe, Hamburg zu lieben ist eine schwärmerische Hommage an die schönste Stadt der Welt! Hamburg, das ist Tor zur Welt, Wirtschaftsmetropole, Medienstandort, das ist Elbe und Alster, Hafen und Schiffe, rauer Wind und Regen, das ist Hafencity, Elbphilharmonie und Fischmarkt, Jungfernstieg und Elbtunnel, das ist Blankenese und Schanzenviertel, Speicherstadt, Michel und DOM, das ist Seemannslied, Musical, Ohnsorg-Theater und Schlagermove, das ist HSV und St. Pauli - und natürlich die Reeperbahn, Deutschlands bekannteste Amüsiermeile. Mit seinem maritimen Charme ist Hamburg, die zweitgrößte Stadt Deutschlands, eines der attraktivsten Touristenziele und begehrter Wohnort, und die sonst eher zurückhaltenden Hanseaten können nur schwer verbergen, wie stolz sie auf ihre Stadt sind, die für Selbstbewusstsein und Weltoffenheit steht. 'Auf der Reeperbahn nachts um halb eins.' Diese Hymne hat Deutschlands legendäre Amüsiermeile weltberühmt gemacht. Ihre Heimat, die Elbmetropole Hamburg mit ihrem maritimen Charme, gilt als eine der schönsten Städte Deutschlands. Das können die überzeugten Hamburger Ann-Christin Zilling und Torsten Lindner nur bestätigen. In ihrem Buch verraten sie 111 Gründe, Hamburg zu lieben, und laden den Leser mit kleinen humorvollen und pointierten Geschichten auf einen schwärmerischen Streifzug durch ihre Stadt ein - auch auf die Gefahr hin, dass der eine oder andere für immer bleiben wird. 'Jede größere Stadt, die etwas auf sich hält, kann einen Fluss anbieten. Hamburg kann sich glücklich schätzen, dass hier ein Fluss wie die Elbe durch die Vorgärten fließt. Als Nicht-Hamburger werden Sie jetzt vielleicht die Frage stellen, was denn die Elbe so besonders macht, und genau da sind wir schon beim Thema. Die Elbe ist wie eine ganz aufregende Geliebte. Eine ganz ›steile Mutti‹, wie der jüngere Leser vielleicht in seinem saloppen Jargon formulieren würde. Die lässt sich immer etwas Neues einfallen. Mit ihr wird es nie langweilig. Komme ich mal von einer Reise zurück nach Hamburg, ist sie schon da und wartet auf mich. Und Sie können sicher sein, dass sie eine Überraschung für mich parat hat. Mal ist es die Abfahrt eines Ozeanriesen mit rund 8000 Containern. Oder es sind Hunderte von weißen Dreiecken in Form von Segelbooten, die sich eine Regatta liefern. Oder es ist ein alter Schaufelraddampfer mit Besuchern, der seinen Lebensabend vom Mississippi auf die Elbe verlegt hat.' Ann-Christin Zilling und Torsten Lindner

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Ann-Christin Zilling & Torsten Lindner

111 Gründe, Hamburg zu lieben

Eine Liebeserklärung an die großartigste Stadt der Welt

Schwarzkopf & Schwarzkopf

INHALT

VORWORT

Ein Buch mit 111 Liebesbekundungen über Hamburg zu schreiben macht dreierlei: erstens Arbeit, zweitens Spaß und drittens Sinn.

Zunächst zur Arbeit: Probieren Sie es selbst. Zum Beispiel, um die Wartezeit beim Arzt oder im Stau sinnvoll zu nutzen. Oder vor dem Einschlafen. Überlegen Sie sich 111 Gründe, Ihre Stadt zu lieben. Als Hamburger finden Sie schnell über zweihundert Gründe. So war es auch bei uns Autoren. Die Arbeit bestand darin, die für uns persönlich schönsten Gründe auszusuchen. Wir mussten uns also für oder gegen etwas entscheiden. Dann wurde recherchiert. Das war der Teil, wo die Arbeit zum Spaß wurde. Es machte Spaß, weil die Hamburger einfach herzliche und hilfsbereite Menschen sind. Das durften wir bei jedem Recherche-Termin, jedem Telefonat und jedem Besuch einer Sehenswürdigkeit erfahren. Sobald wir erklärten, was für ein Buch zu schreiben wir angetreten waren, hellten sich die Mienen unserer Ansprechpartner auf. Und es war ein Vergnügen, weil man jeden Tag Neues entdeckte. Während der Arbeit an diesem Buch kamen immer weitere Gründe hinzu, Hamburg zu lieben.

So mag dieses Buch unvollständig sein, diskutabel und natürlich total subjektiv. Aber gerade dadurch ist es auch anregend und durchweg unterhaltsam. Finden zumindest unsere Freunde und Verwandten.

Und da sind wir auch schon beim Sinn des Buches: Es macht Sinn für alle, die neu nach Hamburg gezogen sind. Vielleicht haben Sie ja etwas Wehmut, weil Sie eine andere Stadt verlassen haben. Dieses Buch zeigt Ihnen, warum Sie in Hamburg richtig sind, was diese Stadt Ihnen zu bieten hat und wie Ihre neuen Nachbarn »so drauf sind«. Als Besucher bekommen Sie Eindrücke und Informationen, die Sie so in keinem Reiseführer finden. Und als Ur-Hamburger wird Ihnen mal wieder bewusst, warum Sie sich glücklich schätzen können, in dieser Stadt zu leben. Nebenbei erfahren Sie auch noch das ein oder andere, was Sie noch gar nicht wussten. Ihnen allen soll unser Buch als Anregung dienen, Hamburg selbst zu entdecken und Ihre eigenen Gründe, die Stadt zu lieben, zu finden.

Also: Viel Vergnügen mit diesem Buch und mit Hamburg!

Ann-Christin Zilling und Torsten Lindner

PS: Besuchen Sie »111 Gründe, Hamburg zu lieben« auf Facebook und posten Sie Ihre eigenen Gründe, Tipps, Kritik oder Lob. Wir freuen uns auf den Austausch mit allen Hamburg-Liebhaberinnen und -Liebhabern.

Kapitel 1:

FÜR EILIGE

GRUND NR. 1

Weil man für Hamburg keinen Reiseführer braucht

Viele Städte offenbaren ihre interessanten Seiten erst, wenn man mit dem aufgeschlagenen Reiseführer vorm Gesicht durch die Straßen läuft wie ein Japaner auf Jahresurlaub. Über Hamburg gibt es mittlerweile bestimmt mehr Bücher als Seiten in diesem Buch. Die allermeisten sind gründlich recherchiert, sehr schön zu lesen und verraten viele nützliche Tipps zu dieser sympathischen Stadt. »Hamburg in 24 Stunden«, »Hamburg für Singles«, »Hamburg für Romantiker«, »Hamburg zum Gruseln« und so weiter. Für jeden ist was dabei. Auch ich habe mir einen Großteil meines Wissens über Hamburg mehr oder weniger mühsam angelesen. Und jetzt die gute Nachricht aus der Stadt der »Tagesschau«: Sie brauchen all diese Bücher überhaupt nicht, um Ihre Zeit in Hamburg sinnvoll zu nutzen und zu genießen.

Ich stelle mir vor, ich besuche Hamburg. Ich habe meine Reisetasche vergessen und alle Buchhandlungen der Stadt haben geschlossen. Sagen wir, weil – äh – »buchfreier Sonntag« ist oder so. Also jetzt nur mal so »in Spiel«. Wie wäre es, wenn ich ohne jedes Info-Material, das mir eine Stadt und ihre versteckten Riemenschneider-Altäre näherbringt, wenn ich Hamburg ohne jegliche intellektuellen Stützräder entdecken könnte? Was würde mir auffallen? Wo würde es mich hinlocken?

Was wäre zum Beispiel, wenn ich ein Manager wäre, der am nächsten Tag zurück nach Baden-Württemberg muss? Dann könnte ich meiner Partnerin und meinen Kindern schnell ein paar Mitbringsel kaufen, die es nur in Hamburg gibt: etwas Elegantes, Luxuriöses für den Hals einer schönen Frau beispielsweise – ein Stück Seife von Nivea. Und für die Kinder – je nach Alter – ein Schiffsmodell, den Kopf von Klaus Störtebeker oder eine der vielen Gitarren, die John Lennon angeblich dem Hausmeister vom Star-Club geschenkt hat. Wenn ich keine Partnerin und keine Kinder hätte, könnte ich meine Provision gleich nebenan, wo einst der Star-Club war, auf den blondierten Kopf hauen.

Wie wäre es, wenn ich auf Klassenfahrt wäre? Dann könnte ich mein Taschengeld sinnvoll in meine Zukunft investieren: in Computer-Games, CDs, Piercings und Pizza, Döner, Falafel, Pommes/Salbe bis zum Erbrechen. Danach könnte ich die Klassenschönste auf ein Eis am Hafen einladen und meine ersten Erfahrungen machen. Zum Beispiel die, dass die Klassenschönste nur am Eis interessiert ist. Ich könnte aber auch einfach nur meine Digicam mit coolen Quatschfotos vollmachen. Von Pizza, Döner, Falafel … Wie wäre es, wenn ich ein Uni-Professor wäre, der, nebenbei bemerkt, schon längst mal den Nobelpreis verdient hätte? Dann könnte ich in eine der vielen Ausstellungen gehen, Opern, Konzerte und Theater konsumieren. Oder mich einfach auf die nächste Bank setzen, die sehr wahrscheinlich am Wasser oder im Park steht. Da könnte ich dann während des konstruktiven Nichtstuns (den Ausdruck lasse ich mir gleich morgen patentieren) meine Energiespeicher wieder aufladen.

Und wie wäre es erst, wenn ich einer von denen wäre, die New York in den Siebzigern, London in den Achtzigern und Berlin in den Neunzigern erlebt haben? Also einer von den Typen mit den Narben von Fabrikloft-Partys, Disco-Exzessen, Galerie-Events und frivolen Orgien auf Droge im Gesicht? Dann – ja dann könnte ich in Hamburg endlich mal wieder was erleben!

PS: Für Junggesellen-Abschiede ist Hamburg gänzlich ungeeignet. Da empfehle ich lieber eine Kanu-Tour durch den Spreewald oder eine Floßfahrt auf der Isar. Am besten ohne Biene-Maja-Kostüm. (Torsten Lindner)

GRUND NR. 2

Weil es sich immer lohnt, für den Hamburger Fischmarkt früh aufzustehen

Rituale geben Halt im Leben. Der Fischmarkt ist so ein Ritual. Jeden Sonntag früh raus, im Winter ist es noch Kuhnacht, gerne mit Schneegriesel, Wind von vorn und Glatteis. Dann findet man auch ganz leicht einen Parkplatz. Einfach bis vorne durchfahren und sich nicht von Schranken beirren lassen. Halteverbot? Interessiert keinen, stört keinen, und man braucht seinen Wochenbedarf an Obst und Gemüse nicht so weit zu schleppen. Aber das wissen die aus »PI« oder »OD« zum Glück nicht. Die parken schon auf Höhe »Lust auf Italien«. Und das ist gut so. Wer keine Lust auf Spaziergang hat, der fährt durch und pokert oder steht früher auf. Dafür gilt die Regel: Je schlechter das Wetter, desto länger kann man liegen bleiben; allerdings nicht an Städtetrip-Hochsaison-Wochenenden wie beispielsweise Ostern oder Pfingsten. Ja, kirchliche Feiertage sind dem Fischmarkt herzlich egal. Da läuft’s eher besonders gut! Auch kulturelle Feiertage wie beispielsweise HSV-Heimspiele haben keinen Einfluss auf die Parkplatzsituation: Gewinnt der HSV am Samstag, lecken die Gäste sonntags schon wieder zu Hause ihre Wunden. Verliert er, fallen sie nach den ausgiebigen Feiern auf der nahe gelegenen Reeperbahn direkt und zu Fuß auf dem Fischmarkt ein.

Der Fischmarkt ist eine Institution, die bei unseren Gästen immer so lange ganz oben auf der Erlebnis-Wunschliste steht, bis man die Öffnungszeiten bekannt gegeben hat. Denn morgens um halb zehn ist alles vorbei, zu einer Zeit also, zu der man sich am Sonntag nach nochmaligem Umdrehen gern mit dem Gedanken an ein spätes Frühstück anfreundet. Also: erst Fischmarkt, dann Frühstück? Ach nee …!

Doch! Und bitte etwas Respekt vor diesem Timing, immerhin hat es doch eine lange Tradition. Die frühe Marktzeit liegt nämlich darin begründet, dass der fromme Marktbesucher auf jeden Fall pünktlich zum Kirchgang um zehn Uhr alles erledigt und verstaut haben sollte. Das war zur Gründung der Fischmarkttradition im Jahre 1703 umso wichtiger, als es zu der Zeit auf dem Fischmarkt hauptsächlich Fisch zu kaufen gab. Dass man diese Einkäufe nicht so gern unter der Kirchenbank gelagert sehen wollte, kann man sich ja vorstellen. Heute ist das übrigens anders. Der Fischmarkt müsste heute eigentlich Fisch-Blumen-Obst-Kaffee-Autopolitur-Kartoffeln-Geflügel-Käse-Nudel-Kitsch-Mützen-Fischerhemden-Wurst-Salat-Tapas-Schmuck-Windspiele-Gummisüßkram-Socken-Markt heißen. Wobei man im Winter die Hälfte abziehen kann, denn da sind nur die hartgesottenen Marktbeschicker am Start. Im Sommer hingegen denkt man, über die große Elbstraße von Westen kommend, man stehe in einer einzigen großen Gärtnerei. Nimmt man jedoch von der Stadtseite Anlauf, läuft man Gefahr, sofort den Versuchungen von Nudel-Olli, Käse-Tommi und Aal-Kai zu erliegen und viel zu früh unter der Last von »Alles-zehn-Euro-Scheißegal-Chef-nix-da-Tüten« zusammenzubrechen. Wer kann dazu schon Nein sagen!

Besonders populär und vielfach angeboten werden Bastkörbe randvoll gefüllt mit Obst und etwas Gemüse zu zehn Euro. Da kann’s schon mal Stress geben, wenn die Ausflügler, die gleich ihren Bus nach Chemnitz kriegen müssen, schnell noch ein paar Körbe abgreifen wollen. Denn da kommt noch eine Banane drauf, noch eine Melone und noch ein Körbchen ägyptischer Erdbeeren. Das zieht sich! Oder es wird eng und stachelig im Bus, denn wer seine Yucca-Palme daheim satt hat und ein kühler Rechner ist, wird sich dem Charme der holländischen Pflanzenhöker nicht entziehen wollen. Die magische Zahl ist auch hier die Zehn oder andere überschaubare runde Summen. Dafür gibt’s dann aber auch gleich einen gar nicht handlichen Karton voll mit Ficus-benjamini-Orchideen-Drachenbaum und noch einen Bonsai obendrauf. Das alles auf den Knien bis nach Chemnitz … na, viel Spaß!

Nachtschwärmer lieben den Fischmarkt, denn nach durchtanzter Nacht fängt er dich auf: mundgerecht gestückelte süße Ananas, dazu ein Kaffee mit Karibik-Feeling oder ein frisch gepresster Karottensaft; oder lieber ein Fischbrötchen? Oder nach dem ganzen Bier endlich was Fettiges, zum Beispiel Calamari mit Knoblauchsoße? Der Fischmarkt stillt Hunger und Durst, deckt Vitaminbedarf und vertreibt den schlechten Geschmack im Mund. Oder du gehst mit einem kühlen Astra in die Verlängerung. Dazu heiße Rhythmen in der wunderschönen Fischauktionshalle. Einfach weitertanzen, weitertrinken, weiterknutschen.

Wer nicht den Bus nach Chemnitz erwischen muss, der lässt sich für seine Einkäufe bis allerkürzestens vor Marktschließung Zeit. Denn dann gibt’s viele verderbliche Waren zum Schleuderpreis. Wenn man keine Uhr um hat, dann merkt man das daran, dass plötzlich viele Menschen mit Hackenporsche anrücken, die wahrscheinlich für den wöchentlichen Salatbedarf im Dönerimbiss oder für alle Bewohner ihres Mehrfamilienhauses einkaufen. Da gibt es dann den ganzen Karton Tomaten, Trauben oder Blattspinat für einen Euro, 15 Mangos für zwei und Paprika oder was sonst noch weg muss, hinterhergeschmissen. Oder es ist mal wieder Physalis-Time, dann gibt es die kleinen Kästchen im Zwölfer-Karton zum Preis von einem bei Rewe. Um 9.30 Uhr kommt dann die strenge Durchsage, der zufolge alle Verkaufstätigkeit sofort einzustellen und alles abzubauen ist. Was bleibt, ist das supergute Gefühl einer erfolgreichen Schnäppchenjagd, und das am heiligen Sonntag. (Ann-Christin Zilling)

GRUND NR. 3

Weil der Michel geliebt wird

Du bist für mich der höchste Punkt an meinem Hamburger Horizont. Dein schönes Kupferdach, Dein Turm, Deine Uhr – mit acht Metern Durchmesser die größte Turmuhr Deutschlands –, auf der man auch von weitestem Weiten die Zeit lesen kann. Und Deine Geschichte, die eine zum Bewahren und Fortschreiben ist. Du Stehauf-Kirche, Du! Du Willkommen-Heißer, Du Gewinner, Du Herzen-Eroberer und Ort der Treueschwüre, der Begegnungen, der Ruhe und der Freude. Du bist mehr als ein Wahrzeichen. Du bist das Innerste, Du gibst den Puls vor, der in der Stadt schlägt. Mein Michel.

St. Michaelis ist neben St. Petri, St. Jacobi, St. Nikolai und St. Katharinen die fünfte Hauptkirche Hamburgs. Niemand sagt St. Michaelis zum Michel. Es ist der Michel, der seit 350 Jahren Trost und Schutz spendet, wenn Pest, Kriege oder Franzosen die Stadt heimsuchen. In diesem Zeitraum ist er mehrfach abgebrannt. Zum ersten Mal 1750 bei einem Gewitter durch Blitzschlag, dann 1906 wegen einer Benzinlötlampe und noch einmal im März 1945 im Bombenhagel. Und immer wieder stand er auf. Dies war und ist nicht zuletzt das Verdienst vieler Hamburger Bürger und Unternehmen. Sie wissen, was sie an ihrem, an unserem, Michel haben.

Als ich meinen Michel kennenlernte, stellte er sich mir vor als Michel, der mehr Kirche mit anderen als Kirche für andere sein wollte; nicht nur Programme bieten, betreuen und versorgen, sondern Formen des Miteinanders entwickeln, offen und verbindlich sein, Identität wahren und Freiheit leben. Auch wenn ich Gott zwar in mir weiß – diese schöne Formulierung hat meine liebste Freundin Jussi dafür gefunden –, mit seinem Bodenpersonal konnte ich vordem nie viel anfangen. Mein Michel hat mich eingefangen.

Heute besuche ich ihn gelegentlich, wenn gerade nicht so viele Touristenbusse davor stehen. An einem heißen Tag finde ich den Weg direkt in die Krypta, vielleicht schaue ich mir zum x-ten Mal den schönen Film über die Geschichte an. Mit Gästen nehme ich die Treppe nach oben. Wenn’s aus welchen Gründen auch immer der Fahrstuhl sein soll, ist Geduld gefragt, denn wie lang die Schlange ist, das offenbart sich erst, wenn man das Ticket schon gekauft hat. Aber der Weg nach oben lohnt sich allemal. Ein Heiratsantrag beispielsweise, auf dem Michel vorgetragen, wird mit Sicherheit angenommen. Denn der Liebsten von auswärts wird hier oben klar: Mit ihrem Ja wird sie Hamburgerin, und das wiegt schwer! Ein Blick rundum genügt, um festzustellen, dass man es nicht besser treffen könnte. Irgendwo habe ich neulich den Spruch aufgeschnappt: Wenn man sich selbst liebt, ist es egal, wen man heiratet. Ich möchte hinzufügen: Ein Hamburger sollte es schon sein.

Hier oben gibt’s nicht nur auf 82 Metern Höhe den göttlichsten Ausblick über die schönste Stadt der Welt. Hier oben gibt’s auch eine Bar. Ja, eine Bar im Kirchturm. Das ist mein Michel. Meistens, wenn ich allein komme, zieht es mich jedoch gar nicht hoch hinauf. Manchmal komme ich auch ganz gezielt, wenn es ein Problem zu lösen gilt, wenn ich aufgewühlt bin, oder krank. Dann setze ich mich einfach in eine der Bänke. Der Michel gilt als eine der schönsten Barockkirchen Norddeutschlands. Wieso nur Norddeutschlands? Auf jeden Fall strahlt mein Michel. Und was auch immer ich auf dem Weg hinein mit mir geschleppt habe, auf dem Weg hinaus ist es leichter geworden, oder ich aufrechter, stärker, gewappnet? Danke, mein Michel. (Ann-Christin Zilling)

GRUND NR. 4

Weil der Hamburger Hafen so nah liegt

Anders als in vielen anderen Hafenstädten, liegt der Hamburger Hafen direkt in der Stadt, wächst mit der Stadt und verändert sich ständig. Man muss nicht von auswärts sein, um eine Hafenrundfahrt zu lieben. Und bei einer einzigen Rundfahrt bleibt es meist auch nicht. Dafür gibt es einfach zu viel Spannendes und immer wieder Neues zu erleben. Entsprechend gibt es auch unzählige Angebote: mit Speicherstadt, mit Punsch oder Glühwein, mit Olivia Jones, unter dem Gesichtspunkt der Stadtentwicklung, nachts, zu Themen wie Containerumschlag oder Logistik, mit Musik, Fischbrötchen oder einfach nur so. Und da ständig irgendeine »in wenigen Minuten« startet, muss man sich auch keinen Kopf machen, sondern lässt sich an den Landungsbrücken einfach, wie auf der Reeperbahn in die Tabledance-Schuppen, in eine Barkasse kobern, wenn man so weit ist.

Wir entscheiden uns heute für eine Tour mit der Barkasse »Tanja«. Tanja ist fünfzig, ein echtes Arbeitspferdchen und prima in Schuss. Was keiner zu fragen wagt, beantworten wir hier gleich mal von vornherein: Steuerbord ist rechts, Backbord ist links. Und ja, es gibt ein Klo an Bord, Getränke auch, ja.

Allein der Blick auf die HafenCity und die Elbphilharmonie vom Wasser aus ist atemberaubend. Hier eine Penthousewohnung, das wär’s. 12.000 Menschen sollen hier mal wohnen, 40.000 hier arbeiten. Unser Guide Jens kennt die Quadratmeterpreise, bei denen einem der Atem stockt.

Wir vergleichen mittels Fotografien und Plänen den Hafen von vor hundert Jahren mit heute. Damals war Hamburg nach New York und London weltweit der größte Hafen. Im Hansahafen lernen wir, was ein Roll-on-Roll-off-Terminal ist, an der »50er Strecke« mit den alten Kränen hören wir etwas über die großen Veränderungen, die es mit sich brachte, als erstmals direkt vom Kai aufs Schiff verladen wurde anstatt mit Zubringern. Man kann von Glück sagen, dass diese Relikte noch da sind, denn Hamburg wird auch zärtlich die Freie und Abriss-Stadt Hamburg genannt. Wir erfahren, dass der sogenannte »Koller« auch aus der Seefahrt kommt; wenn es nämlich den Heizern an Bord zu heiß wurde, bekamen sie den Koller und rannten raus, um sich hoffentlich nicht in die Fluten zu stürzen.

Hafenrundfahrt, das ist nicht einfach nur wunderschöne Aussichten an sich vorbeiziehen lassen. Das sind interessante Details, die viel über die Stadt Hamburg, die Geschichte und die globale Weltwirtschaft erzählen. Und das kurzweilig, gespickt mit Anekdoten und ebenso vielen Aaahs wie Ahas. Was muss man beim Bananentransport beachten? Was ist der Bilbao-Effekt? Warum spielen Seeleute, die ein paar Stunden frei haben, so gerne Billard und Tischfußball? Wie funktioniert ein Schwimmdock? Warum steht mitten im Hafen ein goldenes Kalb? Um wie viel unterscheidet sich der Wasserstand maximal zwischen Ebbe und Flut?

Oder kennen Sie die traurige Geschichte der Zwangsarbeit im Hamburger Hafen? Wissen Sie, wann Wilhelmsburg eingemeindet wurde? Oder: Wie funktioniert das modernste Containerterminal der Welt ohne Menschen? Warum steht mittendrin eine Kirche? Das Wasser der Elbe – ist das Süßwasser oder Salzwasser? Und warum? Was sind Dockschwalben und warum dürfen die nicht mehr an Bord kommen? Nach welchem System werden Schiffe mit Containern beladen? Was heißt das eigentlich für die Umwelt, wenn die Elbe-Fahrrinne immer tiefer ausgebaggert wird? Fragen über Fragen, die Jens uns fachkundig und mit viel Detailwissen beantwortet. Ist ja klar, dass wir hier keine Antworten geben, denn das wäre ja, wie wenn man im Kino am Anfang des Films erzählt, wie er ausgeht. Und wir sind ja keine Spielverderber. Also: Leinen los, Augen und Ohren auf! (Ann-Christin Zilling)

GRUND NR. 5

Weil man in Hamburg ganz einfach ins Fernsehen kommt

Talkshows, Kochshows, Rateshows – was am Bügelbrett oder auf der Couch gelegentlich unerträglich peinlich ist und zum Fremdschämen einlädt, ist live ein großer Spaß. In Hamburg werden mehrmals täglich Shows aufgezeichnet. Ob man nun den schnieken Markus Lanz liebt oder bei Dr. Eckart von Hirschhausens Gedächtnistest mitfiebern möchte – mit fünf Euro ist man dabei. Die Fernsehmacher machen’s möglich. Ich entscheide mich heute für den charmanten Steffen Henssler und die Sendung »Topfgeldjäger«. Geschlechterkampf am Herd: Zwei Frauen kochen mit zwei Männern um die Wette. Es ist nicht mein erstes Mal, und ich weiß, wie’s geht, damit die Kamera mich in den Fokus nimmt und meine Oma sich am Bildschirm freut: Was cooles Farbiges anziehen, nichts Kleinkariertes, dem Make-up mehr Aufmerksamkeit als sonst schenken und ausstrahlen, dass man gern und mit großem Interesse dabei ist. Das kriege ich hin. Damit habe ich gute Chancen, bei der Einlasskontrolle ein Platzkärtchen überreicht zu bekommen, das mich als Statistin gut in Szene setzt.

Wieder geschafft: Reihe eins. Oma, ich komme! Vorher gibt’s so viel Prosecco, wie man will. Ich will lieber nicht, denn während der Aufzeichnung aufs WC ist nicht. Und schon geht’s los. Wir üben Klatschen, wie man die Kandidaten für den Weg auf die Bühne in Sicherheit wiegt, wie man den Moderator mit frenetischem Applaus begrüßt, wie man auch beim vierten Mal noch völlig aufgekratzt ist, wenn der Name des Juroren Frank Rosin fällt, und wie ein großes »MMMMHHH!« zu intonieren ist. Der Einpeitscher Niels bestätigt uns: Wir sind das beste Publikum, das je da war. Und er erinnert uns daran, dass wir – für die Kamera – bitte jederzeit den Eindruck erwecken sollten, freiwillig hier zu sein. Schon die Niels-Warm-up-Show lohnt den Weg. Die Steffen-Henssler-Show sowieso: Alles geht Schlag auf Schlag. Die Kandidaten haben vierzig Minuten Zeit, ein Drei-Gänge-Menü zu zaubern, zwischendurch erspielen sie per Quiz Zutaten, Henssler selbst kocht en passant in drei Minuten fünf ein leckeres Feierabendschmankerl aus Graubrot, Pfifferlingen, Tomaten, Schnittlauch und Basilikum. Die Dame neben mir darf probieren – Mist, vielleicht hätte ich mich mit einem anderen Blüschen für diesen ersten Platz qualifizieren können? Oder bin ich zu dünn? Sie ist eher der Genießer-Typ … Es duftet lecker, gegen Ende der vierzig Minuten kommt Endspurthektik auf, das Publikum tobt. Die Männer schieben in der letzten Sekunde ihren Aprikosenjoghurt unter die Nachtisch-Haube. Die beiden Damen aus Österreich sind zu dem Zeitpunkt schon am Aufräumen. Und zu Recht schlagen sie die Jungs aus Pinneberg haushoch. Frank Rosin fällt ein eindeutiges Urteil.

Auf dem Weg nach Hause eile ich noch schnell zu Rewe. Pfifferlinge, Sahne, Graubrot. Die Show als Vorabendprogramm, jetzt mit der Gewinner-Hauptspeise zu Hause punkten! Und Oma anrufen: »ZDF, schon übermorgen. … Ja, ganz vorne, mit dem T-Shirt, das du mir zu Weihnachten geschenkt hast. … Ja, ganz sicher!«

Mal sehen, was es nächste Woche bei »Lafer!Lichter!Lecker!« gibt – live, versteht sich! (Ann-Christin Zilling)

GRUND NR. 6

Weil es in Hamburg Juwelen wie die Strandperle gibt

Die Perle als solche ist eine Metapher, die häufig zum Einsatz kommt, wenn etwas ganz besonders Schönes und Wertvolles gemeint ist. Zwangsläufig gehört die Perle in Hamburg zu den meistverwendeten Wörtern. Ein paar Beispiele: Lotto King Karl singt »Hamburg, meine Perle« und die ganze HSV-Gemeinde kann den Text in allen Variationen auswendig. Eine Reihe von Gebäuden am Elbufer Altonas, zwischen Övelgönne und dem früheren Englandterminal, nennt sich »Perlenkette am Hafenrand«. Auf der Schanze gibt es einen kleinen Designer-Laden mit dem schönen Namen »Perle«, die Handwerkerinnenagentur »Perle« vermittelt seit 1999 Handwerkerinnen und Handwerker aus dreißig Fachbereichen. Und dann gab es da mal eine treffsichere Werbeanzeige, die drei Schmuckstücke zeigte, jedes stand für eine Stadt: ein funkelndes für Düsseldorf, ein buntes für Berlin und eine Perle für Hamburg. Die Perle steht also für das Beste, und da ist es ja nur logisch, dass man das schönste Strandplätzchen am Elbufer die Strandperle nennt!

Für Besucher, die zum ersten Mal nach Hamburg kommen und deshalb noch nicht wissen, dass sie besser mehr Zeit eingeplant hätten, stellt sich ja die Frage: Wie kann ich in 24 Stunden möglichst viel Hamburg erfahren? Der Elbestrand ist ein Highlight für den eiligen Besucher, birgt allerdings die Gefahr, dass man hier hängen bleibt. Hamburg-Kenner wissen, dass es an der Elbe eine Reihe dieser Plätze gibt, an denen man sommers sofort sein Zelt aufschlagen möchte und winters einfach hofft, dass der Glühwein nie zur Neige gehen möge. Augen schließen, den Schwallwellen lauschen und das Strandurlaubsgefühl von den sandigen Zehen bis in die vom Wind zerzausten Haarspitzen ansteigen lassen, bis man ganz durchflutet ist. Dann kommt ein leichtes »Aah« über die Lippen und das Herz sendet Signale ans Hirn: »Hier will ich bleiben!«, und das Hirn antwortet mit »Ja, ich auch!«. Und schon ist man hängen geblieben. Kann ja sein, dass man noch einen Koffer in Berlin hat, aber das Herz hängt an der Elbe.

Genau das passiert an einem Ort wie der Strandperle, und zwar schon seit Beginn des letzten Jahrhunderts, als es noch die »Altonaer Milchhalle« war. Nach dem Zweiten Weltkrieg hieß dieser magische Ort »Lührs Gaststätte«, seit 1973 ist es die »Strandperle«. Ein Strandlokal, direkt an der Elbe gelegen, mit einem großartigen Sandstrand und einem grandiosen Blick auf den Hafen. In dieser Strandbude ist immer was los. Seit Winter 2010 sogar ganzjährig.

Mein Freund aus einer anderen Stadt, welche ist ja egal, sitzt neben mir im Liegestuhl und will gar nicht mehr weg. Das geschäftige Treiben an den Terminals auf der anderen Elbseite fasziniert ihn. Ihn loszueisen kostet einiges an Überzeugungskraft. »Komm schon, ich zeige dir gleich einen Ort, der dich genauso beseelt, an dem du genauso viel zu staunen hast und an dem du dich genauso wohlfühlst wie hier!« Mein Gast schaut mich zweifelnd an. »So schön wie hier? Glaube ich nicht.« »Doch, klar, na los, du wirst schon sehen!«

In dem Moment weiß ich zwar noch nicht, wo wir als Nächstes hingehen. Aber da wir in Hamburg sind, kann ich meinen Gast gar nicht enttäuschen. Oben an der Treppe angekommen, steigen wir ins Auto und fahren die Elbchaussee entlang. Ein überraschtes »Wow« kommt vom Beifahrersitz. Wie gut, dass man beim Fahren nicht hängen bleiben kann! (Ann-Christin Zilling)

GRUND NR. 7

Weil man nirgendwo sonst so schön im Stau steht

Ich weiß nicht, ob die Elbchaussee in Hamburg die schönste Straße Deutschlands ist. Jedenfalls ist sie eine der beliebtesten. Jeden Tag fahren 40.000 Autos auf ihr hin und her. Manche sogar mehrmals. Trotz Navi. Das führt zu Staus. Der erste findet jeden Werktagmorgen zwischen acht und zehn Uhr statt, beginnt bei der vom »Feinschmecker« ausgezeichneten Fleischerei Otto Meinert in Blankenese und reicht bis zum Altonaer Rathaus. Der zweite dauert von ungefähr 17.30 bis 19.45 Uhr, startet am Altonaer Rathaus und führt wieder bis zur vom »Feinschmecker« ausgezeichneten Fleischerei Otto Meinert in Blankenese. Vor hundert Jahren musste man auf der Elbchaussee die Höchstgeschwindigkeit noch per Verkehrsordnung auf 15 bis 25 km/h begrenzen. Das ist zu den Stoßzeiten heute nicht mehr nötig. Es geht eh nicht schneller.

Manchmal beschleicht mich der Verdacht, dass der eine oder die andere sich absichtlich in den Stau einreiht. Die wollen eigentlich nirgendwohin. Die wollen nur im Stau stehen. Das kann verschiedene Gründe haben, die ich sehr gut nachvollziehen kann:

Da ist die schöne Manager-Gattin, die sich tagsüber allein in ihrem goldenen Käfig fühlt. Im Stau in der Gemeinschaft mit Gleichgesinnten ist sie dann nicht mehr so einsam. Und falls doch, kann sie mal mit einem Klaps auf die Hupe auf sich aufmerksam machen. Ich hupe, also bin ich. Und da ist der schöne Playboy mit den grauen Schläfen, der nach seinem letzten Belastungs-EKG zeigen will, dass er immer noch eine Sportskanone, dass er ein Sieger ist. Das zeigt er mit seinem Porsche. Der Oldtimer-Freak mit seinem Aston Martin oder Jaguar E-Type ist natürlich auch dabei. Der macht schon lange kein EKG mehr mit. Außerdem sind ein Haufen Schöngeister dabei, die sich einfach an den Sehenswürdigkeiten der Prachtstraße Elbchaussee nicht satt sehen können. Und Sehenswürdigkeiten gibt es einige.

Auf unserer Tour d’Honneur kommen wir an Sterne-Restaurants vorbei, an stolzen Herrenhäusern mit und ohne Elbblick, sogar an einer geheimnisvollen Säulenvilla. Nebenbei bemerkt: Die geraden Hausnummern liegen an der Nordseite der Elbchaussee, die ungeraden an der Südseite. Letztere haben folglich den besseren Blick auf die Elbe. Das sollten Sie als Hamburg-Kenner unbedingt wissen. Lessing und Brahms können Sie getrost vergessen, aber das mit den Hausnummern an der Elbchaussee ist irrsinnig wichtig.

Wir rollen an einer ehemaligen Brauerei vorbei, die heute als Stützpunkt einer Reederei dient. Und zwischendurch immer wieder an Parks, die uns zurufen: »Anhalten! Aussteigen! Und einen Spaziergang machen!« Das Gleiche gilt für die Aussichtspunkte mit Blick auf den neuen Container-Hafen mit seinen Unmengen an Kränen und der Köhlbrandbrücke im Hintergrund.

Vor uns schöne Menschen. Hinter uns schöne Menschen. Rechts und links schöne Villen und schöne Bungalows. Zum Teil mit Auffahrten, in denen die schönen Kinder der schönen Herrschaften schön ihren Führerschein machen könnten. Sofern sie sich eines Tages mal selbst hinters Lenkrad setzen möchten. Und zwischendurch immer wieder der Blick auf die Elbe mit allem, was sich darauf tummelt. So macht Im-Stau-Stehen Spaß. Da kann es vor lauter Ablenkung schon mal zu einem Auffahrunfall kommen. Hoppala.

Wenn Sie Glück haben, ist Ihnen der Playboy hinten drauf gefahren. Wenn Sie Pech haben, sind Sie auf die gelangweilte Manager-Gattin aufgefahren. Dann kann Ihnen auch das schönste Elbpanorama nicht mehr helfen. Deshalb an dieser Stelle mein Tipp: Abstand halten! In jeder Beziehung.

Übrigens: Auch außerhalb der Stauzeiten lohnt sich eine Fahrt über die Elbchaussee. Dann läuft der Verkehr eigentlich ganz flüssig. Man kann endlich auch mal Auto fahren und die Polizei kann endlich auch mal blitzen. (Torsten Lindner)

GRUND NR. 8

Weil die »Ritze« eine für alle ist

Der Name ist pure Verwirrung. Wer hier einen Puff erwartet, liegt völlig falsch. Aber was will man machen? Die gespreizten Beine, mit denen sich Erwin Ross, der »Rubens der Reeperbahn«, an der Eingangspforte ein Denkmal gesetzt hat, befeuern die Erwartungshaltung. Und der Name »Zur Ritze« übt auf alle Besucher die Strahlkraft des Anrüchigen aus. Das Beste ist, man macht sich selbst ein Bild von dieser Kiezkneipe. Schließlich: »In der Ritze waren wir auch« – dieser Satz macht den Hamburg-Reisebericht erst rund! Keine geführte Tour über die Reeperbahn geht hier vorbei, sondern immer hinein. Rein in die Mutter aller Pilskneipen, in der die Zeit seit der Eröffnung Anfang der Siebziger stehen geblieben zu sein scheint. Rein in eine Hamburger Institution, die alles ist, von Kiez light bis Kiez ganz hart. Kiez light, weil man hier durchaus harmlos und unbehelligt sein Bier trinken kann, urgemütlich dem Herzschmerz-Gedudel aus der Jukebox lauschen und einfach nur gucken. Denn selbst wenn die Kneipe noch leer ist, ist sie voll. Voller Erinnerungen an fast vierzig Jahre Leidenschaft und Leere, strahlende Prominenz und stumpfes Elend. Alles hier ist echt. Und man kann gar nicht anders: Eine Art Ehrfurcht steigt in mir auf, während ich mich an meinem Bier festhalte und die Damen hinter dem Tresen beobachte. Denen ist nichts Menschliches fremd. Das sind Profis. Und die sind auch nicht erst seit 14 Tagen in dem Job. Was man tunlichst vermeiden sollte, das sind Sätze wie »Ich habe Sie im Fernsehen gesehen« oder interessierte Nachfragen à la »Wie lange machen Sie das hier schon?«. Das stört. Wie oft Monika oder Inge die Sätze schon gehört haben? Unzählbar oft.

Die Ritze ist aber auch Kiez ganz hart. Zum legendären Boxkeller geht es die Treppe hinunter. Der Boxring hat seine eigene Geschichte. Hier trainierten Profis wie Henry Maske und Dariusz Michalczewski. Hier trainiert aber auch das Milieu. Oder Jungs und Mädels einer Schauspielschule. Ritze-Gründer Hanne Klein war Mittelgewichtsboxer der DDR-Nationalmannschaft. 1967 kam er aus Magdeburg nach Hamburg. Die Kombination aus Boxring und Kneipe machte aus der Ritze von Anfang an etwas Besonderes. Immer noch, auch wenn die Beine rechts und links der Pforte nichts Skandalöses mehr haben.

Es ist Samstagabend nach zehn. Die Ritze ist brechend voll. Irgendeine geführte Tour macht hier Station. Rein, raus, dann kriegt man auch wieder Luft, davon mal abgesehen, dass dies eine Raucherkneipe ist. An einem der Tische singt eine Damenrunde fünfzig plus »Ein Bett im Kornfeld«, weil das gerade in der hippen Malle-Plus-Version aus der Jukebox tönt. Weiter hinten sitzen ein paar Herren, die ihre Stühle wahrscheinlich schon seit Jahrzehnten beehren. Dazwischen die unvermeidlichen Jungs aus dem Vorort, die T-Shirts tragen, auf denen steht »Schade, dass man Bier nicht ficken kann«, sowie der vierzehnte Junggesellen-Abschied an diesem Abend. Monika und Inge hinter dem Tresen schaffen sie alle. Gelegentlich betritt eine Gruppe junger Männer die Szene. Als sie merken, dass sie den Altersschnitt dramatisch senken und hier auch kein nackter Busen in Sichtweite ist, drehen sie ab.

Meinen Barhocker gebe ich nicht mehr her, heute nicht. Es bleibt spannend. Man weiß ja nie, wer uns als Nächstes in den Schoß fällt. Warum auf dem Kiez flanieren – hier kommen doch ohnehin alle vorbei! (Ann-Christin Zilling)

GRUND NR. 9

Weil die 112 in Hamburg eine ganz heiße Nummer ist

Sie denken an den Notruf, stimmt’s? Super, dass Sie die Nummer im Kopf haben. Das sollte man! Hier und jetzt geht es allerdings um eine andere 112. Und zwar um die Buslinie zwischen Neumühlen/Övelgönne und Braune Brücke. Als Stadtrundfahrt für kleines Geld ein heißer Tipp.

Nach meinem Elbufer-Spaziergang steige ich am Museumshafen in Övelgönne in den Bus und setze mich entgegen der Fahrtrichtung, damit ich den Elbberg hinauf den besseren Blick über den Hafen genießen kann. Auf dem Altonaer Balkon grüßt die Bronze-Skulptur des Künstlers Gerhard Brandes. Schon seit 1965 winken mir die Fischer zu. Mein Geburtsjahr. Ich schenke ihnen deswegen auf meinem Weg immer ein Lächeln. Wir passieren das weiße Altonaer Rathaus, ursprünglich das Bahnhofsgebäude der Altona-Kieler Eisenbahn-Gesellschaft. Das Reiterstandbild von Wilhelm I. wurde 1898 im Beisein des Kaiserpaares eingeweiht. Kaiser Wilhelm überblickt den Platz der Republik, den wir entlangfahren und auf dem der Stuhlmannbrunnen die nächste Attraktion darstellt: Zwei Zentauren ringen um einen Fisch. Eine Allegorie auf die Konkurrenz um den Fischfang zwischen den Nachbarstädten Altona und Hamburg. Am Bahnhof Altona sticht das grünlich schimmernde Bürohaus ins Auge, das man schon sieht, wenn man auf der anderen Elbseite in den Elbtunnel fährt. Dieser »Kaiserhof« ist eines der höchsten Gebäude im Hamburger Westen.

Am Bahnhof Altona ist Sesselwechsel im Bus. Ich nutze die Gelegenheit, um es mir auf der Rückbank bequem zu machen. Der Bus quält sich in Richtung Große Bergstraße, in den sechziger Jahren Deutschlands erste großstädtische Fußgängerzone. An der Haltestelle Fischmarkt (siehe Grund Nr. 2) sehe ich zwischen den Häusern das Kreuzfahrtschiff »Mein Schiff« im Dock liegen. Dann geht’s weiter entlang der Elbe, wo ich den Blick über die Kaimauern genießen kann. Das geht eben nur vom Bus aus. Rechts die Hafenkulisse, links die farbenfrohen Hafenstraßenhäuser, die seit den Hausbesetzerzeiten der Siebziger bis heute immer wieder für Schlagzeilen sorgen. An der Haltestelle Landungsbrücken lege ich einen Zwischenstopp ein. Da mir die U-Bahn zum Baumwall gerade vor der Nase wegfährt, darf’s ein Schoko-Cappuccino sein, Größe M, das reicht zur Überbrückung. Denn die U-Bahn fährt ja alle fünf Minuten. Auf der kurzen Fahrt zwischen den zwei schönstgelegenen U-Bahn-Stationen Landungsbrücken und Baumwall genieße ich die Szenerie: Der Frachtsegler Rickmer Rickmers liegt hier, ebenso das Museums-Frachtschiff Cap San Diego, auf der anderen Elbseite sehe ich das Musical-Theater »König der Löwen« und über allem die Elbphilharmonie. Am Baumwall, an dem auch das an ein Schiff erinnernde Verlagsgebäude von Gruner+Jahr liegt, steige ich aus. Mein Ziel ist das Kontorhaus Stubbenhuk 10, Sitz der Henri-Nannen-Schule für Journalisten und diverser Gruner+Jahr-Redaktionen. Dieses historische, ab 1923 erbaute Kontorhaus hat eine herrliche Klinkerfassade und ein beeindruckendes, holzvertäfeltes Treppenhaus.

Wenn ich dasselbe Stück U-Bahn in die andere Richtung fahre, schweift mein Blick über die Elbe hinaus Richtung Nordsee. Ich sehe die großen Containerfrachter kommen und gehen. Wieder an den Landungsbrücken, fällt mein Blick auf das Hotel Hafen Hamburg, oberhalb der nach dem Eigentümer benannten Willi-Bartels-Treppe. Das Hotel Hafen Hamburg beherbergt unter dem spitzen Glastürmchen eine Bar mit großartigem Ausblick. Willi Bartels, dem viele Immobilien auf dem Kiez gehörten, wurde auch »König von St. Pauli« genannt und war Vorbild für den gleichnamigen Film von Dieter Wedel. Er starb 2007 im Alter von 92 Jahren.

Mein Bus 112 fährt auf den Millerntorplatz zu, wo mir unser großes Volksfest, der DOM, entgegenblinkt. Der Bus hält als Nächstes am Museum für Hamburgische Geschichte, dem größten städtehistorischen Museum Deutschlands. Hier kann man sich über Schifffahrt, Hafen, Auswanderung, bürgerliche Wohnkultur, Mode, Musik- und Theatergeschichte sowie die Geschichte der Juden in Hamburg über den Zeitraum der letzten 1200 Jahre umfassend informieren. Die nächste Haltestelle: Handwerkskammer. An der Außenfassade fallen Skulpturen von Oskar Ulmer auf, die verschiedenen Handwerke personifizierend. An der Haltestelle Johannes-Brahms-Platz blickt man auf Hamburgs große Musikhalle, die Laeiszhalle. Sie wurde der Stadt im Juni 1908 von dem Hamburger Reeder Carl Laeisz übergeben.

An der nächsten Haltestelle, Stephansplatz, könnte man auch aussteigen, wenn man durch die Colonnaden bummeln, die Staatsoper besuchen oder eine besonders köstliche Currywurst im Curry Club zu sich nehmen wollte (siehe Grund Nr. 22). Oder wenn gerade das Oktoberfest im nahe gelegenen Hofbräuhaus an der Alster stattfindet. Das ging jedoch gerade zu Ende, und so genieße ich jetzt ohne Pause die folgende Strecke über die Lombardsbrücke mit dem schönsten Blick über die Binnenalster. Der Name »Lombardsbrücke« geht übrigens auf ein Pfandleihhaus zurück, das hier 1651, als Teil der Stadtbefestigungsanlagen, stand. Die vier gusseisernen vierarmigen Kandelaber mit fünf Glaskugeln auf der Brücke habe ich schon auf vielen Postkarten verschickt.

Vorbei an der Hamburger Kunsthalle, am Hauptbahnhof, an den Deichtorhallen – natürlich könnte man hier aussteigen und neben den Museen auch viele schöne Kontorhäuser besuchen –, vom Bus aus sieht man den Sprinkenhof – und plötzlich befinden wir uns, wie es scheint, in der Bronx Hamburgs. Autohändler, Reifenhändler, Tankstellen, am Großmarkt vorbei. An der S-Bahn-Haltestelle Hammerbrook City Süd bin ich versucht, zurück in die City zu fahren. Aber ich will’s wissen. Und es lohnt sich.