Als die roten Schuhe zu Asche wurden - Monika Lorenz - E-Book

Als die roten Schuhe zu Asche wurden E-Book

Monika Lorenz

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Beschreibung

...Vorsichtig hoben sie den Deckel des Waschkessels etwas an. Da waren sie, die roten Schuhe, doch im nächsten Moment, vor ihren Augen, fiel alles in sich zusammen. Es blieb nur noch Asche. Wie konnten die roten Schuhe zu Asche zerfallen? Wann singt ein Kind im Keller gegen die Angst? Wieso klettert eine junge Frau auf ein hohes Dach? Diese Fragen werden in den Geschichten über die Erlebnisse im zweiten Weltkrieg beantwortet und noch mehr erstaunliche Erlebnisse aus dieser vergangenen Zeit finden sich in diesem Buch. Warum gerade jetzt dieses Buch? Durch die Ereignisse im Februar 2022, den russischen Überfall auf die Ukraine wurden die Erinnerungen an die furchtbaren Erlebnisse im zweiten Weltkrieg, die einige Zeitzeugen der Autorin erzählt hatten, wieder sehr präsent. Diese Erlebnisse sollten erzählt werden. Damit nie vergessen wird, welches Grauen Krieg über die Menschen bringt. Doch das Leben geht weiter .....

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

:

Krieg

Ascheregen

Störrisches Kind

Absturz

Mut ist gefragt

Geburtstagstorte eines kleinen Mädchens

Schulweg und ein Brikett

Besuch im Lazarett

Die roten Schuhe

Zahltag im Rathaus

Merkwürdiger Straßenbelag in der Lademühle

Kapitel 2: Der Krieg ist aus, das Leben geht weiter

.

Unheimliche Begegnung

Kleines Mädchen zwischen rollenden Panzern

Heimkehrer

Wohnung mit Himmelsblick

Holz holen und Schuhe finden

Zuckerberg – Mehl – Bucheckern- Öl

Ziegenschmaus

Abendessen auf dem „Brockenblick“

Schulfest auf der „Brockenblickwiese“

„Hier können Familien Kaffee kochen“

Rodeln in der Kinderzeit

Enttäuschung beim Einkauf

Danksagung

Kapitel 1: Krieg

Dröhnende Flugzeuge werfen leuchtende Bäume Über die Stadt Bomben krachen Feuer-Häuser bersten Rauch und Schatten überall Kind im Keller singt

Gegen die Angst

Ascheregen

Der Morgen Ende März war sonnig, es lag schon Frühling in der Luft. Doch es war noch immer Krieg, der Zweite Weltkrieg. Die Menschen gingen hastig ihren täglichen Beschäftigungen nach, um die Zeit zu nutzen, denn sie wussten, dass jeden Augenblick die Sirenen zu heulen anfangen konnten und sie schnellstens Schutzräume aufsuchen mussten. So waren sie es gewohnt, alles schnell und umsichtig zu erledigen.

Es war um die Mittagszeit als die Sirenen heftig heulten. Auf und abschwellend war der Ton und alle Menschen rannten zu den schutzgebenden Bunkern oder Kellern. Sehr schnell, viel zu schnell war das immer lauter werdende Brummen der Flugzeugmotoren zu hören. Schon waren sie über der Stadt.

Ein riesiges Geschwader verdunkelte den Himmel. Ein entsetzlicher Bombenregen fiel auf die Stadt. Sie kamen überall herunter. Brand-, Sprengbomben, Luftminen. Schauriges Krachen und Kreischen dröhnte. Häuser stürzten ein, riesige Feuer loderten in den Himmel. Menschen, die noch keinen Unterschlupf gefunden hatten, rannten um ihr Leben. Doch sie kamen nicht weit. Um sie herum explodierte die Stadt. Häuser stürzten auf sie, begruben sie unter den herunterregnenden Trümmern. Feuerbrünste rissen Menschen durch ihre große Kraft vom Boden und direkt in die brennenden Häuseröffnungen hinein. Sie wurden richtig hineingesogen in die Feuerhölle. Es gab kein Entrinnen. Die ehemals schöne Altstadt mit den hölzernen Fachwerkhäusern in den schmalen Gassen, weltweit berühmt, ging in einem Höllen-Inferno zugrunde. Nur eine alte Frau, die sich vor lauter Angst und Schrecken eingenässt hatte und deren Röcke dadurch nass waren, konnte geschützt durch ihre nassen Röcke dem Rand der Feuerhölle entfliehen und entkam dem fürchterlichen Entsetzen. Am Zimmerplatz blieb die große Normaluhr um kurz vor halb Zwei Uhr stehen. Oben am Galgenberg hatten sich Menschen im Wald versteckt, um nicht in den Kellern der einstürzenden Häuser verschüttet zu werden. Sie erzählten später: Es war erst Nachmittag, doch der Himmel war schwarz, die Sonne leuchtete als blutroter Ball durch die Schwärze. Entsetzlich war der schwarze Ascheregen, der über der gesamten Stadt und dem Wald ringsherum herunterregnete. Ein kleines Mädchen fing eine halb verbrannte Postkarte auf. Die Adresse, die noch einigermaßen zu lesen war, stammte vom Domhof. Das war mitten in der Stadt und einige Kilometer weit entfernt von der Stelle am Galgenberg, wo das Mädchen die Karte fand.

Diesen grauenhaften Anblick des schwarzen Himmels mit der blutroten Sonne und dem schwarzen Ascheregen, dieses Entsetzen über das Unbegreifliche, das um sie herum geschah, hat das kleine Mädchen niemals vergessen. So etwas prägte sich tief in das Gedächtnis ein und an jedem Sylvester, wenn die Raketen und Böller knallen, tauchen in dem Mädchen, das nun zur alten Frau geworden ist, wieder die Erinnerungen an diese schaurigen Bilder vom damaligen Großangriff auf ihre Heimatstadt auf.

Störrisches Kind

Die beiden Mädchen schliefen fest in ihren Bettchen. Es war bereits tiefe Nacht. Da schrillten die Sirenen los. Auf und ab, auf und ab ging ihr durchdringendes Geheule. Die Mutter stürzte aus ihrem Bett. Ganz schwindelig war ihr, doch sie eilte zu den Betten der beiden Mädchen.

„Steht auf, schnell, schnell, aufstehen, aufstehen, wir müssen in den Keller.“ Die Zweijährige weinte, sie verstand gar nicht, warum sie aus ihrem Schlaf gerissen wurde. Die Größere drehte sich auf die andere Seite.

„Lass mich“, nuschelte sie. Die Mutter rüttelte sie.

„Steh auf, schnell, schnell, du kannst im Keller weiterschlafen“, rief sie. Das Mädchen wand sich hin und her.

„Lass mich in Ruhe“, rief sie. Sie wollte nur weiterschlafen. Sie war so müde. Jede Nacht das Gleiche. War sie gerade fest eingeschlafen, kam der Alarm und riss sie alle aus dem Schlaf. Übermüdet waren sie jeden Tag und dann noch in die Schule gehen. Wer sollte das aushalten. Sie wollte jetzt nicht aufstehen, ganz und gar nicht, egal, was die Mutter sagte. Sie wollte schlafen, endlich einmal eine Nacht durchschlafen. Sollten die blöden Bomber doch kommen. Die Mutter riss an ihrem Arm

„Steh endlich auf, ich höre schon das Brummen der Flugzeuge“, rief sie. Das Mädchen wehrte sich gegen den festen Griff der Mutter,

„Lass mich“ schrie sie. „laß mich in Ruhe, ich will schlafen“ . Die Mutter zerrte und riss und beschwor die Tochter doch endlich aufzustehen.

„Es ist schon viel zu spät, gleich schließen sie die Türen vom Luftschutzkeller und wir kommen nicht mehr hinein“. Beide, Mutter und Tochter weinten und schrien jetzt. Die Mutter zerrte, das Mädchen klammert sich am Bett fest. Die Kleine weinte noch mehr, sie verstand gar nichts, nur dass die Mutter sehr zornig wurde, und das machte ihr noch mehr Angst. Die Mutter setzte die Kleine ab, zog an der Größeren und versuchte sie aus dem Bett zu bekommen. Doch das Mädchen krallte sich an den Bettpfosten fest, schrie und trat mit den Füßen nach der Mutter. Sie hatte schon manches Mal ihren „Bock“ gehabt, doch jetzt ging es um Leben und Tod und die Mutter konnte nicht nachgeben, sie mussten in den sicheren Luftschutzkeller. Doch das Mädchen gab nicht nach, wurde immer bockiger und schrie immer lauter. Von unten im Haus kamen schon die Rufe, sie sollten sich beeilen, die Türe müsste geschlossen werden. Die Mutter war verzweifelt, jede Nacht das gleiche, immer wurden sie aus dem Schlaf gerissen. Auch sie war übermüdet und erschöpft. Was sollte sie noch machen? Dann riss ihr der Geduldsfaden, sie wurde sehr zornig.

„Dann bleibst du eben hier oben, wenn du nicht aufstehen willst“, rief sie, schnappte sich die Kleine und den Rucksack und rannte aus der Kammer. Mit großen Schritten, mehrere Stufen auf einmal nehmend, stürmte sie die Treppe aus dem 2. Stock hinunter in den Keller. Gerade noch rechtzeitig, dann schlossen sich die Türen hinter den Beiden. Völlig erschöpft ließ sich die Mutter auf die Holzbank fallen. Tränen strömten ihr aus den Augen. Vor Verzweiflung, Erschöpfung und großer Angst. Jetzt erst kam ihr zu Bewusstsein, was sie gemacht hatte. Sie hatte ihr Kind allein in der Wohnung zurückgelassen. Oben gleich unter dem Dach, ausgesetzt jeder Bedrohung und Gefahr. Wie leicht konnte eine Luftmine durch das Dach in die Wohnung fallen und alles zerstören. Gar nicht zu denken an eine große Bombe, die das ganze Haus zerstören konnte. Wie konnte sie weiterleben, wenn ihr Kind, das sie zurückgelassen hatte und damit nicht geschützt, sein Leben verlor. Wie konnte sie das nur fertiggebracht haben. Ja, der Zorn, die Verzweiflung und die Erschöpfung hatten sie übermannt. Die Kleine war ja auch noch da und ihr eigenes Leben? Sie musste doch auch für die Kleine sorgen, konnte nicht immer der Großen in deren Zorn und Trotz nachgeben. Doch diesmal, das war etwas anderes, hier ging es um Leben und Tod. Voller Verzweiflung schluchzte sie in ihre Hände. Die Kleine saß vor lauter Schreck über diese Situation völlig still und eingeschüchtert mit weit aufgerissenen Augen neben ihr. Sonst war gerade dieses Kind immer der Lichtblick für alle im Keller gewesen, weil sie trotz der Angst der Erwachsenen, die sie noch gar nicht verstand, immer ihre Kinderliedchen gesungen hatte. Einfach so vor sich hingesungen. Das hatte den Erwachsenen im Keller ein kleines Lächeln in diesen so schweren Zeiten auf die Gesichter gezaubert und ein wenig von der großen Angst genommen. Jeder freute sich, wenn die Kleine im Keller bei ihnen war und mit ihrem dünnen Stimmchen ihre Liedchen sang. Doch diesmal war sie schockstarr. Die Schwester war nicht bei ihnen, die Mutter war zornig gewesen und nun weinte sie haltlos. Das nahm der Kleinen jede Sicherheit und sie hatte so große Angst, sie verstand ja gar nicht, was da oben abgelaufen war, nur, dass die Schwester sich so gewehrt hatte und nicht aufgestanden war, „bockig“ eben.

Nach langem Schrecken kam endlich der langgezogene Ton der Sirenen, „Entwarnung“. Sie durften den Keller verlassen. Die Türen öffneten sich. Vorsichtig schaute zuerst der Luftschutzwart aus der geöffneten Tür. Das Haus stand noch. Die Kellertreppe war zwar mit Staub und Mörtelbrocken übersät. Er stieg die Treppe hinauf, sah, dass die Haustür offenstand. Auch das Nachbarhaus war noch da. Überall lagen Glassplitter und Mauerstücke herum. Herabgefallene Ziegel lagen auf dem Fußweg, doch auch die anderen Häuser der Straße standen noch. Nur ein Haus schräg gegenüber war von einer Luftmine getroffen und eingestürzt. Das war schlimm. Doch die anderen Häuser hatten weiter nichts abbekommen, außer, dass durch den Luftdruck der Mine Fensterscheiben zu Bruch gegangen und Ziegel vom Dach heruntergefallen waren. Die Mutter ließ sich nicht aufhalten. Ohne einen Blick auf die Straße zu werfen, eilte sie mit Riesenschritten, mehrere Stufen auf einmal nehmend die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf. Alles war still. Sie hörte keinen Laut. Was war mit ihrer großen Tochter? Sie riss die Kammertüre auf, schaute auf die Betten. Sie waren leer. Wo war die Große?

„Lieber Gott, lass sie noch am Leben sein“, betete die Mutter. Schnell schritt sie in die Kammer. Im Bett war die Große nicht, auch nicht darunter. Wo war sie? Die Augen der Mutter suchten überall in der Kammer. Doch alles blieb leer.