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Nachdem Dorothea Brande einer Hypnosesitzung beigewohnt hatte, war ihr Interesse geweckt. Kurze Zeit darauf war es ein einziger Satz des Psychologen F.M.H. Myers, dem sie eine völlige Veränderung ihres Lebens zuschrieb. Myers erklärte, dass sich die bei der Hypnose zum Vorschein kommenden Talente und Fähigkeiten deshalb zeigen würden, weil die Erinnerung an bisherige Fehler "ausgeblendet" würde. Dorothea Brande überlegte daraufhin, ob eine solche Läuterung nicht auch im Wachzustand möglich wäre. Falls ganz normale Leute Talente, Fähigkeiten und Möglichkeiten in sich trügen, die aber aufgrund von Fehlschlägen in der Vergangenheit nicht genutzt würden, müsse es ihnen doch möglich sein, sich so zu verhalten, als ob ein Scheitern umöglich wäre. Genau das probierte sie aus. Sie ging von der Prämisse aus, dass diese Fähigkeiten und Talente vorhanden sind, und dass sie sie nutzen könne, wenn sie sich so verhalten würde "als ob dies der Fall sei". Innerhalb eines einzigen Jahres konnte sie als Schriftstellerin ein Vielfaches ihrer bisherigen Leistungen vorweisen! Sie entdeckte auch ihr Talent als Vortragsrednerin, und wurde eine äußerst gefragte Rednerin, obwohl sie immer gelaubt hatte, dass dies überhaupt nichts für sie sei.
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Seitenzahl: 149
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Unbewusst abgespeicherte Fehlschläge ausblenden und konsequent auf Erfolgskurs schwenken
Verfasst von:
Dorothea Brande
unter dem Titel:
Wake Up and Live
Original erstmals erschienen:
1936
Herausgegeben von:
I-Bux.Com
Wissen, das Ihr Leben gestaltet
Aus dem Amerikanischen übertragen von:
Benno Schmid-Wilhelm
Verlegt von:
tredition GmbH
Halenreie 40 - 44
D-22359 Hamburg
ISBN:
Taschenbuch (Paperback):
978-3-7469-3464-8
Druckausgabe mit Festeinband und Lesebändchen (Hardcover):
978-3-7469-3465-5
E-Book:
978-3-7469-3466-2
Dorothea Brande wurde am 12. Januar 1892 als Dorothea Alden Thompson in Chicago geboren. Sie war die jüngste von fünf Geschwistern.
Nach Abschluss ihrer Studien an den Universitäten von Michigan und Chicago war sie zunächst als Zeitungsjournalistin in Chicago und später als Herausgeberin tätig.
In den Dreißigerjahren arbeitete sie bei der Literaturzeitschrift „The Bookman“ sowie anschließend bei der Nachfolgezeitschrift „The American Mercury“.
Dorothea Brande leitete darüber hinaus in den Vereinigten Staaten einen landesweiten Fernkursus für angehende Schriftsteller.
1916 ehelichte sie den Zeitungsreporter Herbert Brande und 1936 den Herausgeber Seward Collins.
Zu ihren bekanntesten Büchern gehören „Schriftsteller werden“ - https://goo.gl/VAyZSV - (Original: Becoming A Writer”, 1934) und „Ab jetzt gelingt’s“ (Original: Wake Up and Live”, 1936); doch darüber hinaus veröffentlichte sie weitere Bücher, zum Beispiel „Most Beautiful Lady“ (1935), „Letter to Philippa“ (1937) oder „My Invincible Aunt“ (1938).
Dorothea Brande verstarb am 17. Dezember 1948 in Boston. Ihr Sohn Justin Brande (1917 - 2000) war ein Milchbauer, der später im US-Bundesstaat Vermont ein bekannter Naturschützer wurde.
Vor zwei Jahren stieß ich auf eine Erfolgsformel, die mein Leben umgekrempelt hat. Diese Formel war so einfach, und doch so offensichtlich, dass ich kaum glauben konnte, welche erstaunlichen Ergebnisse ich aufgrund ihrer Umsetzung erzielen konnte.
Zunächst muss ich vorausschicken, dass ich bis vor zwei Jahren noch eine Versagerin war, wenngleich dies außer mir selbst, und einigen wenigen, die mich gut genug kannten, um zu erkennen, dass ich nicht einmal ein Zehntel dessen schaffte, wozu ich imstande gewesen wäre, niemand merkte.
Ich hatte durchaus eine interessante Stelle, und mein Leben war auch nicht allzu langweilig, aber ich selbst konnte mir nichts anders vormachen, als dass ich versagt hatte.
Meine Arbeit war nur ein Abklatsch dessen, was ich eigentlich vorhatte, und trotz aller Rechtfertigungen und Ausreden, war ich alles andere als erfolgreich.
Ich wusste nur allzu gut, dass ich mehr leisten sollte, dass ich bessere Ergebnisse vorweise sollte, und dass ich an meinem eigentlichen Lebenszweck vorbeilebte.
Natürlich war ich auf der Suche nach einem Ausweg aus dieser Sackgasse. Und als ich diesen Ausweg endlich fand, konnte ich mein Glück schier nicht fassen!
Anfänglich suchte ich gar nicht nach Erklärungen und Analysen.
Zum einen waren die positiven Auswirkungen dieser Formel so bemerkenswert, dass ich beinahe schon abergläubisch wurde.
Zum anderen war ich nach wie vor auf der Hut. Nur allzu oft hatte ich in der Vergangenheit versucht, einen Weg aus meinem Schlamassel zu finden, um mich dann aber doch wieder in seinen Fallstricken wiederzufinden.
Der Hauptgrund jedoch, warum ich keine weiteren Analysen anstellte, war, dass ich schlichtweg zu beschäftigt war, um der Sache auf den Grund gehen zu können.
Hürden, die mir vormals unüberwindbar vorkamen, schienen einfach wegzuschmelzen, die Zurückhaltung und Trägheit, die mir jahrelang im Weg gestanden hatten, fielen von mir ab wie lose Fesseln.
Jahrelang hatte ich auf der Stelle getreten und war blockiert gewesen. Ich wusste durchaus, was ich tun wollte und hatte mich auf meinen Beruf auch gut vorbereitet. Aber ich kam einfach nicht voran.
Mich hatte immer schon die Schriftstellerei interessiert und ich hatte mich schon sehr früh mit großen Hoffnungen an diese Aufgabe gemacht. Viele meiner Arbeiten fanden auch durchaus guten Anklang. Aber es ging immer nur bis zu einem gewissen Punkt. Wenn ich darüber hinaus in eine reife Phase eintreten wollte, war es so, als hätte sich alles gegen mich verschworen.
Dass ich dabei unglücklich war, brauche ich wohl nicht eigens zu betonen. Nicht gerade todtraurig, aber ständig von einem nagenden Gefühl meiner eigenen Unzulänglichkeit geplagt. Ich versuchte mich als Herausgeberin, da mir die eigenschöpferische Seite der Literatur offensichtlich verwehrt war. Immer wieder wandte ich mich an Lehrer, Psychologen, Ärzte und andere Experten, um aus meiner Talsohle herauszukommen.
Ich las viel, dachte nach und machte mir ständig Sorgen.
Ich setzte auch alle Ratschläge durchaus treuherzig um - doch es half bestenfalls kurzzeitig.
Eine Zeit lang war ich dann fieberhaft aktiv, doch das hielt nie länger als eine Woche an. Maximal zwei. Danach gelangte meine Schaffensphase abrupt zu einem Ende, und mein Ziel war wieder ebenso weit entfernt wie eh und je.
Doch dann stieß ich von einer Minute auf die andere auf eine Idee, die mir die Freiheit verschaffte. Ich suchte damals nicht einmal bewusst danach, sondern war mit einem völlig anderen Thema beschäftigt.
Die Lösung kam in Form eines Satzes von F. W. H. Myers. Diesen Satz fand ich in seinem Werk „Human Personality“.
Diese Aussage war so erkenntnisreich, dass ich das Buch beiseitelegte, um mir sämtliche Aspekte dieser Hypothese ausführlich durch den Kopf gehen zu lassen. Als ich das Buch wieder in die Hände nahm, war ich ein anderer Mensch.
Jeder bisherige Aspekt, jede bisherige Einstellung und Sichtweise dem Leben gegenüber hatte sich verändert.
Zunächst war mir das gar nicht bewusst. Aber mit unleugbarer Sicherheit schälte sich von Tag zu Tag mehr heraus, dass ich den Talisman gefunden hatte, um Misserfolge, Trägheit und Entmutigung ein für allemal zu verabschieden. Das genügte mir!
Auf einmal hatte ich alle Hände voll zu tun. Für Innenschau und Selbstbeobachtung blieb mir gar keine Zeit.
Manchmal schief ich sogar ein, nachdem ich eine Zeit lang an etwas gearbeitet hatte, was mir vormals als unlösbare Aufgabe erschienen wäre. Es stand außer Zweifel, dass ich nun endlich die Belohnung erhielt: Die Bücher, die ich schon so lange vor mir hergeschoben hatte, schienen sich fast selbst zu schreiben. Es floss nur so aus mir heraus. Ich schäumte über vor neuen Ideen und es erschien mir so, als hätten diese hinter einer Wand in meinem Bewusstsein nur darauf gewartet, endlich ans Tageslicht zu treten.
An dieser Stelle darf ich keinen kurzen Überblick über mein produktives Pensum geben, das ich in den zwanzig Jahren geschafft hatte, bevor ich auf diese Formel gestoßen war:
Siebzehn Kurzgeschichten, zwanzig Rezessionen, ein halbes Dutzend Zeitungsartikel, ein Romanversuch, den ich nach etwa einem Drittel wieder aufgab.
Innerhalb von zwei Jahren nach der Entdeckung der Zauberformel konnte ich Folgendes vorweisen:
Drei erfolgreiche Bücher, vierundzwanzig Artikel, vier Kurzgeschichten, zweiundsiebzig Vorträge, die Gliederung von drei weiteren Büchern, sowie Beratungsschreiben und fachliche Begleitungen, die an unzählige Adressaten im ganzen Land hinausgingen.
Doch damit nicht genug. Sobald ich entdeckt hatte, wie diese Formel meine Energie als Schriftstellerin entfesselte, wollte ich wissen, was ich sonst noch damit anstellen könnte und setzte die Formel auch in anderen Bereichen ein, die mir bis dahin Schwierigkeiten bereitet hatten.
Die Zaghaftigkeit und Zurückhaltung, mit der ich in beinahe allen Bereichen meines Leben zu kämpfen hatte, fielen völlig von mir ab. Interviews, Vorträge und Treffen, vor denen ich mich immer gescheut hatte, wurden auf einmal angenehme Erfahrungen für mich. Dutzende dummer Selbstsabotagen hatten sich in Luft aufgelöst.
Endlich war ich mit mir selbst im Reinen, und bestrafte mich nicht mehr selbst. Ich war auch nicht mehr grundlos gelangweilt oder müde.
Wenngleich die Formel Wunder für mich gewirkt hatte, weihte ich nur wenige Freunde in sie ein. In einer beinahe einfältigen Selbstgefälligkeit, die ich wohl mir neunundneunzig Prozent meiner Mitmenschen teile, bildete ich mir ein, dass mein Fall einzigartig sei und dass außer mir sonst noch niemand einen Zustand der Ineffizienz durchgemacht hätte und auch die Formel nicht erfolgreich umsetzen könne.
Ab und zu hatte ich lichte Momente, in denen ich erkannte, dass auch andere Menschen ihr Leben vergeuden, so wie ich das so lange getan hatte, aber ich dachte mir, dass diese Leute mit der Zeit schon von selbst einen Ausweg finden würden.
Hätte mich nicht der Zufall eines anderen belehrt, so hätte ich niemals daran gedacht, dieses einfache Programm, das mir so sehr geholfen hatte, öffentlich anzubieten und mir war schlichtweg nicht bewusst, dass die meisten Erwachsenen mehr oder weniger ein unzulängliches Leben führen und die entsprechenden Konsequenzen erleiden.
Vor einigen Monaten jedoch wurde ich gebeten, vor einer Gruppe von Buchhändlern einen Vortrag zu halten. Das Thema lautete: „Über die Schwierigkeiten angehender Schriftsteller“.
In meinem ersten Buch, „Schriftsteller werden“, war ich gerade auf dieses Thema gründlich eingegangen, doch hatte ich keine Lust, aus einem bereits veröffentlichten Buch vorzulesen, zumal die Zuhörerschaft aus ohnedies belesenen Personen bestand.
Und so fiel mir bei der Vorbereitung dieses Vortrags nichts Besseres ein, als zusätzlich zu meinen im Buch veröffentlichen Ausführungen darauf hinzuweisen, dass die größte Schwierigkeit darin bestünde, die eigene Trägheit und Feigheit zu überwinden. Zunächst hatte ich noch gewisse Zweifel, aber dann baute ich meinen Vortrag um diese Aussagen herum auf.
Das Fazit war folgendes:
a) Wir alle sind Opfer des Willens zum Scheitern. Solange wir dies nicht rechtzeitig erkennen und dagegen angehen, werden wir sterben, ohne unsere innersten Ziele erreicht zu haben.
b) Dieser Wille zum Scheitern kann überwunden werden.
Und so hielt ich also meinen Vortrag. Ich hätte mir nicht erträumen lassen, wie die Reaktion ausfiel. Bevor die Briefe, Anrufe und Rückmeldungen hereinkamen, hätte ich gedacht, dass dieses Thema für eine kleinere Gruppe durchaus von einigem Interesse sein könnte und dass zwei oder drei Zuhörer vielleicht einen Nutzen daraus ziehen würden.
Doch es schien, als wäre beinahe die gesamte Zuhörerschaft von diesem Dilemma betroffen. Sie schienen allesamt nach Abhilfe zu suchen.
Ich hielt diesen Vortrag danach noch zwei Mal. Die Ergebnisse waren dieselben. Es gab Fragen und es kamen weitere Bitten um Interviews herein.
Drei Zuhörer hatten erst gar nicht ausführlichere Erklärungen abgewartet, sondern waren davon ausgegangen, dass die Formel funktionieren würde.
Eine Zuhörerin hatte eine Geschichte geschrieben und verkauft, die sie schon jahrelang vor sich hergeschoben hatte.
Ein Mann war nach Hause zurückgekehrt und hatte ganz ruhig einen Zustand beendet, der ihn schon lange geplagt hatte: Er war von seiner temperamentvollen Schwester ausgenutzt und herumgeschubst worden. Früher hatte er gerne die Abendstunden für seine Arbeit genutzt, was seiner Schwester nicht behagte. Er nahm diese Gewohnheit wieder auf, und als seine Schwester begriff, dass er sich nicht länger wie eine Marionette behandeln lassen würde, schien sie aus ihrer verdrießlichen Hypochondrie aufzuwachen, und war glücklicher als je zuvor!
Der interessanteste Fall aber war der dritte. Leider war er zu persönlich und zu lange, um hier wiedergegeben zu werden, aber in vieler Hinsicht war er der beste von allen.
Es gab also zumindest bereits drei Personen, die diese Formel erfolgreich umsetzen konnten. Wie auch ich, hatte jede dieser Personen erstaunliche Ergebnisse vorzuweisen.
Wir alle leben so weit unterhalb unseres Potenzials, dass wir beinahe verklärt erscheinen, sobald wir unsere Fesseln abgestreift haben. Im Vergleich zum bisherigen zögerlichen Vorangetappse nimmt sich ein erfülltes und normales Leben förmlich übernatürlich aus.
Sobald das erkannt wird, entdecken wir sehr schnell auch, dass alle Männer und Frauen, die ein außergewöhnliches Leben führen, seien es Staatsmänner, Philosophen, Künstlerinnen oder Geschäftsleute, eine Geisteshaltung einnehmen - wenngleich sicherlich bisweilen unbewusst — der sich ihre weniger erfolgreichen Mitmenschen erst noch bedienen müssen oder die sie ihr Leben lang niemals finden.
Wie sich bei der Lektüre von Biografien und Autobiographien zeigt, tritt diese Erleuchtung bisweilen im Gefolge der Religion, Philosophie oder einer aufrichtigen Bewunderung anderer auf, und der Einzelne ist trotz seines anhaltenden Gefühls der inneren Schwäche häufig in der Lage, ausdauernde, geniale oder effektive Leistungen zu erbringen, die uns Achtung abringen.
Der Mensch jedoch, der nicht mit dem Wissen geboren wird, wie er in sich einen Zustand aufbaut, in dem eine Arbeit Erfolg versprechend verrichtet werden kann, oder dieses Wissen so frühzeitig erwirbt, dass er sich gar nicht mehr an eine Zeit erinnern kann, in der er ohne dieses Wissen auskommen musste, und auch in der Religion oder Philosophie nicht die Stärke findet, die ihm als Gegengewicht zu seiner eigenen Ineffektivität dienen könnte, kann sich dennoch durch bewusste Anstrengungen in die Lage bringen, dass er das Beste aus seinem Leben machen kann. Im Zuge dessen werden ihm viele Dinge klar, die ihn bisher verwirrt hatten.
Doch in diesem Buch geht es nicht um die Hintergründe des Heranwachsens einer Idee. Dieses Buch ist ein praktisches Handbuch für all jene, die der Sinnlosigkeit und Vergeblichkeit entfliehen wollen, und sich nach einem glücklichen und vollem Leben sehnen.
Mit derselben Zeit und Energie, die wir in das Scheitern investieren, könnten wir sicherlich auch Erfolg haben.
Ein unsinniges Paradox?
Keineswegs! Diese Aussage ist vielmehr eine nüchterne, reine Wahrheit, die uns viele Möglichkeiten erschließt.
Nehmen wir an, dass ein Mann hundert Kilometer nördlich seines Wohnortes einen Termin wahrzunehmen hat. Falls er dies tut, wäre dies seiner Gesundheit, seinem Lebensglück und seinem Wohlergehen für sein weiteres Leben sehr zuträglich.
Er hat gerade noch genug Benzin im Tank, um dorthin zu gelangen. Also fährt er los, beschließt aber, dass es doch unterhaltsamer wäre, erst noch fünfundzwanzig Kilometer nach Süden zu fahren, bevor er sich dann endgültig auf den Weg nach Norden machen würde.
Wäre dies nicht blanker Unsinn?
Das Benzin hatte damit nichts zu tun. Die Zeit spielte ebenfalls keine Rolle und die Straße führte sowohl nach Norden als nach Süden. Und dennoch hatte er den Termin verpasst.
Wenn uns besagter Mann nun erklärte, dass er die Fahrt in die verkehrte Richtung genossen habe, dass es für ihn angenehmer gewesen sei, ziellos umherzufahren, statt seinen Termin wahrzunehmen, dass er auf der Fahrt nach Süden einen Blick auf sein früheres Haus hätte werfen können, sollen wir ihnen dann zu seinen Ausflüchten und seiner verpassten Chance beglückwünschen?
Das würde wohl niemandem einfallen. Dieser Mann hat sich wie ein Narr verhalten.
Selbst wenn er sogleich nach Norden gefahren wäre, aber aufgrund von Gedankenlosigkeit eine Ausfahrt übersehen hätte, hätten wir ihm seine Unachtsamkeit übel genommen. Falls er zu spät gekommen wäre, weil er sich vor der Abfahrt nicht eine gute Straßenkarte angesehen hätte, würden wir ihn vielleicht bemitleiden, aber seine Unüberlegtheit keineswegs gutheißen.
Wenn es aber darum geht, Vereinbarungen mit uns selbst zu treffen und für ihre Einhaltung zu sorgen, verhalten wir uns sehr oft so wie der Mann in dieser erfundenen Geschichte: Wir fahren in die verkehrte Richtung. Wir scheitern, obwohl wir mit demselben Aufwand unser Ziel erreicht hätten.
Scheitern ist ein Hinweis darauf, dass die Energie in den falschen Kanal gelenkt wurde. Zum Scheitern braucht man Energie!
Natürlich erkennen wir das auf Anhieb nur in den seltensten Fällen. Da wir uns Misserfolge in der Regel als das Gegenteil von Erfolgen vorstellen, bauen wir irrtümlicherweise ein falsches Gegensatzpaar auf.
Erfolg halten wir für uns etwas Stärkendes, Aktives, Wachsames. Deshalb meinen wir, dass Misserfolg etwas Schwächendes, Passives, Gleichgültiges sein müsse. Wenngleich das nicht pauschal von der Hand zu weisen ist, kann daraus nicht gefolgert werden, dass keine Energie aufgewendet werden müsse. Jeder Psychologe weiß davon zu berichten, wie welche Kraftanstrengungen ein Erwachsener unternehmen muss, um sich der Bewegung zu widersetzen.
Um gleichgültig und untätig zu bleiben, muss gegen die Kräfte und Strömungen des Lebens ein aufwändiger Kampf ausgetragen werden, wenngleich dieser Kampf unterhalb der Oberfläche unseres Leben stattfindet, und uns nicht immer bewusst ist.
Physische Untätigkeit an sich ist noch kein Beleg, dass keine Lebenskräfte verbraucht würden. Sogar der Müßiggänger muss für seine Tagträume Kraft aufwenden.
Wenn sich ein Misserfolg einstellt, weil wertvolle Stunden durch zeittodschlagende Trödeleien vertan wurden, ist für jeden leicht erkennbar, dass Energie irregeleitet wird. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die Zeit zu vergeuden, ohne dass sie wie Zeitverschwendung aussehen. Manchmal hat es sogar den Anschein, als würde ernsthaft gearbeitet, und es kann durchaus vorkommen, dass Außenstehende dafür sogar Lob aussprechen und uns selbstgefällig werden lassen.
Erst bei näherem Hinsehen wird offenkundig, dass diese Art von Arbeit zu nichts führt, sondern uns lediglich ermüdet und unzufrieden macht. Energie wird in das Herbeiführen von Misserfolgen investiert.
Doch woher kommt das?
Wieso erreichen wir mit der Energie, die wir so und so aufwenden, und mit der wir durchaus Erfolge erzielen könnten, so selten die angestrebte Lebensführung?
Wieso haben wir so wenig vorzuweisen, und stellen uns immer wieder selbst ein Bein?
Wieso reden wir uns mit philosophischen Ausreden heraus, wenn wir zu spät losfahren oder gedankenverloren ein Ausfahrtschild übersehen?
Auch wenn wir bei solchen Gelegenheiten von uns geben, dass der Spatz in der Hand besser sei als die Taube auf dem Dach, ist das doch kein wirklicher Trost, ebenso wenig wie das „Dabeisein ist alles“, wenn uns sehr wohl am Sieg gelegen wäre.
Solche Sprüche mögen als zynische Verdünnung von Lebenserfahrungen herhalten, als Richtschnur für eine gelungene Lebensführung sind sie allemal untauglich.
Solche Floskeln nimmt uns niemand ab, wenngleich unsere Ausflüchte von unseren Mitmenschen akzeptiert werden, solange diese ebenfalls mehr schlecht als recht durchs Leben stolpern.
Der erfolgreiche Mensch hört sich solche fadenscheinigen Rechtfertigungsversuche amüsiert an, und durchschaut ihre Scheinheiligkeit.
Solche Menschen wissen, dass die Belohnungen gut kanalisierter Bemühungen alle Nebenprodukte von Misserfolgen bei weitem übersteigen und dass selbst der kleinste Erfolg in der Praxis allemal besser ist als ein Strohfeuer voller Träume.
Auch wenn wir uns mit Spruchweisheiten trösten, fühlen wir uns nicht wirklich wohl dabei. In Wirklichkeit glauben wir selbst nicht an solche Trostversuche. Wir wissen, dass die Erfolgreichen dieselben Sonnenuntergänge beobachten, dieselbe Luft atmen, ebenso lieben und geliebt werden wie die Erfolglosen, und obendrein noch etwas Zusätzliches haben:
» Das Wissen, dass sie ihren Lebensweg selbst bestimmen und sich für das Wachsen entschieden haben, statt sich mit einem Dahinvegetieren und Verfallen abzufinden.
Auch wenn wir anders daherreden, ist uns im Innersten klar,
» dass Erfolg von einer Geisteshaltung abhängt,
» und dass Arbeit und Kühnheit verlangt werden.
Warum also scheitern wir dann?