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Bitterböse - und politisch unkorrekt Sie bauen Krötentunnel und kochen für den Frieden. Sie leiden persönlich am Klimawandel und kämpfen gegen Rassismus, indem sie Schokoküsse essen. Gutmenschen nerven immer und überall. Während wir versuchen, uns zu entspannen, quälen sie uns mit Unterschriftenlisten, Öko-Siegeln und Gesprächen über Elektrosmog. Jetzt ist Schluss mit Nachsicht und (geheucheltem) Verständnis! Dietmar Bittrich beschreibt mit schwarzem Humor die Blüten, die das Gutmenschentum treibt, und gibt boshafte Tipps, wie man Aktionen guter Menschen untergräbt.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 214
Dietmar Bittrich
Achtung, Gutmenschen!
Warum sie uns nerven. Womit sie uns quälen. Wie wir sie loswerden.
Dank
Auf ins Vergnügen!
Erste Orientierung
Das tun die Guten
Das tun die Bösen
So nerven Umwelt-Gutmenschen
21 scheußliche Dinge, die Umwelt-Gutmenschen heute tun müssen . . .
Zehn böse Nachrichten, mit denen wir Umwelt-Gutmenschen aufmuntern können
Zehn Fragen, mit denen man Umwelt-Gutmenschen vom kalten Büfett ablenken kann
Tagebuch eines Umwelt-Gutmenschen
Die neun quälendsten Hobbys der Umwelt-Gutmenschen
. . . und die schönsten Gegengifte
1. Sie wittern überall Chemie
2. Sie verfeuern Biosprit
3. Sie bauen Krötentunnel
4. Sie bekämpfen Elektrosmog
5. Sie sehnen sich nach Katastrophen
6. Sie fürchten Gentechnik
7. Sie leiden an Vogelgrippe
8. Sie retten Tiere
9. Sie sehen alles als Symptom
Jetzt werden wir selber gut!
Der Abschluss-Test
Noch nicht gut genug? Allerletzte Tipps
Sieben böse Geschichten für Umwelt-Gutmenschen
Die drei Frösche
Häuptling White Cloud und die Wölfe
Die kleine Schraube
Das Mädchen und die Seesterne
Die starke Palme
Der Kletterfrosch von Ulm
Irischer Reisesegen
So nerven Friedens-Gutmenschen
21 scheußliche Dinge, die Friedens-Gutmenschen heute tun müssen . . .
Zehn böse Nachrichten, mit denen wir Friedens-Gutmenschen aufmuntern können
Zehn Fragen, mit denen man Friedens-Gutmenschen den Partner ausspannen kann
Tagebuch eines Friedens-Gutmenschen
Die neun quälendsten Hobbys der Friedens-Gutmenschen
. . . und die schönsten Gegengifte
1. Sie geben ihre Stimme ab
2. Sie lassen Kinder für den Frieden malen
3. Sie sind für den Schwächeren
4. Sie kochen für den Frieden
5. Sie betreiben Friedensforschung
6. Sie mögen Krieg
7. Sie läuten die Glocken
8. Sie fürchten Kriegerdenkmale
9. Sie pilgern zum Dalai Lama
Jetzt werden wir selber gut!
Der Abschluss-Test
Noch nicht gut genug? – Allerletzte Tipps
Sieben böse Geschichten für Friedens-Gutmenschen
Wie Alexander Persien eroberte
Laotse und der Frieden
Prinzessin Diana bei Mutter Teresa
Der Hund im Spiegelsaal
Der Fluss des Friedens
Das heilige Licht
Die Unzufriedenheit auf Wanderschaft
So nerven Unschulds-Gutmenschen
21 scheußliche Dinge, die Unschulds-Gutmenschen heute tun müssen . . .
Zehn böse Nachrichten, mit denen wir Unschulds-Gutmenschen aufmuntern können
Zehn Fragen, mit denen man einem Unschulds-Gutmenschen die Torte wegschnappen kann
Tagebuch eines Unschulds-Gutmenschen
Die neun quälendsten Hobbys von Unschulds-Gutmenschen
. . . und die schönsten Gegengifte
1. Sie verbieten Negerküsse
2. Sie kämpfen gegen den Hass
3. Sie bürgern Hitler aus
4. Sie wollen immer Dialoge führen
5. Sie feiern Jahrestage
6. Sie geben sich als Opfer aus
7. Sie trinken Caipi für einen guten Zweck
8. Sie machen alles wieder gut
9. Sie fürchten, als Deutsche zu gelten
Jetzt werden wir selber gut!
Der Abschluss-Test
Noch nicht gut genug? Allerletzte Tipps
Sieben böse Geschichten für Unschulds-Gutmenschen
Die drei Siebe
Jeder Tag ist ein besonderer Anlass
Vom Wert der Niederlage
Friedrich der Große und der Lausitzer Bauer
Spuren im Sand
Der Professor und der Mönch
Desodorata
Mein Dank gilt der «Achse des Guten»
«Wir müssten uns unserer guten Taten schämen, wenn die Beweggründe ans Licht kämen.»
FRANÇOIS DE LA ROCHEFOUCAULD
«Er war so ein guter Mensch!», beteuerte meine Großmutter, als ihr Ehemann begraben wurde. Die übrigen Verwandten lächelten, denn sie wussten es besser. Doch sie schwiegen. Er konnte nichts Böses mehr tun. Friede war mit ihm.
Lange Zeit ging das so: Mit dem Tod wurde man zu einem guten Menschen befördert. Jeder Besucher eines Friedhofes konnte sich angesichts der Grabinschriften davon überzeugen, dass der bessere Teil der Menschheit unter der Erde lag. «Willst du gescholten werden, heirate», lautete der klassische Rat. «Willst du gelobt werden, stirb.»
Das ist nicht mehr nötig. Niemand muss mehr sterben, um Lob zu ernten und ein rundum guter Mensch zu werden. Gut kann jeder bereits zu Lebzeiten werden. Und das, ohne sich anzustrengen! Es reicht schon, wenn einer «Schokokuss» sagt statt «Negerkuss». Damit beweist er seine Abscheu vor jeglicher Diskriminierung. Das ist schon mal eine Großtat. Wenn er dann noch eindringlich vor der Klimaerwärmung warnt, ab und zu die Armut in der Welt anprangert und immer mal wieder die Frage nach den Verantwortlichen stellt, kann nichts mehr schiefgehen.
Falls jemand noch etwas mehr tun will, aber das grenzt nun schon an Aktionismus, hält er im Fußballstadion gelegentlich eine Rote Karte hoch (gegen Rassismus), steckt in der Fußgängerzone einen Euro in die Greenpeace-Büchse, hinterlässt eine unleserliche Unterschrift auf dem Solidaritätsaufruf und schaltet am Abend für fünf Minuten das Licht aus, womit ein eindrucksvolles Zeichen gesetzt ist gegen Krieg und Energieverschwendung.
Nun ist dieser Mensch eigentlich schon guter als gut. Er ist ganz offensichtlich für den Frieden, für die Völkerverständigung, für Umwelt, Natur, Kinder, Tiere, Opfer, soziale Gerechtigkeit, für friedliche Konfliktbewältigung und im Zweifelsfall für die berechtigten Anliegen aller Menschen.
Nie in der Geschichte war es so einfach, auf der richtigen Seite zu stehen und sich unschuldig und gut zu fühlen – und das Böse draußen zu wittern, jenseits des Fernsehers, in den verborgenen Schaltzentralen der Macht, in der Globalisierung, in Amerika, in den multinationalen Konzernen. Es war noch nie so einfach, sich gut zu fühlen – obwohl es gerade wieder ein bisschen schwieriger wird. Denn die Ära Bush ist vorüber. Jammerschade!
Bereits vor zwanzig Jahren wurde anständigen Menschen das Leben auf einmal schwergemacht, als in Südafrika die Apartheid abgeschafft wurde. Das war ein bitterer Verlust. Plötzlich mussten sie sich nach jemand Neuem umsehen, den sie anklagen und zu Freiheit und Gerechtigkeit auffordern konnten.
Da kam Kohl. Was für herrliche Zeiten! Alle waren sich einig, dass sie besser waren als Kohl, klüger, schlanker, witziger. Ein Vergleich mit ihm wirkte jederzeit stärkend und aufbauend, zumindest in Deutschland. Und dann kam die Krönung, dann kam Bush! Solange Bush jr. amerikanischer Präsident war, genügte in geselliger Runde ein Hinweis auf ihn, und alle konnten sich einig sein in ihrer heiteren und empörten Überlegenheit. An Intelligenz und außenpolitischer Sensibilität haben ihn alle guten Menschen mühelos überflügelt.
Als der Irakkrieg begann, schrieb der Autor Paolo Coelho im Hochgefühl seiner moralischen Überlegenheit einen ironischen Dankesbrief: «Danke, Mr.Bush, dass Sie uns missachten. Danke, dass Sie uns erfahren lassen, wie man sich fühlt, wenn man machtlos ist. Danke, dass Sie uns nicht zugehört und uns nicht ernst genommen haben.» Und so weiter, zwei Seiten lang. Wofür Coelho in Wahrheit dankbar war, erwähnte er mit keinem Wort. Wahrheitsgemäß hätte er schreiben müssen: «Danke, dass Sie es mir ermöglichen, mich als gut und friedliebend zu empfinden!» Denn genau diesen Triumph hatte Bush ihm und allen anderen verschafft. Bush machte alle Erdenbewohner zu Menschen, die sich klug und gut und feinsinnig dünkten. Ein historisches Verdienst.
Aber jetzt? Was können Gutmenschen nach ihm tun? In Deutschland haben sie immer noch Hitler, an dem sie sich messen können. Dabei schneiden sie im Allgemeinen prächtig ab. Hitler hielt sich ebenfalls für einen guten Menschen, mit ein paar Ecken und Kanten; aber da muss er einen schiefen Blick gehabt haben, während die wirklich guten Menschen alles ziemlich klar sehen. Es bleibt dabei: Im Notfall, wenn alles andere zu kompliziert erscheint, können sie Zuflucht nehmen zu einem Hinweis auf die Nazi-Vergangenheit, am besten unter dem Motto «Nie wieder», oder zu einem Vergleich unter der Parole «Wehret den Anfängen». Prompt fühlen sie sich wieder obenauf.
Glücklicherweise gibt es noch weitere erlösende Themen und Rezepte, die zum moralischen Wohlfühlen geeignet sind. Ich habe sie in diesem Buch versammelt. Es sind die bewährten Rezepte der Moralapostel, der privaten und der öffentlichen. Diese Rezepte werden überall erfolgreich nachgekocht: von den Predigern in den Feuilletons, von den Gästen der Talkshows und in den Kultursendungen, von all jenen, die immer nur das Beste wollen, die sich bedeutend und besonders fühlen möchten, kurz, die es geschafft haben, ihren Egotrip als Wohltat für die Menschheit auszugeben.
Das sind gar nicht so sehr die üblichen verdächtigen Politiker und Pfarrer als vielmehr deren Kritiker. All die ungefragten Kommentatoren, die sich für aufgeklärt und kritisch halten. Sie sind die Prediger und Mitläufer der Religion des Gutmenschentums. Religion ist das, woran man glaubt und wozu man sich bekennt. Und das sind zurzeit schlichteste Floskeln wohlmeinender Gesinnung. Gutmenschen formulieren daraus ihre eigenen Ablassbriefe.
«Ich habe die Live-8-CD gekauft», «Ich bin gegen den Hass», «Ich habe die Aids-Gala gesehen», «Ich habe den Aufruf für Klimaschutz unterschrieben», «Ich bin für den Frieden», «Ich habe das T-Shirt ‹Deine Stimme gegen die Armut› bestellt, weil man was tun muss», «Ich bin gegen Nazis» – dergleichen todesmutige Bekenntnisse reichen Gutmenschen, um sich für eine Weile aller Sünden ledig zu fühlen. Umso behaglicher können sie dann privat hassen, raffen, übervorteilen und Diktator sein.
Ist das verwerflich? Nein, das ist normal. Heuchelei ist eine Primärtugend. Sie dient dem Überleben. Das Ich will bestimmen, das Ich will Diktator sein, das Ich will Gott sein, darf es aber nicht zugeben. Diese Erkenntnis Freuds bleibt gültig. Und sie wird am allerwenigsten widerlegt von Leuten, die behaupten, sie wollten Gutes. Dass es im Augenblick so viele tun, immer unter der Flagge des Engagements, ist kein Zeichen von Zivilcourage, sondern vom präzisen Gegenteil – von der Furcht, bei Fehlern ertappt und dann gerügt, angegriffen und ausgegrenzt zu werden.
Wer ertappt und rügt einen eigentlich? Vorwiegend Leute, die sich als Opfer verstehen. Leute, die sich als beleidigte Minderheit begreifen. Und – mit noch größerer Verve – alle, die in deren Namen sprechen möchten.
Hanns Joachim Friedrichs, einst Leiter der «Tagesthemen», hat behauptet, ein Journalist dürfe sich mit keiner Sache gemeinmachen, auch nicht mit einer guten. Wer weiß, ob er eine derartige Unabhängigkeit heute noch fordern würde. Der Wunsch, dazuzugehören und möglichst nichts falsch zu machen, ist dominant geworden. Niemand möchte dabei ertappt werden, dass er öffentlich «Neger» sagt statt «Farbiger» oder gar «Zigeuner» statt «Roma» und, jetzt wird es schon verbrecherisch, «Rasse» statt «Ethnie». Wer so etwas tut, muss zur Buße entweder sofort eine Anti-Kriegs-Gala ausrufen oder beim Dalai Lama Zuflucht suchen.
Die Prominenten schwadronieren vorweg. Auf wohltätigen Geselligkeiten oder auch auf ihren Websites sondern sie Aufrufe ab zu ökologischem Bewusstsein, sozialem Engagement und interkultureller Dialogbereitschaft. So dröhnend hohl die Phrasen sind, keiner kann dagegen sein. Das ist das Schöne. So entfällt auch jede Notwendigkeit einer staatlichen Zensur. Wo jeder als gut gelten möchte, zensiert auch jeder freiwillig seine Kollegen und sich selbst.
«There’s nothing either good or bad but thinking makes it so», äußerte Shakespeare: Gut und Böse seien eine Sache des Denkens, nicht der Realität. Und da, wer an das Gute denkt, gleichzeitig auch immer an das Böse denken muss, wird das Böse nie verschwinden. Das chinesische Yin-Yang-Symbol sagt aus, dass Schwarz und Weiß immer im gleichen Maße vorhanden sind. Wer Weiß vermehrt, vermehrt im gleichen Maße Schwarz, ungewollt und automatisch. Wer emsig für das sogenannte Gute kämpft, schafft ebenso emsig das sogenannte Böse.
Das ist erleichternd. Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen. Wir können ruhig so tun, als wären wir gut; das Böse bleibt uns treu. Wie sang die Erste Allgemeine Verunsicherung? «Das Böse ist immer und überall.» Das ist beruhigend. Das ist entspannend. Das macht optimistisch. Denn solange es etwas gibt, das wir böse nennen können, dürfen wir uns supergut fühlen.
Ja, auch ich, der Autor, möchte ab und zu mal als guter Mensch gelten. Sie etwa nicht? Na, kommen Sie. Wie? Dann lassen Sie uns unseren Spaß haben! Denn man kann mit diesem Buch auf zweierlei Weise glücklich werden. Erstens, indem man Gutmenschen ärgert. Indem man ihre Phrasen entlarvt, ihre Argumente aushebelt, indem man sie zwiebelt, grillt und ins Verlies ihrer eigenen Hohlheit versenkt. Und zweitens, indem man ihre schlichten Rezepte befolgt und selbst ein Gutmensch wird! Kann ja mal nötig sein. Beides lässt sich mit diesem Buch heiter und mühelos verbinden.
Auf in den Vergnügungspark der guten Menschen!
lassen sich ein
setzen Zeichen
bewegen etwas
üben Solidarität
erfinden sich neu
denken nachhaltig
fördern Behinderte
leisten Trauerarbeit
rocken gegen Rechts
gehen aufeinander zu
integrieren Ausländer
tragen zum Frieden bei
bauen alte Feindbilder ab
planen zukunftsorientiert
regen zum Nachdenken an
stoßen einige vor den Kopf
suchen eine gemeinsame Linie
arbeiten die Vergangenheit auf
führen den Dialog der Kulturen
treffen sich auf gleicher Augenhöhe
unterschreiben Unterschriftenlisten
sehen weg
grenzen aus
lassen nicht los
tun sich schwer
denken nicht um
treten suboptimal auf
sind unfähig zu trauern
spalten statt versöhnen
leben ein falsches Leben
bauen den Sozialstaat ab
sprechen Denkverbote aus
landen in der Ausweglosigkeit
benutzen Totschlagargumente
säen Zwietracht in die Herzen
fördern die Spirale der Gewalt
machen ihre Hausaufgaben nicht
hegen unterschwellige Vorurteile
treiben die Entpolitisierung voran
kommen nie in der Wirklichkeit an
sind zynisch und menschenverachtend
vergrößern die Kluft zwischen Arm und Reich
kehren in die Verhältnisse früherer Jahrhunderte zurück
Gute Menschen sind für die Natur. Nicht so sehr für die Natur in Form von Wanzen, Streptokokken oder Vulkanausbrüchen. Nein, mehr für die nette Natur mit singenden Vögeln, rauschenden Bäumen und blühenden Blumen. Für eine hübsche Umwelt. Gute Menschen sind außerdem für Nachhaltigkeit und für das Vorsichtsprinzip, was hauptsächlich bedeuten soll, dass sie genauso weitermachen möchten wie bisher.
Wenn sie sich für die Umwelt engagieren, dann natürlich nicht für die unmittelbare Umwelt, also bestimmt nicht für die Nachbarn und andere hässliche Erscheinungen. Sondern für die Umwelt im höheren Sinne. Für den Wald, den man links und rechts der Autobahn sieht. Er soll nicht sterben, jedenfalls nicht zu ihren Lebzeiten. Für die Luft, die nicht so viele Schwebstoffe enthalten soll, so lange sie atmen. Für das Klima, das etwas trockener und wärmer werden darf, aber ohne insgesamt die Balance zu gefährden. Der Golfstrom soll weiterhin nach Europa fließen, und allen Fischen soll es gutgehen, damit sie unbelastet auf den Teller kommen.
Gute Menschen sind für sauberen Strom, also für Ökostrom, der unter Garantie nicht in einem Atomkraftwerk erzeugt wurde, sondern auf einer grünen Wiese. Zum Beispiel von einem Windrad, das die Leute vor Ort nerven mag und gelegentlich ein paar Störche schreddert – aber davon ist eigentlich nichts mehr zu sehen, wenn der Strom aus der Leitung kommt. Höchstens, dass mal die Birne flackert. Kann auch sein, dass der Ökostromlieferant seinen Strom von einem anderen Anbieter bekommt, der den Strom aus einem Land bezieht, von dem niemand so richtig weiß, woher es eigentlich so viel Ökostrom hat. Aber der Endverbraucher, der gute Mensch, hat sein Bestes getan. Und immer noch besser, der Strom kommt aus einem skandinavischen Atomkraftwerk als aus einem deutschen. Skandinavische Atomkraftwerke sind irgendwie grüner.
Der gute Umweltmensch kauft biologisch, gern auf dem Biomarkt, wo man ihn mit Namen anredet. Oder im Bioladen, wo es immer ein bisschen ranzig riecht. Oder aber im Supermarkt, der auf einmal auch immer mehr Bioware anbietet, manchmal sogar Bio-Bioware. Mit den Biolebensmitteln ist es wie mit dem berüchtigten Rotwein Valpolicella: Auf dem Weltmarkt wird die hundertfache Menge angeboten von dem, was tatsächlich produziert wird. Immerhin, ein Prozent ist echt. Und Hauptsache, der Bedarf ist gedeckt. Denn letzten Endes kommt es vor allem auf den guten Willen an.
Jeder Gutmensch hat einen extrem guten Willen. Er hat in der Zeitung gelesen, dass das Wetter verrücktspielt, und das ist ärgerlich, wenn es verregnete Sommer zur Folge hat oder Sturmschäden an den Balkonkästen. Wenn die Gletscher sich zurückziehen und noch ein paar Ötzis freigeben, lässt sich das gerade noch verschmerzen. Und wenn die Polkappen so nach und nach wegtauen, freuen sich vielleicht die Eskimos. Überhaupt, dass es wärmer wird, ist nicht nur schlecht. Schade eigentlich, dass die Erde sich lediglich um sechs Grad erwärmen soll – und das erst bis zum Ende des Jahrhunderts. Das ist der eigentliche Skandal: Die richtig schönen Sommer kriegt man bei dem Zeitlupentempo gar nicht mehr mit!
Umwelt-Gutmenschen sind strikt dagegen, dass der Regenwald abgeholzt wird, besonders im Tempo von drei Tennisplätzen pro Tag oder zwei Fußballfeldern pro Stunde, oder gar pro Sekunde? Sie sind für eine sofortige Schließung aller bekannten Ozonlöcher und für allgemeine Arterhaltung. Wenn man beizeiten auf die Gutmenschen gehört hätte, wären die Dinosaurier heute noch am Leben. Gute Menschen verwenden niemals Tropenholz, nur wenn sie nicht wissen, dass es Tropenholz ist. Das ist wie mit der Nuklearenergie und der Gentechnik. Nur wenn sie beides nicht verhindern können, müssen sie zwangsläufig davon profitieren. Und falls dann was schiefgeht, haben sie ja auf jeden Fall recht gehabt.
Gute Menschen sind für die genaue Einhaltung des Kyoto-Protokolls, und sie sind sehr verärgert darüber, dass die Amerikaner das Protokoll noch nicht unterzeichnet haben, auch wenn niemand auf Anhieb sagen könnte, was eigentlich drinsteht. Auf jeden Fall sollen schädliche Emissionen reduziert werden. Gute Menschen produzieren keine schädlichen Emissionen. Wenn sie in den Urlaub fliegen, nehmen sie extra eine kleine Fluglinie, so etwas wie Ryan Air. Erstens, weil das günstiger ist, zweitens, weil eine kleine Fluglinie nicht so viel Kerosin in die Luft blasen kann. Dass die Billig-Airlines auf Kosten ihrer Angestellten so billig sind, ist deren Problem.
Gute Menschen sind nun mal gegen Schadstoffe. Auch sie selbst stoßen nur Schadstoffe aus, wenn es gar nicht anders geht. Am Ende erkennt man sie daran, dass sie ihre Eltern ökologisch beerdigen lassen. Die letzten tröstenden Worte, die sie ihrer Mutter auf dem Sterbebett zuflüstern, lauten nach Auskunft der betreuenden Ärzte häufig: «Auf die Einbalsamierung verzichten wir, okay? In den Konservierungsmitteln sind Schadstoffe.» Oder: «Eine Verbrennung wäre einigermaßen schadstofffrei.» Oder: «Beruhige dich, du kommst in eine biologisch abbaubare Urne, Mutter.» Oft huscht dann ein irres Lächeln über das Gesicht der Verblassenden, besonders wenn sie sich zu Lebzeiten ungenügend für die Umwelt engagiert hat. Jetzt bleibt ihr nichts mehr anderes übrig.
«Für den Sieg des Bösen reicht es schon, wenn die guten Menschen ihr Bestes tun», schrieb der schwarzhumorige Poet Charles Bukowski. Und jetzt tun sie ihr Bestes für die Umwelt.
… während wir uns entspannen
Abfall trennen
Energie sparen
vollwertig essen
bewusst fernsehen
Haushalt giftfrei halten
Filterpapier vermeiden
Ratgebertelefon anrufen
Essensreste kompostieren
Grüne Punkte ausschneiden
das Auto alternativ antreiben
Konsumverhalten überdenken
sorgsam mit Wasser umgehen
E-Nummern auswendig lernen
Nachhaltigkeit berücksichtigen
Verbraucherzentrale alarmieren
zum Blauen Umweltengel beten
erneuerbare Ressourcen anzapfen
Batterien zur Sammelstelle bringen
Verbrauch an Klopapier reduzieren
bewusst mit Kunststoffen umgehen
alternative Waschmittel verwenden
Gerade gute Menschen mit ihrer hochsensiblen Empfindsamkeit geraten leicht in düstere Stimmung. Manche Gutmenschen verlieren vorübergehend sogar das klare Bewusstsein. Mit den folgenden Sätzen, frisch und in wacher Sorge vorgetragen, können wir sie rasch wieder aufmuntern:
Die ersten Malaria-Mücken sind in Bayern angekommen!
Der Treibhauseffekt hat sich gestern erneut beschleunigt!
Jetzt warnen sogar die skeptischen Wissenschaftler!
Der Golfstrom scheint noch vor Jahresende zusammenzubrechen!
Das Ozonloch hat sich schon wieder ausgedehnt!
Alle Experten schlagen Alarm!
In den Polkappen sind neue Schmelzlöcher aufgetaucht!
Die Gletscher haben sich gestern noch weiter zurückgezogen!
Das Klima ist gekippt! Der Wald ist tot! Der Letzte hat das Licht ausgemacht!
Du hattest recht mit deiner Prognose: Der Kölner Dom steht unter Wasser!
Die letzten beiden Aufmunterungen verwenden wir nur, wenn die Animationsversuche mit den anderen keinen Erfolg gezeigt haben.
Die folgenden Fragen sind so sterbenslangweilig, dass gewöhnliche Menschen schon einschlafen, wenn sie sie hören. Aber nicht die guten Menschen! Sie wachen auf bei diesen Fragen. Ihre Augen beginnen zu funkeln, und ihr Herz schlägt heftiger, ihre Atmung beschleunigt sich. Mit diesen Fragen tun wir etwas für den Kreislauf guter Menschen. Zugleich erhöhen wir dabei unseren Lebensgenuss. Denn wir stellen diese Fragen bei einem gesetzten Essen oder bei einem kalten Büfett. Wir setzen unseren interessierten Blick auf. Und während der Umwelt-Gutmensch uns Vorträge hält, sammeln wir die delikatesten Leckerbissen ein. Bereits mit den ersten drei Fragen müsste er eine halbe Stunde lang glücklich beschäftigt sein.
Was hältst du von den jüngsten Wetterextremen?
Warum giltst du eigentlich als Querdenker?
Wo, glaubst du, hast du in deinem Leben am meisten für Nachhaltigkeit gesorgt?
Wie sollte deiner Ansicht nach eine kompromisslose Klimaschutzstrategie aussehen?
Stimmt es, dass einer deiner Nachbarn für den Wiedereinstieg in die Kernenergie plädiert?
Bis wohin, meinst du, wird der Meeresspiegel während deiner Lebenszeit steigen?
Welche Ressourcen werden hier und heute Abend wohl am wenigsten geschont?
Was hätten unsere Gastgeber noch tun können, um Abfall zu vermeiden?
Was könnten wir noch für die Lebensgrundlagen künftiger Generationen tun?
Was sagst du zu den Machtkämpfen zwischen Worldwatch, B.U.N.D. und Greenpeace? Meinst du, die jüngsten Morde haben etwas damit zu tun?
Um einen Gutmenschen zu verstehen, müsste man mindestens einen Tag lang mit ihm zusammenleben. Diese Belastung ist laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts niemandem zuzumuten. Umso dankbarer veröffentlichen wir den folgenden Tagesablauf, den ein bescheiden anonym bleibender Gutmensch uns zugesandt hat.
5Uhr. Das frühe Aufstehen fällt immer noch schwer. Aber wer das natürliche Sonnenlicht nutzt, verbraucht weniger Strom. Meinetwegen brauchen die Polkappen nicht wegzutauen! Noch im Bett neueste Reports von Worldwatch und B.U.N.D. gelesen. Superdeprimierend!
6Uhr. Eiskalte Dusche. Selbstverständlich ohne Duschgel. Und mit möglichst wenig Wasser. Ein nachhaltig bewusster Mensch muss naturnah duften dürfen. Gern auch ein bisschen nach Kompost. Dieses Aroma gibt es zu wenig in unseren denaturierten Städten. Yoga: lieber ausgelassen.
7Uhr. Fleischesser lassen die Mehlwürmer drin im Getreide, bevor sie es durch die Mühle drehen. Ich sammle die Dinger lieber raus und werfe sie aus dem Fenster, für die Vögel. Komisch, das Müsli schmeckt trotzdem unfrisch. Dabei weiche ich es mit levitiertem Wasser ein, das bei Vollmond abgefüllt wurde.
8Uhr. Größerer Klogang. Und immer wieder die Gewissensfrage: Spülung betätigen? Oder warten, bis sich mehr angesammelt hat? Greenpeace-Chef Leipold spült nur einmal pro Tag und erledigt kleinere Geschäfte im Garten. Vorbildlich. Findet im Mietshaus bisher leider zu wenig Unterstützung.
9Uhr. Auspufflärm in der Straße. Nachbar Wilkens wirft seinen alten Opel an. Das Ding hat weder Hybridantrieb, noch fährt es mit Rapsöl oder Biogas! Werde ihm mal meine gesammelten Altbatterien in den Briefkasten stopfen. Als kleinen Fingerzeig, wohin das alles führt.
10Uhr. Mein Büro in der Umweltbehörde. Ich formuliere Vorschläge an den Betriebsrat, wie durch Abschaffung unserer Mikrowelle und des Kaffeekochens der Stromverbrauch reduziert werden könnte. Fairtrade-Kaffee habe ich ja schon durchgesetzt. Das Gute daran: Keiner mag ihn.
11Uhr. Anruf von Mutter. Dabei habe ich sie erst gestern Abend besucht! Ihr Fernseher gehe plötzlich nicht mehr. Ach so, stimmt. Ich habe ja all ihre Stand-by-Schaltungen stillgelegt. Und ihre Heizung auf 16Grad runtergedreht. Die dementen Alten tragen zu viel zur Erderwärmung bei.
12Uhr. Der Chef außer Haus. Da kann ich in Ruhe im Web checken, wie Mutter bestattet werden könnte. Bloß nicht im Sarg! Die Kompostierung würde Jahrzehnte dauern. Das Amalgam aus ihren Zähnen würde ins Grundwasser gelangen, erst recht das Quecksilber aus dem Herzschrittmacher.
13Uhr. Kantine. Es riecht sonderbar. Wissen Sie eigentlich, frage ich den Koch, woher Ihr Mais kommt? Aus der Dose, sagt er. Meine Güte. Und die Milch, frage ich, wissen Sie, ob die Kühe genmanipuliertes Futter bekommen haben? Er starrt mich an. Hilfloses Opfer der Multis.
14Uhr. Ächz. Den Obstsalat hätte ich nicht essen sollen. Fühle mich ausgepowert. Die Südfrüchte enthielten vermutlich Pestizide, vor allem Blei. Jetzt kommen Blähungen, die auspuffmäßig rauswollen. Bleibe aber standhaft, weil das entweichende Gas die Atmosphäre nur weiter anheizen würde.
15Uhr. Kurzes Nickerchen. Der Elektrosmog im Büro macht müde. Sehe mir im Web die Genmais-Karte von Foodwatch an. Mensch, ganz in der Nähe sind Versuchsfelder! Da gehen wir an meinem Geburtstag mit den Jungs auf Nachttour und machen den Mais platt. Einer muss ja was tun!
16Uhr. Die Kollegen fiebern dem Fußballspiel heute Abend entgegen. Wisst ihr eigentlich, prüfe ich sie, wie viel Fußballfelder Regenwald pro Minute abgeholzt werden? Nöö, keine Ahnung, mosern sie, Hauptsache, der Rasen ist bespielbar! Faschisten. Ich wette, die fläzen sich zu Hause in Tropenholzsesseln.
17Uhr. Anruf von Anja. Sie will am Abend kurz reinschauen. Bevor sie kommt, soll ich gründlich lüften. Mein Gott! Ich versuche, die Temperatur in der Wohnung durch meine eigene Körperwärme einigermaßen stabil zu halten. Da kann ich Wind und Zugluft nicht gebrauchen!
18Uhr. Schock im Bioladen. Sehe ich da herkömmliche Glühbirnen in den Deckenlampen? Die müssen Sie durch Energiesparlampen ersetzen!, belehre ich die Frau an der Kasse. Darf ich Sie zu einem zielgruppenspezifischen Kursus in die Umweltbehörde einladen? Uff. Sie scheint kein Deutsch zu verstehen.
19Uhr. Wieder zu Hause. Verdammt, ich hatte nicht gespült! Jetzt muss ich doch ausgiebig lüften. Habe das Gefühl, Anjas Besuch untergräbt meine kompromisslose Klimastrategie. Während unserer gesamten Beziehung hat sie sich auch nie eindeutig zum Kyoto-Protokoll bekannt.
20Uhr. Anja da. Schnuppert angewidert. Seit sie ausgezogen ist, trägt sie die gesunden kratzigen Filzpullover nicht mehr. Ihr neuer Typ scheint für den Wiedereinstieg in die Kernenergie zu sein. Auch ihre selbstgemachten ranzigen Hautcremes hat sie aussortiert. Erst jetzt. Unfair.
21Uhr. Endlich rückt sie mit dem Grund ihres Besuches raus: Geld. Sie will mehr Unterhalt für Lisa. Willst du etwa auf Wegwerf-Windeln umsteigen?, frage ich entgeistert. Nicht, wenn du die Wolldinger wäschst, erwidert sie. Aber das geht nicht. Häufiges Waschen muss ich ablehnen.
22Uhr. Mutter am Telefon. Ihr Nachbar habe den Fernseher wieder in Gang gekriegt. Na, toll. Du hattest ihn ja kaputt gemacht, behauptet sie. So ein Quatsch! Mutter, sage ich, du kommst bald in eine kompostierbare Urne, damit du endlich mal was für die Umwelt tust! Kapiert sie nicht.
23Uhr. Bettlektüre über den Anstieg des Meeresspiegels. Schlimm! Allerdings: Wenn es in diesem Tempo weitergeht, könnte ich bald unten an der Straße einen Strandkorb aufstellen. Wäre ja auch nicht schlecht! Bedenkenswert.
24Uhr. Liege grübelnd wach. Sollte ich vielleicht doch zur globalen Erwärmung beitragen? Genehmige es mir auf die Weise, die Anja zum Auszug veranlasste. Anschließend kurz lüften. Entspannung.
Gute Menschen erkennt man im Supermarkt daran, dass sie eine Lesebrille aufsetzen, um den Inhalt einer Packung zu entziffern. Ist da etwa Chemie drin? Ja, höchstwahrscheinlich. Chemie spielt dummerweise die entscheidende Rolle bei allen Lebensvorgängen. Etwa beim Stoffwechsel. Der menschliche Körper ist voller chemischer Inhaltsstoffe. Ein Apfel auch, egal, wie biologisch er gereift ist. Aber jetzt