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Der wiederholte Abschied von seiner Mutter in den aufwühlenden Tagen nach ihrem Tod ist Gian-Marco Schmids Fokus in seinem schonungslosen, aber feinfühligen autobiografischen Text. Zwischen einer Liebeserklärung und einer Bilanz versucht »Abschiede von Mutter« das Unfassbare zu fassen. Schmid wählt dafür die Form eines akribischen Tagebuchs sowie Rückblenden auf markante Momente zwischen seiner Mutter und ihm. Ungeschönt zeigt er wie von einer naiven Liebe als Kind irgendwann nur das blanke Entsetzen und die Wut darüber bleiben, dass es keine Waffe gegen den übermächtigen Gegner Alkohol gibt. »Abschiede von Mutter« ist ein seltener, authentischer Einblick in eine Familie am Rand der sozialen Verwahrlosung, ein starker und erschütternder Text und ein lautes Plädoyer gegen die Sucht.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Gian-Marco Schmid
22.10.2023–11.11.2023
Der Verlag und der Autor danken
für die Unterstützung dieser Publikation.
Gian-Marco Schmid
Abschiede von Mutter
lectorbooks GmbH, Zürich
www.lectorbooks.com
Umschlagbild: Nadia Hunziker
Buchgestaltung: Fabian Frey, Samara Keller, Christian Knöpfel
Lektorat: Sabine Wolf, Martina Caluori
1. Auflage 2025
© 2025, lectorbooks GmbH
Alle Rechte vorbehalten
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KI-Technologien ist untersagt.
ISBN 978-3-906913-53-7
Prolog
Tag des Anrufs
Mutter
Das Vermächtnis
Die schönen Momente
Heute war Beerdigung
Am Grab mit Schwester
Mein Name ist Gian-Marco Schmid. Ich bin der Sohn meiner Mutter. Dieser Text erzählt unsere Geschichte, die leider traurig ist. Meine Mutter war Alkoholikerin und ging daran zugrunde.
Während ihrer Lebenszeit konnte ich nicht den Mut aufbringen, einen konkreten und ausführlichen Text über sie zu verfassen. Das lag auch an meiner Furcht vor ihrer Reaktion, die bereits auf andere Texte aggressiv ausgefallen war. Als mich die Nachricht von ihrem Tod erreichte, versank ich für einige Stunden. Dann entschied ich mich dazu, diesen Bericht genau an diesem Ort zu beginnen und bis zum Ende zu schreiben, auch wenn es schmerzhaft werden würde. So schmerzhaft wie sie war, die Liebe meiner Mutter.
Meine Mutter war stets die erste Kritikerin meines Schaffens, aber auch für lange Zeit meine erste Zuhörerin und Leserin. Sie hat die meisten meiner Skills geprägt und ist mitverantwortlich für meinen menschlichen Umgang.
In bescheidenen Verhältnissen geboren, verspürte sie nach einer unscheinbaren Jugend den Drang des Fernwehs. Sie brach aus, reiste, feierte viel und suchte die Spannung im Leben, war dort, wo die Post abging. Tagsüber war sie fleissig in ihrem Beruf, aber in ihrer Freizeit wollte sie das wilde Leben. Sie trank sehr viel. Sie fand Liebe, Partner, Familie, Schwiegerfamilie, zuerst Kind 1 und dann Kind 2. Danach geriet alles aus dem Gleichgewicht, 1980 bis 2013. Auch die darauffolgenden zehn Jahre, in denen wir keinen Kontakt hatten.
Eine Mutter, die ihren Weg ging, auch wenn er in die Einsamkeit und zu Krankheiten führte. Hauptsache ihr Weg. Wir lernten als Familie von ihr und durch sie. Es gibt in ihrer Geschichte zweifellos viele spannende Aspekte, positive wie negative. Allerdings muss ich vorwarnen: In der negativen Sektion begeben wir uns ins Gelände des sexuellen Missbrauchs, der Verwahrlosung, des Verstossens, der Gefährdung von Kindern. Auf der sonnigen Seite steht primär die Tatsache, dass ich viele gute Erinnerungen aufarbeiten konnte durch diesen Text. Auch gibt es weitere Überlebende dieser Zeit, wie meine Schwester, für die ich sehr dankbar bin. Zum anderen kann ich selbst dafür sorgen, dass meine Mutter einen fairen Abschied durch mich bekommt, in welchem ich Wert darauf lege, auch ihre Erfolge, Leistungen und Beiträge an mein Wesen zu verdanken. Das ist nur richtig. Sie ist immer ein Teil von mir und wird immer einer sein. Ich habe mich in ihr oft erkannt im Leben.
Sie ist da. Nach wie vor. Wir sind etwas Gemeinsames. Ob ich das nun will oder nicht, es ist nun so weit, der Geist wird endgültig übertragen. In diesem Sinne ist jedes Horrorszenario von damals auch eine Chance für Reflexionen und Beispiele heute. Wir sind nicht das romantische Vorbild, wir sind, bis zu meiner Generation hin, leider sehr schiefgegangen, alle zusammen, die ganze ehemalige Familie. Alle Hüllen mit kaputtem Innenleben, mit kurzem Altersunterschied. Wir hatten Pech auf vielen Ebenen und ich hatte Glück auf vielen Ebenen. Jetzt bin ich hier und erlaube mir diese mikroskopische Betrachtung unseres endgültigen Abschieds, mit mir als Narrator.