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Dr. Orison Swett Marden war einer der außergewöhnlichsten Persönlichkeiten zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In jungen Jahren bereits mit mehreren Schicksalsschlägen konfrontiert (beide Eltern starben vor seinem 7. Geburtstag), gelang es ihm, sich aus ärmlichen Verhältnissen emporzuarbeiten. Hochschulabschlüsse in Medizin, Jura und Theologie und eine Karriere in der Hotelbranche folgten. Befähigt durch die vielfältigen Erfahrungen, die er auf seinem Weg machte, entschloss er sich ein Buch zu schreiben, das Menschen ermutigen sollte, mehr aus ihrem Leben zu machen. "Pushing to the Front or, Success under Difficulties" wurde zum Bestseller - es wurde u. a. vom amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt empfohlen; Henry Ford und Thomas Edison sahen es als Inspirationsquelle an. Mit diesem und seinen über 50 weiteren Büchern, Booklets und seiner Zeitschrift "Success" erreichte er bis zu seinem Tod 1924 hunderttausende Leser auf der ganzen Welt. Er legte die Grundlagen vieler moderner Ratgeber und schrieb lange vor diesen über die Gesetze des Erfolgs, Selbstvertrauen, Beharrlichkeit, Persönlichkeit, Berufswahl, freies Sprechen, Gesetz der Anziehung und von Ursache und Wirkung. "Alle Kraft auf einen Punkt" enthält die 400 besten Auszüge aus den bisher unter dem Titel "Erfolgsklassiker" erschienenen deutschen Übersetzungen der Werke von Orison Swett Marden. Die "Best of"-Reihe der Erfolgsklassiker, bestehend aus: - Die Meisterschaft des Lebens - Das Beste aus seinen Werken - Niemals aufgeben! Motivierende Worte für jeden Tag - Alle Kraft auf einen Punkt - Die 400 besten Auszüge aus seinen Werken Erstveröffentlichung der Werke zwischen 1905 - 1930, Autor: Orison Swett Marden Umfang: ca. 160 Buchseiten
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Seitenzahl: 179
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Alle Kraft
auf einen Punkt
Die 400 besten Auszüge
aus seinen Werken
von
Orison Swett Marden
Erstveröffentlichung der Werke zwischen 1905 - 1930
Neuauflage: F. Schwab Verlag – www.fsverlag.de sagt Danke!
Copyright © 2018 by F. Schwab Verlag
2. Auflage 2018, ISBN: 978-3-944432-41-0
1.
Wir suchen aus dem Leben heraus, was wir wollen. Wir gleichen Insekten, die von den Blättern und Pflanzen, von denen sie leben, die Farbe annehmen; denn früher oder später werden wir unserer Geistesnahrung gleich, den Geschöpfen ähnlich, die in unserm Herz leben. Jede Handlung unseres Lebens, jedes Wort, jede Ideenverbindung ist mit stählernem Griffel auf unser eigentliches Innere geschrieben.
2.
Der einzige wirkliche Erfolg, der den Namen verdient, hat seine Wurzel in dem Bewusstsein, dass man mit den Jahren an geistiger und moralischer Kraft, an tieferer und höherer Einsicht gewinnt.
3.
Wenn wir aus Liebe zum Guten, zum Wahren, zum Schönen unsere Lebensarbeit mit unseren besten Kräften tun, so wird diese Arbeit ungeahnt und uns selbst unbewusst schön und edel sein.
4.
Was ist der Mensch anderes als ein Magnet, der entweder anzieht oder angezogen wird? Jeder gerät schließlich in die Gesellschaft, die ihm zusagt. Der ist der stärkste, der die Menschen an sich zieht, sich seine Gefährten selbst aussucht, seine Umgebung selbst schafft. Und das geschieht durch moralischen Mut, vereint mit physischer Tatkraft.
5.
Jeder reine und erhebende Gedanke, jedes Streben nach dem Guten und Schönen, jedes hohe Ziel und jedes selbstlose Bemühen wirken auf den Körper zurück, machen ihn stärker, harmonischer und schöner.
6.
In einer völligen Selbstentäußerung und Hingabe an alles Bessere, Reinere und Wahre besteht das Geheimnis, wie ein Charakter sich entwickelt. Durch hingebenden Eifer für das Edle und Treffliche wird unsere Selbstliebe geklärt und vermindert, und durch beständiges Aufschauen zur Vortrefflichkeit befreit sich unser Selbst von allem Nichtigen und Unreinen.
7.
Die Gewöhnung an sorgfältiges und genaues Arbeiten stärkt den ganzen Geist und verbessert den ganzen Charakter. Und umgekehrt, wenn wir unsre Arbeit unpünktlich, liederlich und nachlässig machen, so bringt das unsern ganzen Geist herunter, schwächt die Geisteskräfte und zieht uns ganz allgemein herab.
8.
Nur der kommt voran in der Welt, der die günstige Gelegenheit gerade in einfachen Arbeiten entdeckt, der in ganz gewöhnlichen Umständen ungewöhnliche Möglichkeiten erblickt. Was die Aufmerksamkeit deines Vorgesetzten und andrer Leute auf dich lenkt, das ist folgendes: tu deine Arbeit ein wenig besser als die Leute um dich herum, mache sie ein wenig hübscher, ein wenig schneller, ein wenig genauer, ein wenig sorgfältiger als die andern; sei findig im Entdecken, wie man alte Dinge auf neue und bessere Art machen kann; sei ein wenig höflicher und zuvorkommender, ein wenig taktvoller, fröhlicher und hoffnungsfreudiger, ein wenig energischer und brauchbarer als die andern!
9.
Eines der wichtigsten Vorzeichen des Erfolges ist die brennende Sehnsucht, seine Sachen wirklich fertig zu machen und im Kleinen ebenso genau zu sein wie im Großen.
10.
Wenn wir uns zu den besten Leuten halten, unser Bestes leisten, aber auch immer und überall das Beste für gerade gut genug für uns halten –, dann werden wir auch das Beste im Leben gewinnen. Wenn du etwas in deinem Wesen hast, was stets nur das Beste haben und tun will, und nie mit weniger zufrieden ist, wenn du diesen Maßstab in allen Stücken aufrecht hältst, dann wirst du dich sicher im Leben auszeichnen, vorausgesetzt, dass es dir nicht an Entschlossenheit und an Beständigkeit fehlt, diesem Ideal treu zu bleiben. Wenn du aber mit billigem Schund zufrieden bist, wenn dir nichts daran liegt, bei deinen Arbeiten, oder in deiner Umgebung, oder in deinen täglichen Gewohnheiten immer auf das Beste zu sehen, dann kannst du nichts andres erwarten, als überall an die zweite Stelle oder noch weiter nach hinten zu kommen.
11.
Wer etwas Wertvolles geleistet hat, der besaß eine hohe Anschauung davon, wie er seine Sache zu machen hatte. Er war nie mit mittelmäßigen Leistungen zufrieden, er war nicht zufrieden damit, die Sachen ebenso zu machen wie die andern, sondern er wollte sie immer ein wenig besser machen. Was ihm in die Hand kam, das brachte er einen Schritt weiter, eine Stufe höher. Und dieser Schritt bedeutet eben die Vortrefflichkeit der Arbeit. Wer sich fortwährend bemüht, in allem, was er unternimmt, der Beste zu sein, der gelangt auf die Höhe der Vollkommenheit und die Welt wird den Weg zu ihm finden.
12.
Mache es dir zur Regel, von der du nie abweichst, alles, was durch deine Hände geht, so gut wie möglich zu machen. Drücke ihm den Stempel deines Charakters auf. Lass Vollkommenheit deine Handelsmarke sein. Solche Leute werden überall gesucht. Diese Gewohnheit ist die beste Begabung, die es gibt, sie ist der erste Ersatz für Genie, sie ist besseres Kapital als bares Geld, sie hilft dir mehr als alle Freunde oder einflussreiche Empfehlungen.
13.
Alles kommt darauf an, dass du dir ein hohes Ideal von deiner Arbeit bildest. Halte den Gedanken der Vortrefflichkeit beständig in deinem Geist, denn nach dem Vorbild, das der Geist in sich trägt, gestaltet sich das Leben. Was wir denken, das werden wir. Deshalb erlaube dem Gedanken der Minderwertigkeit keinen Augenblick, in deinem Geist zu verweilen. Strecke dich nach dem Höchsten, lass dich mit nichts Minderwertigem ein. Lass Vollkommenheit das Losungswort deines Lebens sein.
14.
Wenn wir mit aller Kraft danach ringen, das Höchstmögliche zu leisten, so verändert sich unser ganzes Wesen zum Besseren. Alles hebt uns, wenn wir uns geistig aufwärts bewegen; alles zieht und noch weiter herunter, wenn es innerlich mit uns abwärts geht. Edler Ehrgeiz erhöht unser Lebensgefühl; wenn wir aber am Boden kriechen, so erniedrigen wir uns selber. Wenn wir in all unserm Tun nach vollendeten Leistungen streben, so wachsen wir auch innerlich; wenn unsre Ideale sinken, so geht es mit unserm ganzen Wesen abwärts.
15.
Hast du noch nie bemerkt, wie wohl es dir ist, nachdem du eine gute Arbeit fertig gemacht hast, wie deine Selbstachtung steigt, wie dein ganzes Wesen sich hebt? Was für ein Gefühl von Freude erfüllt dich, wenn du dein Meisterwerk betrachtest, in das du dein Bestes gelegt hast! Das kommt daher, weil ein angeborenes Gesetz uns gebietet, unsre Sache recht zu machen, sie so zu machen, wie es sich gehört.
16.
Warte nicht auf außerordentliche Gelegenheiten. Erfasse die kleinen Ereignisse und mache sie zu großen.
17.
Nicht der Arbeitsame, sondern der Faule beklagt sich beständig über Mangel an Zeit und Gelegenheit. Manche Menschen machen mehr aus den kleinen Abfällen von Gelegenheiten, die so viele achtlos wegwerfen, als andere in einem ganzen Leben vollbringen; sie saugen wie die Biene Honig aus jeder Blume. Jeder Mensch, der ihnen begegnet, jeder Zufall des Tages tragen etwas zu ihrem Wissen oder ihrer persönlichen Bedeutung bei.
18.
Schiebe deine guten Taten nicht auf, bis du Zeit hast, sie auszuführen; es wird so herzlich wenig Gutes in Mußestunden getan. Gerade die mit Arbeit überhäuften Männer und Frauen sind es, welche Hospitäler, Kirchen und Waisenhäuser bauen und Werke der Wohltätigkeit durch ihre Tätigkeit fördern.
19.
Dein Talent ist deine Bestimmung; in deinem Charakter spricht das dir bestimmte Schicksal. Folge deiner Neigung; du kannst nicht lange gegen sie ankämpfen. Hüte dich aber vor einem Talent, welches du nicht hoffen kannst, vollkommen zu entwickeln und auszuüben. Die Natur hat eine Abneigung gegen alles Halbe, Unfertige und drückt ihm ihren Fluch auf.
20.
In der Tat sind Diplome, vornehme Geburt, Talent und Genius von geringem Wert, wenn sie nicht mit Takt und praktischem Verstand Hand in Hand gehen. Nicht darauf kommt es an, was du weißt oder was du bist, sondern darauf, was du kannst.
21.
Was du auch im Leben anfangen magst: Sei größer als dein Beruf. Die meisten Menschen betrachten eine Beschäftigung als bloßes Mittel zum Lebensunterhalt. Welch eine niedrige, beschränkte Auffassung dessen, was die große Schule des Lebens, die Charakterschöpferin und Menschenentwicklerin für uns sein soll! Unsere Beschäftigung soll uns erhöhen und vertiefen und alle göttlichen Gaben in uns zur Darstellung bringen.
22.
Nicht viele Dinge mittelmäßig, sondern ein Ding vorzüglich zu tun, das ist die Forderung der Zeit, in der wir leben. Wer in unserem eifrigen, konzentrierten Zeitalter seine Anstrengungen zersplittert, der darf nicht auf Erfolg hoffen.
23.
Der große Unterschied zwischen solchen, welche vorwärts kommen und solchen, welche rückwärts gehen, besteht nicht in der Menge von Arbeit, die ein jeder tut, sondern in der Menge intelligenter Arbeit.
24.
Wie viel wir auch in der Jugend an Kenntnissen gesammelt haben mögen, – wenn wir ins Leben gehen ohne eine bestimmte Idee zu haben, was unsere künftige Arbeit sein soll, so können auch die günstigsten Umstände nichts Ganzes daraus machen; denn wie kann es einen günstigen Wind geben für einen Seemann, der gar nicht weiß, zu welchem Hafen er segeln will?
25.
Es ist unmöglich, ein würdiges Ziel mit aller Kraft des Geistes ruhig und ausdauernd zu verfolgen und trotzdem Schiffbruch in seinem Leben zu erleiden.
26.
Charles Dickens sagt: „Die eine nützliche, sichere, lohnende unerreichbare Hauptsache für jedes Studium ist Aufmerksamkeit; meine Erfindungsgabe oder Einbildungskraft allein würden mir niemals irgendwelche Dienste geleistet haben, wenn ich mir nicht angewöhnt hätte, aufmerksam zu sein“. Ein andermal sagte er: „Ich fasste eine Sache nie mit einer Hand, sondern stets mit allen meinen Kräften an“.
27.
Schönheit eines Charakters zeigt sich in der Abwesenheit aller scharfen Ecken und Kanten. Manch eine Seele, die beinahe schön ist, ist es nicht ganz, nur, weil sie scharfe Ecken besitzt. Das Gute in uns ist weniger gut, wenn es willkürlich, grob, unzeitig oder urteilslos zum Ausdruck kommt. Gar mancher und gar manche könnten ihren Einfluss durch freundliche Güte und feine Höflichkeit verdoppeln.
28.
Wir besitzen von Aristoteles die Beschreibung eines wahrhaft feinen Mannes, wie er vor mehr als 2000 Jahren als maßgebend galt: „Der edle Mann wird sich mit Mäßigung benehmen im Glück sowohl wie im Unglück. Er wird sich weder überheben noch erniedrigen. Der Erfolg wird ihn weder zum Jubel, noch die Niederlage zur Trauer bewegen. Er wird die Gefahr weder suchen noch vermeiden. Er wird weder über sich selbst, noch über andere viel sprechen. Er strebt nicht danach, gelobt zu werden, und er wünscht nicht, dass andere getadelt werden.“
29.
Viele wirklich gütige und freundliche Menschen werden für steif, hochmütig und stolz gehalten, weil sie schüchtern und zurückhaltend sind. Gerade das europäische Volk leidet an oft unbegrenzter Schüchternheit und sollte so viel wie möglich dagegen ankämpfen; denn obgleich Schüchternheit niemals gemeine Menschen, sondern nur verfeinerte Naturen quält, so ist sie doch eine Art Krankheit, die oft der höchsten Bildung hindernd im Weg steht. Man sollte Kinder früh in geselligen Künsten, wie Sport, Tanzen, Debattieren üben, um ihnen das Gefühl der Schüchternheit zu nehmen. Schüchterne Leute sollten sich geschmackvoll anziehen; denn gute Kleider geben ihrem Träger ein sicheres Benehmen und machen gesprächig.
30.
Hier ist ein Rezept für solche, die sich gute Manieren aneignen möchten: „Sei gegen andere so, wie du möchtest, dass sie gegen dich wären.“ Darin liegt die Höflichkeit des Herzens, die uns im Verkehr mit unsern Mitmenschen nie verlassen sollte, und die himmelweit entfernt ist von aller Kriecherei und Schmeichelei.
31.
Enthusiasmus ist jener geheimnisvolle, harmonische Geist, welcher über den Schöpfungen des Genies schwebt und sich dem Leser eines Buches oder dem Betrachter einer Statue fühlbar macht. Ein Kunstwerk versetzt uns, wenn es uns sympathisch ist, stets in einen Zustand gesteigerten, höheren Lebens.
32.
Man darf nicht zu viel von Büchern erwarten; ihr wirklicher Nutzen liegt außerhalb des Umschlages. Von einem großen französischen Gelehrten hieß es, dass er „in seinen Talenten ertrank“, und es ist eine Tatsache, dass übermäßige Gelehrsamkeit den Menschen schwächt und ihn dem wirklichen Leben entfremdet. Sie macht ihn eingebildet, schüchtern, kritisch, und unfähig, praktisch zu arbeiten und im gewöhnlichen Leben seine Stellung auszufüllen. Unsere Zeit aber verlangt nach praktischen Menschen; sie stellt die Frage an dich: „Was verstehst du zu tun?“ Wer in unserer wetteifernden Zeit vorwärts kommen möchte, der muss in Fühlung mit der großen, eifrigen, geschäftigen Welt bleiben; nicht von denen darf er sein, die nur das Unendliche und Unbegrenzte erfassen, ohne je etwas Praktisches zu leisten.
33.
Jemand, der fest überzeugt ist, dass Möglichkeiten in ihm vorhanden sind, besitzt sie wirklich.
34.
„Ich nenne keinen Mann groß“, sagt Voltaire, „es sei denn, dass er der Menschheit große Dienste geleistet habe.“ Die Menschen werden nach ihren Taten, nicht nach ihrem Reichtum beurteilt.
35.
Gott sei Dank, dass es Menschen gibt, denen der Mammon nichts und Ehrenhaftigkeit alles ist. Sie leben in ihr und mit ihr, sie lieben sie, sie ist ihr Gott, den weder Gold, noch Ruhm, noch Macht ihnen ersetzen können. Durch Ehrenhaftigkeit werden sie zu edlen, tapferen, guten, großen Menschen.
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36.
Es steht wirklich so: Die meisten deiner Vorzüge und Errungenschaften können die andern Menschen nur gelegentlich sehen und genießen; von deinem prächtigen Heim und deinen Besitztümern wissen nur ganz wenige; sprichst du aber gut, so steht jeder einzelne, mit dem du sprichst, unter deinem Zauber und Einfluss.
37.
Wer’s nicht kann, der entschuldigt sich gern dafür, dass er sich keine Mühe gibt, es zu lernen, mit dem Satz, die Gabe des guten Plauderns müsse wie die Rednergabe angeboren sein. Aber da könnte man ebenso gut behaupten, zum guten Rechtsanwalt oder Arzt oder Kaufmann müsse man geboren sein, während doch niemand auf diesen Gebieten etwas halbwegs Gutes leisten wird ohne tüchtige Arbeit. Diese ist eben der Preis, den wir für alles zahlen müssen, was Wert hat.
38.
Das öffentliche Sprechen übt auch auf die Redeweise des Alltags einen höchst günstigen Einfluss aus, und man sieht oft, wie rasch sich ein junger Mann weiterentwickelt, wenn er einmal angefangen hat, öffentlich oder in einer Rednerschule zu sprechen. Er fühlt seine Kraft, wenn er sieht, dass er imstande ist, die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer festzuhalten, ihre Gefühle zu lenken und ihren Verstand zu überzeugen; das gibt ihm Selbstvertrauen und Sicherheit, weckt seinen Ehrgeiz und macht ihn auch auf andern Gebieten leistungsfähiger. Chesterfield sagt mit Recht: „Jeder Mensch kann sich fein und gewählt ausdrücken, statt grob und nachlässig, wenn er will, jeder kann sich mit Anstand bewegen und angenehm und eindrucksvoll sprechen, wenn er sich Mühe gibt.“ Aber freilich, arbeiten muss man dazu, von selbst lernt es sich nicht. Wer öffentlich spricht, muss imstande sein, klar und logisch zu denken; er muss seine Stimme in der Gewalt haben, und schließlich sind angemessene Haltung und passende Handbewegungen notwendig. Dazu gehört freilich häufige Übung, die recht früh beginnen muss. Jeder junge Mann sollte deshalb einen Debattierklub besuchen, eine Gesellschaft zur Übung lebendiger Rede und Gegenrede. Nichts wird deine Schüchternheit schneller nehmen als diese Übung.
39.
Viele Menschen, besonders Gelehrte, glauben offenbar, das Wichtigste im Leben sei, so viel Wissen als möglich in sich hineinzustopfen. Aber mindestens ebenso wichtig ist, dass man dieses Wissen in einer für andere genießbaren Form wieder von sich geben kann. Du kannst ein grundgelehrtes Haus sein, du magst in Geschichte und Politik, in Wissenschaft und Literatur noch so belesen sein – wenn dein Wissen in dir verschlossen bleibt und du es nicht ausgeben kannst, so wirst du immer hinter andern zurückstehen müssen. Es kann dem Einzelnen wohl ein Gefühl der Genugtuung gewähren, wenn er vieles in sich verschlossen herumträgt, aber die Welt schätzt es nicht und gibt ihm nichts dafür, so lange es nicht aus ihm heraustritt. Ein ungeschliffener Diamant ist ja viel größer als ein geschliffener, aber die begeisterte Beschreibung der in ihm verborgenen Schönheit wird so lange niemand überzeugen, bis er geschliffen ist und das Licht in ihn hinein strahlt und seinen verborgenen Glanz zum Leuchten bringt. Was das Schleifen für den Diamanten, das ist die Kunst des Sprechens für den Menschen: der Wert wird nicht vergrößert, aber er wird sichtbar.
40.
Wenige Dinge haben einen so günstigen Einfluss auf die Entwicklung des Verstandes und des Charakters, als das beständige Bestreben, alles was man sagen will, gut, klar und anziehend zu sagen; das ist ein ausgezeichnetes Mittel zur Selbsterziehung, das sehr oft trefflich über die Mängel einer unvollkommenen Schulbildung weghilft. Denn die Schule bildet ihren Zögling nur einige Jahre lang und nur wenige Stunden am Tag, während das Sprechen in der Unterhaltung das ganze Leben hindurch geübt werden kann. Und mancher hat seine beste Bildung in dieser Schule empfangen. In einer mit solcher Absicht der Selbsterziehung geführten Unterhaltung treten alle möglichen Fähigkeiten zutage, die sonst verborgen blieben. Das Denken wird aufs stärkste angeregt, das Selbstvertrauen und die Selbstachtung wachsen, wenn wir fühlen, dass wir auf andre anziehend und festhaltend wirken.
41.
Kinder sollten so viel wie möglich von Schönem umgeben sein, sei es vom Naturschönen oder von Kunstschönem. Man sollte keine Gelegenheit versäumen, wo man ihre Aufmerksamkeit auf etwas Schönes lenken kann. Damit gibt man ihnen Schätze für ihr Leben mit, die sie später nicht um alles Geld in der Welt kaufen können. Es gibt gar keine bessere Vorbereitung fürs Leben, als den Sinn für das Schöne zu entwickeln, denn er bringt Farbe und Freude in das ganze Dasein; er macht nicht bloß glücksfähiger, sondern auch leistungsfähiger.
42.
Es liegt nur an dir, die höchste Schönheit, die weit über bloß regelmäßig gebildete Züge hinausgeht, zu gewinnen, wenn du nur den Gedanken der Schönheit beständig in dir trägst, freilich nicht den Gedanken bloß äußerlicher Schönheit der Züge, sondern den der Herzens- und Seelenschönheit, und wenn du in dir gütige, vertrauensvolle und selbstlose Gesinnung pflegst. Das ist die Grundlage aller wirklichen persönlichen Schönheit. Wer Schönheit des Charakters ersehnt und strebend sich darum bemüht, dem kann es nicht fehlen, dass sein ganzes Wesen schön wird, und da alles Äußere nur der Ausdruck des Inneren ist, so muss sich diese Stimmung in seinem Gesicht, seinen Formen und seiner Haltung ausprägen und auch sein Äußeres schön werden. Wer Gedanken der Liebe und Schönheit beständig in sich hegt, der wird überall so sehr den Eindruck der Harmonie und der Güte machen, dass kein Mensch mehr sieht, ob er weniger schöne Gesichtszüge oder irgendeinen Körperfehler hat.
43.
In dem Buch „Der Weltbürger“ erzählt Goldsmith, einem chinesischen Beamten, der in strahlendem Diamantenschmuck aufgetreten sei, habe ein Mann aus der ihn umdrängenden Volksmenge für diese Edelsteine seinen Dank ausgesprochen. Als der Beamte fragte: „Was willst du damit sagen? Ich habe dir doch keinen davon geschenkt!“ da antwortete der Mann: „Das nicht, aber du hast mir vergönnt, alle anzusehen und zu bewundern. Da nun das der einzige Gebrauch ist, den du davon machen kannst, so ist kein Unterschied zwischen dir und mir, ausgenommen die Mühe, die du dir machen musst, sie zu hüten – und die möchte ich gar nicht haben.“ Wenn du es verstehst, aus allem, was dich umgibt, in diesem Sinn etwas herauszuholen, so bist du wirklich reich. Die Schönheit ist im Besitztitel nicht eingeschlossen – sie gehört jedem Auge, das sie betrachtet, jedem Geist, der sie in sich aufnimmt. Zum Glück gibt es doch immer Menschen, die diese Fähigkeit haben. Sie brauchen nicht Besitzer der Dinge zu sein, an denen sie sich erfreuen; sie kennen keinen Neid und freuen sich am Glück andrer. Das ist eine wahrhaft göttliche Gabe. Sie schafft tausend frohe Erfahrungen und Erlebnisse, sie macht das Leben inhaltsreich, ja sie weitet und bereichert das ganze Wesen dessen, der sie besitzt. Umgekehrt, wer so engherzig und selbstsüchtig ist, dass er sein Herz für das Schöne um ihn nicht aufschließen kann, bloß weil es andern gehört, dessen Leben ist arm und kümmerlich.
44.
Wenn wir diese beiden Arten von Menschen auf ihren Unterschied genau ansehen, so finden wir: die einen sind von Menschenliebe erfüllt, die andern nicht. Freilich, der eigentliche, geheimnisvolle Zauber der Persönlichkeit, der alle unter seinen Bann zwingt, die starke persönliche Anziehungskraft, die mühelos alle Herzen gewinnt, das sind im Wesentlichen angeborene Gaben. Aber trotzdem sehen wir doch bald: der Mensch, der frei von Selbstsucht handelt, der wirklichen und aufrichtigen Anteil an dem Wohl andrer nimmt, der glücklich ist, wenn er in die Lage kommt, einem Mitmenschen eine Gefälligkeit zu erweisen – der übt jenen erhebenden und belebenden Einfluss aus, wo er auch ist, selbst wenn seine äußeren Formen zu wünschen übrig lassen. Er bringt jedem, mit dem er in Berührung kommt, Mut und Zuversicht, und jedermann liebt ihn und vertraut ihm. Und dieses Stück höherer Persönlichkeit können wir alle in uns pflegen und entwickeln.
45.
Es ist immer ein Fehler, wenn man eine Gelegenheit versäumt, mit andern zusammenzukommen, besonders mit solchen, die innerlich reifer sind als wir, denn wir können immer einen Gewinn davontragen, und wenn es nur der ist, dass unsre rauhen Ecken und Kanten abgeschliffen werden. Wenn du die Gesellschaft andrer Menschen mit dem Entschluss aufsuchst, ihnen etwas zu sein und etwas zu geben, dein Bestes hervorzuholen und alle die Kräfte in dir bei dieser Gelegenheit zu entwickeln, die bisher aus Mangel an Übung geschlummert haben, dann wirst du keine Gesellschaft langweilig oder nutzlos finden. Wenn du jeden Menschen ansiehst als eine Fundgrube von Schätzen, die dich reicher, kraftvoller und besser machen können, dann wirst du die Zeit nicht für verloren halten, die du in der Gesellschaft verbracht hast.
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Das beste Mittel, Menschen anzuziehen, besteht darin, dass du in ihnen das Gefühl erweckst, du nehmest aufrechten Anteil an ihnen. Aber du darfst nicht bloß so tun, sondern es muss wirklich so sein, sonst bist du rasch entlarvt. Wenn du das Herz eines jungen Menschen gewinnen willst, so gelingt dir das am schnellsten, wenn er merkt, dass du an seinem Tun und Lassen, besonders aber an seiner Zukunft wirklichen Anteil nimmst. Wenn du dich von den Menschen zurückhältst, so kannst du nichts andres erwarten, als dass sie sich auch von dir zurückhalten, und wenn du immerfort von dir selber sprichst, so wirst du bald merken, wie man dir ausweicht.
47.