alleine war ich nie - Friedrich Nickel - E-Book

alleine war ich nie E-Book

Friedrich Nickel

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Beschreibung

Dies sind tatsächlich erlebte und bodenständige Jagdgeschichten aus Oberhessen, unterhaltsam mit einer Prise Schalk und Ironie. Dabei ist stets aber die eigene Meinung zu den verschiedensten Abhandlungen vordergründig. Das Buch gegründet auf eigene Erfahrung und Emotion, Zeichnungen und Bilder in Tusche runden die Texte ab und tragen zur Veranschaulichung bei. Wichtige Themen sind u.a. die vierläufigen Jagdhelfer, jagdliche Einrichtungen, die Wildbrethygiene und das jagdliche Miteinander.

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INHALTSVERZEICHNIS

Band I

Vorwort

1. Hochsitzbau

2. Kumpel auf vier Pfoten

3. Diebach

4. Vogelsberg

5. Otto

6. Wildbret

7. Gustav und die Rhön

8. Keiler und Frieda

9. Kaulstoß

10. Alf

11. Mitjäger

12. Drückjagden

13. Märkische Heide

14. Muffel

15. Musik und Jagen

Schlusswort und Danke

Vorwort

Ich über mich in Sachen Jagd ...

Im Frühsommer 1951 wurde ich im oberhessischen Glauberg geboren. Im ländlich, kleinbäuerlichen Umfeld hatte ich von frühester Kindheit an Kontakt zur Natur und den verschiedensten Nutztierarten eines Bauernhofes. Dass der Tod zum Leben gehört, war damals für uns Kinder der Nachkriegszeit oft eine mit Tränen behaftete Erfahrung aber auch eine unabänderliche Selbstverständlichkeit, denn wir wuchsen im Kreislauf des natürlichen Kommens und Gehens, Saat und Ernte, Tag und Nacht auf.

Der Großvater erzählte mir in seiner wortkargen aber treffenden Art hin und wieder von Rehen und Hasen, die er bei seiner Alltagsarbeit als Bauer auf dem Feld oder Holzrücker im Wald beobachtet hatte und rührte so sicherlich unbewusst meine Neugier auf Umwelt und Wildtiere an. Unvergessen sind die vielen Stunden und Momente, in denen ich neben ihm auf der Sitzbohle des damals schon gummibereiften und somit hochmodernen Ackerwagens hockend, als Pimpf mit der Leine die Pferde lenken durfte oder nach dem Abendbrot noch länger am Tisch verweilend, interessiert und gespannt seinen knappen Ausführungen lauschte. Seine Erzählungen drehten sich oft humorvoll-anschaulich oder ermahnend um Familie, Turnen, Musik und tägliches Gewerk, gelegentlich aber auch um Wilddiebe und Jäger unseres Dörfchens und der Umgebung aus der Zeit vor und zwischen den Weltkriegen.

Großes Interesse in diesem Zusammenhang weckte ebenfalls meine Mutter in mir, als sie mit Hochachtung und Bewunderung von einem französischen Kriegsgefangenen berichtete, der die Gabe hatte, Rehe auf seine „Pfeifen“ hin zum Verhoffen oder zum Zustehen zu bewegen. Später wurde mir allmählich bewusst, dass Rainier ein Jäger aus dem Nachbarland war, und dass es sich um das Blatten gehandelt haben musste. Schmerzlich bekam ich im zweiten Schuljahr auch einmal die Haselrute des Lehrers über meinem Rücken zu spüren, als der Feldhase im Schulgarten nebenan wichtiger war, als alles andere im Klassenzimmer um mich herum. Auch dieser Gertenhieb war nicht imstande, mich von meinem Interesse an allem, was da „kreucht und fleucht“, abzubringen.

Ich verschlang an abendländischer Jagd- und Tierlektüre alles, wessen ich mit meinen bescheidenen Mitteln habhaft werden konnte. Selbstredend wollte ich das Gelesene auch draußen erleben und war, sehr zum Leidwesen der hiesigen Jägerschaft, schon als Schuljunge ständig forschend in Wald und Feld unterwegs. Fährtenbilder, Gewölle, Losung, Wechsel und Fegestellen offenbarten sich mir einem Buch ähnlich. Nach einem strikten Hochsitzbenutzungsverbot der örtlichen Grünröcke klopfte ich mir lange und dicke Nägel als Steighilfe in ausgesuchte Bäume, an denen ich mich zu den Ästen hoch hangeln konnte. Auf einer Astgabel mit einem aufgenagelten oder festgebundenen Brettchen war dann stundenlanges Beobachten mit Opas recht einfachen Ferngläschen aus der Kaiserzeit angesagt.

Onkel Karl war Jäger und hatte gottlob irgendwann das Einsehen, mich als Unverbesserlichen nach und nach in die Geheimnisse der praktischen Jagdausübung einzuweihen, zumal ich fast täglich nach den Hausaufgaben mit seiner Drahthaarhündin „Cilly von der Glauburg“, in Rohrbach von Karl Schneider gezogen, in den heimischen Gefilden unterwegs war. Als Treiber, Hundeführer, Jagdhornbläser und natürlich bei Ansitzen und Pirschgängen sammelte ich nach und nach weitere grüne Erfahrung unter seiner Obhut. Die „Pirsch“ begleitete mich seit meinem ersten Lehrlingsgehalt. Es gelang mir dann in den Folgejahren bis heute mit kleinen, aber oft unvermeidbaren Abstrichen, meine Tätigkeit als Zimmermann, Betonbauer und Fachlehrer Bautechnik an Berufsschulen in Familie, Jagd und Musik zu integrieren. Jagen als Handwerk, überwiegend bescheiden bis sehr intensiv, mit einem Schuss unverklärter Romantik und dem Blick „über den Tellerrand“ zog sich stets als roter „Schweißriemen“ durch mein grün buntes Leben.

Ein paar Anmerkungen im Vorfeld…

Beim Schreiben meiner Geschichten und der Zusammenstellung dieses Buches stand das Erzählen meiner Erlebnisse aus meiner Perspektive im Vordergrund. Ich verzichte bewusst auf eine chronologische Abfolge der Ereignisse und besondere Ausschmückung des Textes. Vielmehr möchte ich den LeserInnen einfach das Gefühl des Dabeiseins und Erlebens in den verschiedensten Facetten, Launen und Stimmungen von mir vermitteln. Gelegentliche Einwürfe im Dialekt unterstreichen die Verbundenheit zu Land und Leuten, eben Heimatnähe und Bodenständigkeit.

Natürlich sollen diese Zeilen in erster Linie der Unterhaltung dienen, wobei in diesem Wort aber auch „Haltung“ steckt. Keinesfalls möchte ich jedoch belehrend und überheblich erscheinen, wenn ich vielfach erprobte und gelebte Tricks zur Praxis gebe. Es ist ein Privileg der gereiften Jahre mit Gelassenheit gemachte Erfahrungen an die nachfolgende Generation weiterzureichen, eigentlich auch in der Hoffnung, dass sie beherzigt oder zumindest teilweise respektiert werden. Man möge mir aber auch verzeihen, wenn ich zu einigen Erlebnissen und Fakten etwas gereizt wirke, denn nur Herzensangelegenheiten erzeugen Emotionen. Die mit Hingabe und teils auch mit einer Prise humoristischen Schalks verfassten Beiträge geben meines Erachtens guten Einblick in eine jagdliche Zeit und Denkweise, die heute für manchen unvorstellbar und oft sogar jenseits von Gut und Böse ist. Somit ist hinreichend geklärt, so denke ich, dass es auf meiner grünen Weste mit Sicherheit auch einige dunkle Flecken gibt!

Es ist der Abwechslung geschuldet, in einer Thematik große Zeitsprünge zu machen. Die Namen sind größtenteils geändert und Ähnlichkeiten mit noch lebenden Personen wären rein zufällig und sollten keinerlei boshafte Rückschlüsse zulassen. Das Wort „Waidmannsheil“ ist bewusst und mit etwas Protest mit dem nostalgischen „a“ geschrieben. Wenn vom „Feindesland“ die Rede ist, so meine ich das Nachbarrevier, wenngleich uns nicht alle Nachbarn feindlich gesinnt waren. Freundliches, respektvolles und gegenseitiges Einvernehmen ist weit überwiegend und Gott sei Dank an der Tagesordnung.

Ich werfe nicht gerne mit Prognosen um mich, aber ich beobachte seit einer geraumen Weile mit Skepsis und tiefen Sorgenfalten in der Stirn die neuerlichen Jagdmethoden, bei denen mit Wärmebild und Nachtsicht das Wild angegangen wird. Es kann für den Moment zwar sauber erlegt werden, aber die Spätfolgen dieses Jagens sind in meinen Augen schon jetzt absehbar. Der Jagddruck und die ständige Vergrämung durch menschlichen Gestank zu allen Tages- und Nachtzeiten in den entlegensten Revierteilen und dem damit einhergehenden Stress für unser Wild werden natürlich eine Anpassung zur Folge haben. Außerdem, was höchst bedauerlich ist, wird die „hohe Kunst“ des Jagens in kurzer Zeit verloren gehen, wenn wir uns von der Technik sagen lassen, wo sich Reh, Hirsch, Sau, Waschbär, & Co. gerade aufhalten. Unser Wild hat die besseren Sinne, reagiert äußerst empfindlich auf permanente menschliche Störungen seines natürlichen Lebensraumes, stellt sich um, wird noch heimlicher und sucht nach Ausweichmöglichkeiten..... und die wachsen mit den sich umformenden und klimabedingt neu gestaltenden Wäldern unsrer Heimat...!

Ein Lösungsansatz dieses Problems wäre: Diszipliniertes Maßhalten und nach alter Väter Sitte, sich vor dem Jagen ein relativ genaues Bild der Revierverhältnisse, der Schadensflächen oder an jagdlichen Einrichtung über Windrichtung und Wechsel zu machen, dann auf den vier Buchstaben hocken bleiben und möglichst wenig pirschen oder Wild angehen. Natürlich kann es in diesem Fall auch passieren, dass der Kühlschrank schon mal leer bleibt. Auch das ist Jagd. Ein Spruch der Altvorderen: „Zwölf mal zieht der Jäger aus, elf mal kommt er leer nach Haus!“… muss nicht unbedingt, kann aber schon mal sein!

Auch musste ich im Laufe meiner mittlerweile doch zahlreichen Jägerjahre immer wieder und oftmals auch schmerzlich erkennen, dass nichts beständiger auf diesem Erdenrund ist, als bösartiger Neid und hinterhältige Missgunst, insbesondere in „grüner“ Weltanschauung und Naturverständnis. Hier und da war und ist auch bei mir die Fünf gelegentlich eine gerade Zahl und nicht jede politisch gefärbte Verordnung, speziell in Sachen Jagd, in meinen Augen unbedingt einhaltenswert.

Ferner habe ich festgestellt, dass es am vorteilhaftesten im Miteinander ist, die Fähigkeiten anderer anzuerkennen und vermeintliche Fehler des Gegenüber zu einem gewissen Grad zu akzeptieren und zu respektieren, keinesfalls ihm aber oberlehrerhaft zu begegnen. Eine Partnerschaft auf Augenhöhe ohne Frage nach Bildung und Stand führt zu bestem Einvernehmen in der Sache. Voneinander Lernen wollen ist ein gesundes und gutes Fundament für die Lebensschule und dauerhafte, auch jagdliche Freundschaften.

Vom ersten Gedanken „...schreib mal auf...!“ bis zur Fertigstellung dieser Lektüre sind einige Jahre ins Land gegangen. Wenn dann irgendwann eine Leserin oder ein Leser hin und wieder dieses Büchlein nachdenklich schmunzelnd und auch vielleicht sich selbst erkennend, sinken lässt, hat sich der Aufwand gelohnt, denn Engel sind wir alle nicht... und draußen niemals alleine!

Friedrich Karl Nickel, Blattzeit 2024

1. Hochsitzbau

Zu meinen Erfahrungen in Sachen Ansitzeinrichtungen beginne ich am besten Mitte der Fünfziger des vergangenen Jahrhunderts. Der Samstag in der Nachkriegszeit war entweder noch regulärer Arbeitstag oder etwas später überwiegend der privaten Bautätigkeit auf dem Land vorbehalten. Das große Wirtschaftswunder stand je nach Anschauung noch in den Startlöchern oder hatte schon Fahrt aufgenommen. Gegenseitige nachbarliche Hilfe in fast allen Lebenslagen, auch mal augenzwinkernd am Fiskus vorbei, war an der Tagesordnung, selbstverständlich und auch oftmals lebensnotwendig.

So kam es, dass unter der „Kommandoführung“ meines Onkels Karl, klein von Statur und Metzgermeister unseres Dorfes, an einem sonnendurchfluteten Samstagnachmittag eine kleine Korona, jagdlich gewandet, mit eisenbereiftem Handwagen, Gummistiefeln, Hammer, Axt, diversen, meist zu kleinen, rostigen und vermutlich erst zuvor gerade geklopften Nägeln, wahrscheinlich stumpfer Handsäge und gebrauchten Brettern in Richtung Wald zum Hochsitzbau unterwegs war. Natürlich kam der erste Stopp gleich um die Ecke am „Linnebaam“ bei Käthes VI-VO-Lädchen, wo Proviant in Form von je einer Flasche Bier für die gestandenen Waidmänner und für uns Buben auch eine Sinalco zugepackt wurde. Natürlich konnte ich damals noch nicht ahnen, dass dieses Ereignis für mich die ersten Schritte in ein ausgefülltes Jägerleben sein sollten.

Aber zurück: Standort dieser geplanten jagdlichen Einrichtung war ein lichter Buchenaltbestand hinter der Jagdhütte mit eingestreuter Naturverjüngung. Der zu bauende Hochsitz diente dem einzigen Zweck, den Grenzbock aus dem nahen Feindesrevier abzuknipsen. Die Böcke gehörten selbstredend natürlich nur in dieses Revier! Sauen waren damals hier aufgrund der fragwürdigen Jagdmethoden unsrer Besatzer, den Saufängen und anderer rüden Methoden äußerst selten geworden; redensartlich höchstens jedes Schaltjahr verlief sich mal eine Wutz in unsere Gefilde. Hasentauglich war dieser Platz aber allemal, denn der Feldhase war damals neben Reh, Fasan, Ente und dem Rebhuhn die Hauptwildart in unseren kleinparzelligen, von keiner Flurbereinigung heimgesuchten, Revieren.

Der an eine dicke Buche angelehnte Sitz erinnerte stark an die Karikaturen unseres genialen Heinz Geilfuß. Bei unterschiedlichen, nicht immer waagrechten Sprossen der Leiter in Abstand von 20 bis 30 Zentimetern und einem halbverfaulten Sitzbrett war das Besteigen und Nutzen mehr als abenteuerlich und eigentlich aus heutiger Sicht nicht zu verantworten. Die Bauzeit dieses, für uns Buben doch relativ hohen, Abenteuergerüstes erstreckte sich mit Sicherheit, so glaube ich, noch über den Sonntag. Ausgenommen war selbstverständlich die Zeit des Kirchganges. Auch frage ich mich heute, wie man dort oben mehrere Stunden auf dem schmalen, schiefen Brett ohne Rückenlehne ruhig sitzen und dann auch noch einen sicheren Schuss abgeben konnte. Dazu kam noch eine Verblendung aus grünen Fichtenästen, die aber schon nach kurzer Zeit sämtliche Nadeln verloren hatte, und somit den jämmerlichen Anblick nur noch verstärkte. Ständiges Knarren oder Ächzen des Jammergestells durch Wind und schmerzhaftes Bewegen machte wahrscheinlich so manche Ansitzstunde zunichte.

Leider weiß ich nicht, wie viele Rehböcke trotzdem von dort erlegt wurden. Ich denke doch einige, die auch mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit nicht immer gemeldet und auf den Pflichttrophäenschauen der damaligen Zeit mit dem gefürchteten „Roten Punkt“ vorgezeigt wurden. Als Jugendlicher saß ich dann hin und wieder selber auf diesem Sitz und brachte als nachhaltige Lernerfahrung die erlittenen Rückenschmerzen in meine zukünftige Laufbahn als Zimmermann und Jäger ein.

Viele Jahre später, als Mutter Natur aus diesen Buchenrauschern einen stattlichen Jungwald hatte werden lassen, kam an fast die gleiche Stelle ein Erdsitz, der bis heute - auch der nahen Grenze wegen - immer wieder beste Chancen auf Sau und Reh bietet.

Bei einem Ansitz zur Blattzeit auf einem Baumstubben nahe dieser Stelle bot knappe zehn Meter neben mir einmal eine Bache ihren Fröschen im kühlen Buchenschatten die Milchquelle. Mit einen flauem Gefühl in der Magengegend lernte ich dabei schmerzlich-juckend das Stillsitzen auf der Jagd trotz Schnaken und Bremsen! Auch hörte ich, dass vor vielen Jahren ein hiesiger Jäger sich schon am 15. Mai abends dort ansetzte, um den am 16. Mai aufgehenden Rehbock vorzeitig vor den Nachbarn an der Grenze zu erlegen. Sein Jagdgenosse wartete an der nahen Jagdhütte, um sofort einen zweiten Schuss mit Schrot in die Luft abzugeben, sollte das Vorhaben gelingen. Man hätte aufgrund des Doppelschusses sagen können, man habe einen Fuchs geschossen, aber niieeemaaals ….nein… auch noch in der Schonzeit…. das macht man doch nicht... Bauernschläue....!

Profis

Im zweiten Drittel der 60er, immer noch ohne Jägerprüfung, aber passioniert bis unter den Hut, begleitete ich oft Onkel Karl in ein Revier nahe „Beuringe“. Jagdneid der Mitjäger und Querulantentum gepaart mit Rechthaberei und Böswilligkeit war der Grund seines Revierwechsels. Daran hat sich auch bis heute in den meisten Jagdbögen nicht viel geändert, so meine langjährige und oft bittere Erfahrung. Irgendeiner tut immer so, als hätte er dieses ehrbare Handwerk gerade neu erfunden. „Klappe halten un gugge!“ wäre oftmals besser.

In diesem, oben genannten Revier lernte ich neben anderen jagdlichen Gepflogenheiten und Verhältnissen auch ein anderes, lodengrünes Umfeld kennen. Hier standardisierten wir den Hochsitzbau. Mit von der Partie waren zwei Waldarbeiter und Kleinbauern aus dem Dorf, Richard und Otto, mit denen bestens zu arbeiten war. Ich war damals schon im Besitz einer Kettensäge und konnte auch aufgrund meines Berufes damit recht gut umgehen. Handlanger, Bierholer und weitere Jagdkollegen erleichterten uns das Arbeiten mit Fichtenstangen, sägerauen Brettern und Schwarten. Ungezwungenes Arbeiten in Gottes freier Natur in angenehmer Gesellschaft, was „gleicht wohl auf Erden...?“

Auf einem provisorisch eingerichteten Zimmerplatz in Hüttennähe legten wir nach bewährter Art der Zimmerleute vergangener Jahrhunderte das Grundgerüst einer Kanzel waagrecht am Boden vor, eine Technik, die ich bis heute beibehalten habe. Zur Rückenschonung und einfacherem Arbeiten benutzte ich damals dickere Stämme, heute Zimmrerböcke, zum Auflegen der Hölzer. Das erste, wegen der Grundflächenvergrößerung unten ausgestellte, Kanzelteil bestand aus den beiden Pfosten einer Seite mit einem Querholz im Abstand über dem Erdboden und einem Holz als Bodenträger oben, inklusive einer Strebe als diagonale Aussteifung. Ebenso wird das zweite in gleicher Anordnung darübergelegt, des Strebenverlaufes wegen. Die Länge der tragenden Fichtenstangen richtete sich nach dem Standort, der erforderlichen Bodenhöhe und dem Wunsch, ob der Sitz mit oder ohne Dach gefertigt werden sollte.

Zum Zusammenbau lag eines dieser Bockgerüste auf dem Boden, das andere wurde als Gegenstück von den Helfern darüber gehalten und mit den zuvor abgelängten und angeblatteten Stangen und Streben zu einem Geviert vernagelt, ausgerichtet und dann aufgestellt. So stand der Bock auf vier Füßen, absolut sicher miteinander verstrebt und verbunden. Die Leiter wurde ebenfalls vorgefertigt. Relativ dicke Stangen dienten als Holmen. Sie wurden im Dreißig-Zentimeter-Abstand gering eingeschnitten, mit Dexel oder Kettensäge keilförmig ausgeblattet und mit kantig behauenen Sprossen vernagelt. Mit dem Fuhrwerk ging es zum auserwählten Standort, wo Verkleidung aus Schwarten oder unbesäumten Brettern angebracht und eventuell das Dach montiert wurde. Natürlich durfte nach heiligem Brauch der Zimmerleute ein kleines Richtfest nicht fehlen. Die bevorzugten Biersorten waren Pfungstädter und Weihenstephan. Der Beständer hatte eine Bierniederlassung, und Onkel Karl war für die Fleischwurst zuständig.

Heute fertige ich eine überdachte Kanzel mit den Bodenmaßen 1,10 x 1,10 Meter. Hier ist im Winter Platz für genügend Bewegung im Ansitzsack, und bei schönem Wetter passt auch eine Begleitung dazu. Die Wände aus senkrechten sägerauen Brettern, linksoder rechtsseitigem Einstieg, Sitzbank mit bequemer Rückenlehne, rundum geschlossen und mit Dach als Typ „Susi“ (Saunauntensitzer) sind für das verwöhnte Jägerlein mit vertikalen Schiebefenstern versehen.

Der bevorzugte Typ „Friedel“ ist halboffen, natürlich auch überdacht, drückjagdtauglich mit pfostenfreier Sicht nach vorne und ist ebenfalls schnell in Serienfertigung mittels Schablonen hergestellt. Ein Ablagebrettchen, kurz „Theke“, für Fernglas oder „Labendes“ darf nicht fehlen, ebenso sichere Handgriffe am Einstieg. Der Umwelt zuliebe verzichte ich selbstredend auf chemische Imprägnierung, lege aber großen Wert auf den konstruktiven Holzschutz. So haben meine ersten Kanzelaufbauten dieses Typs mittlerweile fast 40 Jahre voll funktionsfähig auf dem Buckel.

„Typ Friedel“

Über Geschmack lässt es sich freilich streiten. Kanzeln dieser Typen sind nicht das allein Glückseligmachende, aber ein hervorragender Kompromiss und seit Jahrzehnten in vielerlei Hinsicht bewährt. Die mittlerweile in Mode gekommenen „Balkone“ vor der Kanzeltüre lehne ich nicht nur aus Sicherheitsgründen kategorisch ab. In unseren Breiten genügt in den meisten Fällen eine Bodenhöhe von maximal drei Metern, wodurch sich auch der „Tote Winkel“ auf ein erträgliches Maß reduziert.

Mit dem Bestehen der Jägerprüfung und dem damit verbundenen Beutemachen forcierte ich den Hochsitzbau nach und nach zu den Grundregeln:

Du solltest sicher und leise hinauf und wieder herunterkommen, oben auch mal gefahrlos hinter die Augenlider blicken können und ohne viel Bewegung gute Sicht bei bestmöglicher Tarnung haben!

Ebenso sind meine Drückjagdböcke standardisiert. Sie bestehen aus zwei in sich verstrebten Rahmen in einer Tiefe von 1,15 Meter mit den Auflagehölzern für den Boden, die Sitzbank, natürlich mit schräger und dadurch bequemer Rückenlehne, und der oberen Begrenzung mit der aufliegenden Abdeckung mittels Brett als konstruktiven Holzschutz. Als Baumaterial verwende ich sowohl Rund-, Halb- als auch Kantholz. Lärche oder Douglasie ist von Vorteil. Die Breite kann von Sitz zu Sitz variieren und hat sich bei etwa 100 Zentimeter eingependelt. Auch die Bodenhöhe ist je nach Standort und verfügbarem Material von Sitz zu Sitz unterschiedlich und reicht von 0,2 bis 2,0 Meter. Diese sogenannten Drückjagdböcke sind auch von einer Person auf einem PKW-Anhänger zu transportieren und ebenso leicht aufzustellen. Im Bedarfsfall können Schrägstützen gegen Windwurf einfach oben angeschraubt und unten in den Boden gedrückt werden.

Ein wirksames Mittel gegen zu schnelles Faulen bei Erdkontakt der Pfosten und als Bodenfundament sind gebrauchte Gehwegplatten generell zu empfehlen. Als Bodenverankerung und brauchbare Sturmsicherung verwende ich mittlerweile bei fast allen Hochsitzen anstatt schnell faulender Holzpfähle, kräftige, längere Winkeleisen (4 x 40 mm, 1,20 m), die nach dem Einschlagen oben mit Schrauben oder Nägeln an den Ständern befestigt werden. In den letzten Jahren setzten sich immer mehr Tellerkopfschrauben zur Befestigung statisch relevanter Hölzer durch. Unsere akkubetriebenen Handmaschienen sind generell ein Segen beim Arbeiten in Gottes freier Natur.

„Typ Susi“

Aufgebaut und hingesetzt

Nach einem sonntäglichen Frühansitz sah ich während der informativen Gummipirsch hinter der Mühle an der Hohl oben zwei Füchse im Februarschnee. Am folgenden Montag fertigte ich nach dem oben beschriebenem Muster einen solchen Drückjagdbock und stellte ihn mit dem Rücken an die Hecke der „Mockstädter Hohl“. Professionelle Hilfe hatte ich von meiner neunjährigen Tochter. Mit beginnender Dunkelheit war das Werk vollendet. Nach Begutachtung und Testat vom Töchterlein ging es zum Abendbrot nach Hause, wohnten wir doch im Revier.

Gegen 19.00 Uhr saß ich dann im Ansitzsack auf diesem Sitz. Es dauerte gar nicht lange, da kam schon der erste Fuchs von vorne über Kimm gerade auf mich zu. Auf gute 50 Meter mäuselte ich. Wie angewurzelt stand er hoch aufgerichtet. Es war sein letztes Sichern. Die Hornet bannte ihn auf den Platz. … Siehste, da hat sich die Mühe vom Nachmittag doch schon gelohnt! Langsam schiebt sich der knappe Vollmond über den Altbuchenbestand des Brüderbrünnchens am östlichen Horizont. Seit dem „Bätsch“ der Hornet ist ungefähr eine halbe Stunde vergangen. Aus dem Augenwinkel sehe ich links oben, und gar nicht weit, eine Bewegung. Diese hat eine Lunte und steht breit. Das gedimmte Leuchtabsehen zeigt genau, wohin das Kügelchen fliegen soll. Meister Reinecke macht eine Steilflucht und bleibt am Platz. Super! Innerlich muss ich schmunzeln, kommt mir doch gerade Wilhelm Buschs Lehrer Lämpel mit seiner Zufriedenheit in den Sinn.

Immer wieder wandert der Blick durch das Fernglas zu den reglosen Flecken im Schnee. Hm, ist ja Spätranz, denke ich! Der Letzte war relativ klein, also vielleicht eine Fähe? Abwarten! Hustenreiz kommt auf! Ein kurzes Nippen am Flachmann. Der Obstler aus eigenem Brand unterbindet sofort den Anflug einer lauten Störung. Glück gehabt. Minuten später bestätigt sich meine Vermutung. Ein starker Fuchs kommt mit tiefer Nase auf der Spur der Kleinen. Er stutzt, als er in ihre Nähe kommt und legt sich bleischwer neben sie. Donnerwetter! Drei Füchse!

Langsam kriecht die Kälte auf dem offenen Sitz die Beine hoch. Es ist halb Elf und die Flasche angewärmten Biers (nur der Nieren wegen) auf der Fensterbank über dem Heizkörper zuhause zieht mächtig. „Bleib noch etwas!“ empfiehlt das Jägerherz! „Da ist doch der Flachmann, nimm noch einen wönzigen Schlogg!“, sagt das Teufelchen. Ich werde schwach und nippe. Rechts unten, von der Mühle her, noch ein Rotrock, aber sehr weit! Ich riskiere nichts! Weg ist er! Wenn der auch noch gekommen wäre ...!

Über Kimm, in Richtung Schwalbengrund, bellt erneut einer seine Sehnsuchtsarie in den Nachthimmel. Gut, dann warte ich eben doch noch etwas länger! Tatsächlich kommt er wieder spitz von vorn auf die Hecke zu. Eine kleine Drehung von ihm nach dem Mäuseln war seine Letzte! - Fuchs Nummer vier!

Ein Hase kommt wenig später aus der Hecke links neben mir. Ich sehe förmlich seine Erleichterung vor meinem geistigen Auge, als er sich dem leblosen Fuchspärchen nähert. Dann hoppelt er weiter fast bis zum nächsten Rotrock. Hier glaube ich sogar ein gefälliges Nicken von Meister Lampe gesehen zu haben, und muss fast laut lachen, als er auch noch den vierten aufsucht! Genugtuung, so bilde ich mir ein, sehe ich in seinem Gebaren, liegen doch vier seiner Widersacher reglos im Schnee!! - Jetzt aber schnell nach Hause in die warme Stube!

Anderntags habe ich später Unterricht. Da könnte es noch mit einem Morgenansitz an gleicher Stelle klappen. Außerdem muss ich ja noch meine Füchse einsammeln, die ich bewusst der nächtlichen Störung wegen am Platz belassen habe! Gesagt, getan! Noch in der Dunkelheit, kurz vor Tagesanbruch, beziehe ich wieder Stellung. Fuchs Nummer fünf läuft noch in der Morgendämmerung in die Schrotgarbe des Drillings! Alle fünf lege ich dann an der Jagdhütte zur Strecke. Der alte Beständer schmunzelt ein ehrliches Waidmannsheil, als ich ihm nach dem Unterricht den Verlauf der vergangenen Nacht erzähle, und darauf zu Hause mit dem Abbalgen beginne.

Wildackerkanzel

Unser Wildacker am Buchwald wurde recht gut von den Sauen gezehntet. Ihr Einstand war gute 100 Meter von diesem Mais in den Buchenrauschern mit Südhanglage entfernt. Von dort aus unternahmen sie ihre nächtlichen Streifzüge in die wildschadenspflichtigen Äcker unseres Reviers. An den Rand dieses Feldes musste dringend, und wie immer schnellstens, ein Hochsitz unter Wind gestellt werden.

Ich nahm ihn in Angriff. Die Hanglage machte eine Bodenhöhe von knapp drei Metern erforderlich. Als Aufbau kam der mittlerweile standardisierte Kanzeltyp „Friedel“, des pfostenfreien Ausblicks wegen, zur Ausführung. Die auf meinem Zimmerplatz vorgefertigten Teile nebst Untergestell wurden an einem sonnigen Nachmittag per Pkw-Anhänger an den ausgesuchten Standort verbracht, aufgerichtet und ausgebleit. Dies ist für einen routinierten Zimmermann kein Problem. Allerdings hatte ich für diverse Handreichungen wieder meine Tochter mit ins Boot geholt. In gut zwei Stunden war das Werk vollbracht. Jetzt wies ich von erhöhter Warte Sina an, sparsam noch ein paar Maisstängel zu knicken, des besseren Schussfeldes wegen. Danach war Duschen und Abendessen angesagt.

Gesättigt und rundum zufrieden setze ich mich noch in der Dämmerung auf die neue Kanzel. Der Septembermond kroch langsam in die Höhe, als plötzlich im Mais vor mir eine einzelne Sau schmatzte. Kein Laut hatte ihr Kommen angekündigt. Sie stellte sich breit und ich ließ fliegen. Ihre Todesflucht endete auf dem Anfahrtsweg. So ist es brav. Überläuferbache, nicht besonders stark, allerdings drei winzige Frischlinge in der Tracht, die sehr schwach in den Winter gekommen wären.

Auch heute noch setze ich mich gerne auf neu aufgestellte Sitze und habe auch öfters schon beim ersten (Probe)Ansitzen Waidmannsheil, wovon folgende Geschichten erzählen.

Drückjagdbock

In eine Abteilung mit erheblichem Windbruch sollte schleunigst eine drückjagdtaugliche Kanzel gestellt werden. So lautete die Vorgabe nach demokratischem Beschluss. Typ „Friedel“ wurde gewählt und kurzfristig auf- und fertiggestellt. Noch in den letzten Sonnenstrahlen des gleichen Tages bezog ich dort Stellung. In beginnender Dämmerung zog ein starker und alter Bock, den niemand kannte, über die Rückegasse Richtung Alteburgkreuz. Ich hatte ihn frei und legte ihn auf die Decke. Noch im Glücksgefühl des braven Bockes wegen, wischte ich mir die Augen ungläubig in Richtung Bock. Ein starker Kuder (Wildkatze!!) beschnüffelte das Reh und verschwand kurz darauf geisterhaft in dem angrenzenden Unterholz. Zum Handyfoto wäre es schon zu dunkel und zu weit gewesen. In diesem Gedanken bemerkte ich ein Stück weiter oben einen großen, schwarzgrauen Fleck vertraut auf der schmalen Schneise...! Keiler, 100 kg plus! … zu weit! ...Vom Schuss auf den Bock bis zum Verschwinden des Bassen waren gute fünf Minuten vergangen!

Toskana

Die letzten Tage in unserer „Oberhessischen Toskana“ waren von unübersehbarer Schwermütigkeit überschattet. Auch deftige Sprüche und etwas „Galgenhumor“ konnten den Chef nicht ernsthaft erheitern. Nach über dreieinhalb Jahrzehnten musste er das traute Revier wegen Neuverpachtung räumen. Scheiden tut weh! Das abgelaufene Pachtverhältnis, welches den Genossen schon über die vielen Jahre einen sehr guten und überdurchschnittlichen Zins einbrachte, wurde für sehr viel mehr an einen neureichen Städter vergeben. Dieses Männlein, jagdlich drittklassig, war steinalt, stinkreich und wollte auch einmal selber ein Revier haben! Er bot den Jagdgenossen den doppelten Preis, der normalerweise für eine Hochwildjagd im Rotwildkernrevier gezahlt wird…! Natürlich bekam er den Zuschlag, denn Geld stinkt nicht!

Übergabe der Jagdhütte, Abbau von alten Kanzeln, Aufgabe der Wildäcker, und vieles mehr, war ein bedrückendes Abschiednehmen, aber auch ein Erinnern an Jagen und Ereignisse der besonderen Art. Die unterschiedlichsten Mitjäger waren jahrzehntelang hier zugegen. Freud und Leid wurde ertränkt, geteilt und in dicke Zigarrenwolken eingehüllt. Die Begebenheiten und Erlebnisse würden sprichwörtlich ein dickes Buch füllen.

Beim Aufschichten eines Brennguthaufens aus maroden Hochsitzen und anderem Brennbarem auf der Schäferwiese besprachen wir das weitere Vorgehen der Aufräumarbeiten. Ich hatte schon an einigen Tagen vorher den Abtransport diverser Sitze erledigt. Der nächste lag unweit des Brandplatzes. Ihn hatte der letzte Sturm gefällt. Dabei zerbrachen dem relativ hohen Drückjagdbock drei Ständer, die wahrscheinlich auch schon etwas angeknackst waren. Ich wollte ihn auf den PKW-Anhänger hieven, um ihn zuhause auf meinem Zimmerplatz zu richten. Auf der Fahrt zu diesem „Sündenbock“ drehte ich ein Stück weiter hinten am Waldrand mein Gefährt. Dabei kam ich an frisch eingesäten Äckern vorbei. Der eine war stark von den Schweinen heimgesucht. Wir hatten noch späten Halbmond, und ein Ansitz dort versprach Beute. Spontan hatte ich eine Idee, die auch dem Chef zusagte. Anstatt aufwändiger Reparatur des Drückjagdbockes schnitt ich das Untergestell knapp unterhalb des Bodens ab. So entstand ein niedriger Erdsitz, den wir an den Rain des Schadenackers stellten. Hier bekam er noch notdürftige Streben und eine Sitzbank.

Nach Vollendung dieses „Prachtstückes“ verdrückten wir noch anlässlich der Geburtstagsfeier des „Obertreibers“ diverse Fleischkäsebrötchen und traten dann die Heimfahrt an. Zuhause wurde der Anhänger abgehängt, das Wildkörbchen aufgesteckt, Winterklamotten überprüft, Repetierer ins Futteral gesteckt, und ab ging es wieder in die „Toskana“ zum besagten Erdsitz. Nach einer Stunde leidlichen Sitzens hörte ich die ersten Sauen in der Feldholzinsel des Nachbarreviers. Sie zogen aber über die westliche Kuppe und waren einfach weg. Lange Zeit geschah nichts, außer, ein Fuchs sagte höflich „Guten Abend“. Natürlich pardonierte ich ihn.

Dann gab es aber heftiges Leben im Revier. Über dem „Hessengraben“ schreckten gefühlte zwanzig Rehe. Dieses Getöse zog sich wie an einer Perlenschnur zum Wildacker, dann durch die „Ulf“, und rüber in den „Hellewaald“, also in einem riesigen Bogen bis fast in meinen Wind und Rücken. Erleichtert vernahm ich nach einer Weile einen vielversprechenden Quiekser auf drei Uhr hinter dem Heckenstreifen. Es dauerte aber dennoch, bis ich die Bande durchs Glas schemenhaft ausmachen konnte. Vage zählte ich neun Wutzchen, die sich ständig ineinander schoben. Die hatten Zeit ….und ich fing gottserbärmlich an zu frieren. Mantel und Fleecejacke schließen, wollene Fingerhandschuhe an, und das Glas nicht mehr von den Augen lassen…! Warten...!.

Jetzt bricht die Bande schon auf dem Acker, aber die 200 m sind einfach zu weit! Angehen ist in diesem Fall auch nicht gut...! Die Minuten schleichen..., aber sie kommen näher! In diesem Warten kreisen meine Gedanken abwägend, und ich befehle mir, doch Ruhe zu bewahren und tatsächlich nicht anzugehen. Abergläubisch, wie die Jäger meistens sind, stelle ich zudem mit Schrecken (nicht das der Rehe) fest, dass ich notgedrungenermaßen einen funkelnagelneuen Hut auf dem Kopf habe...! Hoffentlich geht das gut...?

Allmählich kann ich die einzelnen Schweine gut erkennen und mache mich behutsam fertig. Extrem nach rechts verdreht und mit maximaler Größe des Zielfernrohres harre ich der Dinge, die da kommen sollten...!? Weit auseinandergezogen stehen sie meist spitz. Alle Neun haben ziemlich die gleiche Größe. Augenscheinlich fehlt die Leitbache, die ich letztens noch bei dieser Rotte gesehen habe. Wahrscheinlich hat sie sich zum Frischen abgesetzt. Jetzt wendet eine in der Mitte. ...Bautz! ...die Rotte geht ab... ein regloser schwarzer Fleck bleibt! Abwarten und drauf bleiben... Ruhe kehrt ein...sie liegt! Zum Bergen fahre ich dann über den Acker, mindestens 110 m, Frischlingsbache, 28 kg, sauber Hochblatt, und das mit neuem Hut! An der Hütte verbreche ich dankbar und glücklich unsere Letzte nicht ganz waidgerecht mit einem Eibenbruch.

Anmerkung: Diesem „Möchte-gern-auch-mal-Pächter-sein“ wuchs nach zwei Jahren das Jagen in diesen Gefilden einfach über den Kopf und er suchte Wege aus dem Vertrag…!

2. Kumpel auf vier Pfoten

In dörflichem Umfeld und mit Tieren aufgewachsen, wünschte ich mir schon als Kind sehnlichst einen Hund. Wie bereits erwähnt, holte ich mir schon als Achtjähriger fast täglich Cilly, die DD-Hündin des Onkels und durchstreifte mit ihr Feld und Wald. „Jagen ohne Hund ist Schund!“, so meine feste Überzeugung bis zum heutigen Tag. Zur Zeit führe ich die Ardennenbracken Alf und Paula, unsere Hunde Nummer 17 und 18! ...ich führte meistens zwei, bzw. drei Hunde.

Beginnen muss ich der Vollständigkeit halber und zur Abrundung mit unserer ersten Hexe.

Wochentags, Anfang der 60er Jahre, die Familie sitzt nach dem Abendbrot noch am Küchentisch in Gespräche über Tagesabläufe, Zeitgeschehen, Schularbeiten und Berufsalltag vertieft. Es klopft an der Türe. Alfred betritt unsere Wohnküche und beginnt nach den Höflichkeitsfloskeln und der Frage: „Was führt dich zu uns?“ mit dem Grund seines Besuches. „Ei, Otto, ich will mer e Audo kaafe! Woas maanste dann?“ So der Beginn des Kapitels Hund, welches mich ein Leben lang begleiten sollte!