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Als die bekannte Booktokerin Mia die Chance bekommt, Weihnachten abgeschieden und alleine in einer Buchhandlung feiern zu können, braucht sie nicht zweimal überlegen, bevor sie zusagt. Was gibt es Schöneres, als Weihnachten mit einem Bookboyfriend zu verbringen, Punsch zu trinken und inmitten von Büchern zu schlafen? So viel zum unschlagbaren Plan, der allerdings dank eines Schneesturms schnell zunichtegemacht wird. Statt alleine sitzt sie mit dem schlecht gelaunten Arzt Nick in der Buchhandlung fest. Einem Mann, der Weihnachten hasst und Bücher für eine Zeitverschwendung hält, solange sie ihm kein neues medizinisches Wissen vermitteln. Weihnachten scheint sich zu einem Albtraum zu entwickeln, bis Mia es schafft, die harte Schale des ungehobelten Grinches zu knacken. Vielleicht steckt in Nick ja doch mehr Bookboyfriend-Potential als gedacht ... Eine lustig-romantische Weihnachtsgeschichte
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Über dieses Buch
1. Mia
2. Mia
3. Mia
4. Nick
5. Mia
6. Nick
7. Mia
8. Nick
9. Mia
10. Nick
11. Mia
12. Nick
13. Mia
14. Nick
15. Mia
16. Nick
17. Mia
18. Nick
19. Mia
20. Nick
21. Mia
22. Nick
23. Mia
24. Nick
25. Mia
26. Nick
27. Mia
28. Nick
Epilog - Weihnachten
Epilog - Weihnachten
Die Zeit der Liebe
Bist du bereit für das Jahr 2025
Über den Autor
Copyright © Freya Miles 2024
Version_2024_1.1
Lektorat: Textwerkstatt - Katharina Tiemann
Korrektur: Sabrina Grabowski, Christin Arnold, Nicole Bauer
Satz & Layout Freya Miles
Cover: Hoja Designs
Klappenerstellung und Inlay: Nadine Kapp NK-Coverdesign
Farbschnitt: Buchmädchen
Freya Miles c/o TEXTWERKSTATT
Sabrina Cremer, Körfken 80, 44227 Dortmund
Alle Rechte vorbehalten.
Eine Vervielfältigung oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autoren gestattet. Sämtliche Handlungen und Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Orte, Markennamen und Lieder werden in einem fiktiven Zusammenhang verwendet. Örtliche Begebenheiten wurden teilweise dem Storyverlauf angepasst. Alle Markennamen und Warenzeichen, die in dieser Geschichte verwendet werden, sind Eigentum der jeweiligen Inhaber.
Als die bekannte Booktokerin Mia die Chance bekommt, Weihnachten abgeschieden und allein in einer Buchhandlung zu feiern, braucht sie nicht zweimal zu überlegen, bevor sie zusagt.
Was gibt es Schöneres, als Weihnachten mit einem Bookboyfriend zu verbringen, Wein zu trinken und inmitten von Büchern zu schlafen?
So viel zum unschlagbaren Plan, der dank eines Schneesturms schnell zunichtegemacht wird.
Plötzlich sitzt sie mit dem schlecht gelaunten Arzt Nick in der Buchhandlung fest. Einem Mann, der Weihnachten hasst und Bücher für eine Zeitverschwendung hält, solange sie ihm kein neues medizinisches Wissen vermitteln. Weihnachten scheint sich zu einem Albtraum zu entwickeln, bis Mia es schafft, die harte Schale des ungehobelten Grinches zu knacken.
Vielleicht steckt in Nick ja doch mehr Bookboyfriendpotenzial als gedacht …
Eine lustig-romantische Weihnachtsgeschichte.
Das strahlende Lächeln verschwand von meinem Gesicht, sobald ich die Kamera ausschaltete und damit die Aufnahme für mein neustes BookTok-Video beendete. Ich liebte es, den Content online zu sehen, mit den Mädels über ein Buch zu diskutieren und mich vollkommen in der Liebe zu einem Bookboyfriend zu verlieren, doch diese Content-Produktion war definitiv etwas anderes.
Vor allem an Tagen wie heute, wo ich mich einfach nur zu hässlich für diese Welt fühlte. Da halfen auch all die tollen Filter nicht, denn selbst mit denen sah ich nicht so wunderschön aus wie die anderen.
Die Social-Media-Welt konnte manchmal wirklich anstrengend sein …
Ich versuchte, die doofen Gedanken abzuschütteln, und setzte mich auf den alten, knarrenden Bürostuhl, der irgendwann unter mir zusammenbrechen würde. Das lag aber keinesfalls an meinem Gewicht oder am Alter des Stuhls, sondern einzig und allein an der Tatsache, dass ich ihn eigenhändig zusammengebaut hatte. Eine mutige Entscheidung, war ich doch handwerklich wirklich unbegabt, aber genau genommen war mir keine andere Wahl geblieben.
Schließlich gab es in meiner kleinen Welt nur mich – und meine beste Freundin Sady mit ihrer Familie, die ich aber nicht immer belästigen wollte. Kurt, ihr Ehemann, hatte schon so viel für mich getan.
Der Bürostuhl würde halten. Vielleicht half es ja, wenn ich fest daran glaubte. Ich bearbeitete das Video an meinem Computer, bevor ich es in die große, weite Welt freiließ.
Es ging um mein erstes Buch einer eher unbekannten Independent-Autorin, das mich vollkommen überrascht hatte. Die Art und Weise, wie sie mit den Worten spielte, war atemberaubend schön. Ich hatte mir die Augen aus dem Kopf geweint und doch auch herzlich gelacht. Eine unfassbar gute Mischung für dieses tiefgründige Buch. Ich wusste schon jetzt, dass es nicht so viele Klicks und nicht so viele Kommentare bekommen würde, wie ich es eigentlich gewohnt war, denn meine Spezialität lag darin, über Bookboyfriends zu philosophieren – und in diesem Buch war der Protagonist schon alt und nicht der Typ Womanizer. Mich hatte einfach die Story interessiert und ich war nicht enttäuscht worden.
Der nächste Hottie lag allerdings bereits auf meinem Nachttisch. Ich konnte es kaum erwarten, in den Seiten zu versinken und diesen Typen namens Spencer näher kennenzulernen. Es war eine typische Boss-Romance, zumindest laut Klappentext. Ein arroganter Wichtigtuer, der jede Frau haben konnte – also genau das, was ich gerne las. Eigentlich wollte ich schon längst mit Weihnachtsbüchern angefangen haben, aber zuerst musste ich Spencers Geschichte erfahren.
Die alte Uhr an der Wand ließ den kleinen Kuckuck frei, der mit einem schrillen Geräusch verkündete, dass wieder eine Stunde vergangen war. Ich liebte dieses Teil einfach, das meine Eltern mir von einer ihrer Reisen mitgebracht hatten. Damals, vor zwei Jahren, als sie noch lebten. Ich schob den Gedanken beiseite und sah dem kleinen Vögelchen zu, das wieder hinter seiner Tür verschwand. Bis zur nächsten Stunde.
Zuerst war dieses seltsame Teil nichts für mich gewesen. Es war einfach nur laut und passte überhaupt nicht zum Rest meiner im Boho-Stil eingerichteten Wohnung, doch mittlerweile konnte ich mir nicht mehr vorstellen, dass die Uhr nicht an ihrem Platz hing. Es hatte schon zu manch lustiger Panne in dem ein oder anderen Video geführt. Nicht zuletzt dank des plötzlichen Auftritts des Kuckucks, während ich gerade über eine heiße Sexszene der Protagonisten sprach, und des daraus resultierenden Lachanfalls war ich auf Social Media viral gegangen und hatte seitdem unglaublich viele Follower.
Follower, die mir oft schrieben, wie sehr sie mich beneideten. Dabei gab es in meinem Leben rein gar nichts, was man mir neiden könnte. Ich war ziemlich allein, arbeitete in einem Job, den ich hasste, und meine Wohnung war viel zu klein, weshalb ich die meisten Bücher nicht mal behalten konnte.
Im Internet vermittelte ich wohl ein ganz anderes Bild als das der introvertierten Mia, die ich nun einmal war.
Ich postete das Video und schlenderte anschließend zum Kühlschrank, um mir zur Feier des Tages eine Cola zu genehmigen. Das erlaubte ich mir nur manchmal, denn ich wollte nicht noch dicker werden.
Seit letztem Jahr waren stolze fünf Kilo auf meine Hüften gewandert – und ich hasste jedes einzelne Gramm! Ein bisschen Sport, wieder auf die Ernährung achten und schon könnte ich das Problem sicherlich in den Griff bekommen, doch ich hatte momentan einfach keinerlei Motivation. Und noch dazu viel zu viele Weihnachtskekse …
Mein Job saugte mich aus und ich überlebte die Tage in der Kanzlei wirklich nur, weil ich mich abends in meine Buchwelt fliehen konnte – und in meine Weihnachtsdekoration. Mein kleines Appartement wirkte bereits seit Wochen wie eine Weihnachtsausstellung, aber das war mir vollkommen egal. Ich liebte jedes einzelne Detail des Schmucks, der sich überall in meiner Wohnung befand … okay, nicht, dass es dort wirklich viel Fläche gab, aber egal. Meine Fenster waren mit Lichterketten geschmückt, genau wie meine Bücherregale im Schlafzimmer. Eine große Lichtpyramide stand in der kleinen, unbrauchbaren Ecke neben meinem Sofa. Da mein Wohn- und Esszimmer sowie die Küche ein einziger, kleiner Raum waren, hatte ich auch vor der kleinen Küchenzeile neben der Eingangstür keinen Halt gemacht. An den Griffen hingen Kugeln und kleine Wichtel, mein einziger Esszimmerstuhl, der an einem kleinen Wandtisch stand, war mit einer Stuhlhusse in Form einer Nikolausmütze überzogen, und auf meinem Sofa befanden sich meine Kissen in Weihnachtshüllen.
Sogar Weihnachtsbettwäsche und Weihnachtsgeschirr hatten Einzug gehalten. Das alles war nur möglich, weil zu diesem kleinen Appartement ein Kellerraum gehörte. Mikrowinzig klein, aber mit ausreichend Platz, um meine Weihnachtssachen zu verstauen.
Dieses Fest war mir schon immer heilig gewesen, nur dass es mit den Jahren leider seinen Glanz verloren hatte. Meine Eltern waren nicht mehr bei mir.
Wie sehr sich innerlich immer alles in mir zusammenzog, wenn sich Leute darüber beschwerten, dass sie von einem Familientreffen zum nächsten mussten. Sie wussten einfach nicht, wie es sich anfühlte, an den Feiertagen mutterseelenallein zu sein … oder generell.
Ich vermisste sie. Ich vermisste alles so sehr, aber Melancholie half mir auch nicht weiter. Ich wollte die Feiertage trotzdem genießen und auch die gesamte Vorweihnachtszeit.
Wie an jedem Abend würde ich mir jetzt einen Weihnachtsfilm ansehen, dann noch ein paar Seiten lesen und schlafen, damit ich morgen auf der Arbeit wieder fit war.
Der Weihnachtsfilm plätscherte vor sich hin, weshalb ich zu meinem Handy griff, um zu sehen, wie sich das neue Video machte. Überraschenderweise besser als gedacht, und ich hatte schon unglaublich viele Nachrichten. Ich liebte diese Community einfach so sehr. Sie gab mir das Gefühl, kein Weirdo zu sein mit meinem riesigen SUB.
Lächelnd scrollte ich durch weitere BookTok-Beiträge und blieb bei einer Überschrift hängen, die sofort mein Interesse weckte.
Weihnachten eingeschlossen in einer Buchhandlung – hast du Lust?
Ich ließ das Video laufen, in dem eine sehr hübsche, blonde Frau vor die Kamera trat, nachdem man einen kurzen Blick in eine wirklich unglaubliche Buchhandlung werfen konnte.
»Bist du ein wahrer Bücherwurm und kannst dir nichts Schöneres vorstellen, als Weihnachten in diesem Jahr mit deinen Bookboyfriends zu feiern? Dann nimm jetzt teil.« Ich atmete hörbar ein und der Weihnachtsfilm war trotz der romantischen Szene mit dem leidenschaftlichen Kuss vor dem Tannenbaum vergessen.
Weihnachten in einer Buchhandlung.
Ich hatte schon so oft davon geträumt, einmal in einer Buchhandlung zu übernachten, aber diese Kombination war einfach …. sie war zu schön, um wahr zu sein. Ich atmete tief durch, um mich zu beruhigen, denn dass dieses Video viral gegangen war und es schon über dreitausend Kommentare gab, zeigte mir ganz eindeutig, wie groß meine Chancen waren.
Versuchen würde ich es natürlich trotzdem. Wer wäre ich denn auch, wenn ich nicht an Weihnachtswunder glauben würde?
Mit einem Lächeln auf den Lippen begann ich zu tippen.
»Weihnachten in einer Buchhandlung zu verbringen, darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch nie Gedanken gemacht. Aber nun, da ich über diese Möglichkeit nachdenke, ist es das Schönste, was ich mir vorstellen kann. Umgeben von Büchern, erfüllt von ihrem Geruch und dann auch noch in bester Gesellschaft mit allen Bookboyfriends – wie könnte man bitte schöner Weihnachten feiern?«
Ich hätte noch so viel mehr schreiben können. Etwa über die Tatsache, wie allein ich war, oder darüber, dass ich einfach nur hier raus wollte, aus dieser Wohnung, in der ich viel zu viel Zeit verbrachte, doch ich bremste mich.
Dieser Kommentar war für jeden Menschen dort draußen sichtbar. Ein Seelenstriptease wäre komplett übertrieben und würde mich dem Gewinn dieses wunderbaren Erlebnisses auch nicht näherbringen. Daumendrücken für ein Weihnachtswunder war jetzt angesagt.
Vielleicht konnten meine Eltern bei Santa ja ein gutes Wort für mich einlegen.
Im Weihnachtsfilm fuhren sie gerade zusammen Schlittschuhe und ich betrachtete das Pärchen, zwischen dem die Funken nur so sprühten. Ob sich so die wahre Liebe anfühlte? Dank meiner Eltern glaubte ich fest daran, dass es dort draußen einen Mann gab, der für mich bestimmt war. Einen Mann, mit dem ich genauso glücklich werden würde, wie sie es gewesen waren.
Es musste jemanden geben, der mich verstand und der mich so annahm, wie ich war. Mit all meinen Eigenheiten – und dieser jemand konnte nicht nur in einem Buch existieren.
Ich erwartete nicht, dass mein Ritter in einer silbernen Rüstung auf einem weißen Pferd auf mich zugeritten kam. Ich erwartete auch nicht, dass ein Mann, der gerade erfahren hatte, dass er seinen Treuhandfonds nur erbte, wenn er schnell heiratete, bei mir an der Tür klingelte.
Ich erwartete eine Begegnung mit einem Mann, der mich sofort in den Bann zog, den ich interessant fand und über den ich alles erfahren wollte. Ein Mann, der mich zum Lachen brachte, der mit mir lachte und der einfach genauso wunderbar war wie Craig Watson, der Emily Scheppart gerade auf meinem TV-Bildschirm durch die Luft wirbelte und sie dann sanft küsste.
Es durfte einfach nicht unmöglich sein, diesen Mann zu finden!
Der Wecker riss mich wie jeden Morgen erbarmungslos aus meinem Schlaf. Ich war einfach nicht der Typ Mensch, der gerne früh aufstand. Vor allem nicht, wenn ich noch bis um zwei Uhr nachts das Buch, in das ich nur kurz hatte reinlesen wollen, verschlungen hatte.
Jetzt war ich müde, schlecht gelaunt, aber dank meines Traums, in dem ich das Happy End dieser tollen Geschichte fortgeführt hatte, wenigstens mit einem wunderschönen Schlaf gesegnet.
Etwas, wovon ich mir heute leider auch nichts kaufen konnte. Mein Chef hasste es, wenn ich nicht zu einhundert Prozent bei der Sache war – und ehrlich gesagt war ich das nie. Mein Kopf hing immer irgendwelchen Tagträumen nach.
Keine Ahnung, warum Mister Atkins mich noch nicht in hohem Bogen gefeuert hatte. Vermutlich, weil ich die erste Angestellte war, die sich länger als vier Monate in diesem Job gehalten hatte, ohne von allein zu kündigen.
Durch seine nette Art hatten es meine Vorgängerinnen alle nicht länger ausgehalten, doch mir war es schlicht und ergreifend vollkommen egal. Dann sollte er mich doch anmeckern und seine schlechte Laune an mir auslassen.
Ich wusste, dass meine Arbeit herausragend gut war, auch wenn ich sie aus tiefstem Herzen hasste. Das änderte nichts an meiner Sorgfältigkeit. Außerdem brauchte ich meinen monatlichen Gehaltscheck. Eine Wohnung in New York, etwas zu essen im Kühlschrank und all die Bücher auf meiner Wunschliste finanzierten sich schließlich nicht von allein.
Rechtsanwaltsgehilfin war von all den Jobs, die mir meine Eltern als gute Möglichkeiten vorgestellt hatten, mit Abstand der schlimmste, den ich mir hätte aussuchen können. Für sie war es immer das Wichtigste gewesen, einen guten, soliden und sicheren Beruf zu erlernen, weshalb ich mich leider nie mit der Verlagswelt hatte auseinandersetzen dürfen.
Wie gern wäre ich Lektorin geworden oder hätte irgendeine andere Position in einem renommierten Verlag übernommen. Für meine Eltern waren das aber nie zukunftssichere, richtige Jobs. Tja, und ich war die gute Tochter, die immer auf sie gehört hatte.
Deshalb saß ich nun jeden Tag in irgendeinem biederen Kostüm in meinem kleinen Büro und schlug mich mit Dingen rum, die mich eigentlich nicht interessierten.
Heute Morgen kam zum Schlafmangel erschwerend hinzu, dass Mister Atkins noch schlechtere Laune hatte als gewöhnlich. Keine Ahnung, warum er es nach all der Zeit noch immer schaffte, mich zu schockieren, wenn er noch schlechter drauf war. Ich fand seine normale Art schon kaum auszuhalten, aber wenn er miese Laune hatte, dann herzlichen Glückwunsch.
»Mia!«, sagte er, nachdem er das dritte Mal in einer Stunde in mein Büro geplatzt war. Seine Stimmlage genervt, ja, fast schon gereizt. »Wie oft soll ich Ihnen noch sagen, dass ich die Listen auch ausgedruckt haben möchte?«, fuhr er mich an.
»Einmal würde reichen, Sir, dann wüsste ich es.« Uuuups, das hätte ich jetzt besser für mich behalten, statt es laut auszusprechen.
»Wie bitte?«
»Entschuldigen Sie, Sir. Es wird nicht wieder vorkommen und ich werde mich gleich darum kümmern, dass die Liste ausgedruckt auf Ihrem Schreibtisch liegt«, gab ich ihm die Antwort, die er hören wollte.
»Wenn Sie es nicht schaffen, mich mit Respekt zu behandeln, kann ich mich gerne nach einem Ersatz für Sie umsehen!«, wetterte er, bevor er die Tür hinter sich zuschlug. Ich wusste, dass es nichts war als heiße Luft, weshalb es in ein Ohr rein- und aus meinem anderen Ohr direkt wieder rausging. Es gab niemanden, der diesen Job freiwillig übernehmen würde, und erst recht gab es niemanden, der es so lange aushalten würde wie ich.
Ich wusste, dass es Mister Atkins nervte, wenn immer wieder neue Mitarbeiterinnen eingearbeitet werden mussten, aber seinen Anteil daran, dass viele freiwillig das Weite suchten, sah er natürlich nicht.
Howard Atkins war der Inbegriff eines Arschlochs. Wie oft hatte ich mir schon einen heißen Anwalt als Vorgesetzten gewünscht? Einen Kerl, bei dessen Anblick mir das Herz stehenblieb und bei dem ich hoffte, dass er mich irgendwann mit meinem nackten Hintern auf die Glasplatte seines Schreibtisches drücken würde.
Stattdessen hatte ich einen ein Meter sechzig kleinen, fuchsteufelswilden Gartenzwerg mit schütterem, rotem Haar und einem wirklich schon bedenklich runden Bauch, der ihn aussehen ließ, als wäre er genauso breit wie hoch.
Realität versus Fiktion. Nun, ein bisschen mehr Fiktion wäre in diesem Fall wirklich toll gewesen.
»SOS, ich muss mich dringend vor dem Giftzwerg verstecken.« Meine Kollegin Emma sank mit einem lauten Stöhnen auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch. »Hast du ihn heute Morgen schon erlebt?«
»Aber natürlich. Ich denke, der gesamten Abteilung ist bereits die Ehre zuteilgeworden, ihn zu sehen.«
»Er hatte bestimmt wieder irgendein super erfolgloses Date am Wochenende.«
Ich verzog das Gesicht. »Oh Gott, stell dir mal vor, du hast ein Blind Date, erwartest einen sexy Anwalt in einem maßgeschneiderten Anzug und dann kommt er rein.« Wir lachten beide herzlich auf bei der Vorstellung.
»Das ist der Grund, warum ich niemals in meinem Leben auf irgendwelche Blind Dates gehen werde. Niemals!«
»Du bist verheiratet, Emma. Da kann man so was total easy ausschließen.«
»Na und? Ach, komm schon, erzähl mir jetzt nicht, dass du dich auf ein Blind Date einlassen würdest.«
»Nein, definitiv nicht. So verzweifelt bin ich noch nicht.«
»Du junges Küken hörst mit deinen fünfundzwanzig Jahren auch noch keine innere Uhr ticken. Aber warte mal ab, wenn du älter wirst und sie sich meldet, dann ist die Not groß.«
Emma, die redete wie eine weise, alte Frau, war gerade einmal zehn Jahre älter als ich und aktuell schwanger mit ihrem ersten Kind. Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, wie trostlos meine Arbeit werden würde, wenn sie nicht mehr da war. Die unendlichen Lästeraktionen über Atkins versüßten mir doch immer den Tag. Mit wem sollte ich dann lästern? Okay, zugegebenermaßen würde ich bestimmt jemand anderes finden, aber Emma war mir immer noch die Liebste.
Keine Ahnung, wie es werden würde, wenn ich vierunddreißig war und den richtigen Mann noch immer nicht gefunden hatte. Vielleicht würde ich dann ja wirklich Torschlusspanik bekommen. Momentan war ich noch komplett relaxt, was die Themen Liebe, Kinder und Familie anging.
Ich wusste nicht, ob ich je heiraten würde, selbst wenn ich davon schon seit meiner Kindheit träumte. Die Prinzessin in ihrem großen, weißen Kleid, mit einem tollen Mann an ihrer Seite, der sie aus tiefstem Herzen liebte.
Auch ob ich Kinder wollte, war eine Frage, die in meinem Leben noch keine Rolle spielte. Zuerst gab es noch sehr viele andere Dinge, ehe ich über das Kinderthema auch nur nachdenken würde.
Das Schicksal machte ohnehin, was es wollte. Das wusste ich spätestens seit dem Tod meiner Eltern.
In meinen Träumen hatte mich stets mein Vater zum Altar geführt und meine Mutter war bei mir gewesen, um das Kleid auszusuchen. Beides war nicht mehr möglich.
Keine Ahnung, wie also der alternative Traum aussehen sollte.
»Weißt du, welche Not gerade wirklich groß ist bei mir?«, fragte ich, nicht zuletzt, weil ich absolut keine Lust mehr hatte, über das Thema nachzudenken. Die letzten Tage waren deprimierend genug gewesen.
»Die Kaffeenot?«
»Man könnte fast meinen, du kennst mich. Atkins war schon dreimal in meinem Büro und ich hatte noch keinen zweiten Kaffee.«
»Ouch. Das ist wirklich ein sehr schwerwiegender Koffeinmangel. Komm, ich gehe mit dir. Dann sieht es wenigstens so aus, als hätten wir gerade etwas Wichtiges besprochen und würden uns darauf erst mal einen Kaffee genehmigen.«
»Oh ja, weil wir ja immer so viele total arbeitsmäßige Themen zu besprechen haben.« Wir lachten beide, denn in neunundneunzig Prozent der Fälle lästerten wir eigentlich nur über Atkins.
Der kleine Stinkstiefel, der gerade wutentbrannt aus dem nächsten Büro stürmte.
»Weißt du, worüber ich mir momentan wirklich Gedanken mache? Dass ich gar keinen Job mehr habe, wenn ich aus der Elternzeit komme.«
»Weil er geplatzt ist?«
»Ich dachte eigentlich eher, weil er einen Herzinfarkt erlitten hat, aber wenn ich mir den Ballonbauch so ansehe, könntest du auch Recht haben, was das Platzen angeht.«
Die Tür zu Atkins‘ Büro flog zu und ich meinte, ein leises Raunen der Erleichterung zu hören. Vielleicht passierte das aber auch nur in meinem Kopf.
Wie immer machte ich um Punkt sechzehn Uhr Feierabend, da ich es schon lange nicht mehr einsah, für diesen Arsch von einem Chef auch nur eine Minute länger zu arbeiten als absolut notwendig.
Anfangs hatte ich noch davon geträumt, dass er mein Potenzial sähe, doch mittlerweile war es mir herzlich egal. Aufstiegschancen hatte ich sowieso keine in diesem Job, warum sollte ich mir dann also den Hintern aufreißen? Die Bezahlung blieb auch immer gleich.
Außerdem war ich heute Abend verabredet und darauf freute ich mich schon seit einigen Tagen. Sady, meine beste Freundin seit Kindertagen, war endlich zurück von ihrer Geschäftsreise, sodass wir uns bei unserem Lieblingsitaliener treffen konnten. Die zwei Wochen ohne sie waren mir unendlich lang und aussichtslos vorgekommen. Kein Wunder, denn die wöchentlichen Treffen mit ihr waren mein einziger Lichtblick, von guten Büchern und spannenden Neuerscheinungen einmal abgesehen.
Vielleicht war meine Stimmung auch deshalb so gedrückt gewesen.
Ich zog die Chipkarte durch den Scanner am Ausgang und stieg in den Aufzug, der mich in der Eingangshalle des großen Wolkenkratzers wieder ausspuckte. Die Rechtsanwaltskanzlei meines Bosses war in der achtzehnten Etage dieses riesigen Gebäudes an der Upper West Side angesiedelt. Das einzig Coole an meinem Arbeitsplatz, denn die Lage war wirklich schön. Im Sommer verbrachten wir unsere Pausen oft im Central Park oder ich blieb direkt nach der Arbeit dort, um noch ein bisschen spazieren zu gehen oder meine Rollschuhe mal wieder auszupacken. Gott, wie gerne ich jetzt Sommer hätte. Das Wetter in New York war momentan wirklich alles andere als einladend. Regen, Tristesse, Sturm. Ich wartete auf Schnee! Das würde mir meine Vorweihnachtszeit versüßen, aber bis jetzt sah es nicht danach aus, als würde das in diesem Jahr etwas werden.
Die Eingangshalle war mit einer aufwendigen Weihnachtskonstruktion geschmückt, die von der zehn Meter hohen Decke an einem Stahlseil baumelte. Ein riesiger Tannenbaum mit Wichteln, die ihn schmückten, und Santa Claus, der mit seinem Schlitten neben dem Tannenbaum schwebte. Ich hatte schon Stunden damit verbracht, mir dieses Kunstwerk anzusehen und der Weihnachtsmusik zu lauschen, die den Raum erfüllte. In der Vorweihnachtszeit machte ich bevorzugt hier unten meine Pause, auf einer der Bänke an der Seite der Eingangshalle, in der sich auch ein großes Café befand. Manchmal ging ich mit Emma dorthin und trank einen Kaffee, aber nur selten, denn die Preise waren wirklich irrsinnig hoch. Selbst für New Yorker Upper-West-Side-Verhältnisse – und da war man schon so einiges gewohnt.
Es war der einzige Ort, an dem ich auch während meiner Arbeitszeit Weihnachtsstimmung inhalieren konnte. In unserer Kanzlei war Deko jeglicher Art verboten. Nicht mal eine Lichterkette durfte ich in meinem Büro anbringen. Anordnung von Mister Atkins. Ich hätte mir denken können, dass der alte Griesgram Weihnachten nicht mochte.
Angeblich versaute Deko seine klare Linie und all die Struktur in den Büros, die einfach nur weiß waren. Sonst nichts. Aber ich hatte weder die Energie noch war ich in der Position, mit ihm über meine Vorliebe für schöne Deko zu sprechen.
Hinterher würde ich mich auf der Arbeit noch wohlfühlen, das wäre ja noch schöner!
Ich trat hinaus in die überraschend kalte Winterluft und zog meinen Mantel etwas enger um meinen Körper. Die Weihnachtsmusik aus der Eingangshalle war dem Straßenlärm gewichen, doch das verlieh dem imposanten Bild, das diese Stadt während der Weihnachtszeit versprühte, keinerlei Abbruch.
Bunte Lichter blinkten in den Fenstern der Hochhäuser und die Straßen waren mit allerlei prachtvoll goldenem Schmuck versehen. Die verschiedenen Lichtelemente tauchten den Lincoln Square in ein wunderschönes, warmes Licht. Ich hätte mich ewig an diesem Ort aufhalten können, doch ich hatte noch eine Verabredung, zu der ich auf gar keinen Fall zu spät kommen wollte.
Schade um den schönen Abend mit all seinen Lichtern und den kleinen New Yorker Weihnachtswundern, denn es regnete endlich mal nicht. Vielleicht würde ich Sady ja dazu überreden können, ein paar U-Bahn-Stationen zu ignorieren und ein Stück zu Fuß zu gehen.
»Endlich!«, sagte ich, als ich den Tisch erreicht hatte, an dem wir uns jede Woche trafen, und schloss meine beste Freundin in die Arme. »Kannst du deinem Boss bitte sagen, dass du nie, nie, niemals wieder so lange für eine Dienstreise eingeplant werden kannst, es sei denn, deine beste Freundin darf dich begleiten?«
»Oh Gott, ja. Es war eine Ewigkeit! Ich hab dich vermisst. Also: Was habe ich während meiner Abwesenheit Spannendes verpasst in der Welt meiner besten Freundin?«
»Du meinst abgesehen von meiner trostlosen Arbeit, dem immer wieder herzlichen Mister Atkins mit seinem Weihnachtsstimmungsverbot und ein paar wirklich guten Büchern … nichts, natürlich«, erwiderte ich mit einem kleinen Lachen. »Aber erzähl du mir lieber, was ich im Leben meiner besten Freundin alles verpasst habe. Wie war Florida?«
»Heiß.«
»Oh Gott, wie schrecklich.« Wärme in der Vorweihnachtszeit … nein, absolut nein! Damit würde ich auf gar keinen Fall zurechtkommen. Es reichte mir ja schon voll und ganz, dass es noch nicht geschneit hatte.
»Ich weiß, nichts für Mia – Weihnachtsfreak – Huftington, aber ich fand es großartig. Ich war im Meer, hab am Strand rumgelegen und das Hotel hatte eine traumhafte Wellness- und Poolanlage.«
»Äh, warst du nicht eigentlich auf einer Dienstreise?«
»Klar. Zwischendurch. Aber man muss sich ja auch mal ein wenig erholen und die stressige Arbeit des Tages kompensieren.«
»Mhm, klar. Ganz klar«, erwiderte ich und schüttelte amüsiert den Kopf. Sady hatte mit ihrem Job bei einem großen Pharmakonzern wirklich einen Glückstreffer gelandet. Sie liebte ihre Arbeit, und das nicht nur, wenn sie wieder einmal länger auf eine Dienstreise geschickt wurde.
»Und dann komme ich zurück in diese Stadt, es ist eiskalt und gefühlt regnet es nur noch.«
»Heute ist es immerhin trocken. Das ist ein absoluter Fortschritt, aber keinerlei Schnee in Sicht, kann ich dir sagen.«
»Gott sei Dank!«
»Sady, das ist ein Desaster! Wie soll man denn da bitte in Weihnachtsstimmung kommen?«
»Die Frage stellst ausgerechnet du mir?