Alltag Deutschland: Flüchtlinge im Hotel - Ariane Aran - E-Book

Alltag Deutschland: Flüchtlinge im Hotel E-Book

Ariane Aran

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Beschreibung

Hannah hat Paul gefunden. Der Nerd mit dem Hipsterbart könnte Hannahs große Liebe werden. Wenn nur Hannahs Mutter sich nicht dagegen sperren würde, weil Paul angeblich nicht zu ihrer Tochter passt. Deswegen will Hannah ihre Mutter schocken: Hannah lässt sich mit einem „unmöglichen” Typen ein, einem Schwarzen, der im sogenannten Migrantenhotel der Stadt wohnt. Mutter soll erkennen, dass Paul das kleinere Übel ist … Die Autorin Ariane Aran verarbeitet einen wahren Fall aus einer deutschen Kleinstadt zu einem packenden Drama. „Beklemmend aktuell. Ich konnte nicht aufhören zu lesen”, Jasmin Abelshauser, Nightlounge. „Die selbstbewusste Hannah ist eine typische Vertreterin ihrer Generation. Atemlos verfolgt man das Schicksal der jungen Frau. Nichts scheint ihren Weg in den Abgrund aufhalten zu können”, Leonie Hennig, Haidhausen Online

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Seitenzahl: 106

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Alltag Deutschland

Flüchtlinge im Hotel

Ein Roman, der auf Tatsachen basiert und von Migranten, Asylbewerbern und Einwanderern handelt. Und natürlich von Einheimischen, die seit ihrer Geburt in Deutschland leben.

Von Ariane Aran

FS-Verlag Edition Störtebeker ISBN 978-3-932733-31-4

Besuche die Webseite der Autorin: ariane-aran.info

Inhaltsverzeichnis
Vorrede
1. Kapitel - Türen
2. Kapitel - Der Chef
3. Kapitel - Verfolgung
4. Kapitel - Assimilation
5. Kapitel - Angst
6. Kapitel - Das Geheimnis
7. Kapitel - Kleinmädchenalbtraum
8. Kapitel - Beobachtung
9. Kapitel - Schnapsidee
10. Kapitel - Was am Ende übrig bleibt
11. Kapitel - Im Arschlochraum
12. Kapitel - Auf gleicher Ebene
13. Kapitel - Krankheit
14. Kapitel - Drohung
15. Kapitel - Das Zögern des Reisenden
16. Kapitel - Suche nach Hannah
17. Kapitel - Nach der Operation
18. Kapitel - Begegnung & Auftrag
19. Kapitel - Tauschgeschäft
20. Kapitel - Flucht
21. Kapitel - Der rettende Anruf
22. Kapitel - Aussprache
23. Kapitel - Die Bitte, die Erkenntnis und das Ziel
24. Kapitel - Das Treffen
25. Kapitel - Gelübde
26. Kapitel - Sofort herbeigeeilt

Die Verfasserin gibt ihre Quellen an

Im Sommer fuhr ich in die Provinz und las in einem lokalen Anzeigenblatt über einen Bauunternehmer, der reich wurde mit Unterkünften für Flüchtlinge. Ich sprach mit Sozialarbeiterinnen, mit Einwanderern und Asylbewerbern. Und ich lernte junge Bürgerinnen und Bürger kennen, die in der Nähe von Einrichtungen wohnen, die Migranten beherbergen.

Aus den Berichten und aus den Erzählungen dieser Personen entstand der folgende Roman. Ähnlichkeiten mit Verhältnissen und Personen in der Wirklichkeit sind nicht beabsichtigt (es ist ein Roman!), aber unvermeidlich.

Wir beginnen mit den Ansichten des Asylbewerbers Abdou, wenden uns dann der 19jährigen Hannah, ihren Lebensträumen und -problemen zu. Danach lernen wir den Unternehmer Martin Woelbern kennen. Er ist kein Profiteur der Flüchtlingskrise. Er ist ein Getriebener. — Aber ich greife vor …

1. Kapitel - Türen

Montag | 22.6.2015 | 13 Uhr

Mein Name ist Abdou. Ich finde die richtige Tür nicht. Den Eingang in mein Leben.

Wir alle finden den Eingang nicht.

Ich will das ändern. Für mich zumindest. Und ich werde es ändern, egal wie viele Misserfolge ich dabei bisher hatte. Immer noch bin ich jung, immer noch habe ich meine Träume.

Der Weg dorthin führt durch ein Labyrinth. Das habe ich gelernt. Immer wieder tauchen Abzweigungen darin auf, und da ich nicht umkehren will, denn dann finde ich den Eingang nie, entscheide ich mich für einen Abzweig … An dessen Ende taucht eine neue Tür auf. So war es bisher immer.

Ob das jemals aufhören wird, bevor ich alt werde?

Und wenn das Leben nur aus Türen bestände … Nein, das kann nicht sein:

Denn hier, an dem weitesten Punkt, den ich bisher in dem Labyrinth vorgedrungen bin, hier ist etwas anders, als auf allen anderen Wegen des Labyrinths, die ich bisher gegangen bin. Hier begegnen mir Menschen, denen ich ansehe, dass sie wissen, wo der richtige Eingang ist.

Manche Türen lassen sich öffnen. Es waren nicht die richtigen. Wenn sie sich leicht öffnen lassen und ich gehe hindurch … dann wird es bald schwer, sehr schwer. Ich muss umkehren oder anfangen zu laufen, um zur nächsten Tür zu gelangen, ohne vorher gestorben zu sein.

Manche Türen lassen sich schwerer öffnen. Einige von ihnen habe ich aufgestemmt. Dahinter war es besser.

Einige blieben mir ganz verschlossen, so sehr ich mich auch bemühte. Dahinter vermute ich die Dschanna.

Hier aber, an dem weitesten Punkt, den ich bisher erreicht habe, habe ich eine neue Art von Tür entdeckt. Sie öffnet sich ganz leicht, sie bimmelt sogar freudig zu meiner Begrüßung. Ich trete ein und bin trotzdem noch draußen.

Das ist die raffinierteste Tür von allen. Irgendwo hier verbirgt sich die Dschanna.

Ich will nicht draußen bleiben, ich will hinein.

2. Kapitel - Der Chef

Montag | 22.6.2015 | 13 Uhr

„Aber er nervt mich”, sagte Hannah und ihr Pferdeschwanz wippte keck.

Claudia erwiderte: „Du kannst nicht jedes Mal den Freund wechseln, wenn er nervt.”

„Kann ich nicht?” Hannah guckte Claudia herausfordernd an.

Claudia sagte nichts weiter, sondern widmete sich der Kaffeemaschine. Auch Hannah verspürte wenig Lust, das Thema zu vertiefen. Vielleicht weil sie Claudia recht geben musste. Paul war ein fantastischer Mann. Ein kleiner Revoluzzer. Ging seinen eigenen Weg, ließ sich von seinem Vater nichts sagen.

Trotzdem hatte er einige Macken. Musste man die akzeptieren … oder doch weitersehen? Es gab so viel zu erleben und zu entdecken. Etwas trieb Hannah voran. Vielleicht war es das Jungsein.

„Ich hol schnell noch ein Wasser von unten”, entschied Hannah.

„Okay”, Claudia fummelte weiter am Filterbehälter, „ich verstehe nicht, warum Simon uns keine neue Maschine spendiert.”

„Zu knickrig vielleicht?”, überlegte Hannah und war schon aus der Kaffeeküche. Knickrig war ihre Mudda auch. Hatte ihr Vorhaltungen gemacht, da sie sich ein neues iPhone geleistet hatte. „Das alte hätte es genauso getan”, meinte Mudda. „Sparen, Hannah. Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert.” Vielleicht hatte sie deswegen etwas gegen Paul, der die Sache mit dem Geld … nunja … lockerer sah. Außerdem mochte sie Pauls Hipsterbart nicht. „Ziegenbart” nannte Mudda ihn.

Ausgerechnet jetzt kam Simon Hoeft den Gang entlang. Hannahs Chef würde doch nicht gehört haben, was sie gerade gesagt hatte?

„Sie wollen noch raus, Hannah?”

„Nur kurz Sprudelwasser holen.”

Simon Hoeft schaute auf seineOmega Speedmasterund biss sich auf die Unterlippe.

So sieht er aus wie ein Hamster, dachte Hannah. Ein süßer Hamster, der einen sexy Dreitagebart und einen eng geschnittenen, eierschalenfarbenen Anzug vom Maßkonfektionär trägt — aber uns keine neue Kaffeemaschine gönnt.

„Ich bin schnell wieder da”, versprach Hannah. Er ist eitel, dachte sie.

Sie lief die Treppen hinunter, immer zwei Stufen auf einmal. Seit Kindertagen machte sie es so, hatte es darin zur Perfektion gebracht und konnte sich kaum vorstellen, jemals wie einErwachsenerdie Treppen herabzuschreiten. Viel zu langsam war das, und Hannah wollte alles im Leben, nur keine Zeit verlieren.

Auf dem breiten Bürgersteig überholte Hannah zwei Passanten. Einer von ihnen warf ihr einen Blick nach. Hannah bemerkte es wohl und genoss es, schenkte dem Nerd mit Notebooktasche und wachen Augen die Andeutung eines Lächelns und verschwand schon inOnkel Werners Brutzelbude.

So nannte Hannah den Lotto- und Zeitschriftenladen von Werner Ohland. Im Sommer wurde es so heiß in dem Laden, dass die Marsriegel neben der Kasse weich wurden. Onkel Werner würde endgültig schließen, sobald seine Rente „durch wäre”, so hatte er es ihr verraten. Das war schade, fand Hannah, aber nicht zu ändern. Mit Zeitschriften und Lottoscheinen war kein Geld mehr zu verdienen.

„Hallo Hannah, was kann ich für dich tun?”, begrüßte Werner sie, die Ladentürbimmel klang noch nach; Werner saß klein hinter der Kasse, nahm aber schon die Schultern zurück und schaute Hannah entgegen. Werners Haar war weiß. Seine Haut braun und sein Blick so entspannt, als wäre das Leben ein immerwährender Mallorca-Aufenthalt gewesen. Dabei kam die Bräune aus dem Sonnenstudio eines alten Geschäftsfreundes, welches Werner immer noch trotz aller Krebswarnungen besuchte. Und die gute Laune war vonKügelchenverursacht, die der Hausarzt verschrieb: Gegen Altersdepression, wie Werner erzählte.

„Nur eine Flasche Sprudelwassermedium.Ich muss gleich wieder nach oben”, sagte Hannah, um Werners Hoffnung auf eine Plauderei gleich zu ersticken. Ihre Mittagpause war offiziell in zwei Minuten zuende. — Neben den Zeitschriften fand sie keine Flaschen mehr.

„Die stehen jetzt hier.” Werner war um die Theke herum zum Cola-Kühlschrank gehumpelt. „Habe ich kalt gestellt.”

Er geht immer gebeugter, dachte Hannah.

„Ich glaube …”, Werner kramte im Kühlschrank und die vollen Getränkendosen schepperten, „wir haben kein Wasser oben … ich hole welches aus dem Keller.”

„Aber das kann ich doch machen”, sagte Hannah. Sie wollte vermeiden, dass der alte Mann wegen ihr die eingeschweißten Wassergebinde aus dem Lager nach oben schleppte.

Das hatte er Freitag getan und hatte geächzt dabei, sich an den Rücken gefasst und Hannah gestanden, dass ihn die Rückenschmerzen Woche für Woche stärker peinigten. Hoffentlich lässt er sich nicht eine weitere SorteKügelchenverschreiben.

Im kühlen Lager fand Hannah die aufgestapelten Mineralwassergebinde. Oben bimmelte die Ladentür. Mit einem Ruck wuchtete Hannah ein Gebinde vom Stapel. Der Sechserträger war schwer. Die Trageschlaufe aus Plastik schnürte in die Finger. Der Arm wurde ihr lang … Hannah war froh, endlich die oberste Stufe erreicht zu haben.

Werner wartete oben an der Treppenstufe nicht auf sie, um ihr die Wasserflaschen abzunehmen; er hatte Kundschaft:

Werner reichte einem jungen Mann ein Liquid für E-Zigaretten. Der Mann mochte in Pauls Alter sein, aber er war muskulöser als Paul, und er war bunter gekleidet. Er hatte einen offenen Blick wie Paul, die gleichen makellosen, sehr weißen Zähne. Nur hatte dieser Mann Rastazöpfe und war dunkelhäutig. Er war sozusagen die dunkle Ausgabe von Paul.

„Das zu schwer für dich sein!”, sagte er mit weichem Akzent, legte das Liquid-Fläschchen neben die Kasse und war mit zwei Schritten bei Hannah, um ihr den Sechserträger Wasser abzunehmen.

„Die sollen in die Kühlung”, brachte Hannah überrumpelt hervor und schalt sich für die wenig geistreiche Bemerkung, schickte zum Ausgleich ihr bestes Flirtlächeln hinterher.

Er hielt ihren Blick und lächelte zurück, nahm ihr die Flaschen ab.

„Pferdeschwanz hübsch”, radebrechte er.

„Danke für das Kompliment”, antwortete Hannah.

„Ich Abdou sein.” Er bückte sich vor dem Cola-Kühlschrank und riss die Folie vom Gebinde, um die Wasserflaschen in den Cola-Kühlschrank zu räumen.

3. Kapitel - Verfolgung

Montag | 22.6.2015 | 18 Uhr

Sie wollte alles.

Wer alles will, kann im Nichts enden.

Denn er hat kein Ziel.

Hannah schlossWhatsApp. Sie war unentschlossen, was sie Paul antworten sollte.

Und ob sie ein Ziel hatte!

Abrupt stand sie auf.

Und wenn es nur das Ziel war, nach Hause zu kommen. Heute hatten sie in der Agentur pünktlich Feierabend machen können, was selten genug vorkam. Hannah hatte sich schnell von Claudia verabschiedet und war zur Bushaltestelle geeilt.

Ohne sich festzuhalten, ging sie nun zum Hinterausgang des Busses, glich das Schütteln des Fahrzeugs mit ihrem federnden Gang aus. Es war ein Geschicklichkeitsspiel: bloß nirgends festhalten, bis der Bus stand.

An der Haltestelle sprang sie hinaus auf den Bürgersteig. Die drei Kilometer von der Agentur hierher hätte sie zu Fuß gehen können. Oder sich ein Fahrrad anschaffen. So viele Möglichkeiten …

Erstmal nach Hause und gucken, was im Kühlschrank war.

Sie genoss ihre Selbstständigkeit. Mudda schrieb nicht mehr alles vor, kommentierte nicht, gab keine Ratschläge. Wenn Mudda anrief, konnte Hannah das Gespräch annehmen — oder ignorieren.

Nächsten Monat wurde Hannah 20 Jahre alt. Das Leben war schön. Jung sein war schön.

„Pferdeschwanz hübsch.” — Er sprach sie von der Seite an.

Hannah machte einen Satz nach vorn, so sehr erschrak sie.

„SPINNST DU?”, japste sie Abdou an.

Er grinste, und das Weiß seiner Zähne erstaunte Hannah immer noch; es hob sich effektvoll von seinem schokoladenfarbenen Teint ab. — Und dennoch: Der Zauber war fort, fand Hannah. Abdou hatte sie erschreckt. Er hatte es versaut. Sie vertraute da ganz auf ihr Gefühl. Also ging sie weiter, ein bisschen schneller als zuvor.

Hoffentlich war nochBrunchim Kühlschrank. Darauf hatte sie Appetit undBrunchwar leicht. Sie wollte auf ihre Linie achten. Erschrocken stellte sie fest: Sie wurde ein bisschen wie ihre Mudda, die ständig Diäten probierte … nein niemals!

„Pferdeschwanz hübsch.”

War Abdou wieder neben ihr.

„Hau ab, Digga.” Nicht unfreundlich, eher geschäftsmäßig sagte sie es.Ist nicht persönlich, aber mit uns beiden, das funktioniert nicht, ich möchte mit dir nicht reden, du machst mir etwas Angst.Die Jungen kapierten und trollten sich.

Hannah beschleunigte ihre Schritte.

Körpersprache und so. Falls er schwer von Begriff sein sollte …

„Sehr hübsch. Sehr hübsch. Pferdeschwanz. Ich Abdou heiße ich.”

Sie blieb stehen. „Woher kennst du das Wort Pferdeschwanz?”, fragte sie und wusste gleich, dass sie gerade einen Fehler machte.

Deswegen wartete sie die Antwort gar nicht ab, sondern ging sofort weiter, lief schon fast. Noch ein Fehler! Wieder langsamer werden …

Nun glaubte er womöglich, sie ließe sich auf ein Gespräch ein … oder hatte so viel Angst, dass sie fortlief.

Wurde sie zu langsam, dachte er womöglich, sie wolle verschüchtertes Mädchen spielen, das sich verführen ließe.

„Hübsch Pferdeschwanz figgi.”

Figgi?!Der spinnt wohl. — „LASS MICH IN RUHE!” Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt, war stehengeblieben.

Dann ging sie weiter. Nicht zu langsam, nicht zu schnell. Entschlossen und sicher.

Sie warf einen Blick über die Schulter.

Er war hinter ihr. Er hatte diesen typischen afroamerikanischen, tänzelnd-tigernd-wiegenden Gang. Das war ihr vorher nicht aufgefallen. Aber sie hatte Abdou bisher auch nicht gehen sehen.

4. Kapitel - Assimilation

Montag | 22.6.2015 | 18 Uhr

Die Menschen hier kennen alle den Eingang, durch den ich gehen muss.

Ich sehe es an ihren Gesichtern. Sie sind wohlgenährt.