ALLein oder nur allein gelassen - Henning Scheffler - E-Book

ALLein oder nur allein gelassen E-Book

Henning Scheffler

4,8

Beschreibung

Nach einem schlimmen Streit mit seiner Freundin stürmt Thomas aus dem Haus. Um den Kopf freizubekommen, läuft er durch den nahegelegenen Wald. Als er auf eine Lichtung tritt, traut er seinen Augen kaum: Ein Ufo mit geöffneten Türen steht vor ihm. Die Außerirdischen um ihn herum sind freundlich, sprechen sogar seine Sprache. Thomas sieht in der Situation die Chance seines Lebens: Er braucht lediglich mit denen, die da vor ihm stehen, die Erde verlassen … Wie würden wir Erdenbürger reagieren, wenn wir plötzlich vor den Bewohnern eines anderen Planeten stehen würden? Würden wir auf die Fremden zugehen, in ihnen die einzigartige Möglichkeit sehen, Neues kennenzulernen? Oder würde die Angst uns lähmen, das Misstrauen in uns beiderseitig eine ablehnende Haltung schaffen?

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Ich, der Autor des Buches, bin Jahrgang 1964. Alt genug, dass ich damals, im Jahr 1969, die erste Mondlandung bewusst wahrgenommen habe.

Später, in der Zeit zwischen Kindheit und Pubertät, eine prägende Zeit für Lebenserfahrungen jeder Art, kam das Ufo-Thema richtig auf, das mich fortan nicht mehr losließ und auch in meinem damaligen sozialen Umfeld breit diskutiert wurde. Während meiner Schulzeit beteiligte ich mich an verschiedenen Schulprojekten für Theater und Film. Dort schrieb ich kleine Texte für Rollenspiele. Nach Beendigung meiner Schulzeit belegte ich einen Fernkurs der Axel-Anderson-Akademie, um kreatives Schreiben in vollem Umfang zu erlernen. Von da an schrieb ich – vorerst zum Zeitvertreib – Kurzgeschichten. Bis heute fasziniert es mich, ungewöhnliche Ideen zu einem Ergebnis zu bringen.

Manchmal liebe ich es, gedankenverloren spazieren zu gehen, doch nur, um mich später mit Kuli und Block auf eine Parkbank zu setzen – wäre doch schade, wenn spontane Einfälle für immer verloren gehen würden! Im Laufe der Zeit kam mir eine Idee – ein großer Plan für meine Zukunft. Wenn ich zahlreiche Kurzgeschichten ein und desselben Lieblingsthemas aneinanderreihe, könnte daraus ein ganzes Buch entstehen …

Vorwort des Verfassers

Die meisten von uns stehen allem, was in irgendeinem Zusammenhang mit Ufo-Sichtungen zu tun hat, äußerst skeptisch gegenüber.

Zumindest in der Öffentlichkeit. Wer will schon eine Außenseitermeinung vertreten, für die es bis heute keine Beweise gibt?

Wer will schon, etwa in sozialen Netzwerken, in denen sämtliche Meinungen ad hoc endgültig bewertet werden, behaupten, er habe am Nachthimmel kugelrote, eigentümliche Flugobjekte schweben sehen?

Das klingt alles so unlogisch. So abgehoben! Dinge, die logisch sein sollen, müssen für jedermann klar nachvollziehbar sein, sollten mehrheitsfähig sein, um zu vereinen.

Doch an dieser Stelle gibt es auch einen Punkt, in dem sich die meisten – trotz unterschiedlicher Meinungen über Lebensformen im Weltall – einig sind. Besucher aus dem Weltall müssten eines Tages direkt vor uns stehen. Uns anschauen!

Nicht so schnell! Es gibt Argumente, die darlegen, Außerirdische beobachten uns lediglich aus der Ferne. Viele Argumente ...

Um zu verdeutlichen, auf welche Art und Weise uns außerirdische Astronauten sehen und bewerten (könnten), habe ich eine Abenteuergeschichte geschrieben, in der sich meine Romanfigur Thomas auf einem außerirdischen Planeten einleben und zurechtfinden muss.

Dabei werden zugleich Fragen geklärt, die für manch einen unlösbare Geheimnisse sind.

Sie werden Antworten finden. Sie werden die nackte, ungeschminkte Wahrheit erfahren, wie Außerirdische uns wirklich einschätzen.

Schon aus diesem Grund ist dieses Buch leicht zu lesen, denn es soll nicht überfordern, dafür aber zu eigenen, freien Gedanken anregen. Unfreie Gedanken sind die, die am Anfang des Denkens, hervorgerufen durch falsche Scham oder geprägt durch Erziehung, im Keim erstickt werden, bevor sie richtig ausreifen können. Außerirdische denken anders! Sie sind nicht so wie wir selbst sind!

Dieses Buch ist aber nur ein Roman – kein Manifest.

Es reicht völlig aus, wenn Sie, je nach Belieben, den unterschiedlichen Themen mal mehr, mal weniger Glauben schenken. Ebenso ist es keineswegs schlimm, wenn Sie den Unglauben an Außerirdische weiterhin aufrechterhalten wollen.

Das Wichtigste beim Lesen ist:

Viel Spaß beim Lesen!

Henning Scheffler

Inhaltsverzeichnis

Vorwort des Verfassers

Kapitel 1 Sehnsucht nach sinnvollem Leben

Kapitel 2 Thomas’ erste Reise in einem Ufo

Kapitel 3 Erster Vorgeschmack einer neuen Zeit

Kapitel 4 Adamo und Eva

Kapitel 5 Neues Leben auf der Vetos

Kapitel 6 Adamo und Eva bei ihrer Sinnsuche

Kapitel 7 In der Stadt

Kapitel 8 Mitten im Leben

Kapitel 9 Für die Seele

Kapitel 10 Zeit der Entscheidung

Kapitel 11 Endurteil für die Erde

Kapitel 12 Zeit des Abschieds

Kapitel 13 Abreise zur Erde

Kapitel 14 Wiedereinkehr in die alte Heimat

Kapitel 15 Thomas’ neues Leben

Kapitel 16 Das Pendel der Zukunft

Kapitel 17 Der Geheimbund

Kapitel 18 Nutze alle Möglichkeiten

Schluss

Kapitel 1

Sehnsucht nach sinnvollem Leben

Die Geschichte von Thomas beginnt im Juni, Ende der achtziger Jahre. An jenem Tag war ein sehr warmer Sommermorgen. Im Klassenzimmer warf die Sonne ihr Licht durch das Fenster der Realschule, in der Thomas das zehnte Schuljahr absolvierte. Es blieben noch wenige Tage bis zur Zeugnisausgabe. Thomas konnte in den Unterrichtsfächern Biologie, Erdkunde und Chemie mit besonders guten Schulnoten punkten. Kein Wunder, zu seinen Hobbys zählten Erdkunde, Baumkunde sowie organische Chemie.

Die Notenbesprechung war für die Schüler schon längst abgeschlossen und da es nichts mehr zu unterrichten gab, durften sie ihr Lieblingsthema nennen, über das gefachsimpelt werden sollte. Ein Vorschlag, der selbst bei den Lehrern gut ankam. Es war reizvoll für sie, Neuland zu betreten.

Die Wahl fiel auf Weltraum- und Sternenkunde. Auch dies war kein Wunder! Vor einigen Wochen hatte sich auf einem der Aussiedlerhöfe, einige Kilometer hinter der Stadt, eine undurchsichtige Geschichte ereignet. Vor geraumer Zeit hatte dort ein junges Pärchen einen solchen Hof gekauft, um Ökolandwirtschaft zu betreiben. Die Geschäfte liefen aber nur sehr schleppend und um über die Runden zu kommen, mussten die beiden Jungbauern länger und härter arbeiten, als sie dachten.

Wie dem auch sei, eines Abends kehrte deren Nachbar von seinen Besorgungen aus der Stadt zurück. Da beide Höfe auf einem Berg liegen, muss jeder, der dorthin will, eine steile, lange Schotterpiste hinauffahren. Nachdem der Nachbar das erste Drittel des Weges zurückgelegt hatte, sah er, wie ein hellblauer Lichtblitz aus der nahegelegenen Waldrichtung gen Himmel schoss. Zu der Zeit war aber ruhiges Wetter, ein Unwetter konnte eindeutig ausgeschlossen werden.

Oben angekommen, fand er das Nachbarhaus mit geöffneten Türen vor. Von den beiden Jungbauern, er heißt Adamo, sie heißt Eva, fehlt bis heute jede Spur. Und was besonders merkwürdig ist: Obwohl sonst nichts im Haus angerührt wurde, so stellte später die Polizei fest, fand man dort kein einziges Buch! Die beiden waren trotz oder gerade wegen ihrer harten Arbeit als Leseratten bekannt und kauften viele Bücher, darunter auch Fach- und Sachbücher.

Schon bald kamen Gerüchte von einer Ufo-Entführung auf, erst recht, als selbsternannte Ufologen an einigen Stellen auf der Lichtung des nahegelegenen Wäldchens erhöhte Radioaktivität nachweisen konnten. Dennoch konnte die Geschichte noch nicht einmal ansatzweise aufgeklärt werden, sodass sie durch zahlreiche Verschwörungstheorien noch zusätzlich aufgebläht wurde.

Kein Wunder also, dass allein schon der Vortrag über die Raumsonden der siebziger Jahre in Thomas Schulklasse auf reges Interesse stieß. Anfang der siebziger Jahre ist eine der Pioneersonden der NASA in den Weltraum geschossen worden. Nach geplanten Erkundungstouren der Gasriesen Jupiter und Saturn sollte sie ihre Reise bis über den Rand unseres Sonnensystems fortsetzen. Hinaus ins Weltall bis, ja bis sie irgendwann einmal auf außerirdisches Leben trifft! Zu diesem Zweck ist extra eine Aluminiumplakette an der Sonde angebracht worden, mit Symbolzeichnungen als Information für Außerirdische. Nebenbei geben sie Auskunft, wie jemand uns finden kann.

Herr Meier, unserer Klassenlehrer, malte diese Symbole mit Kreide an die Schultafel. Nun drehte er sich zu seinen Schülern um: »Wer kann aus dieser Darstellung etwas herausdeuten?«

Da aber keiner der gesamten Klasse verstand, was diese Zeichen ausdrücken sollten, sah Herr Meier außer Achselzucken und großen, fragenden Augen nichts weiter.

»Dann werde ich mal erklären, was es mit dieser Art Zeichnung auf sich hat«, sagte er und erläuterte Stück für Stück deren Bedeutung.

Thomas aber schien das wohl nicht zu interessieren. Während alle anderen gespannt nach vorn schauten, starrte er auf Konstanze, die ihm schräg gegenüber saß. Er durchbohrte sie förmlich mit seinen Augen, achtete auf jede ihrer einzelnen Bewegungen, sah zu, als sie sich mit ihren Fingern durchs Haar fuhr und träumte derart vor sich hin, dass es jedem in der Klasse auffiel, außer ihm selbst.

Herr Meier unterbrach seine Erörterungen, schaute zu Thomas: »Darf ich unseren angehenden Biologen bitten, das von mir Vorgetragene zu wiederholen?«, fragte er spöttisch.

»Ich ... ich habe nicht zugehört, war mit meinen Gedanken ganz woanders«, stammelte er, was mit schallendem Lachen der ganzen Klasse kommentiert wurde.

»So«, sagte Herr Meier grienend, nachdem sich die Klasse wieder beruhigt hatte, »nun werde ich diesen Teil noch mal erklären, damit es auch Thomas versteht.«

Am Ende der Unterrichtsstunde konnte nun wirklich jeder perfekt die Botschaften des Schildes erklären, selbst Thomas!

Auf dem Weg zum Pausenhof bummelte Thomas durch die Gänge des Schulgebäudes. Er träumte wieder mal ein bisschen. Vielleicht von Konstanze? Wenn dem so gewesen ist, dann sollte er nun seine Chance bekommen. Konstanze saß bereits auf einer Parkbank des Pausenhofs, sah Thomas, lächelte ihn verschmitzt an und winkte ihn zu sich. Thomas indes, nahm auf der Parkbank Platz und schaute sie wortlos an. Man konnte an seiner unsicheren Art sich zu setzen erkennen, wie das Lampenfieber förmlich in ihm aufstieg.

»Thomas«, fragte Konstanze, sie genoss es so umschmeichelt zu werden, »ich wusste gar nicht, dass du ein Auge auf mich geworfen hast?«

»Zwei Augen«, konterte er, »weil du es mir wert bist!«

Konstanze lachte. Thomas gefiel’s. Nicht, dass sie lachte, sondern wie sie es tat. Thomas sah nun seine Chance, genau jetzt war der richtige Zeitpunkt für weitere Treffen mit ihr. Viel zu lange war er wieder solo. Lag es an seiner Art, sich vom Leben erst überraschen zu lassen, die schon längst zu seiner Lebensmaxime geworden ist?

Auch Konstanze war zu dieser Zeit wieder allein, nicht zuletzt, da sie sehr selbstbewusst und bestimmend wird, sobald sich eine Freundschaft ein wenig gefestigt hatte. Konstanze rückte ein wenig näher an Thomas heran, blickte ihm tief in die Augen: »Gefall ich dir?«

»Du gefällst mir schon seit langer Zeit, Konstanze. Ich will mehr von dir haben!«

»Mehr von mir haben? Thoomaaas!«, rief Konstanze entrüstet.

»Hm, ich meine ein Plauderstündchen mit dir, bei Kaffee und Kuchen. Ich lad dich auch ein!«

»Wo und wann soll das sein?«

»Morgen schon, zu Hause bei deinen Eltern, da gibt’s Kaffee und Kuchen umsonst.«

Konstanze lachte so laut, dass die beiden von ihren Mitschülern affig beäugt wurden. Das ist Thomas, so wie er ihr gefällt! Die beiden blieben noch bis zum Pausengong sitzen und vereinbarten währenddessen ein Treffen im Citycafé, am Tag der Zeugnisausgabe.

Wieder im Klassenzimmer zurück gab es neben Konstanze auch noch unbekannte, interessante Themen. Unser Lehrer, diesmal Herr Peters, führte dasselbe Thema, aber aus einer anderen Perspektive, fort. Für Herrn Peters war dieses gewählte Schülerthema eher die Begegnung der ironischen Art. Deswegen ließ er es sich nicht nehmen, seine Schüler ein wenig zu necken. Er schaute in die Klasse und pickte sich Georg, einen besonders kritischen Schüler, heraus!

»Georg«, fragte er, »gibt es intelligentes Leben im All?«

Wie fast schon zu erwarten war, antwortete Georg mit einem leisen, etwas zögerlichen »Nein«.

»Aber natürlich gibt es Leben im All«, stichelte Herr Peters abermals, »uns selbst gibt es doch!«

Nun folgte ein aufschlussreiches Einleitungsgespräch über die Grundvoraussetzungen, die es zwingend geben muss, damit überhaupt eine zweite Erde entstehen kann.

Eine davon ist die habitable Zone. Das ist jener Abstand zur Sonne, der innerhalb einer gewissen Spannbreite auf einem Planeten angenehme Temperaturen entstehen lässt. Nur in so einem günstigen Klima ist Menschwerdung überhaupt möglich.

Aber auch ein Mond ist wichtig! So ein Mond muss groß genug sein und den richtigen Abstand haben um einen Planeten wie die Erde vom Trudeln abzuhalten. Eine wichtige Voraussetzung zur Entstehung von Jahreszeiten, wie wir sie kennen. Wie sollte, ohne diesen geordneten Ablauf klimatischer Schwankungen, eine Fauna und Flora entstehen können, die eine Grundlage für menschliches Leben ist?

Dazu passend ‒ Thomas würde heute sagen: passend gemacht ‒ kamen mathematische Theorien auf Grundlage anerkannten Expertenwissens ins Spiel. Herr Peters schloss sich damals der Meinung vieler Kollegen an, die ein Denkmodell für wahrscheinlich hielten, dass nur ein gewachsener Mond groß genug sein würde, die Erde gleichlaufend kreisen zu lassen. Ein eingefangener Mond dagegen sei zu klein, um bei einem Planeten von der Größe unserer Erde für solch einen Gleichlauf zu sorgen.

Unser Mond, wie wir ihn heute kennen, entstand durch einen gewaltigen Zusammenprall eines mächtigen Asteroiden mit der Erde, vor Milliarden Jahren. Die damals noch junge Erde schleuderte dabei ungefähr ein Viertel ihrer Erdmasse wieder ins All hinaus. Daraus formte sich später der Mond.

Im Gegensatz dazu besitzt unser Mars zwei kleine Monde, von denen einer für kosmische Verhältnisse ein Winzling ist. Vor Milliarden Jahren sind diese zwei Himmelskörper dem Mars ziemlich nahe gekommen. Aber anstatt dort einzuschlagen bildeten sie Kreisbahnen, in denen sie bis heute um den Mars herumziehen. Gefangene Monde also!

Aber auch die schiere Größe einer solchen zweiten Erde ist wichtig. Je größer ein Planet ist, umso mehr Anziehungskraft besitzt er. Wäre die Erde zu klein, würde sie dauerhaft keine Atmosphäre festhalten können. Wäre sie zu groß, dann müssten, um nur zwei Beispiele zu nennen, dort wohnende Menschen Elefantenbeine haben, um diese gigantischen Anziehungskräfte aushalten zu können. Ebenso müssten sie »Eisenlungen« haben, die einem dichten, atmosphärischen Luftdruck standhalten könnten.

Für erste Schritte zur Entstehung einer Menschheit ist der afrikanische Kontinent, bekannt als die Wiege der Menschheit, von zentraler Bedeutung. Über Teile Afrikas verteilt entstanden unter anderem durch Verschiebung der Erdmassen, durch Dürreperioden sowie durch Klimaveränderungen, Wanderbewegungen der dort lebenden Affen. Somit entstanden auch neue Gebiete, in denen sich diese Affen in kleinen isolierten Gruppen getrennt voneinander weiterentwickelten. Die Gruppen mit den schlechteren Lebensbedingungen mussten sich nun an diese anpassen. Auf die Art sind, über einen langen Zeitraum, der Homo habilis und der Homo erectus entstanden. Millionen Jahre später ist in der Grassavanne Ostafrikas, in der Nähe des großen afrikanischen Grabenbruchs, der Homo sapiens entstanden, den die Wissenschaft als ersten modernen Menschen anerkennt und aus dem wir uns herausentwickelt haben.

Herr Peters schaute belehrend in die Klasse:

»Dass diese vielen Zufälle draußen im Weltall ein zweites Mal entstehen können, das ist unmöglich! Eine zweite Erde wird nie zu finden sein, da bin ich mir sicher. Ich frage euch« – man merkte, wie sich Herr Peters warm redete – »wieso ist bis heute kein einziges Ufo zum Beispiel auf dem Parkplatz einer Großstadt gelandet? Von dort könnten diese Wesen aussteigen und auf uns zukommen.«

»Uah«, Anette ekelte sich, »es ist besser, wenn die uns nie finden, sollte es doch welche geben!«

»Diese Monsterwesen haben es nur auf unsere Bodenschätze abgesehen, aber nicht auf uns«, ergänzte Markus.

»Mit deren fortschrittlicher Technologie würden die im Nu unsere Erde erobern«, warf Michaela ein, »vielleicht könnten wir uns noch als Sklaven nützlich machen. Einzig, um am Leben zu bleiben!«

Jetzt schritt Konstanze ein. Sie konnte diese panischen Auswüchse ihrer Klassenkameraden nicht mehr mit anhören:

»Einen Moment mal, wieso hat die NASA Raumsonden mit Botschaften an Außerirdische ins All geschickt? Und wieso hat SETI Parabolantennen in den Weltraum gerichtet, um nach von Außerirdischen bewohnten Planeten zu suchen? Es wurde doch eben klargestellt, wir Erdenbürger sind die einzigen Bewohner des Weltraums!«

Herr Peters überlegte kurz, fand dann aber eine Antwort:

»Die Eintönigkeit wäre nicht auszuhalten, wenn nahezu alle dasselbe denken und anstreben würden.«

Thomas meldete sich zu Wort:

»Aber dann kann ich auch mögliche Besucher des Weltalls für friedfertig halten.«

Doch dies wurde mehrheitlich, bekräftigt durch ein Raunen, von der ganzen Schulklasse abgelehnt. Nicht nur die Gier, auch Ängste fressen die Hirne von uns Menschen!

In den noch verbliebenen Tagen vor der Zeugnisausgabe erzählte Herr Meier, dass es noch andere Meinungen über Außerirdische gäbe. So haben sich weltweit ganze Organisationen gebildet, die sich um »Ufo-Phänomene« kümmern. Verteilt über zahlreiche Nationalstaaten. Im Zuge dessen erklärte Herr Meier den Begriff »X-Akten«: »Unter uns Erdenbürgern gibt es genug Leute, die Ufo-Sichtungen melden. An die Polizei oder an wen auch immer. Viele dieser Sichtungen stellen sich als optische Täuschungen, als Schwindel oder irgendwie sonst als Irrtum heraus. Doch einige Fälle bleiben ungeklärt. Und die werden dann zu den ›X-Akten‹ gelegt.«

Ganz nebenbei gab Herr Meier noch eine Erklärung zu den artenreichen Begegnungen. Die Begegnung der ersten Art bedeutet:

»Jemand sieht oben am Himmel ein unbekanntes Flugobjekt. Die Begegnung der zweiten Art wäre, würde dieses Flugobjekt zudem noch landen. Zum Beispiel auf einem Acker, vor meinen Füßen. Die Begegnung der dritten Art wäre, wenn sich dann noch eine Tür dieses Raumschiffes öffnen würde, ein Außerirdischer herauskäme und auf mich zuliefe, um vielleicht dann mit mir ein Gespräch führen zu wollen.«

Meiner Meinung (Ghostwriter) sind aller guten Dinge drei, ist doch so?

In den letzten Unterrichtsstunden wurden noch Denkmodelle aus der »Hoch-Zeit« der bemannten Mondflüge und Marsmissionen diskutiert. Dabei wurden auch die mittlerweile schon in die Jahre gekommenen grünen Männchen aus der Tasche gezaubert. Zumindest hoben diese Männchen die Stimmung, gaben Raum für Denkpausen, sorgten für einige trockene Witze.

Am Tag der Zeugnisausgabe, für einige der Abschluss ihrer Schulzeit, war auch dieses Thema mit folgender Lebensmaxime abgeschlossen: Unsere Erde ist so einzigartig und mit uns Menschen aus so vielen Zufälligkeiten entstanden, dass alles, was über unsere Köpfe am Sternenhimmel hinwegfliegt, unbewohnt sein wird, egal wie viele Sonnen es in unserer Milchstraße auch geben mag!

Bereits zu diesem Zeitpunkt interessierte sich Thomas nicht so sehr für die unendlichen Weiten des Weltraums, sondern für die »unendlich vielen« Mietwohnungen der Stadt, vorzugsweise bezahlbarer Wohnraum.

Thomas hatte schon früh seine Eltern durch einen tragischen Autounfall verloren. Nach diesem Unglück übernahm sein Onkel aus dem Nachbarort dieser Stadt das Sorgerecht für Thomas. Böse Zungen behaupten, dem Onkel wurde Thomas regelrecht aufs Auge gedrückt. Als drittes, neu hinzugestoßenes Kind fühlte sich Thomas immer etwas benachteiligt, konnte sich nicht richtig einleben. Er blieb noch im selben Jahr in der Schule des ihm fremden Nachbarortes sitzen. Daraufhin nahm ihn sein Onkel von der allgemeinbildenden Schule und meldete Thomas im Vollinternat seiner Heimatstadt an, dort, wo er als Kind aufgewachsen ist. Parallel dazu gäbe es das Halbinternat, mit Hausaufgabenhilfe sowie Nachmittagsbetreuung, vorwiegend gedacht für Kinder berufstätiger Eltern.

Thomas konnte sich als Heimkind zwar einordnen, seine schulischen Leistungen wurden besser, doch er sah sich zu sehr in der Mitte einer Gruppe verharrend, als einer unter vielen! Er vermisste es, auf Augenhöhe zu diskutieren, sehnte sich richtig danach. Fand Thomas im Laufe der Zeit einen passenden Betreuer, einen, dem er sein Herz ausschütten konnte, hing er regelrecht wie eine Klette an ihm oder versuchte dies.

Nach seiner Schulzeit könnte Thomas in ein Lehrlingswohnheim im Umkreis der Stadt ziehen oder wieder bei seinem Onkel in der Nachbarstadt wohnen, der für ihn mittlerweile ein ziemlich entfernter Verwandter geworden ist.

Doch Thomas wollte keine der beiden Optionen! Er merkte gar nicht, dass ihn dies regelrecht zu Konstanze hinzog. Unterbewusst sah Thomas in ihr eine Art Ersatzmutter, an der man sich erst anlehnen und wohlfühlen kann, um später an ihr emporzuwachsen. Auch Konstanze hatte schon immer was fürs Wachsen übrig. Sie liebt die Karriereleiter. In der Schule eine der Besten, strebte sie schon immer nach mehr! Geprägt durch ihr Elternhaus wuchs sie in jungen Jahren mit folgendem Lebensmotto auf:

»Wer Unwichtiges an andere delegiert, gewinnt an Raum, um noch besser als gut zu werden!«

In diesem Zusammenhang wären Konstanze und Thomas das ideale Paar. Kurze Zeit nach der Zeugnisausgabe trafen sich die beiden im Citycafé. Konstanze saß bereits am Tisch, auf dem ein Kännchen Kaffee stand.

»Setz dich Thomas, eine Tasse Kaffee ist für dich! Du meinst es ernst, du möchtest mit mir zusammenziehen?«

Thomas’ Augen leuchteten:

»Konstanze, das wäre großartig!«

Konstanze sah auf den Tisch und griff nach der Kaffeetasse.

»Du weißt schon, dass wir noch keine achtzehn sind! Und nun die gute Nachricht: Mein Vater würde einen Mietvertrag unterschreiben, aber …«, Konstanze zögerte etwas.

»Aber?«, fragte Thomas nach.

»Aber dieser Mietvertrag gilt dann nur für mich. Du bist ja nicht der Sohn meines Vaters!«, ergänzte sie.

Thomas schaute sie fragend an:

»Also wäre ich nur dein Untermieter?«

Konstanze setzte ihre Tasse Kaffee ab und schaute zu Thomas:

»Bist du bereit, es zu akzeptieren, nur mein Untermieter zu sein?«

»Bin ich nicht dein Freund?«, fragte Thomas.

Konstanze faltete ihre Hände, während sie Thomas ansah:

»Thomas, sei ehrlich, dafür müssen wir öfter zusammen sein, gemeinsame Spaziergänge machen, uns besser kennenlernen.«

»Willst du mit mir spazieren gehen und wenn ja, wohin?«, fragte er.

Konstanze fuhr sich durchs Haar.

»Von mir aus schon morgen«, schlug sie vor, »ich möchte mit dir einen Stadtbummel machen und anschließend mit dir zusammen in die Eisdiele gehen.«

»In die Eisdiele gehen, gemeinsam mit dir Eis essen, klingt interessant!«, kommentierte Thomas.

»Aber vorher gehen wir auf Wohnungssuche!«, forderte sie entschlossen.

Das ist Konstanze, wie Thomas sie mag. Immer auf der Suche, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Er war sich sicher, die Frau fürs Leben stünde vor ihm.

Früh am Morgen des nächsten Tages gingen beide auf Wohnungssuche. Mit Erfolg! Am selben Abend trafen sie schon eine Vorauswahl. Konstanze legte in der neuen, potenziellen Wohnung ihre Arme voller Vorfreude um Thomas’ Schultern:

»Und nun möchte ich mit dir zusammen ein Eis essen, Thomas!«

Jetzt war der richtige Zeitpunkt, sich zu revanchieren:

»Morgen, Konstanze, möchte ich mit dir zur Burg gehen! Ich habe dort eine Überraschung für dich.«

Am nächsten Tag schien, wie für beide gemacht, die Sonne. Es war den ganzen Tag über schönes Wetter, nicht so, wie in den letzten Tagen, an denen zahlreiche Regenschauer übers Land zogen. Thomas und Konstanze schlenderten auf dem Fußweg in Richtung Wald entlang, der am Stadtrand liegt. Aus großer Entfernung konnte man die herrlich erfrischende Waldluft einatmen, sie stieg aus dem mit Regen getränkten Waldboden empor.

Der Wald, durch den sich ein breiter Schotterweg entlangschlängelt, liegt über der Stadt. Ab und an säumen Parkbänke diesen Wanderweg. Ganz oben, auf dem Hang, liegen mehrere Steine auf- sowie nebeneinander. Die meisten Wanderer, die dort vorbeikommen, sprechen dabei von der Burg ihrer Stadt. Nur wenige Meter hinter der Einmündung zum Wanderweg steht ein Kiosk. Dort pausierten beide. Für einen Becher Kaffee blieb genug Zeit!

Am oberen Drittel des Schotterwegs griff Konstanze unvermittelt nach Thomas’ Hand und setzte sich gemeinsam mit ihm, auf eine Parkbank. Von hier oben kann man einen Großteil der Stadt überblicken, ebenso das Krankenhaus am Stadtrand.

Konstanze sah Thomas in die Augen:

»Ich war noch gestern Abend im Krankenhaus und es hat sich gelohnt!«, sagte sie stolz.

Thomas wirkte überrascht:

»Du hast die Ausbildungsstelle zur Bürokauffrau bekommen?«

Sie sah ihn verschmitzt an und nickte:

»Und du kannst dort als Pfleger anfangen, wenn du möchtest, ich hab extra für dich nachgefragt.«

Thomas war völlig aufgelöst:

»Waaas, das gibt’s doch gar nicht?«

Er nahm Konstanze in seine Arme und drückte sie.

Zu dieser Zeit wusste Thomas nicht, dass Konstanze einen Verwandten hat, der in der Personalabteilung des Krankenhauses arbeitet. In letzter Zeit kam es immer mehr in Mode, im Pflegebereich Halbjahrespraktikanten zu beschäftigen. Aus diesem Reservoir wurden dann geeignete Leute für eine Ausbildung zum Krankenpfleger rekrutiert. Die während dieser sechs Monate gezahlte Praktikumsvergütung ist nur mäßig, ein Umstand, den sich das Krankenhaus zunutze macht, aber Thomas hätte in solch einem Fall genug Geld zur Verfügung, um sich die Miete, einschließlich der Lebenshaltungskosten, mit Konstanze zu teilen. Und Konstanze brauchte unbedingt einen Untermieter zur Finanzierung ihrer Wohnung. Zudem konnte Thomas in sein Leben eine Form hineinbekommen, an seinen neuen, beruflichen Aufgaben wachsen. Etwas, das Konstanze wichtig ist!

Thomas indes war mit der Welt zufrieden und kramte in seiner Tasche. Er zog ein kupfernes Herz hervor, ziemlich groß und laienhaft mit roter Farbe emailliert. Er hatte es selbst, zu Schulzeiten, im Werkunterricht so angefertigt. Dieses Herz lag in seiner flachen Hand, während er zu Konstanze herüberschaute.

»Ein Herz besteht aus zwei Hälften. Beide stoßen in der Mitte direkt aneinander. Die eine Hälfte des Herzens bist du, die andere Hälfte bin ich. Wir gehören für immer zusammen!«

Nun fasste er nach der Kette des Herzens:

»Für dich, mein Schatz!«, sagte er und legte diesen Anhänger Konstanze behutsam um ihren Hals. Es war das erste Mal, dass Thomas so offenherzig Konstanze »Schatz« nannte. Konstanze zog ihn an sich und küsste ihn.

Später folgte dann das Übliche, was sich nach einem ersten Kuss noch dazugesellt. An diesem Tag hing der Himmel voller Geigen!

Am Morgen des nächsten Tages standen die beiden in der Empfangshalle des Krankenhauses. Nur noch eine Treppe trennte Thomas vom Personalbüro. Thomas zögerte, war nervös. Seine Augen verloren sich in den Notizen eines Schaukastens. Konstanze kam auf ihn zu, strich ihm sanft mit der Hand übers Haar und gab ihm ein Küsschen auf den Mund:

»Du schaffst das schon, nur Mut, geh einfach rein, der Rest ergibt sich dann!«

Genau das war es, was Thomas gefehlt hatte. Mit Schwung nahm er die Treppe, ging fortan ins Personalbüro und legte eines seiner besten Vorstellungsgespräche hin.

Wieder in der Empfangshalle zurück zeigte sich Thomas ein klein wenig enttäuscht, versuchte das aber nach Kräften zu verbergen.

»Ich habe ein Praktikum bekommen«, sagte er mit einem etwas gequälten Lächeln, »später könnte ein Krankenpfleger drin sein!«

Konstanze gab sich gestellt überrascht:

»Das freut mich aber, dann können wir beide im selben Haus arbeiten.«

Es war das erste Mal, dass beide zueinander unehrlich waren und jeder wusste das. Diese falsche Scham, die eine undurchsichtige, eine unüberbrückbare Wand bildete, sollte in der Folgezeit wieder auftauchen.

Nachdem beide ihre Berufung fürs Leben gefunden hatten, stand der Umzug an. Da Thomas Vollwaise ist, gab ihm das Internat ausnahmsweise noch einige Tage Karenzzeit. Aber die wurden immer weniger! Thomas sollte sich nun entscheiden, wo er wohnen will, zumal die vom Heim für den minderjährigen Thomas in Kürze alles Vertragsrechtliche in die Wege leiten wollten. Doch Konstanze stand ihm zur Seite. Damit alles schneller geht, entschied sie allein, welche neuen Möbel in die Wohnung kommen sollten. War auch gerecht! Schließlich hat sie wohlhabende Eltern, von denen man sich Geld leihen kann. So spielte Thomas ein weiteres Mal den Pragmatischen, Verständnisvollen. Eine weitere Lebenslüge, die in der noch jungen Beziehung Raum fand.

Auf der Arbeit dagegen liefs prächtig. Für Konstanze! Sie ist wissbegierig, arbeitet gradlinig und lernt schnell hinzu. Nach kurzer Einarbeitungszeit konnte sie Stück für Stück mehr Verantwortung übernehmen.

Auch Thomas lernte schnell! Vor allem, dass man im Vorbereitungspraktikum Mädchen für alles sein muss. Da sind auch mal Hausmeister- und Gärtnertätigkeiten drin. Zwar konnte er sich seinem Lieblingsthema Biologie widmen, doch dies ging zu Lasten des Interesses an der Schulmedizin, die Vorrang haben sollte. Auch bei der Arbeit hing Thomas zu stark an seinen eigenen Ideen, verzettelte sich dabei. Des Öfteren hatte Thomas so ausführlich die Eigenarten verschiedenster Grünpflanzen aufgezählt, dass sich viele seiner Kollegen fragten, ob Thomas als Gärtner besser aufgehoben wäre.

Auch in seinem neuen Zuhause spürte er, was es bedeuten kann, wenn beide im selben Betrieb arbeiten.

Konstanze stellte ihn daraufhin zur Rede. Er müsse sich mehr reinhängen, intensiver arbeiten, die wichtigen Dinge hinzulernen! Sie, Konstanze, wisse es ja von sich. Sie sei so gut, dass sie jeden Tag Erfolge habe, ihre Arbeit jeden Tag etwas besser bewältigen würde.

Zu dieser Zeit gewöhnte Thomas es sich an, ein ums andere Mal, für sich allein spazieren zu gehen. Angeblich vergaß er die eine oder andere Kleinigkeit zu besorgen. Mal waren es Salzstangen, die er unbedingt noch brauchte, mal hatte er gerade dann Appetit auf Joghurt, wenn er wusste, dass keiner im Kühlschrank stand; an diesen Extratouren wuchs sein Interesse zunehmend. Aber eigentlich wollte Thomas nur Luft schnappen, um seinen Kopf freizukriegen. Schon wieder war nur er einer, der irgendwo in der Mitte angekommen war, so wie damals im Heim. Die Augenhöhe zu Konstanze, die jeden Tag mächtiger wurde, jeden Tag über sich hinauswachsen wollte, konnte Thomas kaum noch wahrnehmen.

Bei seiner Arbeit als Praktikant war es genauso. Man glaubt gar nicht, wie viele »Konstanzes« einem pro Tag über den Weg laufen! Während seiner Spaziergänge suchte Thomas immer öfter Parkbänke für eine kleine Auszeit auf. Thomas bekam erste Zweifel, ob Konstanze die richtige Lebensgefährtin ist. Sollte er diese Frau eines Tages heiraten, gemeinsam mit ihr Kinder zeugen? Wird eines Tages aus ihm ein Familienvater, der als guter Krankenpfleger für alle sorgen kann? Waren die Aussprüche seiner Kollegen, Thomas wäre ein besserer Gärtner geworden, wirklich so abwegig? Manchmal wurden daraus ziemlich lange Spaziergänge, die dann Konstanze auf ihre gewohnt gleichgültige Art ignorierte. Doch keiner von beiden schritt ein, sah dies als erstes Warnsignal!

Es folgte der Tag der Klarheit, ein Tag, der das Leben der zwei noch nachhaltig auf den Kopf stellen sollte.

Der Morgen war so alltäglich wie immer. Es war irgendein Montag im September. Beide gingen wie gewohnt zur Arbeit. Doch noch vor der Mittagspause war für Thomas bereits Feierabend. Unfreiwillig! Thomas wurde ins Personalbüro »eingeladen«. Dort erklärte ihm sein Personalchef, dieses Krankenhaus sehe keine Chancen, aus ihm jemals einen verantwortungsvollen Krankenpfleger zu machen. Seine Zeit als Praktikant sei hiermit beendet! Nett, dass Thomas noch bis zur Mittagspause den ganzen Müll entsorgen durfte, bevor sie ihn hinauswarfen.

Er war ratlos! Anstatt wie gewohnt in der Kantine zu sitzen, irrte er nun wie benommen durch die Fußgängerzone sowie durch die Geschäfte der Innenstadt. Stundenlang! Dennoch kam er, überwiegend mithilfe der Kirchturmuhren, rechtzeitig in der Wohnung an, noch bevor Konstanze selbst Feierabend hatte. Thomas verstaute hektisch einige Lebensmittel in der Küche, die er mitgebracht hatte. Dies lenkte ihn ein wenig ab. Dann steckte er sich sein Portemonnaie ein, griff nach einer Stofftasche und war gerade dabei, sich eine leichte Jacke auszusuchen. Danach wollte er warten, bis Konstanze kommt, nach kurzer Begrüßung unter irgendeinem fadenscheinigen Grund seinen schon zur Gewohnheit gewordenen Marsch ins Grüne machen, neue Kraft tanken und zu einem späteren Zeitpunkt Konstanze alles beichten. In dieser für ihn angespannten Situation tat es Thomas unheimlich gut, sich selbst zu belügen und darauf zu hoffen, Stunden später, fiel es ihm leichter, eine Lebensbeichte abzulegen.

Plötzlich stand Konstanze in der Tür. Nach kurzem »Hallo«, setzte sie sich, der sonst übliche Begrüßungskuss blieb aus. Konstanze hielt sich bedeckt. Sie erwartete wenigstens jetzt von Thomas genug Mut sowie das nötige Vertrauen, sich ihr voll und ganz zu öffnen! Thomas hingegen war nervös, hantierte herum.

»Jetzt setz dich an den Tisch«, rief Konstanze schroff, »du machst mich ganz nervös!«

Thomas kam und setzte sich neben sie.

»Thomas, nun erzähl mir, was du heute den ganzen Tag über gemacht hast!«, forderte sie.

Thomas versuchte sich verkrampft rauszuwinden:

»Ich hatte heute gegen Mittag frei. Von da an bin ich in die Stadt, um einzukaufen. Heute gab’s Joghurt im Angebot und schöne …«

»Thomas, was hast du außer deinem Einkauf noch zu erzählen!«, unterbrach sie ihn.

»Na, ich bin dann hierher gegangen, um alles einzuräumen.«

»Thoomaas«, Konstanze fauchte wütend, »wieso bist du nicht ehrlich zu mir?«

Es war das erste Mal, dass Thomas Konstanze so wütend gesehen hat.

»Man hat dich heute Mittag aus dem Krankenhaus geschmissen, weil du versagt hast, Thomas! Und jetzt muss ich sehen, dass du schon wieder versagst, weil du mutlos bist!«

Jetzt wollte er ansetzen, um zu erwidern.

»Sei still! Jetzt rede ich. Meine Güte, was tu ich alles, um die Miete zu bezahlen. Und jetzt komm mit ins Schlafzimmer!«

Im Schlafzimmer steht der Apothekerschrank. In der obersten Schublade befanden sich zu der Zeit zwei Zertifikate. Beide schon, wegen Zusatzkursen, vom neuen Arbeitgeber für Konstanze ausgestellt. Zornig zeigte sie mit ihrem Finger auf die oberste Schublade:

»Da drin sind meine Leistungen und wo sind deine Leistungen, verdammt noch mal?«

Fast vor Wut schäumend riss sie die Schublade auf. Ganz oben, auf den Zertifikaten, lag das rote Herz, das Thomas ihr geschenkt hatte. Sie ergriff es, drehte sich im gleichen Moment zu ihm und schrie ihn regelrecht an:

»Und dein schäbiges Herz will ich auch nicht mehr haben!«

Dabei warf sie ihm das Herz genau vor seine Füße. Thomas, jetzt endgültig den Tränen nahe, sah nach unten, ergriff sein Herz, hielt es mit beiden Händen fest, sah mit leicht zugekniffenen Augen zu Konstanze hoch, die endlich stumm zusah, schüttelte zweimal seinen Kopf und eilte aus dem Schlafzimmer. Wortlos geworden, stürmte er durch den Hausflur, öffnete rasch die Wohnungstür, von da ins Treppenhaus, um die dort befindlichen drei Stockwerke hinunterzueilen.

Konstanze begriff nun, dass sie zu weit gegangen war. Viel zu weit! Sie wollte Thomas ihren eigenen Stempel aufdrücken. Thomas hat aber das Recht auf seine eigene Persönlichkeit, wie jeder Mensch! Flugs besann sie sich, versuchte zu retten was irgendwie noch zu retten war und eilte ebenfalls hinaus in das Treppenhaus. Konstanze sah Thomas schon auf der letzten Treppe weiter nach unten laufen.

»Thomas, Thomas!«, rief sie in kräftigem Ton nach unten. Doch er sah nicht nach oben, war zu gekränkt und rannte auf den Fußweg der Häuserblöcke.

»Dieses verfluchte Herz!«, dachte sich Thomas, er hielt es immer noch in seiner Hand. Nun schaute er kurz drauf und wollte es in hohem Bogen auf die gegenüberliegende Wiese werfen. Doch im letzten Moment hielt er inne! »Wenn ich mein eigenes Werk wegschmeiße, dann werte ich mich selbst ab!«, dachte er sich. Danach ergriff er die Kette des Herzens und hängte sie sich selbst um.

So mit sich im Reinen, konnte er wieder mal einen Marsch machen. Diesmal wurde es ein langer Marsch, mit unbekanntem Ziel. Zuallererst stöberte er wieder durch die Stadt. Dann kam er auf eine neue Idee und wanderte zum Kiosk am Anfang des Waldes, dort, wo alles einst begann. Es gab aber noch einen weiteren Grund zum Kiosk zu gehen. Dort gibt es nicht nur Kaffee im Becher, dort gibt es auch Bier in Dosen!

»Hallo Thomas«, der Kioskbesitzer kannte ihn bereits.

Thomas zog sein Portemonnaie.

»Ich nehme zweimal Currywurst und zwei Bier!«

»Hast du was Größeres vor heute?«, fragte der Kioskbesitzer.

Er wollte mit Thomas ein bisschen reden, da seit Längerem keiner mehr vorbeigekommen ist. Aber Thomas antwortete nur mit einem langgezogenen »Jooh« und aß zügig seine Würste.

Da Thomas erkennbar nicht zum Reden war, sprach ihn der im Kiosk nicht weiter an, hantierte herum, räumte etwas auf.

»Ich hab noch Durst, ich nehm noch zwölf Bier mit!«, sagte Thomas.

»Dem geht’s heut aber schlecht«, dachte sich der im Kiosk, doch er nannte nur noch den Preis, den Thomas insgesamt zu zahlen hatte.

Thomas indes stopfte alle Dosen – er wollte sie auf seiner Tour mitnehmen – in seine Stofftasche und stampfte den Schotterweg hinauf zur Burgruine. Oben angekommen, nahm er auf einer der dort stehenden Parkbänke Platz. Von hier oben sah er über die Stadt. Er blickte zu seiner ehemaligen Schule, sah das Krankenhaus, schaute zu seiner – sollte man schon sagen: Exwohnung?

Diese ganz besondere Art in Erinnerungen zu schwelgen machte Thomas durstig. Sehr durstig! Schon bald befanden sich in seiner Stofftasche viele leere Bierdosen neben wenigen vollen. Aber das machte alles erträglicher, ein klein wenig zumindest. Thomas hörte den Vögeln zu, betrachtete das Wechselspiel zwischen Sonne und Wolken und schlief langsam ein. Er muss wohl lange geratzt haben, denn auf einmal wurde er wach, geweckt vom hellen, lauten Zwitschern der Vögel. Die Wolken hatten sich mittlerweile verzogen, sodass die ganze Sonne zu sehen war. Sie stand glutrot am Himmel, berührte schon den Horizont. Zu diesem Zeitpunkt war Thomas wieder hellwach, streifte seine Sorgen ab.

»In null Komma nix wird’s dunkel und hier oben ist kein Weg ausgeleuchtet«, dachte er sich. Thomas überlegte kurz, dann kam ihm die Idee! Von hier oben führt ein kleiner Trampelpfad genau in Richtung Stadtzentrum. Eine erhebliche Abkürzung! Vor Jahren ist er höchstpersönlich diesen Pfad entlanggegangen. Thomas glaubte, diesen Weg noch genau zu kennen. Das einzige Problem war, vorerst den Anfang dieses kleinen Weges zu finden. Aber das lässt sich bestimmt locker schultern, schließlich waren noch zwei Drittel der Sonne zu sehen.

Nach kurzem Suchen lag der Pfad vor ihm. Thomas bog in ihn ein, mittlerweile etwas hastiger geworden. Die Fauna und Flora wurde immer prächtiger je weiter er hinablief, doch das erschwerte auch den Überblick! Irgendwo hier, mitten im Wald, musste dieser verdammte Pfad doch weitergehen? Aber da war kein Pfad mehr zu sehen. Nur noch Bäume und Unkraut. Und dann wurde es noch dunkel. Warum auf einmal so schnell? Thomas wurde panisch, irrte herum. Nur machte dies alles nur noch schlimmer, weil er sich so immer mehr im Dickicht des Waldes verstrickte.

Was für ein Scheißtag! Er hätte schreien können. Keine Chance mehr, hier noch herauszukommen, bevor es aufhellte. Thomas setzte sich nun auf einen Baumstumpf und griff nach der letzten noch vollen Bierdose in seiner Stofftasche. Das löste zwar nicht sein gegenwärtiges Problem, löschte aber wenigstens seinen Nachdurst.

Manche sagen, der Mensch sieht in seiner größten Not immer noch einen kleinen Hoffnungsschimmer. Um noch einmal alles zu geben, bevor man aufgibt! Thomas sah sich genau in dieser Situation. Auf dem Baumstumpf sitzend blickte er um sich. Jetzt sah er zu einem großen Hang circa dreißig Meter entfernt von ihm. Nun ist es nichts Ungewöhnliches, im Wald einen Hang zu entdecken, doch bei genauem Hinsehen schimmerte dahinter blassbläuliches Licht, vermischt mit einer weiteren, schwach orange leuchtenden Lichtquelle. Als dann noch Kratz- und Knackgeräusche unbekannter Art hinzukamen, verdrängte Thomas anwachsende Neugierde alles Schlechte des bisherigen Tages. Er musste zum Hang und dort hinauf. Unbedingt!

Nach den ersten Schritten schob Thomas seine Stofftasche über den Ast eines nebenstehenden Baumes. Er wollte nicht gleich durch Klappergeräusche unangenehm auffallen. Oben angekommen gab es dann für Thomas einen echten Lichtblick. Und was für einen!

In einer Mulde der teilweise wiederaufgeforsteten Waldlichtung stand ein mittelgroßes, scheibenförmiges Raumschiff. Auf dessen Unterseite befinden sich Lampen, die blassbläuliches Licht ausstrahlten. Einige Meter daneben sah er irgendwelche Leute, die sich mit mehreren Spaten daranmachten, einige der eben frisch gepflanzten Kiefern wieder auszubuddeln und deren Wurzelballen in eine Art Plastiktüte zu stopfen. Bei dieser Aktion verwandten diese Leute, Thomas beschreibt es noch heute so, orangeleuchtende Baustrahler.

Die allermeisten hätten bei diesem Anblick wohl Angst bekommen, wären weggerannt, aber Thomas hatte an diesem Tag so viel Schlechtes in eng geballter Form durchlebt, dass er nur noch eines empfand. Bewunderung! Bewunderung für die Leistung einer anderen Zivilisation, alles auf sich zu nehmen, um zu uns zu kommen. Bewunderung für das majestätisch leuchtende Raumschiff …« Thomas hätte an diesem Abend wohl noch den ganzen Wald bewundert, wäre er nicht ein wenig ins Schwanken gekommen. Um sich abzufangen, setzte er seinen linken Fuß nach vorn. Genau auf einen morschen Ast, der gut hörbar zerknackte.

Die Leute unten in der Mulde schreckten auf, liefen zusammen, schauten dann den Hang absuchend in Thomas’ Richtung und sprachen miteinander. Einer aus der Mitte sah Thomas als erster und zeigte mit seinem Finger auf ihn. Das, was da besprochen wurde, konnte Thomas zwar hören, aber nicht verstehen. Wie denn auch? Thomas ist deutscher Erdenbürger! Jetzt griff einer dieser Leute nach einem der orangeleuchtenden Baustrahler und richtete ihn für einen kurzen Moment auf Thomas’ Gesicht, drehte den Strahler dann aber leicht zur Seite, sodass Thomas nicht mehr geblendet wurde. Gentlemanlike eben!

Derjenige, der auf Thomas gedeutet hatte, trat aus einem Halbkreis hervor, der sich inzwischen gebildet hatte. Er ging den Hang hinauf, lief genau auf Thomas zu. Aber ganz langsam!

Thomas blieb wie angewurzelt stehen. Seine Neugier, an diesem »Scheißtag« etwas Neues zu erleben, war stärker als jede Angst, die er kannte. In gut zwei Metern Abstand blieb der Unbekannte stehen. Er sah Thomas genau ins Gesicht und lächelte ihn an:

»Sei unbesorgt, wir tun dir nichts!«

Thomas blickte ganz erstaunt auf den Unbekannten:

»Ich kann weder glauben was ich sehe noch glauben was ich höre.«

»Aber so komm doch mit und überzeug dich selbst!«, sagte der Unbekannte vor ihm und zeigte dabei mit seiner Hand in Richtung Mulde, wo die restlichen seiner Leute zuschauten.

So, als würden sie sich schon ewig kennen, gingen beide gemeinsam den Hang hinunter zu den anderen, die immer noch im Halbkreis zusammenstanden. Unten angekommen, trat einer aus dem Halbkreis hervor und streckte seine Hand aus, bereit zum Handschlag:

»Urus«, tönte es von ihm, er sagte aber nur dieses eine Wort, um Thomas nicht zu überfordern.

Dann folgten noch die Wörter »Pulo«, »Mekos«, »Satina«, »Vennia« und als letztes das Wort »Maro«, von dem, der ihn gerade abgeholt hatte.

Thomas hatte keine Zweifel, das sind die Vornamen dieser Außerirdischen, aber dass die ihn gleich mit Handschlag begrüßten, das war alles so oberirdisch, man konnte es kaum glauben! Beeindruckt von dem Ganzen zeigte Thomas mit seinen Fingerspitzen auf sich selbst und rief ziemlich aufgekratzt »Thomas« in die Runde.

Dann wandte er sich von der Gruppe ab und schaute zum Raumschiff dicht neben ihm. Aufgeregt lief er dorthin. Lief einmal im Kreis ums ganze Raumschiff, schaute dabei durch die geöffneten Schiebetüren, bückte sich nach unten, betrachtete die blauen Lampen, stand wieder auf, stellte sich auf Zehenspitzen, verdeckte mit beiden Händen sein Gesicht, ähnlich wie bei einem Pferd mit Scheuklappen, um so durch ein Bullauge schauen zu können und schloss dann ebenso schnell zur Gruppe wieder auf:

»Ihr seid Außerirdische, echte Außerirdische, ganz weit weg, von einem anderen Planeten?«

»Wir kommen von auswärts, vom Planeten Vetos, sind keine Erdlinge!«, antwortete Maro beruhigend.

Thomas war völlig von der Rolle:

»Aber wieso könnt ihr dann meine Sprache sprechen und kennt zudem noch Begriffe und Gesten von uns Erdenbürgern?«

»Um diese lange Geschichte zu erzählen bleibt leider keine Zeit!«, antwortete Urus. »Wir wollen noch im Dunkeln wieder wegfliegen!«

»Wir haben niemals damit gerechnet, hier, so weit draußen im Dunkeln, einen Erdling zu treffen«, warf Satina ein.

Damit waren für den verdutzten Thomas letzte Zweifel ausgeschlossen. Diese Außerirdischen hatten zwei Frauen mit an Bord, Satina und Vennia genannt.

Da Thomas kein unemanzipierter Macho ist, achtete er an diesem Abend besonders auf die beiden jungen Frauen mit ihren Fragen.

Thomas blickte Satina in die Augen:

»Ich hab mich verlaufen.«

»Hier, im Wald verlaufen?«, fragte Satina bewusst nach. Sie wollte damit Thomas animieren, mehr über sich selbst zu erzählen.

»Ich glaube, ich hab mich im ganzen Leben verlaufen«, gab Thomas kleinlaut zurück.

»Kann man das überhaupt, sich im Leben so verirren und schlussendlich in eine Lage kommen, aus der es keinen Ausweg mehr gibt, dem zu entfliehen?«, fragte Maro.

Maro – der Unbesorgte – wurde vor seiner Zeit als Astronaut in Psychologie geschult.

»Oh ja«, sagte Thomas, »davon bin ich persönlich überzeugt. Ab heute!«, fügte er noch hinzu.

Überzeugt hatte Thomas zu diesem Zeitpunkt alle aus dieser außerirdischen Gruppe. Sie standen mittlerweile in einem Halbkreis um ihn herum. Es waren seine neuen Zuhörer, die alle gespannt waren, was Thomas an diesem Tag so Aufregendes erlebt hatte.