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Familie Anders ist ganz aufgeregt! Adeles kleine Schwester kommt endlich in die Schule! Doch zuvor soll Blümchen noch ihren kleinen Sprachfehler loswerden. Die ganze Hummelgasse hilft eifrig mit. Aber plötzlich will Blümchen gar nichts mehr sagen – kann Adele ihr Mut machen, sie selbst zu sein? Das Allerwichtigste ist doch, dass man zusammenhält und sich lieb hat! Willkommen bei Familie Anders in der Hummelgasse Als ältestes Kind der Familie Anders ist Adele die clevere Anführerin, die mit Mut und Einfallsreichtum jedes Abenteuer meistert. Begleite Adele und ihre fünf Geschwister auf der Suche nach einem neuen Familienmitglied, den besten Sommerferien oder bei der Gründung eines Geheimclubs! Freundschaft, Familienglück und jede Menge Spaß machen dieses Buch zum perfekten Leseerlebnis für alle kleinen Abenteurer ab 8 Jahren - und ihre Eltern. Entdeckt mit Adele die kleinen Wunder des Alltags und lasst euch von ihren Geschichten verzaubern!
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Seitenzahl: 108
Inhalt
Wenn Blümchen wachsen
Wir suchen Mamas Stimme
Das Ding mit dem Ch
Blümchen lässt den Kopf hängen
Die Hausschuhbeerdigung
Eine haarige Geschichte
Kurze Langeweile
Lauter neue Haare
Wie aus einem Unglück Glück wurde
Das große Rennen
Oskars Geständnis
Wenn sich zwei besondere Menschen in einer ganz besonderen mondhellen Nacht, unter einem ganz besonderen Baum, der genau in diesem Moment 100 Jahre alt wird, küssen, kann man sicher sein, dass diese Bindung eine ganz besondere sein wird und dass die Kinder, die daraus hervorgehen, ganz besondere Fähigkeiten haben werden.«
So erzählt es Papa immer wieder, wenn wir abends vor dem Kamin sitzen, gemütlich mit warmer Milch mit Honig in den Händen. Und diese besonderen Kinder, das sind wir: Henry, die Zwillinge Malin und Marlene, Oskar, Blümchen, Lu und ich, Adele.
Es gibt so Dinge, die sind traurig und schön gleichzeitig. Wenn man zum Beispiel ein wundervolles Buch fertig liest. Dann ist es einerseits so schön, weil man endlich weiß, wie es ausgeht, andererseits ist es traurig, sich von der Geschichte mit all den Personen, die einem so sehr ans Herz gewachsen sind, zu verabschieden. Ich muss immer am Ende weinen.
Und auch der erste Schultag ist so ein Fall. Einerseits freut man sich drauf, weil was Neues beginnt und alles so aufregend ist. Man fühlt sich auf einmal so groß und so wichtig und man hat den ganzen Tag so ein »Erster-Schultag-Gefühl«. Andererseits muss, damit was Neues beginnen kann, erst mal das Alte enden. Und das ist dann bei diesem Beispiel der Kindergarten. Allerdings ist man da noch so klein, dass man noch gar nicht so merkt, wie traurig das ist, und man weiß auch nicht so richtig, was das bedeutet, dass man da nie mehr hingehen wird. Jedenfalls wussten wir anderen Anderskinder und Mama und Papa ganz genau, was der letzte Kindergartentag von unserer kleinsten Schwester Blümchen bedeutete. Unser kleines Blümchen war jetzt groß. Na ja, natürlich nicht ganz groß. Im Vergleich zu uns fünf anderen Anderskindern immer noch ganz schön klein. Nur unser Lu ist noch kleiner. Wir sind nämlich sieben Kinder. Wir heißen mit Nachnamen Anders. Und wir sind auch irgendwie ganz schön anders. Mama sagt oft: Wir malen uns das Leben so, wie wir uns unser ganz eigenes Bild vom Leben vorstellen. Nicht so wie andere sich unser Leben vorstellen. Jeder muss eben sein eigenes Bild malen, das sagt sie. Und wir malen es sehr bunt und lustig. So haben wir es am liebsten.
Dann gibt es da noch was, was anders bei uns ist. Und das posaunen wir auch gar nicht in die Welt hinaus. Es ist unser Geheimnis. Unser Familiengeheimnis. Denn jedes der Anderskinder kann was ganz Besonderes. Mein Bruder Henry kann etwas, was man – Achtung, hier kommt ein schwieriges Wort – fotografisches Gedächtnis nennt. Man kann sich das so vorstellen, dass er in seinem Kopf einen Fotoapparat hat und mit seinen Augen alles, was er liest oder sieht, abfotografieren kann. Und das sortiert er dann in die Fotoalben in seinem Kopf ein und wenn er es braucht, muss er sie nur durchblättern. Die Zwillinge Malin und Marlene können etwas, was – wieder ein schwieriges Wort – Telepathie heißt. Sie können sich in ihren Gedanken miteinander unterhalten. Sie brauchen also nicht zu sprechen. Aber ich merke trotzdem meistens, wenn sie über irgendwas diskutieren, weil Malin ihre rechte Augenbraue dann immer hochzieht und Marlene die Zähne so fest aufeinanderpresst, dass auf ihrer Wange ein Grübchen entsteht.
Oskar kann unsere Oma Radieschen sehen und sich mit ihr verständigen, obwohl sie schon gestorben ist. Wie man das nennt, weiß ich gar nicht, weil es wohl auch nur ganz wenig Menschen auf der Welt gibt, die mit Verstorbenen sprechen können. Und darum hat das vielleicht gar keinen Namen. Ich hab schon mal darüber nachgedacht, wie ich das nennen würde, wenn ich ein Worterfinder wäre. Ich würde dazu vielleicht Wolkentelefonist sagen, weil ich immer dachte, wenn Omas sterben, sitzen sie auf irgendwelchen Wolken herum. Aber andererseits ist unsere Oma Radieschen ja mitten unter uns, also wäre der Name dann doch nicht so passend. Vielleicht könnte man eine Abkürzung nehmen und seine Fähigkeit ISWWDNS nennen. Was das heißen soll? »Ich sehe was, was du nicht siehst« – und das ist natürlich eine Oma Radieschen.
Blümchen kann Pflanzen schneller wachsen lassen. Mama sagt, dass Blümchens Fähigkeit auch keinen offiziellen Namen hat und im normalen Leben die Leute sagen würden: »Sie hat einen grünen Daumen!« Blümchens Daumen muss aber dann wirklich dunkelgrün oder tiefgrüngrün sein.
Meine Fähigkeit nennt man Telekinese – ich kann nämlich Dinge schweben lassen. Na ja, kleine Dinge. An den großen arbeite ich noch.
Unser kleinstes Anderskind, Lu, ist noch so klein, dass wir noch nicht genau wissen, was seine Fähigkeit sein wird. Einmal dachte ich schon, er könne mit Tieren sprechen, aber da hatte ich mich geirrt. Ein anderes Mal kam es mir so vor, als könnte er die Zeit anhalten, aber dann hab ich bemerkt, dass die Uhr nur keine Batterie mehr hatte. Es bleibt also ganz schön spannend mit unserem kleinen Lu.
Jedenfalls standen wir alle an einem Freitag im Sommer bei Blümchens Kindergartenabschiedsfeier. Und das war so traurig, dass wir alle ein bisschen weinen mussten. Auch Papa sind die Tränen runtergelaufen. Henry hat sich die ganze Zeit über die Augen gewischt. Und Oskar hat sich seine Mütze tief ins Gesicht gezogen. Aber ich konnte eine einzelne Träne sehen, die seine Wange hinunterlief. Marlene hat einfach laut losgeschluchzt und damit auch noch Mama angesteckt.
Blümchen sah eigentlich ganz fröhlich aus. Sie stand mit einem Blumenkranz zwischen Luki und Fynn, ihren besten Freunden und Verlobten, und sang aus voller Kehle. Es war ein Lied über die schöne Kindergartenzeit. Wenn der Refrain kam, »Drum sagen wir auf Wiedersehen!«, winkten alle Kindergartenkinder und Marlene und Mama schluchzten jedes Mal laut auf. Und sogar die Erzieherinnen sahen etwas wehmütig aus.
Nach der Aufführung kam Blümchen zu uns gerannt. Stolz hielt sie ihre Schultüte in der Hand, die sie im Kindergarten gebastelt hatte. Die Tüte war grün und hatte bunte Blumen aufgeklebt. Natürlich. Unverkennbar Blümchens Schultüte.
»Saut mal, was is für eine söne Sultüte hab!«, rief sie und ihre süße Stimme überschlug sich fast vor lauter Freude und Stolz. Sie hatte immer noch diesen süßen kleinen Sprachfehler. Manchmal, wenn sie sich sehr konzentrierte, konnte sie hier und da auch schon mal ein Sch oder ein Ch sagen. Aber das waren Ausnahmen. Papa meinte manchmal, dass Blümchen gar nicht vorhätte, ihre Sprache zu verbessern, weil wir das ja alle so süß fanden. Also versuchten wir, uns nicht mehr anmerken zu lassen, wenn wir fast dahinschmolzen vor lauter Blümchensüßigkeit. Mama meinte wie immer: alles zu seiner Zeit. Und dass Blümchen schon noch richtig sprechen würde, wenn sie eben einfach so weit war.
Auf dem Heimweg durfte jeder mal Blümchens Schultüte tragen, die ja noch leer war und deshalb auch noch ganz leicht. Als Lu seine Arme nach der Schultüte ausstreckte, legte Blümchen sie großzügig hinein. Und da passierte es. Als wir durch den Park Richtung Hummelgasse gingen, stolperte Lu und fiel. Zwischen ihm und dem Boden landete die Schultüte. Blümchen schrie auf. Lu sah Blümchen erschrocken an. Seine Mundwinkel gingen nach unten. Er begann zu weinen. Einerseits natürlich, weil er sich wehgetan hatte, andererseits weil er die Schultüte plattgemacht hatte.
»Meine Sultüte!«, weinte nun Blümchen. Papa nahm den weinenden Lu auf den Arm und Mama kümmerte sich um die Schultüte, während wir versuchten, Blümchen zu trösten.
»Die kriegt man schon wieder hin!«, sagte Mama und versuchte, sie wieder auszubeulen.
»Aber jetzt sind da Knicke drin!«, schluchzte Blümchen. »Und dreckis ist sie!« Lu legte seine kleine Hand tröstend auf Blümchens Arm. Sogleich beruhigte sie sich ein wenig.
»Weißt du was, Blümchen?«, begann Marlene. »Wir basteln dir einfach alle zusammen eine neue Tüte!«
»Die wird sicher genauso schön wie die aus dem Kindergarten!« Papa putzte Blümchen die Nase und schon sah unsere kleine Schwester wieder fröhlicher aus.
»Eine Slingpflanzentüte?«, fragte sie. »Oder eine Seerosentüte? Brokkoli mag is auch gern.«
»Wir können so viele Tüten machen, wie du willst, Blümchen. Eine ganze Schultütenproduktion!«
»Wir machen einen Schultütenladen auf und werden reich und berühmt!«
»›Anderstüten, die etwas andere Schultüte für Ihr Kind!‹«
»›Besonders beliebt: die Brokkolitüte.‹«
Jetzt musste Blümchen lachen und wir waren sehr erleichtert, dass unsere kleine Schwester wieder etwas fröhlicher aussah.
Als wir die Hummelgasse Nummer sieben, in der wir wohnten, fast erreicht hatten, sahen wir bereits aus der Ferne Frau Knebelding mit rotem Gesicht vor unserem Haus stehen.
»Was haben wir denn jetzt wieder angestellt?«, flüsterte Papa. Und er machte ein Gesicht wie ein kleiner Junge, der Angst vor seiner Strafe hatte. Ich musste kichern. Aber dann versuchte ich, gleich wieder ernst auszusehen, weil das mit Frau Knebelding manchmal auch gar nicht so lustig war. Frau Knebelding wohnt in der Nummer zwölf. Ihre Hobbys sind: Beschwerdebriefe schreiben, sich über Kinder aufregen, böse schauen.
»Frau Knebelding, guten Tag!«, säuselte meine Mama so freundlich sie konnte. Auch wir riefen fröhlich im Chor: »Hallo, Frau Knebelding!« Und lächelten ihr zu.
»Grmpf!«, machte sie erst einmal und dann sagte sie belehrend: »Hallo ist kein Wort. Hallo ist ein Unwort!«
Henry hob erst seine Augenbrauen, dann seinen Zeigefinger. Das machte er oft, wenn er eine zuvor abgespeicherte Information aus seinem Kopf wiedergab.
»Immerhin ist es das erste Wort, das Thomas Alva Edison mit dem von ihm erfundenen Phonographen aufgezeichnet hat. Wahrscheinlich hat das Wort ›hallo‹ seinen Ursprung in dem althochdeutschen ›halön‹. Vielleicht ist es aber auch eine Form von ›holla‹, dem verkürzten Fährmannsruf ›hol über‹.«
Frau Knebelding sah verwirrt von Henry zu unseren Eltern.
»Was bist du?«, fragte sie unseren schlauen Bruder. »Ein Kind? Oder ein Lexikon?«
»Wollen Sie wissen, wie ›hallo‹ in anderen Sprachen gesagt wird?«, fragte Henry und holte bereits tief Luft.
»Nein, danke, ich wollte gerade auf diesen sehr unschönen Fuhrpark hinweisen!« Sie zeigte auf unsere Eingangstür, vor der Roller, Fahrräder, Bobbycars, Laufräder und Puppenwagen kreuz und quer übereinanderlagen. »Das verschandelt die ganze Hummelgasse!«
Mama seufzte.
»Frau Knebelding!«, begann Papa. »Vielleicht schreiben Sie uns das einfach alles in einem ihrer schönen Briefe, dann haben wir es schwarz auf weiß. Im Moment sind wir alle etwas unberechenbar, weil hier sieben hungrige Kinder stehen und zwei noch hungrigere und dadurch sehr gereizte Eltern.« Und mit diesen Worten und Lu auf dem Arm verschwand er im Haus.
»Wir können dann deinen Brief in unsere Briefsammlung von dir legen. Da sind son ganz viele drin«, sagte Blümchen. Und so ließen wir Frau Knebelding einfach stehen.
Zu Hause wartete die Lasagne schon auf uns. Weil wir so viele sind, haben wir manche Dinge doppelt. Zum Beispiel zwei Kühlschränke in der Küche und sogar noch einen Zusatzkühlschank im Keller. Zwei Waschmaschinen und sogar zwei Backöfen. Mama schob also die drei Auflaufformen mit den vorbereiteten Lasagnen in den einen Ofen, Papa zwei Bleche Kuchen in den anderen.
»Oma fragt, ob das reicht, um satt zu werden, und ob wir auch daran gedacht hätten, dass sie auch sehr hungrig wäre!«, sagte Oskar.
»Ja, Oma Radieschen, natürlich kriegst du auch was ab. Alle werden hier satt!«, beruhigte Marlene unsere Oma.
Wir ließen den Tisch, der ja bei uns immer oben an der Decke hängt, herunter und alle halfen beim Decken. Ich ließ einen Teller an jeden unserer Plätze schweben und musste dabei mächtig aufpassen, dass keiner mit einem Kind zusammenstieß. Denn es wuselte wie immer ganz schön in unserem Wohnzimmer herum. Fast ein bisschen wie in einem Ameisenbau. Also ein Ameisenbau, in dem Teller rumfliegen, mein ich.
Nachdem wir dann gegessen und abgeräumt und beim Aufräumen geholfen hatten, machten wir uns gleich an die Arbeit. Papier wurde geholt und sämtliches Bastelmaterial, das wir finden konnten. Malin kümmerte sich um ein Hörspiel, so konnten wir zuhören und basteln gleichzeitig.
Mama stellte uns ein paar Kekse hin, Lu hielt seinen Mittagsschlaf und Papa war in den Keller gegangen, um ein paar Notizen für seine Forschung aufzuschreiben. Dort stand nämlich das Terrarium mit den Schnecken. Papa war neben seiner Arbeit als Spiele-Gebrauchsanweisungsschreiber auch noch Schneckenforscher.
So bastelten wir vor uns hin und bald lagen sechs wunderschöne Schultüten auf dem Tisch. Sie sahen ganz unterschiedlich aus. Oskar hatte, weil er später mal Astronaut werden will, eine Weltraumschultüte gemacht. Marlenes war mit Einhörnern verziert. Malins mit Fußbällen, Henrys mit ewig langen Zahlen, Blümchens beklebten wir mit verschiedenen Papierblumen und sie wurde wirklich viel schöner als die, die sie im Kindergarten gebastelt hatte. Meine war bunt wie der Regenbogen. Als Lu aufwachte, wollte er natürlich sofort auch noch eine kleine basteln und wir alle halfen mit. Dann lief er herum und spielte Einschulung.
»Worauf freust du dich denn am meisten, wenn du in die Schule kommst, Blümchen?«, wollte Henry wissen. Blümchen überlegte nicht lange.
»Auf die Pausen!«, antwortete sie und wir lachten.
»Die Pausen sind auch das einzig Gute!«, stimmte ihr Oskar zu. Ich stieß ihm mit meinem Ellenbogen in die Seite.