46 Minuten im Leben der Dämmerung - Alice Oswald - E-Book

46 Minuten im Leben der Dämmerung E-Book

Alice Oswald

0,0
19,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In der Lyrik der Gegenwart ist Alice Oswalds Werk einzigartig; ein Plädoyer für die Dimension des Hörens, ein Lauschen auf die feinen lautlichen Differenzen und ein Rückgriff auf eine Lyrik, deren lebendige Farbigkeit sie für uns neu entdeckt: Homer steht wieder am Horizont. Alice Oswalds Gedichte entstehen aus der Stimme. Wie Homers Epen sind sie gesprochene Ereignisse. Auf ihren Lesungen trägt sie ihre Lyrik stehend und auswendig vor. Ihre Musen sind das Auge und die Erinnerung. Und trotzdem, es ist eine Lyrik der großen Bögen: In »Memorial« gedenkt sie den Fußsoldaten, die bei Homer fallen – nicht den Helden gilt ihr Augenmerk, sondern den Opfern in den Fugen der Geschichte. In einem anderen Text verwandelt sie mit Homers Gleichnissen im Gepäck das Erwachen des Lichts in ein Epos: »46 Minuten im Leben der Morgendämmerung«. »Ungeheuer gelungen … Unvergesslich.« Teju Cole »Jedes meiner Bücher markiert eine Grenze, über die ich in das nächste Land weiterziehe.« Alice Oswald

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 87

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Alice Oswald

46 Minuten im Leben der Dämmerung

Memorial - Fallen-erwachen. Gedichte

Aus dem Englischen von Iain Galbraith und Melanie Walz

FISCHER E-Books

Mit einerm Nachwort von Iain Galbraith

Inhalt

MemorialTithonosNachwortDanksagung

Memorial

Eine Ausgrabung aus der ILIAS

Dies ist eine Übertragung der Atmosphäre der Ilias, nicht ihrer Handlung. Matthew Arnold hat (nicht als Einziger) die Ilias für ihr »Erhabenes« gepriesen. Aber Kritiker der Antike priesen sie für ihre enargeia, was in etwa »grelle unerträgliche Wirklichkeit« bedeutet. Dieses Wort wird benutzt, wenn Götter zur Erde kommen, nicht verkleidet, sondern als sie selbst. Die vorliegende Fassung, die versucht, die enargeia des Poems einzufangen, entfernt die Handlung, wie man das Dach einer Kirche entfernen könnte, um sich zu vergewissern, was man dort verehrt. Übrig bleibt ein zweipoliges Poem aus Gleichnissen und kurzen Lebensbeschreibungen von Kriegern, die sich beide (wie mir scheint) aus unterschiedlichen poetischen Quellen herleiten: die Bilder aus den Hirtengedichten (was man daran sieht, dass ihr Versmaß oft komprimiert ist, als wäre es ursprünglich Bestandteil eines lyrischen Gedichts gewesen) und die Lebensbeschreibungen aus der griechischen Tradition des Klagegesangs.

Schilderungen griechischer Klagegesänge finden sich sowohl in der Ilias als auch in der Odyssee. Wenn ein Leichnam aufgebahrt war, eröffnete ein Berufsdichter (jemand wie Homer) die Totenklage, im Wechselgesang von Frauen mit persönlichen Schilderungen des Verstorbenen erwidert. Mir gefällt der Gedanke, dass die Geschichten einzelner Krieger in der Ilias Erinnerungen an solche Totenklagen sein könnten, in die Erzählung von Dichtern eingeflochten, die regelmäßig sowohl epische Dichtung als auch Chorlyrik pflegten.

Die Ilias ist ein anrufendes Poem. Vielleicht ist sie sogar (wie die Totenklage) beschwörend. Patroklos wird immer mit »du« angesprochen, als würde unmittelbar mit den Toten Zwiesprache gehalten. Meine Übertragung zeigt das ganze Poem als eine Art oralen Friedhofs – als einen Versuch, in den Nachwehen des Trojanischen Krieges Namen und Leben der Menschen aus vorschriftlicher Zeit in Erinnerung zu behalten. Ich hoffe, sie setzt nicht zu viel Wissen um den Gesamtzusammenhang voraus. Ich hoffe, sie wird ihren eigenen Zusammenhang besitzen in Form einer Reihe von Erinnerungen und Bildern nebeneinander: eine antiphonale Schilderung des Menschen in seiner Welt.

Ich möchte noch etwas zu meinem Umgang mit der Ilias sagen. Meine »Biographien« sind Paraphrasen des ursprünglichen Textes, meine Gleichnisse sind Übertragungen. Aber meine Art des Übertragens ist relativ ehrfurchtslos. Ich arbeite eng am griechischen Originaltext, doch statt die Wörter ins Englische zu übertragen, benutze ich sie als Zugangswege, die ermöglichen können zu sehen, was Homer gesehen haben mag. Ich schreibe vermittels des Griechischen, nicht von ihm ausgehend, um es eher durchscheinend zu machen, als um es zu übersetzen. Ich glaube, dieses Vorgehen und mein waghalsiger Verzicht auf sieben Achtel des Poems sind mit dem Geist oraler Dichtung vereinbar, die nie beständig war, sondern sich stets einem neuen Publikum anzupassen wusste, als wäre ihre Sprache im Unterschied zu geschriebener Sprache immer noch frisch und lebendig.

PROTESILAOS

ECHEPOLOS

ELEPHENOR

SIMOEISIOS

LEUKOS

DEMOKOON

DIORES

PIROOS

PHEGEUS

IDAIOS

ODIOS

PHAESTOS

SKAMANDRIOS

PHEREKLOS

PEDAIOS

HYPSENOR

ASTYNOOS

HYPEIRON

ABAS

POLYIDOS

XANTHOS

THOON

ECHEMMON

CHROMIOS

PANDAROS

DEIKOON

ORSILOCHOS

KRETON

PYLAIMENES

MYDON

MENESTHES

ANCHIALOS

AMPHIOS

TLEPOLEMOS

KOIRANOS

CHROMIOS

ALASTOR

ALKANDROS

HALIOS

PRYTANIS

NOEMON

TEUTHRAS

ORESTES

TRECHOS

OINOMAOS

HELENOS

ORESBIOS

PERIPHAS

AKAMAS

AXYLOS

KALESIOS

PEDASOS

AISEPOS

ASTYALOS

PIDYTES

ARETAON

ANTILOCHOS

ELATOS

PHYLAKOS

MELANTHIOS

ADRASTOS

MENESTHIOS

IPHINOOS

ENIOPEUS

AGELAOS

ORSILOCHOS

ORMENOS

OPHELESTES

DAITOR

CHROMIOS

LYKOPHONTES

AMOPAON

MELANIPPOS

GORGYTHION

ARCHEPTOLEMOS

DOLON

RHESOS

ISOS

ANTIPHOS

PEISANDROS

HIPPOLOCHOS

IPHIDAMAS

KOON

ASAIOS

AUTONOOS

OPITES

DOLOPS

OPHELTIOS

AGELAOS

AISYMNOS

OROS

HIPPONOOS

THYMBRAIOS

MOLION

ADRASTOS

AMPHIOS

HIPPODAMOS

HYPEIROCHOS

AGASTRAPHOS

THOON

ENNOMOS

CHERSIDAMAS

SOKOS

CHAROPS

DORYKLES

PANDOKOS

LYSANDROS

PYRASOS

PYLARTES

APISAON

DAMASOS

PYLON

ORMENOS

HIPPOMACHOS

ANTIPHATES

MENON

IAMENOS

ORESTES

EPIKLES

IMBRIOS

AMPHIMACHOS

OTHRYONEUS

ASIOS

ALKATHOOS

OINOMAOS

ASKALAPHOS

APHAREUS

THOON

ANTILOCHOS

DEIPYROS

PEISANDROS

HARPALION

EUCHENOR

SATNIOS

PROTHOENOR

ARCHELOCHOS

PROMACHOS

ILIONEUS

STICHIOS

ARKESILAOS

MEDON

IASOS

MEKISTEUS

ECHIOS

KLONIOS

DEIOCHOS

KALETOR

LYKOPHRON

KLEITOS

SCHEDIOS

LAODAMAS

OTOS

KROISMOS

DOLOPS

MELANIPPOS

PERIPHETES

PYRAICHMES

AREILYKOS

THOAS

AMPHIKLOS

ATYMNIOS

MARIS

KLEOBULOS

LYKON

AKAMAS

ERYMAS

PRONOOS

THESTOR

ERYLAOS

ERYMAS

AMPHOTEROS

EPALTES

TLEPOLEMOS

ECHIOS

PYRIS

IPHEUS

EUIPPOS

POLYMELOS

THRASYMELOS

PEDASOS

SARPEDON

EPEIGEUS

BATHYKLES

LAOGONOS

PATROKLOS

EUPHORBOS

HIPPETHOOS

SCHEDIOS

PHORKYS

LEOKRITOS

APISAON

ARETOS

PODES

KOIRANOS

IPHITOS

DEMOLEON

HIPPODAMAS

POLYDOROS

DRYOPS

DEMUCHOS

LAOGONOS

DARDANOS

TROS

MULIOS

RHIGMOS

LYKAON

THERSILOCHOS

MYDON

ASTYPLOS

MNESOS

THRASIOS

AINIOS

OPHELESTES

HEKTOR

Der Erste der starb war PROTESILAOS

Ein zielstrebiger Mann auf dem Weg in das Dunkel

Es schwand vierzig schwarzen Schiffen das Land

Den Männern die ihm folgten von dem blütenreichen Felsgrat

Wo das fruchtbare Gras alles wachsen lässt

Pyrasos  Iton  Pteleos  Antron

Er starb mitten im Sprung wollte als Erster an Land

Sein Haus war nur halb erbaut

Seine Frau lief hinaus hielt sich das Gesicht

Podarkes sein Bruder von geringerer Statur

Übernahm den Oberbefehl doch das ist lange her

Er liegt in der schwarzen Erde seit Jahrtausenden

Wie das Wispern des Winds

Die Wellen bewegt

Ein langer Ton lauter wird

Und das Wasser tief seufzt

Wie wogendes Land

Wenn der Westwind eine Wiese streift

Sehnsüchtig und suchend

Aber nichts ist da

Die Getreidehalme schütteln ihr grünes Haupt

Wie das Wispern des Winds

Die Wellen bewegt

Ein langer Ton lauter wird

Und das Wasser tief seufzt

Wie wogendes Land

Wenn der Westwind eine Wiese streift

Sehnsüchtig und suchend

Aber nichts ist da

Die Getreidehalme schütteln ihr grünes Haupt

ECHEPOLOS ein vollendeter Krieger

Stets seinen Männern voraus

Bekannt für kühle kalkulierte Konzentration

Schier unverwundbar zwischen all den Speeren

Starb von der Hand des Antilochos

Da ist das Loch in dem Helm unterm Rand

Wo die Speerspitze eindrang

Und in seiner Stirn stak

Und das Dunkel über seine Augen goss

ELEPHENOR von Euboia Herr über vierzig Schiffe

Sohn des Chalkodon und von unbekannter Mutter

Starb beim Bergen des Leichnams des Echepolos

Aufblitzendes Fleisch beim Bücken hinter dem Schild

Agenor erstach ihn in des Kriegs neuntem Jahr

Er trug seine Haare am Kopf hinten lang

Wie Blätter

Manchmal entflammen sie ihr grünes Licht

Von der Erde genährt

Und manchmal löscht sie sie aus

Wie Blätter

Manchmal entflammen sie ihr grünes Licht

Von der Erde genährt

Und manchmal löscht sie sie aus

SIMOEISIOS geboren am Ufer des Simoeis

Sohn des Anthemion die Mutter eine Schafhirtin

Die noch der Herde folgte als sie niederkam

Jung und geschmeidig vielversprechend und ledig

Traf auf Aias im neunten Jahr des Krieges

Und lief ihm mit voller Kraft in den Speer

Die Spitze fuhr glatt in die Brustwarze ein

Trat am Schulterblatt wieder aus

Schon war es vorbei unaussprechlicher Gram seiner Eltern

Und LEUKOS der Freund des Odysseus

Wenig weiß man von ihm bis auf seinen Tod

Und jemandes Gesicht zerstochen wie Obst

Das war der Sohn des Priamos der Glücklose

Der sich im Land der Pferde ernährte

Nördlich von Troia trat er zurück

Als ihn das Dunkel mit dumpfem Klang traf

Sein Name war DEMOKOON

Wie wenn ein Mann zurückweicht

Unter dem Fuß fast eine Schlange sieht

In einer Senke in der Heide

Furcht lässt seine Knie zittern und

Raubt ihm die Farbe und er weicht zurück

Wie wenn ein Mann zurückweicht

Unter dem Fuß fast eine Schlange sieht

In einer Senke in der Heide

Furcht lässt seine Knie zittern und

Raubt ihm die Farbe und er weicht zurück

DIORES Sohn des Amarynkeus

Getroffen von einem geworfenen Stein

Starb im Matsch der eigenen Eingeweide

In den Schlamm gestoßen liegt er

Die Arme nach seinen Freunden ausgestreckt

Und PIROOS der Thraker

Man erkennt ihn an seinem Zopf

Liegt neben ihm

Er tötete ihn und wurde getötet

Schwarze Kieselsteine überall

Wohin ein Mann seine Schritte richtet

Wie in dem dichten Gras

Die langbeinige Ricke

Fast unsichtbar wird

Doch ein Jagdhund hat schon die flachgetretenen Spuren gefunden

Und läuft über die Wiesen auf sie zu

Wie in dem dichten Gras

Die langbeinige Ricke

Fast unsichtbar wird

Doch ein Jagdhund hat schon die flachgetretenen Spuren gefunden

Und läuft über die Wiesen auf sie zu

Der Priester des Hephaistos

Glühendgesichtig vom Blick in die Flammen

Betete jeden Morgen das gleiche Gebet

Bitte Gott achte meinen Status

Beschütze meine Söhne PHEGEUS und IDAIOS

Bezähme ihre Pferde entführe sie

Leicht wie Asche aus dem Kampf

Hephaistos vernahm ihn doch er konnte

Die kühnen Knaben nicht aufhalten

Sie ritten zu schnell über das Schlachtfeld

Ein Speer flog ihnen entgegen

Und Hephaistos unerklärlich

Wie eine Lifttür die sich schließt

Lüpfte den einen hinweg

Und der andere starb

Was geschah mit dem Mann aus dem fernen Alybe im Osten

Was geschah mit ODIOS was mit PHAESTOS

Er kam aus Tarne wo der Boden locker und krümelig ist

Wie fallender Schnee wie Schnee

Wenn die lebhaften Winde die Wolken zerstückeln

Wie zu Schnipseln der Stille die niederwehen

Um dem Laubwerk der Erde Einhalt zu gebieten

Wie fallender Schnee wie Schnee

Wenn die lebhaften Winde die Wolken zerstückeln

Wie zu Schnipseln der Stille die niederwehen

Um dem Laubwerk der Erde Einhalt zu gebieten

SKAMANDRIOS der Jäger

Kannte alles Wild in den Wäldern

Und er hörte die Stimme der Artemis

Die nach ihm rief in dem bleichen

Niemandsland des Gebirges

Sie lehrte ihn ihre Tiere aufzuspüren

Doch der unparteiische Tod hat den Töter getötet

Nun kann Artemis ihm mit all ihren Pfeilen nicht aufhelfen

Seine unfehlbar schießende Waffe ist nutzlos

Menelaos erschlug ihn

Stieß ihm den Speer durch die Schultern

Die Spitze trat durch die Rippen aus

Sein Vater war Strophios

Wie wenn eine Mutter dahineilt

Und ein kleines Mädchen sich an ihrer Kleidung festhält

Hilfe sucht Arme sucht

Sie am Gehen hindert

Zu diesem Turm des Erwachsenseins hochblickt

Wieder leicht sein will

Wünscht die Problematik des Lebens ließe sich hochheben

Und auf einer Hüfte tragen

Wie wenn eine Mutter dahineilt

Und ein kleines Mädchen sich an ihrer Kleidung festhält

Hilfe sucht Arme sucht

Sie am Gehen hindert

Zu diesem Turm des Erwachsenseins hochblickt

Wieder leicht sein will

Wünscht die Problematik des Lebens ließe sich hochheben

Und auf einer Hüfte tragen

PHEREKLOS Sohn des Harmion von Athene geliebt

Vorzüglicher Handwerker aus altem Handwerkergeschlecht

Er war es der die verwünschte Flotte des Paris zimmerte

Und nicht ahnte dass es sein eigenes Totenschiff war

Er starb auf den Knien und schrie

Meriones durchbohrte sein Hinterteil

Und die Speerspitze drang in die Blase

Und PEDAIOS der Ungewollte

Fehltritt der Mätresse seines Vaters

Spürte im Nacken den heißen Stoß von Meges’ Speer

Unbezwingbaren metallenen Halsschmerz im Mund

Mitten durch seine Zähne

Im Sterben biss er auf die Speerspitze

Wie wenn es plötzlich donnert

Und ein Sturmwind herniederfährt

Und dem Meer in die Ohren heult

Und die Wölbungen vieler weißfleckiger Wellen

Hierhin wogen und dorthin

Wie wenn es plötzlich donnert

Und ein Sturmwind herniederfährt

Und dem Meer in die Ohren heult