Abseits der Couch - Bianca Rötterer - E-Book

Abseits der Couch E-Book

Bianca Rötterer

4,4

Beschreibung

Für vier Wochen den Führerschein abgeben, und dann? Wer hätte gedacht, dass eine zu schnelle Autofahrt dem Leben eine neue Perspektive geben kann. Bianca, bis dato eine vorbildliche Couchpotato lernt schnell mit ihrem Reisebegleiter Enar, was es heißt, fernab der Zivilisation zu überleben, und dabei die Natur und fremde Kulturen zu erleben. Dabei spielt es keine Rolle, wie aussichtslos und spannend eine Situation am Mount Everest, dem gefährlichsten Flughafen der Welt in Lukla oder in der Palmenblattbibliothek in Indien erscheint, denn es gibt immer einen Ausweg, oder etwa doch nicht?

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Dieses Buch widme ich Edelgard, René und Robert.

Lebe Dein Leben,

unerreichbares kann so nah und einfach sein.

Traue dich

Dein Leben zu genießen.

Wie eine Couchpotato die Welt kennenlernt und Unmögliches möglich wird.

Inhaltsverzeichnis

Himalaya-Gebirge sind unberrechenbar

Kapitel 1 Hamburg erste Vorkehrungen

Es ist Dezember, in Hamburg liegt Schnee, und ich meine richtigen Schnee, nicht diesen Schmuddelschnee. Wir beschließen daher einen Spaziergang im Alten Land zu machen. Auf der Elbe treiben riesige Eisschollen entlang, und die Vögel gehen vorsichtig von Eisscholle zu Eisscholle, um sich einen Weg zum Ufer zu bahnen, damit sie etwas Futter finden. Wir genießen die Stille um uns herum und sehen zu, wie die Sonne langsam untergeht. Dabei hinterlässt sie auf den Eisschollen kleine Glitzersterne. Wir werden morgen an die Ostsee zu fahren, um uns die Eisschollen dort anzusehen. Wenn hier an der Elbe schon große Eisschollen zu sehen sind, wie groß mögen diese dann an der Ostsee sein?! Durchgefroren und mit viel frischer Luft in der Lunge fahren wir am Abend nach Hause.

Nach dem Frühstück am nächsten Morgen geht es auf die Autobahn Richtung Ostsee. An einem Streckenabschnitt der Autobahn steht ein kleiner grauer Kasten, welchen wir nicht wirklich gesehen haben. Es macht blink und schon wurde ein Bild von uns geschossen, als ob es nicht schon genug Bilder von uns gibt. Wir schauen schnell auf den Tacho und sehen noch gute 120 km/h. Wie schnell darf man auf diesem Streckenabschnitt eigentlich fahren? Wir sind uns nicht sicher und doch der festen Überzeugung, dass dort 120 km/ h erlaubt waren, oder waren es doch nur 80 km/ h?

Wir reden noch eine Weile darüber und beschließen einfach auf die Post von der Behörde zu warten. Ändern können wir in diesem Moment eh nichts, und warum sollten wir uns den schönen Tag vermiesen lassen.

Ein paar Wochen später wurden wir nicht enttäuscht, und erhielten tatsächlich Post wegen zu schnellen Fahrens. Auf dem vermeidlichen Streckenabschnitt waren 80 km/h erlaubt. Und in der Tat, wir fuhren 120 km/h, was u. a. einen Monat Führerscheinentzug einbrachte. Manche mögen jetzt sagen, einfach mal mit der Bahn fahren, andere nehmen Urlaub, um die Zeit zu überbrücken. Wir entscheiden uns für die zweite Variante, den Urlaub.

Jetzt stellte sich natürlich die Frage, was und wohin sollte es gehen. Wir verbrachten ein Wochenende mit Internetrecherche, um den idealen Ort zu finden. Da Enar bereits schon weit in der Welt hergekommen ist, sollte es ein Ort sein, an dem er noch keinen Urlaub gemacht hat. Wir stellten schnell fest, dass der ideale Urlaubsort eine Herausforderung darstellen sollte.

Als Erstes entschieden wir uns für den Zeitraum Mai bis Juni. Drei Wochen sollten es werden, so hätten wir schon mal drei Wochen des Führerscheinentzuges hinter uns gebracht. Da in vielen Ländern unserer geplanten Reisezeit gerade Monsunzeit oder die Flüge unbezahlbar sind, fielen Venezuela und Mexiko schon mal aus. Ein neues Ziel musste her, und so machen wir ein Spiel. Abwechselnd suchen wir auf einer einschlägigen Internetseite einen Ort aus und schauen uns anschließend die Rahmenbedingungen dazu an. Es war wie verhext, finden wir einen günstigen Flug, so ist das Wetter zu der Reisezeit schlecht. Ist das Wetter gut, so finden wir nur teure Flüge. Wir machen eine Pause und gehen erst mal Pizza Essen.

Vor ein paar Monaten haben wir bereits darüber gesprochen, dass es doch auch interessant sein könnte zum Kailash zu gehen. Der Kailash gilt unter den Tibetern als heiliger Berg, welcher im westlichen Teil des Transhimalaya Gebirges in der Volksrepublik China steht. Seine Umrundung über eine Strecke von ca. 53 km wird von vielen Pilgern gerne begangen. Die Spitze des Berges ist pyramidenförmig und das ganze Jahr über mit Schnee bedeckt. Es wäre doch wirklich schön, wenn wir auch diese Reise machen können. Leider sind die Flüge nach China in unserem Reisezeitraum, wie sollte es auch anders sein, unbezahlbar. Aber das macht nichts, irgendwann werden wir zum Kailash gehen.

Mit einer Pizza im Bauch und ein wenig Abstand zum Internet sind wir auf New Delhi gekommen. Von New Delhi aus sollte ein Inlandsflug gut nach Kathmandu zu erhalten sein, so dass wir eine Trekking-Tour in das Himalaya Gebirge machen können. Wobei, wenn wir schon mal in New Delhi sind, können wir via Inlandsflug auch weiter in Richtung Kailash fliegen. Wer mag es glauben, kaum verworfen, so ist der Kailash wieder in unseren Gedanken.

Ein Trekking-Urlaub sollte es also werden. Ich machte mir zu diesem Zeitpunkt keine Gedanken darüber, ob und wie anstrengend es werden könnte, das sollte ich erst später erfahren. Wir machten uns eine Liste mit den Dingen, welche wir noch für mich besorgen müssen, und gingen zum renommierten Outdoor-Geschäft in Hamburg, um uns über die Materialien und Möglichkeiten zu informieren. Da Enar bereits seit seinem 14. Lebensjahr Bergsteigen geht, hat er die langjährige Erfahrung, was man in den Bergen benötigt. Als Erstes musste für mich ein Schlafsack her, welcher aus Daunenfedern besteht. Dieser hat den Vorteil, dass er ein geeignetes Packmaß, hohe Wärmewerte besitzt und leichter als ein Kunstfaser-Schlafsack ist. Der Vorteil Widerrum eines Kunstfaser Schlafsack ist, wird er einmal nass, trocknet er viel schneller als ein Daunenfederschlafsack.

Als Nächstes benötigt man Funktionsunterwäsche für die kalten Nächte. In meinen Gedanken fragte ich mich, wie es sein kann, im Mai kalte Nächte zu haben, aber ich war mir sicher, das Rätsel wird gelöst werden. Wir brauchen noch einen Camping-Kochtopf, Handschuhe, eine Headlight, Wanderschuhe und so weiter. Irgendwie wirkt das ganze gerade wie eine Liste mit Klamotten, welche man in einen mehrwöchigen Urlaub mitnehmen möchte, nur, dass es hier um Dinge geht, die unter Umständen lebensrettend sein können.

Wir bestellten die ausgesuchten Sachen im Internet, da diese hier um einiges günstiger sind, als im Geschäft. Teilweise bestellten wir die Sachen nach Hause und teilweise in die Packstation. Nachdem eine Woche vor Urlaubsantritt weder meine bestellten Wanderschuhe noch die Handschuhe eintrafen, wurde ich langsam nervös. Nicht desto Trotz, mussten wir uns erst mal um die Visa kümmern.

Da wir planten von Nepal nach Tibet und dort zum Kailash zu gehen, benötigen wir ein Visum für Indien, Nepal und China. Wir gingen als erstes zu dem Konsulat von Indien, in der Hoffnung das Visum gleich in die Hand zu bekommen.

Wenn man ein Visum für Indien haben möchte, so gehören da zwei Passbilder à 5 x 5 biometrisch sowie den vorab via Internet 5-seitig ausgefüllten Antrag dazu. Wir haben Gleiches getan und man sagte uns eine Bearbeitungszeit von 3-4 Tagen zu.

Uns war nun bewusst, dass es eine knappe Kiste mit allen drei Visa geben wird, aber wir sind optimistisch und schauen, wie weit wir kommen.

Ursprünglich dachten wir, da alle drei Konsulate hier in Hamburg vertreten sind, dass wir die Visa innerhalb von 2 Tagen erhalten werden. Pustekuchen! Nachdem wir nach 3 Werktagen das Indien-Visum in den Händen hielten, ging es zum Konsulat der Volksrepublik China. Ich war bereits um 08:30 Uhr vor den Toren und wartete mit ca. 14 anderen Leuten auf die Eröffnung um 09:00 Uhr. Ich erfuhr, dass das Konsulat noch am gleichen Tag das Visum austeilt, ich freute mich bereits, um kurz darauf enttäuscht zu werden.

Aufgrund von mehreren Selbstmorden von einigen Mönchen auf öffentlichen Straßen, ist ein Visum für China, um nach Tibet zu kommen, nicht zu erhalten. Was wir zu diesem Zeitpunkt nicht wussten, hätten wir eine Einladung aus China vorweisen können, dann hätten wir das Visum erhalten. Da wir diese nicht vorweisen konnten, erhielten wir kein Visum für China. Es hat nicht sollen sein, und so konzentrieren wir uns weiterhin auf die Trekking-Tour in die andere Richtung, zum Himalaya Gebirge. Wir hatten nun die Wahl, ob wir zur Annapurna oder zum Mount Everest gehen.

Aus dem Internet ist uns bekannt, dass wir das Visum für Nepal direkt am Flughafen von Kathmandu/ Nepal erhalten werden. Schauen wir mal, ob das klappt.

Meine Wanderschuhe, die Funktionsunterwäsche sowie die Handschuhe waren immer noch nicht angeliefert worden. Ich fragte bezüglich der Wanderschuhe beim Lieferanten nach, keine Reaktion. Bei Nachfrage beim Lieferanten der Handschuhe stellte sich heraus, dass das Paket bei der Post verschwunden war. Da noch drei Tage Zeit bis zum Urlaubsantritt waren, schickte der Lieferant die Handschuhe neu an mich raus. Zwei Tage vor Reiseantritt ging ich in das Outdoor-Geschäft und besorgte mir dort die immer noch nicht gelieferten Wanderschuhe direkt, da sich der Lieferant bis dato immer noch nicht gemeldet hatte. Wollte ich doch die Schuhe noch bis zur Abfahrt einlaufen.

Im Laden sagte man mir, dass es keinen Sinn macht die Wanderschuhe einzulaufen, da sich der Schuh nicht großartig verändern wird. Wie sich im Laufe der kompletten Tour herausstellte, hatte der Verkäufer Recht. Bis auf ein paar kleine, nicht erwähnenswerte Blasen, waren die Schuhe ideal für meine Füße.

Unser letzter Arbeitstag ist angebrochen. Wir haben soweit alles für die Trekking-Tour zusammen, bis auf die Funktionsunterwäsche und die Handschuhe. Beides liegt noch bei der Post und wir holen es nach Feierabend ab. Wir packen unsere Rucksäcke, und ich frage mich, wie man mit so wenig Klamotten auskommen soll.

Der Rucksack von Enar wiegt ganze 19 Kilo und meiner 15 Kilo. Klingt erst mal nicht so viel, wenn man bedenkt, dass wir den ganzen Tag unterwegs sein werden, graut es mir doch etwas. Nein, ich werde weiterhin nicht darüber nachdenken, wie anstrengend es werden wird, und lasse mich einfach überraschen.

Gespannt auf das, was uns erwartet, gehen wir zu Bett und freuen uns auf den nächsten Tag.

Kapitel 2 Wo ist unser Outdoorbuch?

Es geht los, unser Urlaub startet. Wir gehen zum Bahnhof und steigen in die S-Bahn in Richtung Flughafen. Eine spannende Zeit liegt vor uns. Wird alles klappen, so wie man sich das vorstellt? Werden wir viele Leute kennen lernen? Werde ich die Grenze meines Körpers erfahren? Fragen, auf die es eine Antwort geben wird. Wir sitzen im Flieger und warten auf den Start des Flugzeuges in Richtung New Delhi.

Nachdem alle Passagiere im Flieger sitzen frage ich mich, warum es nicht losgeht. Plötzlich hören wir ca. sieben Reihen hinter uns lautes Geschrei. Fünf Beamte halten einen Mann fest, und versuchen ihn ruhig zu stellen. Wir erfahren, dass der Mann ausgewiesen wurde und nun in sein Heimatland zurückkehren muss. Ich wusste gar nicht, dass ein erwachsener Mensch so laut schreien kann. Ich betete, dass er bald aufhört, denn das Geschreie auf dem kompletten Flug nach New Delhi würde keiner aushalten. Kurz nach dem Start kehrte Ruhe ein, welch ein Glück.

Nachdem wir in New Delhi gelandet sind, benötigen wir für zwei Nächte ein Hostel. Direkt vom Flughafen aus finden wir einen Transfer, welcher uns zu einem Hostel bringen wird. Wir warten eine Weile und werden von einem netten Mann abgeholt, der unsere Rucksäcke in sein Auto packt.

Wir fahren durch enge Gassen, welche teilweise sehr sparsam beleuchtet sind. Etwas unheimlich erscheint es mir, als wir bewaffnete Soldaten an der ein und anderen Ecke stehen sehen. Alles wird gut, denke ich mir, und so halten wir weiterhin Ausschau nach unserem Hostel.

Angekommen am Hostel fahren wir durch eine enge Gasse auf den Hinterhof zum Haupteingang. Wir werden nett empfangen und man bittet uns noch um etwas Geduld, da die Zimmer noch nicht fertig sind. Ein Mitarbeiter bringt uns in den Garten des Hostels. Es stellt sich heraus, dass der Garten aus einer kleinen Wiese mit einem Tisch und drei Stühlen besteht. Wir erhalten einen Chai (Schwarzer Tee mit viel fettreicher Milch) und schauen den Flugzeugen zu, welche über unsere Köpfe hinweg fliegen.

Sollte tatsächlich die Start- und Landebahn des Flughafens in der Nähe unseres Hotels sein? Wie sich am nächsten Tag herausstellte, ist es tatsächlich so.

Nachdem wir unser Zimmer beziehen und für den nächsten Tag eine Sightseeing-Tour arrangieren können, geht es gegen 24:00 Uhr ins Bett. Raij, ein Mitarbeiter vom Hostel, wird uns am Morgen abholen und mit uns eine Stadtbesichtigung durch New Delhi machen. Start ist um 10:00 Uhr morgens.

Am nächsten Morgen klingelt der Wecker um 08:00 Uhr. Auf zum Frühstück in den Frühstücksraum. Wo ist nur der Frühstücksraum? Wir erfahren, dass das Hotel kein Restaurant hat, es hat einen Zimmerservice. Wir entscheiden uns, den Zimmerservice im Garten zu nutzen. Wir warten ca. eine halbe Stunde, für etwas Rührei und vier Scheiben Toastbrot! In der Zwischenzeit fliegen wieder etliche Flugzeuge über unsere Köpfe in Richtung Flughafen.

Es ist 10:00 Uhr, und Raij holt uns zur Stadtbesichtigung durch New Delhi ab. Wir fahren zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Gegen 19:00 Uhr sind wir wieder im Hostel. Mittags gibt es Hähnchen und wir haben die Bekanntschaft mit einer gelben und einer schwarzen Kobra mit einem auf der Straße sitzendem Schlangenmann gemacht.

Es fühlte sich schon etwas komisch an, eine Kobra in den Händen zu halten, und es war eine interessante Erfahrung. In der Zwischenzeit versuchten wir immer wieder Geld von einem ATM-Automaten (Automatic Transfer Machine) zu erhalten.

In New Delhi und in Nepal ist dies nicht so einfach. Man muss hoffen, dass die elektronische Leitung funktioniert, und vor allem, dass der Automat auch mit Geld gefüttert ist. Wir sind an dem Tag bestimmt an 6 verschiedenen Automaten gewesen, um endlich einen zu finden, an dem wir mit unserer ganz normalen EC-Karte Geld abheben konnten. Ich dachte nicht, dass man sich so darüber freuen kann, wenn ein Automat Geld ausspuckt, aber es geht.

Als wir erfahren, dass New Delhi eine eigene Feuerwehr Wache hat, ist es ein Muss für uns, den Feuerwehrleuten einen Besuch abzustatten. Enar ist in Hamburg Mitglied in der freiwilligen Feuerwehr und daher haben wir ein besonderes Interesse daran.

Es gibt 56 Stationen für ganz New Delhi. Pro Tag werden 10-12 Einsätze gefahren. Rescue und Feuerwehr ist hier in einem, im Gegensatz zu Deutschland, wo die Feuerwehr getrennt vom Notarzt im Einsatz ist. Morgen geht es weiter nach Kathmandu, und so gehen wir mit vielen Inspirationen von New Delhi ins Bett.

Raij, der freundliche Begleiter von gestern, holt uns morgens um 05:00 Uhr ab und fährt uns zum Flughafen. Auf dem Weg dorthin fragen wir uns, wo unsere Outdoorbücher sind. Wir haben uns zwei Stück besorgt und wollen auf dem kommenden Flug schauen, welche Trekking-Tour wir machen werden. Zur Auswahl steht die Tour zu Annapurna oder zum Mount Everest. Wir können die Bücher leider nicht finden, zuletzt haben wir sie auf dem Tisch im Hostel gesehen.

Klassischer Diebstahl in einem Hostel, nur, dass es aus unserer Sicht nichts Wertvolles, sondern nur einfache Bücher waren. Wir ärgern uns nicht weiter, haben wir noch eine Landkarte, auf der die Touren ebenfalls aufgezeichnet sind. Wir entscheiden uns für die Tour zum Mount Everest, wenn schon – denn schon.

Am Flughafen von Kathmandu angekommen steigt die Spannung. Es ist 06:00 Uhr morgens und unsere Mägen knurren. Wir finden am Flughafen ein Restaurant mit einem großen gelben M, dem wir erstmal einen Besuch abstatten.

Durch unsere Recherche in Hamburg wissen wir, das wir die Visa für Nepal jetzt hier direkt am Flughafen erhalten sollen. Wir gehen in die Empfangshalle, um die Gouverment-Papiere auszufüllen. Nun nur noch das Passbild drauf, aber wo sind die Passbilder?

Lagen die mit den Büchern auf dem Tisch in dem Hostel und sind geklaut? Oder liegen sie warm und trocken im Rucksack? Es ist egal, wo sie liegen, wir kommen nicht ran und müssen für umgerechnet 16 Euro neue Passbilder machen lassen. Enar geht schon mal zum Changer und tauscht einige Dollar in Nepali Rupien um. Ich stelle mich in der Zwischenzeit am Visum-Schalter an.

Als wir dran sind, erzählt uns der freundliche Mitarbeiter, dass wir das Visum in Dollar bezahlen müssen. Uff, Enar muss also wieder zurück zum Changer, welcher uns zu einem schlechteren Kurs für die von vor fünf Minuten getauschten Dollar geben will. Enar lässt nicht locker und wir erhalten die soeben eingetauschten Dollar zurück, um das Visum bezahlen zu können.

Als wir den Flughafen verlassen kommt eine Traube von Nepali auf uns zu, um uns mit dem Taxi irgendwo hinzufahren. Als Nächstes müssen wir noch das Park- und Trekking-Visum für Nepal und den Nationalpark beantragen. Dies erhalten wir in dem Touristen-Visaport am Busbahnhof. Zu dem Busbahnhof müssen wir eh, da wir von dort aus mit dem Bus nach Liri fahren wollen.

Gesagt getan, und so machen wir uns in der Eingangshalle von dem Touristen-Visaport an das Antragsformular. Nachdem wir alle Unterlagen für die beiden Visa ausgefüllt haben, bekommen wir den Stempel. Nun fehlt uns nur noch das Gas für unseren Camping-Kocher und dann kann es losgehen.

Es scheint schier unmöglich zu sein, in Kathmandu in einem Outdoorladen eine Gas-Patrone zu erhalten. Nach gefühlten 8 Stunden bei gefühlten 45 Grad im Schatten haben wir, vollgepackt mit den Rucksäcken, endlich Gaspatronen in einem kleinen Krämerladen gefunden.

Wir gehen zurück zum Busbahnhof, unsere erste Station heißt Charikot. Die Fahrt wird 4,5 Stunden dauern und uns auf 1.945 Höhenmetern bringen. Wir sitzen in dem Bus und warten bis es losgeht. Es ist ein Lokalbus. Man fragt sich in der Tat, wie die Busse fahren können. Optisch sind sie kurz vor dem Zusammenfall. Man muss wissen, dass die Straßen, bzw. die Wege hier in diesem Lande zum größten Teil nicht geteert sind, sondern aus einfachen Feldwegen bestehen. Um das auszugleichen, besitzen die Autos hier keine Stoßdämpfer, sondern Blattfedern als Dämpfer, was eine holprige schwankende Fahrt bedeutet. Ich kann an dieser Stelle schon sagen, dass man sich daran gewöhnt.

Es ist immer ein Beifahrer dabei, meistens der Sohn, der ruft aus der Seitentür den Zielort der Fahrt. Immer wenn der Bus halten soll, klopft er zweimal gegen eine Innenwand. Der Fahrer weiß dann Bescheid und hält an. Geht es weiter, klopft er erneut, aber diesmal nur einmal an die Innenwand.

Wir schlafen in dem Hostel Namens Namaste, dass wir dieses Wort noch ein paarmal in den nächsten Tagen hören und sagen werden, ist uns bis dahin so noch nicht klar. Wir erhalten ein Doppelzimmer für umgerechnet 6 Euro die Nacht.

Gegen 21:00 Uhr erhalten wir für umgerechnet 3 Euro eine große Portion Hähnchen mit Reis. Man beachte die Relation Essen zum Doppelzimmer. Der Begriff Spicy bekommt hier eine ganz neue Bedeutung. Was für uns Deutsche scharf ist, ist für die Nepali noch lange nicht scharf. Da Enar gerne scharf ist, genießt er sein Hühnchen besonders.

Am nächsten Morgen sitzen wir früh am Busbahnhof und warten auf den Bus nach Jiri. Von einigen Nepali wissen wir, dass der nächste Bus um 09:00 Uhr oder um 10:00 Uhr kommt. Laut unserem nicht mehr vorhandenen Outdoorbuch sollte es 14:00 Uhr sein; warten wir ab. Der Bus kommt tatsächlich um 10:00 Uhr und es geht los nach Jiri.

In dem Bus lernen wir Rain kennen. Rain kommt aus Kanada und möchte die gleiche Trekking-Tour machen wie wir, und so haben wir uns viel zu erzählen.

In Jiri angekommen, laufen wir unsere ersten 3-4 km, bis uns ein Lokalbus überholt und uns mitnimmt. Enar und Rain klettern auf das Dach von dem Bus zu den anderen Nepali. Ich gehe nach vorne in den Bus hinein, zu etlichen Körperdüften und einem sich übergebenden Kind.

In Those angekommen wechseln wir den Bus in Richtung Shivalaya. In diesem Bus lernen wir einen Chinesen kennen, welcher eine deutsche Freundin hat. Sie kommt sogar aus Hamburg. Er ist Guide und gibt uns noch den ein oder anderen Tipp.

Nachts in Shivalaya angekommen müssen wir mit Headlight nach Bhandar absteigen. Merke, bei einer Trekking-Tour ist es wichtig, die Dinge immer am gleichen Platz zu verstauen und sie dabei so gut zu verstauen, dass man leicht herankommt, vor allem auch dann, wenn es stockdunkel ist.

Da meine Headlight gut verstaut im Tiefsten des Rucksackes liegt, gehen wir also nur mit der von Enar den Berg hinab, um einen Schlafplatz zu finden. Wir bauen unser Zelt im beginnenden Regen auf und kochen im Vorzelt unsere erste Mahlzeit mit dem Campingkocher.

Wir liegen anschließend total klebrig im Zelt. Nachdem wir den Blutegeln und etlichen Spinnen gute Nacht gesagt haben, beschließen wir, uns doch nochmal in die Badelatschen zu schmeißen und zu einer nahegelegenen Quelle zu gehen, um uns abzuduschen.

Auf dem halben Rückweg rutscht Enar aus und packt sich mit vollem Körpereinsatz in den Schlamm. Somit gehen wir wieder zurück zur Quelle, damit er sich nochmal abduschen kann. Eigentlich soll ich, dass niemanden erzählen, aber es ist zu ulkig.

Nachdem wir nun endlich beide sauber sind, versuchen wir, einen schnellen und sicheren Weg zu dem Zelt zurückzufinden. Ich bin gespannt, wie die erste Nacht in unserem Zelt sein wird.

Wir sagen noch den neu aufgetauchten Käfern gute Nacht und schlafen anschließend ein.

Auf dem Weg nach Jiri, der rote Rucksack ist meiner.

Unser grünes Zelt.

Kapitel 3 Der Mount Everest zum greifen nah

Gegen 07:00 Uhr ist die Nacht zu Ende. Enar kocht uns einen Kaffee und ich hole unsere Frühstückskekse raus. Wir wandern weiter von Bhandar Richtung Kenja. Das Restaurant in Kenja, wohin wir wollen, liegt auf der anderen Flussseite, wir gelangen nur über eine Hängebrücke dorthin.

Es wird auf dieser Reise nicht die letzte Hängebrücke sein. Ich glaube, es werden so 200 Stück, über die wir gehen werden. Teilsweise sieht man unter den Hängebrücken reißende Flüsse oder auch mal versiegende Quellen. Es ist immer unterschiedlich.

Zur Mittagszeit kehren wir in einer Hütte ein, in der wir Nudelsuppe mit Reis und Gemüse essen, dazu gibt es 1,5 Liter Cola. Wir sind so entspannt, dass wir eine Stunde und 20 Minuten Mittagspause machen.

Es geht weiter auf den Weg nach Seti. Man sagt uns, dass der Weg nach Seti schwer und heiß sein wird. An dieser Stelle kann ich das nur bestätigen, es war für mich der schwerste Weg auf der ganzen Tour. Ich habe einen Trekkingstock von Enar und ich bin heil froh, dass dies der Fall ist. Es hilft ungemein, wenn man eine zusätzliche Stütze hat, auf einem Weg, der teilweise nur auslosen und wackeligen Steinen besteht.

Gegen 18:00 Uhr kommen wir in Seti an. Hier schlafen wir in einer Lodge. Als Erstes duschen wir. Am heutigen Tag habe ich so viel geschwitzt, wie man gefühlt nicht mal in der Sauna schwitzt. Die Dusche besteht aus einem Raum, in dem ein Eimer mit heißem und ein Eimer mit kaltem Wasser steht. Wir duschen uns ab und waschen unsere Klamotten mit dem restlichen Wasser aus.

Wir sind die einzigen Gäste in der Lodge und können uns von der Speisekarte alles aussuchen, was wir möchten. Wir trinken Chai und bestellen uns „Fred Potatoe with cheese“ (gebratene Kartoffelecken mit Jackkäse). Klingt einfach und lecker, und ist es auch.

Wir schlafen heute Nacht in 2.468 Höhenmetern. Die Nacht ist bis auf ein starkes Gewitter, sehr ruhig, wenn man von den vielen Käfern absieht, die wir noch versucht haben aus unserer Schlafkabine zu jagen.

Die Lodges sind einfache Holzhütten, meistens mit mehreren Betten in einem Raum und durch einfache Holzbrettwände von dem nächsten Raum getrennt. Die Fenster sind einfache Glasscheiben mit einem Temperaturunterschied von draußen zu drinnen von gleich null.

Wir stehen um 07:00 Uhr auf, trinken Chai und essen Apfelpfannkuchen. Nachdem wir unsere Klamotten nochmal in die Sonne zum Trocknen gelegt haben, geht es gegen 09:00 Uhr los in Richtung Takasindu.

Es ist ein sehr langer Aufstieg zum Pass zwischen Seti und Junbesi. Es gibt viele große Steine, welche man überwinden muss. Auf dem Weg sehen wir links und rechts Erdbeeren, Möhrenpflanzen, Kleeblätter und Himmelsschlüsselblumen. Zwischenzeitlich haben wir auf dem Weg einen Hund als Begleiter und am späteren Nachmittag kommen uns Schulkinder in Schuluniform entgegen.

Der Pass liegt in 3.600 Höhenmetern und es fegt dort ein kühler Wind.

Der Abstieg nach Junbesi geht durch einen Wald und ist nach dem Aufstieg erst mal eine Erleichterung für den Körper. Meine Beine merkte ich heute Morgen schon in Form eines dezenten Muskelkaters. Wir sind gelaufen und gelaufen, als wir in Junbesi ankommen ist es 18:00 Uhr. Geplant war eigentlich gegen 16:00 Uhr, damit wir noch nach Takasindu kommen. Wir sind K.O., besonders ich.

Gegen 17:00 Uhr fing es zusätzlich noch an zu regnen und wir beschlossen daher nur noch bis zur nächsten Lodge zu gehen. Der Regen wurde immer mehr, die Klamotten immer nasser, meine Laune immer schlechter und ich war einfach nur noch schrott genervt. Doch wir werden belohnt, wir haben in der Lodge sogar eine warme Dusche, und diesmal ohne Eimer.

Auf dem Abstieg sah ich sehr viele Marienkäfer, leider auch viele, die durch Menschen totgetreten wurden. Wir sahen auch einen ganzen Wald voll mit Rhododendren. Der Ausblick war atemberaubend, ich habe noch nie auf so viele Rhododendren blicken können. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein Wald, auf den zweiten sind es lauter einzelne Rhododendronbüsche.

Am nächsten Morgen gehen wir in den Frühstücksraum. Der Raum ist umgeben von vielen großen Fenstern, so dass wir einen perfekten Blick auf die Umwelt haben. Sehen wir richtig? Wir sehen in der Tat die ersten Mountis und erhalten den ersten Vorgeschmack auf dass, was uns noch erwarten wird.

Wir treffen auf der heutigen Tour viele Trekker: zwei Canadier, zwei Schweizer und drei Czechen. Einer von den Czechen war vor zehn Tagen auf dem Lotse. Er hat den Berg bestiegen, was kurz vor der Monsunzeit mit viel Glück verbunden ist, da das Wetter schnell umschlagen kann.

Der Aufstieg nach Takasindu ist relativ einfach, wir gehen wieder über mehrere Hängebrücken. Der Abstieg nach Jubing, unser Tagesziel, zieht sich wie Kaugummi. Unser Weg entpuppt sich, als einer der Handelsruten durch die Berge auf denen mit Eseln die Handelswaren transportiert werden.

Wer schon mal durch Scheiße gelaufen ist, kann sich vorstellen, wie die Streckenbeschaffenheit ist. Ich bin noch nie durch so viel Scheiße gelaufen, wie hier. Es ist nicht so einfach, nicht auf der Scheiße auszurutschen, und dabei noch zu prüfen, ob die Steine, welche man betreten möchte, auch fest sind. Die Esel sind hier sehr gut erzogen, immer, wenn sie uns erreichen, bleiben sie stehen oder gehen beiseite.

Plötzlich riecht es nach verbrannten Nadelbäumen und uns kommt ein kleiner Menschenzug entgegen. Ein Mönch führt den Zug an und sagte uns, dass sie eine tote Frau transportieren. Die Frau ist komplett in Tüchern eingewickelt und wird sitzend auf einem Holzbrett von vier Männern getragen.

Eine von diversen Hängebrücken.

Mensch wie Tier geht den gleichen Weg.

Gegen 17:00 Uhr kommen wir in Nunthala an. Merke, packe nie ein Handy oder sonstiges unter ein Kopfkissen. Wir wollten später in unserem Handy, welches einen Höhenmesser hat, nochmal nachschauen, in welcher Höhe wir uns befinden. Da wir aber erst mal essen gehen wollten, legte Enar es unter sein Kopfkissen, wo es die ganze Nacht über liegen bleibt.

Am nächsten morgen gehen wir gegen 07:00 Uhr zum Frühstück. Bevor wir aufbrechen, vergessen wir, nochmal unter die Kopfkissen zu schauen, ob wir alles haben. Enar ist ein spendabler Mann und daher haben wir sein Handy leider in Nunthala gelassen…! Was wir zu dem jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht bemerkt hatten.

So geht es um 07:55 Uhr von Nunthala auf nach Bupsa. Es ist ein langer und steiler Aufstieg. Einige Stunden später merken wir, dass das Handy von Enar nicht da ist, wo es eigentlich sein sollte, jetzt erst fällt uns auf, dass es noch im Bett in Nunthala liegt. Inzwischen sind wir aber bereits zu weit weg, um nochmal umzukehren.

Ich versuche einen Bekannten in Hamburg, per SMS zu erreichen, damit dieser für uns die Handy-Nr. von Enar sperren lässt. Ein grosser deutscher Netzanbieter lässt sich leider auf nichts ein und so bleibt die Simkarte leider ungesperrt. Wie sich später herausstellt, wurde mit dem Handy glücklicherweise nicht telefoniert.

Auf unserem Weg begegnen uns wieder viele Esel und viel Eselsscheiße. Die Esel haben meinen höchsten Respekt, sie transportieren ca. 90 Kilo und laufen total sicher auf den steilen und wackeligen Wegen auf und ab. Es kommt der Punkt, wo wir die Eselsscheiße nicht mehr riechen, oder stinken wir bereits selber danach? Wir treffen immer mehr Leute, die uns von Lukla aus entgegenkommen. Durch das schlechte Wetter ist der Flughafen seit sechs Tagen geschlossen. Die Leute müssen ihre Flüge ab Kathmandu nach Hause erreichen. Daher gehen sie den Weg von Lukla nach Kathmandu nun zu Fuß zurück.

Wir erfahren, dass man auch einen Helikopter nehmen kann, welcher einen nach Kathmandu fliegt. Allerdings kostet der Flug 2.500 Dollar pro Flug. Es passen fünf Personen in den Helikopter, so dass wir über 500 Dollar pro Person sprechen. Es gibt allerdings auch eine Alternative: Man geht zurück bis nach Sellerie und von dort aus kann man mit dem Jeep in einer Tagestour Kathmandu erreichen.

Wir kümmern uns erst mal nicht darum, den wenn wir zurück sind, wird das Wetter bestimmt besser und der Flughafen nicht weiterhin geschlossen sein.

Auf unserem weiteren Weg sehen wir wieder Schmetterlinge, Tausendfüßler und Marienkäfer. Die Nepali sind alle sehr nett und zuvorkommend. Ich weiß nicht, wie oft wir am Tag „Namaste“ zu allen uns Entgegenkommenden sagen, es ist Wahnsinn. Namaste heißt so viel wie „Guten Tag“. Auf unserem Weg sehen wir weiterhin viele Bauern. Einer legt mit seinem Sohn ein Reisfeld an. Andere sind auf dem Getreidefeld und schneiden jede einzelne Getreideähre mit der Hand ab, um sie anschließend auf einer großen Plane zu trocknen.

Wenn man in einer Lodge Essen bestellt, so braucht man viel Zeit, das lernen wir sehr schnell. Das liegt daran, dass die Nepali alles frisch zubereiten. Wir schlafen in dieser Nacht in einer Lodge in Bupsa.

Der Morgen fängt aufregend an. Wir stellen den Wecker auf 5:00 Uhr, da wir früh loswollen. Es ist noch sehr dunkel und kalt draußen, ungewöhnlich kalt und dunkel. Enar kuschelt noch im Schlafsack und möchte noch nicht so wirklich aufstehen, daher putze ich mir schon mal die Zähne. Plötzlich meint er, schau doch mal auf die Uhr, wie spät ist es jetzt? Ich war mittlerweile dabei meine Fingernägel zu pflegen und kann es nicht glauben, dass die Nacht bereits vorbei sein soll. Immerhin war bis vor ein paar gefühlten Stunden in der Lodge noch richtig Alarm, da eine Reisegruppe nicht wirklich schlafen gehen wollte.

Nachdem ich auf die Uhr schaue, weiß ich auch, warum ich dieses Gefühl der kurzen Nacht habe. Es ist 00:40 Uhr. Okay, ich gehe wieder in meinen Schlafsack, und freute mich noch ein paar Stunden schlafen zu können. Es ist mein Handy, welches wir als Wecker nutzen. Ich hatte es so eingestellt, dass sich die Uhrzeit automatisch aktualisieren sollte. Wie ich nun weiß, muss man diese Option ausschalten, damit das Handy die korrekte Uhrzeit beibehält. Dinge, die ich nicht wirklich verstehen muss.

Gegen 06:30 Uhr frühstücken wir, es gibt Tibet-Brot mit Honig und Chai, sehr lecker. Mein Tee ist fast alle, als ich ihn über den Tisch schubse und entleere. Heute sollte nicht mein Tag sein, und so beschließe ich erst mal wach zu werden. Gegen kurz vor halb 8 gehen wir dann los auf den Weg nach Lukla.

Der Weg ist sowas von anstrengend, wir laufen wieder durch extrem viel Eselsscheiße oder besser gesagt, wir schlittern, dass es ein Wunder ist, dass wir uns nicht hinlegen. Ich muss meinen Eltern unbedingt sagen, dass sie sich auch Eselsscheiße besorgen sollen, denn hier, wo so viel davon ist, wachsen überall Erdbeeren. Scheint der perfekte Dünger zu sein. Wir sehen einen leuchtend blauen Vogel mit einem gelben Bauch, leider ist er schon weg, als wir die Kamera fertig haben. Mittags machen wir Pause in Surkhe.

Wir kommen an eine Gabelung, die einzige auf der kompletten Strecke. Links geht es nach Namche Bazar und rechts nach Lukla. Wer hat uns eigentlich erzählt, dass es ab hier nur noch 1,5 km sein sollen? Es sind gefühlte 30 km.

Desto näher wir an Lukla kommen, desto dreckiger wird es überall. Hier sieht man nun die Folgen des Tourismus und all die schönen Dinge, der westlichen Welt, die auch hier angekommen sind. Die Leute lassen überall ihren Müll liegen, eine Schande für die Natur. Wir schauen uns an, nehmen uns an die Hand und beschreiten die letzten Meter durch ein Tor in das Dorf Lukla. Ein wesentlicher Abschnitt auf unserer Tour ist geschafft, und wir gleich mit.

In der Lodge angekommen freuen wir uns nur noch auf eine Dusche. Der Inhaber ist sehr zuvorkommend, sieht, wie geschafft wir sind und kommt, hoch zu uns aufs Zimmer, um zu fragen, ob er für uns schon Essen vorbereiten kann. Ich nehme Spagetti mit Tomatensoße und Käse. Enar sieht auf der Karte das Wort Pfeffersteak und ist ganz hin und weg. Gegen 18:00 Uhr soll unser Essen fertig sein, ist es dann auch.

Meine Spagetti sind vorzüglich. Ja, man lernt, mit der Zeit sich über kleine Dinge zu freuen. Das Steak von Enar ist leider so zäh, dass er es selbst mit unendlichen Kauen nicht essen, geschweige denn schlucken kann. Macht nichts, ich gebe ihm ein paar Spagetti von mir ab und so werden wir dann beide doch noch satt.

Am nächsten morgen sehen wir, dass der Flughafen wieder geöffnet ist. So können einige festsitzende Trekker die Heimreise antreten.

Wir haben an diesem Morgen versucht auszuschlafen, wollten uns ein wenig Erholung gönnen und den Wecker mal auslassen. Pustekuchen, um 6:00 Uhr landete der erste Helikopter und die Flugzeuge reichten sich die Hände.

In Lukla fliegen 3 verschiedene Airlines, wobei es meistens nur 1-3 kleine Maschinen pro Tag sind. Der Flughafen hat bis 12:00 Uhr mittags geöffnet.

Wir starten unsere Tour an diesem Tag, nach einem reichhaltigen Frühstück, gegen 10:30 Uhr. Für unsere Verhältnisse extrem spät. Unser nächstes Ziel für diesen Tag ist Namche Bazar. Auf dem Weg treffen wir einen kleinen Jungen, der mit seinen vier Yaks ebenfalls auf den Weg nach Namche Bazar ist. Ich frage ihn, wann er mit seinen Yaks ungefähr in Namche Bazar sein wird, da er genauso langsam unterwegs ist, wie wir. Er meint, dass es wohl so 18:00 bis 19:00 Uhr werden wird. Uff, okay, wir gehen weiter, Kilometer um Kilometer, Hängebrücke um Hängebrücke.

Als wir ca. 2 km Luftlinie, ich betone Luftlinie, von Namche Bazar entfernt sind, treffen wir den Jungen mit den Yaks wieder. Er ist so nett und trägt für mich meinen Rucksack hoch bis nach Namche Bazar. Es ist ein ziemlich steiler serpentinenartiger Weg. Nach jeder Bergkuppe denken wir, gleich sind wir da. Nach jedem mal Hochschauen, um zu prüfen, ob wir bald oben auf dem Berg sind, kommt ein weiterer Vorsprung.

Enar sah auf dem Weg zwei Rebhühner, wobei wir uns nicht sicher sind, ob es wirklich Rebhühner waren.

Wir sehen wieder einige Spitzen der Mountis, bis sie von den Wolken verdeckt werden.

Es ist in der Tat 19:00 Uhr, als wir in Namche Bazar ankommen. Wir schlafen total erschöpft in einer Lodge. Am nächsten Morgen beschließen wir bis nach Tengboche zu gehen, unser heutiges Tagesziel.

Tengboche ist ein kleines Kloster. Auf dem Weg dorthin treffen wir Pieter. Pieter kommt aus Frankfurt und nimmt den gleichen Weg wie wir. Er hat einen Träger, welcher für ihn den schweren Rucksack trägt. Unglaublich, dass Pieter trotz des Trägers langsamer ist, als wir.

Wir haben uns die Karte angesehen um zu berechnen, wie weit wir wohl kommen werden. Immerhin müssen wir langsam schauen, dass wir uns rechtzeitig auf den Rückweg machen, um den Flieger in sechs Tagen von Kathmandu nach New Delhi zu erreichen. Wir entscheiden, noch drei Tage aufzusteigen und uns dann auf den Rückweg zu machen.

In Tengboche angekommen suchen wir uns einen schönen Platz für unser Zelt. Wir lernen hier Magdalena und Brad kennen. Beide kommen aus Kanada und waren bereits in Alaska. Sehr spannend. Wir essen unsere Instand-Erbsensuppe und trinken mit den beiden anschließend noch einen Chai.

Man lernt viele Menschen auf so einer Tour kennen. Da jeder seinen eigenen Laufrhythmus hat, trifft man sich meistens im nächsten Ort. Wir fragen uns, wie weit Rain, welchen wir in den ersten Tagen kennengelernt haben, gekommen ist. Auf der Trekking-Tour kommt man an einige Checkpoints, wo man sich registrieren muss. Wir haben von Rain lange nichts gelesen. Entweder waren die Checkpoints nicht besetzt, oder wir haben Rain überholt, ohne es zu wissen. Wir werden es erfahren, oder auch nicht.

Wir schlagen unser Zelt auf und schlafen glücklich ein. Hunde können nicht die ganze Nacht bellen, nein, das können sie nicht. Es hört sich wie ein ständiges Nonstop Bellen an. Und Yaks schlafen auch nicht, die laufen brav mit der Glocke um den Hals herum, die ganze Nacht durch die Gegend.

„Gähn“, ich bin so müde, und um 05:45 Uhr ertönen die Glocken vom Kloster und rufen die Mönche zum Gebet. Werde ich jemals wieder eine Nacht durchschlafen können?

Um 06:30 Uhr haben die Mönche uns den Zutritt in das Kloster gestattet. Man sagte uns, dass wir es hören würden, wenn die große Glocke läutet. Dann können wir hineingehen, und uns umsehen. Wir haben die große Glocke nicht gehört und als wir uns aufmachten, um in das Kloster zu gehen, war die Tür bereits geschlossen. Das Schöne an solchen Touren ist ja, dass man auf dem Rückweg nochmal eine weitere Chance hat.

Wir haben heute eine kurze Strecke vor uns, wir setzen uns als Tagesziel Pengboche. Laut Karte sind es drei Stunden, für uns wohl eher vier. Wir sind so gut vorangekommen, dass wir bis Pheriche erreicht haben. Die Strecke war sehr angenehm und wir haben wieder den Gipfel von dem Mount Everest gesehen.

„Wow“, es ist etwas Magisches in der Luft, der Mount Everest, für uns live und in Farbe. Schnell ein Foto gemacht, denn es kommt nur an ein paar Tagen im Jahr vor, dass man den Gipfel des Mount Everest ohne Wolkenkleid sehen kann. Wir haben genau dieses Glück und ich bekomme ein breites Grinsen im Gesicht.

Pieter hat uns, sowie Brad und Magdalena, phasenweise begleitet. Wir haben heute das erste Mal die Outdoorjacken rausgeholt, da der Wind hier sehr kalt ist. Wir suchen uns gegen Abend einen Zeltplatz am Fluss. Enar hat lecker Kartoffel- und Erbsensuppe für uns gekocht. Für Trockennahrung schmeckte die erstaunlicherweise sehr gut. Oder sind es die Geschmacksnerven, die mittlerweile jeden anderen Geschmack als Kekse und Chai so köstlich schmecken lassen?

Anschließend haben wir uns im Fluss gewaschen und legen uns zum Aufwärmen mit den Daunenjacken in den Schlafsack. Merke: Lange Haare nur im Fluss waschen, wenn Du Dich anschließend gut aufwärmen kannst. Mein Kopf ist so kalt, dass ich befürchte, er friert ein. Ich nehme alles an wärmenden Klamotten und packte mich dick in den Schlafsack ein. Nach einiger Zeit merkte ich, wie mir langsam wieder warm wird.

Für morgen haben wir uns Lobuche als Tagesziel ausgesucht. Die Nacht in Pengboche wird von einem Hund begleitet, welcher die ganze Nacht an unserem Zelt Wache hält. Sobald jemand sich unserem Zelt nähert, bellt der Hund.

Es gab zum Frühstück Erbsensuppe, habe ich das schon mal erwähnt? Von weitem winkt uns Pieter zu, welcher bereits auf den Weg nach Lobuche ist. Wir brechen gegen 10:00 Uhr auf. Der Aufstieg nach Lobuche ist nicht steil, trotzdem anstrengend.

Die Natur um uns herum verändert sich langsam, da macht sich die Höhe dann deutlich bemerkbar. Der Weg wird steiniger und das bisschen Rasen, was man noch erkennen kann, wird von den rumlaufenden Pferden und Yaks noch abgegrast. Die Luft ist sehr klar und wird gefühlt immer klarer und reiner.

Die Temperatur fängt an zu sinken, wir müssen bestimmt bald unsere Daunenjacken rausholen. Schon etwas ironisch, wenn man bedenkt, dass in Hamburg Sommer ist. Mir fallen meine Gedanken wieder ein, welche ich bei der Urlaubsplanung hatte, kalte Nächte im Mai. Sie werden kommen, und wir können es nicht vermeiden.

Die Bäume werden weniger und die Umgebung immer trockener. Ich bin mittlerweile kaputt, fühle mich richtig kaputt. Wir wandern heute den 9. Tag und ich weiß, dass wir das alles auch wieder bis Lukla zurückmüssen. Enar stellt mir heute die Frage, ob ich nicht mehr kann, weil ich glaube, dass ich nicht mehr kann, oder kann ich nicht mehr, weil es wirklich nicht mehr geht, dann müssen wir umkehren. Ich überlege kurz und entscheide mich dann für die erste Variante.

Am nächsten Morgen in Lobuche beschließe ich, meine persönliche Grenze erreicht zu haben. Ich trekke zum ersten Mal in meinem Leben. Vor einem halben Jahr war ich noch eine Couchpotato und nun habe ich 9 Tage Trekking, 7 – 11 Stunden auf 10 – 25 km pro Tag, mit einem 15 KG schweren Rucksack hinter mir. Ich habe nicht den Berg, sondern mich selbst besiegt und darauf bin ich sehr stolz! Ich habe den Mount Everest gesehen und bin jetzt ca. 12 km Luftlinie von seinem Gipfel entfernt.

Am Abend gehen wir in eine Lodge und trinken unseren Chai. Wir setzen uns zu zwei Indern, Vater und Tochter. Sie leben in Singapur. Plötzlich kommt ein junger Mann rein, und ich denke so, den kennen wir doch. Es war Rain. Sehr lustig, wir reden miteinander und finden es total witzig, dass wir uns hier, am Ziel der Trekking-Tour wieder treffen.

Enar ist heute Nacht gegen 01:00 Uhr aufgestanden um sich auf den Weg nach Kalapathar zu machen. Ich bin gegen 8:00 Uhr aufgestanden und frühstücke erst mal Erbsensuppe, und sage dem fremden Hund, welcher sich neben unserem Zelt einen Platz gesucht hat, guten Morgen. Hunger habe ich nicht wirklich und ein wenig Kopfschmerzen. Das ist aber in 5.000 Höhenmetern keine Besonderheit, sondern eher auch der Grund, warum Enar alleine einen Ort und damit 500 Höhenmeter weitergeht.

Ich höre eine Stimme und schaue mich um. Da ist eine Frau, sie traut sich nicht an unser Zelt, da sie denkt, der Hund würde sie angreifen. Sie grinst breit, als ich ihr erzähle, dass wir den Hund gar nicht kennen und er sich einfach so zu uns gelegt hat. Sie fragt, ob sie näherkommen könne, da sie eine Frage hätte. Ich sage ja, und bin sehr auf ihre Frage gespannt.

Sie hat in der Nacht in der Lodge geschlafen und sehr gefroren, da wir in der Nacht Frost hatten und es interessierte sie, wie es im Zelt war. Wir müssten doch fürchterlich gefroren haben. Ich verneine die Frage, denn wir haben richtig gutes Equipment, und ich konnte teilweise sogar mit halb geöffnetem Schlafsack schlafen, und das ohne zu frieren. Dies habe ich dem sehr gut ausgesuchten Equipment von Enar zu verdanken. Oder war es Taktik, damit Frau nicht rumjammert? Es spielt keine Rolle, ich bin heilfroh, dass ich in dieser glücklichen Lage bin.

Kurz darauf rief Pieter von einer anderen Lodge zu mir rüber und ich sagte ihm, dass ich dableibe und Enar bereits auf den Weg ist. Später haben sie sich noch getroffen. Das war die letzte Begegnung, welche wir mit Pieter haben. Leider haben wir es versäumt, die Telefon-Nr. auszutauschen, daher wissen wir nicht, wie es ihm auf dem Rückweg ergangen ist. Es ist aber nicht schlimm, denn in der Regel sieht man sich im Leben immer zweimal, wann es mit Pieter sein wird, werden wir erfahren.

Nach dem Frühstück bin ich in Lobuche ein wenig durch das Dorf gegangen. Dorf ist vielleicht der falsche Ausdruck, wenn man über einen kleinen Ort spricht, der vielleicht sieben Häuser hat. Die Aussicht um mich herum ist einmalig. Ich bin umgeben von Mountis, deren weißes Schneekleid an der Spitze leuchtet. Wir haben echt Glück mit dem Wetter. Von vielen Leuten, die wir so treffen, hören wir oft, dass das Wetter nicht so gut sein soll. Der Hund von heute Morgen ist immer noch bei mir, ob ich ihm einen Namen geben soll? Immerhin werden wir hier in Lobuche noch eine zweite Nacht schlafen.