Amelie, Theo und all das Liebesgedöns - Annette Doppke - E-Book

Amelie, Theo und all das Liebesgedöns E-Book

Annette Doppke

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Beschreibung

In Theos Zukunftsplänen spielt Amelie eine tragende Rolle. Die nette Rotblonde versucht derweil, den lästigen Verehrer loszuwerden. Mit viel Fantasie ist sie dabei, den Mann ihrer Träume aufzuspüren. Theos Mutter Else indes setzt alles daran, Theo mit der Richtigen zu verkuppeln. Henriette Husemann ist über alles im Bilde und verfolgt in diesem heiteren Liebesroman mit dem nötigen Schuss Humor das Schicksal ihrer Helden. Sie ist davon überzeugt: Wahre Liebe findet immer einen Weg! Und das gilt auch für Britta, Bertram, Arthur und Inge. Natürlich kommt auch Henriette letztlich auf ihre Kosten.

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Widmung

Dieses Buch ist meinem Vater gewidmet, der das Leben fast immer so leichtnahm wie Bertram Schönborn.

Inhaltsverzeichnis

Handelnde Personen in diesem Roman in der Reihenfolge ihres Eintritts in die Handlung

Nebenfiguren

Theo und Amelie - oder auch nicht

Theo wittert seine Chance

Nur Käsebrot statt Pfannkuchen

Offen für Neues

Henriette Husemann plaudert aus dem Nähkästchen

Amelie gerät ins Träumen

Wer ist eigentlich Amelie?

Bertram bedankt sich

Bei Bertram hat es auch gefunkt

Ohne Theo geht hier nichts

Eine Zukunft für Theo

Bertram spielt auch eine wesentliche Rolle

»Ach, Amelie, du träumst dich noch um dein Glück«

Bertrams Missgeschick

Amelie wird kreativ

Else hat einen Plan

Glück im Unglück

Was wäre Bertram ohne Britta?

Auf Britta ist Verlass

Reimund, ein junger Mann mit Ambitionen

Britta und Reimund schakeln das Kind

Nachricht auf dem AB

Bertram sorgt sich um den Lesehimmel

Zwei Leseratten im Schlafanzug

Arthur ist kein stilles Wasser

Britta spielt zu gerne die Chefin

Henriette Husemann ist allzeit bereit

Eine Ehre für Reimund

Alles eine Frage der Betrachtung

So schnell kann's gehen

Entspannt rumalbern kann man nicht mit jedem

Spurensuche à la Amelie

Ein Stoffbeutel als Vorwand

Arthurs Geheimnis

Theo bekommt seine Chance

Amelie macht schlapp

Zerplatzte Träume

Amelie sammelt sich

Heartbreak

Einfach nur Inge

Else Rannefeld weiß sich zu helfen

Else und Inge: Das passt, wackelt und hat Luft

Von wegen treu ...

Grüne Blätter - Ganz, nah an deinem Leben

Amelie ist eine Krone rausgefallen

Amelie bereitet sich vor

Henriette wundert sich

Das setzt dem Ganzen die Krone auf

Mehr als nur eine gute Bekanntschaft

Kleiner Phoenix Amelie

Alte Bekannte

Als würden sie sich schon lange kennen

Beppo mag den Karman Ghia

Arthur hat eine Idee

Arthur macht alles richtig

Elses Universum

Henriette Husemann braucht ein neues Kleid

Zu neuen Ufern

Henriette macht sich auf den Weg

Im Schneideratelier von Inge Sarstedt

Hitzefrei ...

... und Boxershort

Die Welt ist klein

Elses Plan könnte aufgehen ...

Gespräch unter neuen Freundinnen

Hat es jemals eine Ameli gegeben?

Ist der Platz noch frei?

Die Düsseldorfer Rück muss ohne Amelie glücklich werden

Balkon mit Aussicht

Vive la liberté - Es lebe die Freiheit!

Konjunktur für Blumenhändler

Zwei sind bestens vorbereitet

Henriette Hasemann und Gert Möchtegern machen eine überraschende Entdeckung

Dringende Familienangelegenheiten

Gert hat eine Schallplattensammlung

Samstags sind wir ab jetzt länger für sie da

Amelie und Bertram verlieren keine Zeit

Fahrgeschäfte

In Ruhe gereift

Informationslücke

Henriette hält sich auf dem Laufenden

Lockere Zungen

Gert Möchtegern hat die Lage Im Griff

Der »Feuerspezi« wird's richten

Ein Antrag ganz ohne Formular

Hat er vor ihr gekniet?

Britta erhält ein Angebot

Henriette, willst du meine Trauzeugin werden?

Reisende soll man nicht aufhalten

Faszination in Erdbeerrot

Else geht das Herz auf

Theo ist gerührt

Britta hat Neuigkeiten

Ein Tag zum Träumen

Just Married

Einladung zu Else Ronnefelds 65. Geburtstag

Epilog

Glossar

Ausblick

Handelnde Personen in diesem Roman in der Reihenfolge ihres Eintritts in die Handlung:

Theo Ronnefeld: Inhaber einer Reparaturwerkstatt für Oldtimer

Amelie Finkensteiner: Theos Jugendliebe, Heldin unserer Geschichte, Versicherungsangestellte

Bertram Schönborn: Inhaber der Buchhandlung Lesehimmel und Eigentümer eines himmelblauen Käfers

Henriette Husemann: Erzählerin der Geschichte und Amelies Kollegin

Else Ronnefeld: Theos Mutter, stets auf der Suche nach der geeigneten Schwiegertochter

Britta Schönborn: Lehrerin für Fremdsprachen an einem Sprachinstitut für Erwachsene und Aushilfe im Lesehimmel

Beppo: Brittas Rauhaardackel

Reimund Ahrens: Mitarbeiter im Lesehimmel

Arthur Hindelang: Theos bester Freund, Zimmernachbar von Bertram im Krankenhaus

Inge Sarstedt: junge Schneiderin mit eigenem Atelier, mit Else befreundet

Gert Möchtegern: Amelies und Henriettes Vorgesetzter

Nebenfiguren:

Magda Oberloer: Amelies Wohnungsnachbarin

Willy Ronnefeld: verstorbener Gatte von Else, Vater von Theo

Lissy Schirmer: ehemals beste Freundin von Else

Nelly Kückelhoven: Amelies verstorbene Großmutter

Heinz-Eberhard Hammbrüchen: Elses Begleitung im Café Hüftgold

Liliane Tischenröder: Willys »Freundin«

Hubertus Klippenhain: Elses Gartennachbar

Frau Hücketal: Putzfee im Hause Schönborn

Daniel Schulze-Mayer: Gert Möchtegerns Nachfolger als Abteilungsleiter

Frau Schöller: Standesbeamtin in Meisenberg

Theo und Amelie - oder auch nicht

Theo Ronnefeld war Realist. Tagtäglich schlug er sich mit ganz greifbaren Beulen, Lackschäden und Schlimmerem herum. Als selbständiger Unternehmer musste er hart arbeiten. Kunden, die es mit der pünktlichen Zahlung nicht so genau nahmen, Ersatzteile, deren Lieferung sich endlos in die Länge zog, ständig steigende Versicherungsprämien, um nur einige praktische Probleme zu nennen, die zudem noch zeitaufwändig waren und ihn von seiner eigentlichen Arbeit, dem Auftun, Instandhalten und Verkaufen von Oldtimern, abhielten. Zwar plante er, demnächst einen Mitarbeiter in seinen Betrieb aufzunehmen, aber dazu fehlte es ihm derzeit noch an dem notwendigen finanziellen Spielraum. All das bedingte, dass er mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen stand. Nein, einen Träumer konnte man ihn nicht nennen.

Da gab es nur eine Ausnahme: Wenn es um Amelie Finkensteiner ging, verlor er die Bodenhaftung.

Heute wie damals.

Schon in der 8. Klasse hatte sie ihn aus der Fassung gebracht. Er mochte ihre selbstbewusste Art. Wenn man mit ihr sprach, schaute sie einem direkt in die Augen. Ihr offener Blick, ihre Haare, die sich um ihr rundes Gesicht kringelten. Die Blümchenkleider mit Puffärmeln, die sie trug, zu einer Zeit, als die Mädchen in ihrer Klasse in engen Jeans herumliefen. Und nichts schien ihr unangenehm. Ja, sie konnte ihn ganz schön in Verlegenheit bringen und übte doch eine magische Anziehungskraft auf ihn aus. Es war kein Zufall, dass die Klassenkameraden sie zur Klassensprecherin gewählt hatten. Amelie hatte eine sehr offene Art und es trotzdem geschafft, bei Mitschülern und Lehrern gleichermaßen beliebt zu sein. Und sie wusste ganz offensichtlich immer, was sie wollte.

Es gab aber auch noch eine ganz andere Seite an ihr. Sie konnte traumverloren im Unterricht sitzen, offenbar ganz woanders mit ihren Gedanken. Hier die taffe junge Frau, da das Dornröschen. Theo gefiel genau diese Mischung.

Ganze zwei Jahre hatte er damals darauf warten müssen, sie zu einer gemeinsamen Unternehmung zu bewegen. Dabei hatte er nichts unversucht gelassen, um einmal mit ihr unter vier Augen zu reden. Theo war zu der Zeit Mädchen gegenüber noch eher schüchtern gewesen, und es hatte ihn einiges an Mut gekostet, sie überhaupt anzusprechen.

Leider hatte sie schon zu der Zeit eine Vorstellung davon gehabt, was sie nicht wollte. Das hatte er schmerzlich erfahren müssen. Statt ihm Beachtung zu schenken, war sie mehrfach mit Jens Rodewich, diesem Schönling, ins Kino gegangen. Und dann hatte sie sich für Martin Himmerich interessiert, nur weil der Französisch lernte.

Aber irgendwann hatte sie Theos Bitten nachgegeben und sich auf ein Picknick mit ihm eingelassen. Mit Bedacht hatte er die romantischste Stelle am Rheinufer, die er kannte, für seine Prinzessin ausgesucht. Hier wären sie ungestört. Offenbar war seit Monaten keiner mehr dort gewesen. Das Gras ging ihm bis zu den Knien. Theo hatte sich die Szene in allen Einzelheiten ausgemalt: Ein baumbestandenes Plätzchen, in dessen Mitte eine alte Holzbank stand, deren Rücken über und über mit Herzen versehen war. Hier hatte so manches Liebespaar bereits seine Spuren hinterlassen. Theo war sicher, dass an diesem Abend ein weiteres Herz mit den Initialen A+T die Bank zieren würde. In seiner Fantasie sah er sich und seine Liebe in zärtlicher Umarmung auf der Bank die vorbeifahrenden Schiffe betrachten. Endlich am Ziel seiner Träume. Einen Tag vor dem Treffen hatte er sich mit dem Fahrrad aufgemacht, um mit der Grasschere das Grün so zurechtzustutzen, dass eine Schneise rund um die Bank entstand.

Schöne Idee, hatte er gedacht, als sie darauf bestanden hatte, ihren Ghettoblaster mitzunehmen. Aber die Prinzen vermasselten ihm die ganze Unternehmung. Als er ihr nämlich, nach Kartoffelsalat und Frikadellen aus Mutters Küche nicht mehr ganz so nervös, auf der Bank ein wenig näher rücken wollte, pfiffen ihn die Jungen aus Leipzig zurück. »Küssen verboten« scholl es in seine Ohren. Theo war das peinlich. Er konnte die aufflammenden roten Flecken in seinem Gesicht deutlich spüren. Das Hochgefühl von vorhin wich einer erkennbaren Unsicherheit. Er sprang auf, ging erst seitwärts und machte dann zwei Schritte zurück. Dabei warf er mit seinen ungeschickten Füßen die Schüssel mit Erdbeeren um, die er ebenfalls mitgebracht hatte. Die süßen Früchte ergossen sich über den leicht abschüssigen Rastplatz, statt, wie geplant, in Amelies Mund zu landen. Überhaupt, Amelies Mund … Aber er hatte verstanden.

Unser Held hatte es damals dann recht eilig gehabt, die Siebensachen in seinem Fahrradkorb zu verstauen. Und er ärgerte sich, dass er Amelie auf der Lenkstange nach Hause fahren musste. So wie er das auf dem Hinweg genossen hatte, zumal sie ihren Flatterrock immer wieder glattstreichen musste. Jetzt bedauerte er, sie überhaupt gefragt zu haben.

Das war 15 Jahre, 7 Wochen und 3 Tage her. Er hatte die Zurückweisung nie vergessen. Eine Mischung aus verletzter Eitelkeit, Feigheit und Unsicherheit hatte ihn dazu bewogen, sie nicht mehr anzusprechen.

Aber Theo hatte all die Jahre keineswegs nur Trübsal geblasen. Er war kein Kind von Traurigkeit. Als er kurze Zeit nach dem verpatzten Ausflug die Schule verließ, um seinen Traumberuf zu erlernen, saß die kesse Carla in der Berufsschule neben ihm. Und nur eine Woche später schon an seinem Frühstückstisch.

Ja, das Leben konnte so einfach sein. Auch Melanie und später Ricarda verbrachten gerne Zeit mit Theo.

Das war immer lustig und nie verbindlich.

Bis …

… vor etwa sechs Monaten plötzlich Amelie in seiner Werkstatt stand.

Theo wittert seine Chance

Endlich hatte das Warten ein Ende. Theo hatte ihre Stimme nicht gleich erkannt, als sie seine Werkstatt betreten hatte. Wie auch, wenn er unter einem Ford-Capri lag. Alles, was er sehen konnte, waren ihre zarten Füße, die in pinkfarbenen Flipflops steckten, und die süßen, zartrosa Zehennägel. War das etwa SIE ...? Wo kam die denn jetzt her?

Vor Schreck war ihm damals der schwere Engländer auf den linken Fuß gefallen. Sie hatte ihn nach all den Jahren immer noch aus der Fassung bringen können.

»Könntest du mal nach meinem Fiat schauen?« hatte Amelie unbefangen gefragt. »Der verliert Öl.«

Als wäre nie etwas gewesen.

Als wären keine 15 Jahre, 7 Wochen und 3 Tage seit ihrer letzten Begegnung vergangen.

Er war leicht errötet, was inzwischen nur noch selten passierte. Kundinnen gegenüber gab er sich stets selbstbewusst und kompetent.

Leicht humpelnd war er aus seiner Grube hervorgekommen und hatte gesagt: »Immer zu Diensten, die Dame.«

Danach war es vorbei gewesen mit der Leichtigkeit in seinem Leben. Wenige Tage, nachdem Amelie so aus dem Nichts aufgekreuzt war, hatte er, der zuverlässige, im Job stets akkurate Theo, vergessen, die Handbremse an dem roten Bulli anzuziehen, der schon etwas länger im Hof stand. Zum Glück war der zwischen anderen »Schätzchen« eingekeilt gewesen, die darauf warteten, vor dem Verkauf noch ein bisschen überholt zu werden. Aber als er den Kilometerstand des VW-Busses hatte feststellen wollen, hatte er den Fauxpas bemerkt und sich gehörig erschreckt. Nicht auszumalen, wenn der Bulli vor die Mauer gerollt wäre. Immerhin war er Theos neueste Errungenschaft, die er in Kürze überarbeiten und dann gewinnbringend an den Mann bringen wollte. Für die Anschaffung dieses neuen Liebhaberstücks hatte der Mechaniker seine gesamten Rücklagen geplündert. Da konnte er sich keine Pannen leisten.

Noch in derselben Woche hatte Theo einem Stammkunden, Herrn Hüttenreich, statt des versprochenen Schiebedachs eine Klimaanlage für seinen Jaguar einbauen wollen. Es war einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass Herr Hüttenreich, ein überaus ungeduldiger, aber sehr zahlungskräftiger Kunde, nur zwei Tage nach Auftragserteilung wieder in die Werkstatt kam, um den gewünschten Umbau zu stornieren und gleich einen gerade fertiggestellten MG-B zu erwerben.

Genau an dem Tag erschien Amelie in der Werkstatt, um ihren Fiat wieder in Empfang zu nehmen. Theo, der gerade in der Preisverhandlung mit Herrn Hüttenreich steckte, war überrumpelt und hatte keine Gelegenheit mehr, noch ein privates Wort mit Amelie zu wechseln. Zumal die junge Frau es offenbar sehr eilig hatte wegzukommen.

Aber wenigstens hatte er jetzt ihre Telefonnummer in seiner Kundenkartei und ganz heimlich unter seinen privaten Handykontakten.

Nur, dass er nichts damit anfangen konnte. Und das ärgerte ihn. Wie konnte er sich nur so von einer Frau aushebeln lassen? Jedenfalls brachte er es nicht fertig, sie einfach mal so anzurufen. Wohl ein Dutzend Mal hatte er die Nummer aufgerufen, aber jedes Mal auf den roten Punkt gedrückt, bevor sein Smartphone noch anfangen konnte zu wählen.

Da empfand er es als besonderes Glück, dass nur wenige Wochen später Amelie ein weiteres Mal seine Werkstatt betrat. Diesmal nicht ganz so fröhlich. Ihr Auto stand auf seinem Hof und sah ein wenig zusammengefaltet aus. Aber immerhin hatte sie es noch hierhin fahren können.

Das war erst zwei Tage her.

Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er sie sah. Aber sie war zu verärgert, um das wahrzunehmen.

»Ich schau mir das gleich mal an und melde mich bei dir, wenn ich näheres weiß. Deine Nummer hab’ ich ja noch. Kann ich dich nach Hause bringen? Mache eh gleich Feierabend«, rutschte es ihm heraus. »Ach, nein, nicht nötig, ich wohn’ ja um die Ecke«, entgegnete sie kurz und war schon verschwunden. Theo hatte gerade noch sagen wollen: »Schau mal am Samstag um 10 Uhr herein. Dann sollte dein Auto fertig sein.« Aber da war sie schon weg.

Egal, er hatte sie wiedergesehen, und diesmal würde sie ihm nicht so einfach durchs Netz gehen. Das konnte doch kein Zufall sein, dass sie ihm gleich zweimal in so kurzer Zeit über den Weg gelaufen war. Mal sehen, wie er’s anstellen würde. Jetzt sollte er sich erst mal ans Werk machen, damit er sie möglichst bald wiedersehen konnte. Dazu musste er sich mächtig ins Zeug legen. Der Schaden an ihrem vanillegelben Cinquecento war recht umfangreich, aber das musste sie nicht erfahren. Diesen kleinen Freundschaftsdienst konnte er ihr erweisen.

Sie würde sich so sehr freuen, wenn nichts weiter passiert wäre. So bedröppelt, wie sie aus der Wäsche geguckt hatte, als sie ihm das Fahrzeug brachte. Eine Chance für ihn. Quasi eine Vorlage. Er sah schon ihre strahlenden Augen vor sich, wenn sie das Fahrzeug in Empfang nehmen würde. Und wer weiß, vielleicht konnte er sie ja am Samstag überreden, ihn zum Nürburgring zu begleiten. Es sollte ein sonniger Tag werden. Mit Theo gingen auch nach 15 Jahren, 2 Monaten und 6 Tagen immer noch die Pferde durch, wenn er nur an seine große Liebe dachte. Das wäre die Gelegenheit, diesmal näher mit ihr ins Gespräch zu kommen.

Er hatte sich also gleich an die Arbeit begeben und alles darangesetzt, das Fahrzeug bis Samstagmorgen, 10 Uhr, fertig zu haben. Die halbe Nacht hatte er sich um die Ohren geschlagen, aber das stand dafür. Theo pfiff vergnügt vor sich hin, ja, das konnte was werden. Diesmal würde es klappen.

Nur Käsebrot statt Pfannkuchen

»Oh nee«, entfuhr es ihr. Die Papiertüte war wohl doch keine so gute Idee gewesen. Die Zutaten für Amelies Lieblingsessen ergossen sich über den Kaufhier-Parkplatz. Die Eier kullerten quer über den Asphalt. Die Mehltüte hatte nur einen winzigen Riss. Das Mehl würde sie noch verwenden können, aber das war jetzt auch schon egal. Um die Heidelbeeren war es schade, aber ohne Eier brauchte sie die jetzt auch nicht unbedingt. Hatten wenigstens die Vögel was davon. Heute Abend hatte sie Pfannkuchen backen wollen, als Seelentröster. Den hätte sie gebraucht nach dieser Woche.

Was sie jetzt brauchte, war eine Riesenmenge Papier, um sich die Eier von den Schuhen zu wischen, und ein Behältnis für ihre Einkäufe. Ein Blick über die Schulter zeigte ihr: Der Laden hatte gerade geschlossen. Klar, sie war ja auch spät dran gewesen.

Sie drehte sich wieder zu der Bescherung vor sich um und sah … direkt in ein paar wunderschöne grüne Augen.

»Darf ich helfen?«, hörte sie den dazugehörigen Mann fragen, ein sympathischer Typ um die fünfzig. Und ehe sie antworten konnte, hatte er einen riesigen Stoffbeutel aus seiner Manteltasche gezogen. Er beantwortete ihr spontanes Lächeln mit einer Erklärung: »Den habe ich immer dabei. Ein Tipp meiner Frau.« Und auch ihre Schuhe hatte er im Blick. »Warten Sie«, er griff in seinen Einkaufswagen, und schon hatte er die 6er-Packung Küchenrolle aufgerissen. Ehe sie reagieren konnte, kniete er schon vor ihr und hatte blitzschnell und akkurat ihre Stiefel vom Eigelb befreit. »Das ist aber wirklich nett von Ihnen.«

Natürlich, diese Art Mann ist immer schon vergeben, schoss es ihr durch den Kopf.

»Schade um die Eier«, erwiderte er, »damit kann ich leider nicht dienen.«

»Ach, die waren nicht wichtig«, flunkerte sie und grinste verlegen.

»Ich muss dann auch mal los«, meinte er, und sie dachte: Klar, die Frau wartet. »Danke noch mal. Gut, dass Sie da waren.« Sie schaute ihm nach.

Na, das wäre eh nichts geworden. Nobelkarosse. Mercedes oder Audi oder so was. Auch noch weiß. Schade! Passte gar nicht zu den grünen Augen. Sie belud ihr Fahrrad und sah mit einem Seitenblick, wie er den Parkplatz verließ.

Zu Hause gab es statt Pfannkuchen ein Käsebrot und eine Tasse heißen Kakao. Es war Freitag. Schnulzentime. Auf dem Programm stand Chocolat. Ein zuckersüßer Liebesfilm, der in Frankreich spielt. Gerade richtig. Sie durfte nicht vergessen, morgen früh um 10 Uhr in der Werkstatt zu erscheinen. Auf ihrem Handy hatte sie die SMS ihres Automechanikers gesehen. Auto fertig, kann morgen bis 10 Uhr abgeholt werden. Ansonsten wieder Montag.

Was für eine Woche. Gut, dass die vorbei war. Neben dem Streit mit ihrem Chef, der Mieterhöhung und dem Crash beim Ausparken waren die geplatzte Einkaufstüte und die verpassten Pfannkuchen noch das geringste Problem gewesen.

Den Abspann vom Film bekam sie nicht mehr mit …

Offen für Neues

Am nächsten Morgen wachte sie im buchstäblichen Sinn verknittert auf. Der Fernseher lief noch immer, und sie fühlte sich zerschlagen. Ein Blick auf die Uhr, 9:50 Uhr, weckte sie schlagartig auf. Zum Glück war die Werkstatt gleich um die Ecke, und sie musste sich nicht mal anziehen, weil sie noch die Sachen vom Vorabend trug.

Etwas außer Atem kam sie bei der stillgelegten Tankstelle an, die ein ehemaliger Schulkollege betrieb. Er hatte sich auf die preisgünstige Reparatur älterer »Schätzchen«, wie er sie nannte, spezialisiert. Da gingen einem die Kunden vermutlich nicht aus, und es wurde sicher nie langweilig.

»Hast Glück gehabt, Amelie«, strahlte er. »War nur ein kleiner Lackschaden. Technisch alles im Lot. Hatte noch den passenden Lackstift da. Kannst mich ja gelegentlich mal zum Kaffee einladen.«

Sie wusste, Theo hatte eine Schwäche für sie. Er wurde immer noch so jungenhaft rot, wenn er sie sah. So wie früher … Ja, er war nett, aber sie konnte sich nicht vorstellen, mit ihm jedes Wochenende zum Nürburgring zu fahren und bei jedem Wetter schnelle Autos zu beglotzen, denn das war seine zweite Leidenschaft. Etwas Langweiligeres als Autorennen gab es für Amelie nicht. Sie steckte einen Zwanziger in die Kaffeekasse und sah sein enttäuschtes Gesicht.

Sie machte auf dem Absatz kehrt. Mit enttäuschten Gesichtern konnte sie so gar nicht umgehen. Bloß nicht schwachwerden. Sie steuerte schnell in Richtung Ausgang. Zum Glück ging in diesem Moment die Tür auf. Sie war erlöst.

Da fielen ihr die grünen Augen in den Blick, die dem Mann gehörten, der den Laden betrat.

Komisch, Theo hatte ihres Wissens mit Luxuslimousinen nichts am Hut.

»Ach, da sind Sie ja, Herr Schönborn. Kommen gerade recht. Ich wollte schon schließen. Habe heute noch was vor.«

»Ja, tut mir leid, aber ich musste den BMW erst bei meinem Freund vorbeibringen. Bin froh, dass ich den wieder los bin. Käfer fahren macht eindeutig mehr Spaß. Ach, hallo!« Mit diesem Satz warf der nette Mann von gestern ihr einen freundlichen Blick zu.

Ihr Herz machte einen kleinen Juchzer.

Aber nein, da war ja noch die Frau, die Stoffbeutel in Manteltaschen deponierte. Passte alles zusammen, Streit mit dem Chef, Mieterhöhung, geplatzte Einkaufstüte. Grünäugiger Mann mit EHEFRAU.

Grünäugiger Mann mit Käfer, fuhr es ihr durch den Kopf.

In diesem Moment hörte sie Herrn Schönborn. »Gut, dass mein Wagen fertig ist, muss noch zum Nordfriedhof. Es soll heute heiß werden, haben sie gesagt. Lotte hat eine kalte Dusche verdient.«

Sie sah reichlich blöd aus der Wäsche, und eigentlich wollte sie ja auch längst weg sein. Hatte hier doch nichts mehr verloren, aber vor lauter Träumen war sie im Türrahmen stehen geblieben.

Mit einem Seitenblick sah sie auf das Nummernschild des hellblauen Käfers, der unmittelbar neben ihrem vanillegelben Fiat stand, und die Initialen LS machten ihr klar: Das war das Auto seiner Frau gewesen, Lotte Schönborn - LS. Er bewahrte ihr Andenken.

Sie konnte nicht anders, sie musste sich noch einmal rumdrehen. Er stand jetzt genau hinter ihr. Ein weiterer Blick in seine grünen Augen zeigte ihr: Er war treu.

Und er war offen für Neues.

Und nun machte Amelie etwas ganz und gar Amelietypisches. Sie verließ mehr oder weniger fluchtartig das Werkstattgelände. Keine Spur von dem sicheren Auftreten, das Theo in ihrer Jugend so an ihr bewundert hatte. Will sagen, sie war zu ihrem Auto geeilt und war froh, dass ihre neue Bekanntschaft nicht mehr sehen konnte, wie eine leichte Röte sich in ihrem Gesicht ausbreitete. Eine Mischung aus stiller Freude und Verlegenheit.

Henriette Husemann plaudert aus dem Nähkästchen

Bevor ich mit meiner Geschichte fortfahre, möchte ich mich Ihnen, liebe Leser, erst mal vorstellen.

Mein Name ist Henriette Husemann. Geboren wurde ich vor 61 Jahren in Düsseldorf.

Als meine Eltern zehn Jahre später das Großstadtleben in einer 5-Zimmer-Wohnung am Stadtrand gegen ein eigenes Haus auf dem Land eintauschten, verschlug es mich auf die andere Rheinseite.

Im Gegensatz zu meinen beiden Schwestern Becky und Mine bin ich der Liebe wegen dort hängengeblieben.

Manchmal habe ich Heimweh; aber was hätte ich nicht alles verpasst, wäre ich wie Mine zurück in die alte Heimat gezogen …?

Dann könnte ich Ihnen heute nicht von Amelie, Theo und dem ganzen Liebesgedöns erzählen.

Das wäre schade, denn ich kenne nun wirklich jedes Detail dieses Dramas.

Ob ich da was zurechtgebogen habe, möchten Sie wissen?

Ach, lesen Sie doch selbst weiter und machen Sie sich eine eigene Meinung.

Mag sein, dass ich ein bisschen was dazu erfunden habe, oder etwas ist ganz aus Versehen unter den Tisch gefallen. Ich war ja nicht überall dabei. Aber was ich nicht weiß, kann ich mir ja denken. Das dürfen Sie mir zutrauen.

Und glauben Sie mir, es hätte sich alles genau so und nicht anders zutragen können ….

Ich soll endlich weitererzählen und es nicht so spannend machen, sagen Sie? Recht haben Sie!

Nur noch eins zum Schluss:

Verkennen Sie bitte nie, liebe Leser, wie klein die Welt ist und was sich daraus alles ergeben kann …

Als ich an jenem denkwürdigen Samstag gegen 10:30 Uhr in den Hof der Firma Ronnefeld fuhr, sah ich mit einem Seitenblick Amelies vanillegelben Fiat, der das Gelände gerade verließ. Schön, dass das mit der Reparatur offenbar so schnell geklappt hatte, da konnte sie mich ja am Montag wieder mitnehmen. Ich wollte ihr noch zuwinken, aber sie hatte mich nicht mal gesehen. Dafür sah ich etwas, das meine volle Aufmerksamkeit in Anspruch nahm:

Direkt vor der Eingangstür, wo Theo sich offenbar noch mit einem Kunden unterhielt, parkte ein knallroter Mini-Cooper; mit Kölner Kennzeichen, das fiel mir gleich auf. Die Dame, die dem Gefährt entstieg, trug einen großen Sonnenhut mit einer mächtigen Garnitur. Lauter Vögel und Blumen. Ein bisschen bekloppt, aber hochsympathisch, dachte ich (der Hut - die Trägerin kannte ich ja noch nicht). Theo kam aus der Werkstatt geschossen, mit hochrotem Kopf, gar nicht er selbst, und fuhr sie an: »Wo kommst du denn her, Mutter?«

Die Kölner Dame blieb erstaunlich gelassen, und doch hätte sie fast den Korb fallen gelassen, den sie in der Hand hielt. Denn sie schloss ihren Jungen in die Arme – vor den Augen von Theos Kunden und meiner Wenigkeit. Theos Blick hätten Sie sehen sollen.

Leider musste ich dann weg. Konnte nur schnell mein Auto abstellen, weil ich noch eine Verabredung hatte. Zu gerne hätte ich Theos Mutter persönlich kennengelernt. Aber ich dachte, dazu würde ich noch Gelegenheit bekommen. Merkwürdig nur, dass Theo sie nie erwähnt hatte. Sie schien doch eine nette ältere Dame zu sein. Vielleicht könnte Theo uns ja gelegentlich bekannt machen.

Apropos bekannt machen, hatte ich schon erwähnt, dass es sich bei dem grünäugigen Kunden um meinen Nachbarn, Bertram Schönborn, handelte? Aber das nur am Rande.

Amelie gerät ins Träumen

War das nun Schicksal, oder wer hatte seine Hände im Spiel gehabt? Der grünäugige Käferfahrer war ihr ja schon auf dem Kaufhier-Parkplatz aufgefallen. Aber nach diesem Erlebnis in der Autowerkstatt war sie gänzlich hin und weg. Das Dumme war nur, dass sie vor lauter Staunen erst mal fluchtartig die Bühne verlassen hatte und zusah, dass sie ihren schnuckeligen vanillegelben Kleinwagen mit dem roten Schriftzug Schinquetschento nach Hause bekam. Was hätte sie auch tun sollen?

Sie ließ die Szene von eben noch mal Revue passieren. Der nette Herr hatte die Werkstatt betreten, in dem Moment, als sie sie verlassen wollte. Dann waren sie sich noch mal kurz neben ihren Autos begegnet. Wenn man das überhaupt Begegnung nennen konnte. Mehr als ein kurzer verheißungsvoller Blickwechsel war also nicht passiert. Außerdem fürchtete sie die Anhänglichkeit Theos, der zwar fürs Erste gut beschäftigt war, aber dann?

Jetzt hatte sie ihr »Schätzchen« vor der Tür geparkt und war dann etwas durcheinander und ganz in Gedanken beinahe in die dicke Frau Oberloer aus dem 3. Stock gelaufen, die gerade ihren Mülleimer in die gelbe Tonne entleerte.

Es wurde Zeit für ein Käffchen am Küchentisch bei einem schönen sachlichen Sudoku. Gelegenheit, den Kopf zu sortieren und mal zu überlegen, was als Nächstes zu tun sei …

Wer ist eigentlich Amelie?

Nun haben Sie Amelie ja schon ganz gut kennengelernt. Also, ich muss zugeben, für mich ist sie keine Unbekannte. Montags bis freitags, pünktlich um 6:45 Uhr, steht sie in ihrem schnuckeligen vanillegelben Fiat 500 vor meinem Küchenfenster.

Sie und ihr Gefährt bringen mich zuverlässig an meinen Arbeitsplatz. Amelie ist nämlich meine Schreibtisch-Kollegin in der Haftpflicht-Schaden-Abteilung der Kölschen Sicherheit, eines namhaften Versicherungskonzerns mit Sitz in Köln. Im Gegensatz zu mir entspannt sie vor und nach der Arbeit am Steuer ihres Kleinwagens. Mir gefällt der Part des Beifahrers deutlich besser. Meinen eselgrauen R4 lasse ich immer häufiger stehen. Ehrlich gesagt reicht mir die Anforderung, den lieben langen Arbeitstag mit gestressten Kunden umzugehen. Da bin ich dann voll konzentriert und ganz Dienstleister. Am Steuer sehe ich mich eher ungern. Aber wer weiß, vielleicht wird sich daran ja noch mal was ändern.

Für Amelies freundliche Fahrdienste kann ich mich revanchieren, indem ich ihr ziemlich regelmäßig aus dem ein oder anderen Computerschlamassel helfe. Da habe ich deutlich stärkere Nerven als sie.

Die 34 Minuten Arbeitsweg, manchmal mehr, manchmal weniger, nutzen wir dazu, einander alles zu beichten, was uns gerade umtreibt.

Bei Amelie war es bis vor Kurzem die frustrierende Suche nach einem neuen Partner, die sich, wie Sie alle demnächst erfahren, ja inzwischen erledigt hat.

Gut so, jetzt hat sie mehr Muße, mich in Sachen Urlaubsziel zu beraten.

Bertram bedankt sich

Für Bertram hatten die Besuche auf dem Nordfriedhof schon lange ihren Schrecken verloren. Hier tauschte er mit seiner Lotte Erinnerungen aus, erzählte, was ihm in den letzten Tagen widerfahren war. Und immer sah er ihr freundliches Gesicht vor sich. Hier fühlte er sich ihr nah, sie war immer noch der ruhende Pol in seinem Leben.

»Liebes Lottchen, nun bist du schon so lange fort. Aber in Wahrheit begleitest du mich jeden Tag. Und sei es in Form eines Stoffbeutels. Den hast du mir schon damals in die Manteltasche gesteckt, und heute mache ich das selbst. Ob du wohl wusstest, dass er mir einmal die Sonne in mein Leben zurückbringen würde? Wahrscheinlich hast du mich ja gestern Abend von dort oben beobachtet. Und danke noch mal, dass du mir die alte Zeitung dagelassen hast. Auf der Rückseite stand eine Anzeige:

Theo Ronnefeld – Ihr Oldtimer in meinen versierten HändenDu hast mich nicht im Stich gelassen, Lotte.«

Bei Bertram hat es auch gefunkt

Die junge Frau, der Bertram in Theos Werkstatt begegnet war, ging dem Käferfahrer nicht mehr aus dem Kopf. Den ganzen Sonntag über machte er sich Gedanken, wie er sie wiedersehen könnte. Ich Schussel hätte sie ja auch zu einer Limonade einladen können, schimpfte er mit sich. Aber die Chance hatte er ja wohl verpasst. Im Grunde ging es ihm wie Amelie, er konnte es auch kaum abwarten, sie wiederzusehen.

Als Theo am Montagmorgen zur Arbeit kam, klingelte bereits das Telefon, bevor er die Tür noch aufgeschlossen hatte. Theo, stets dienstbeflissen, stürzte an den Apparat und konnte gerade noch hören, wie aufgelegt wurde. Er nahm das Netzgerät in die Hand und sah im Display den Namen von Bertram Schönborn. Sofort rief er zurück. War vielleicht etwas nicht in Ordnung mit der Reparatur?

»Hallo Herr Schönborn, sie hatten angerufen?«

»Ja, entschuldigen Sie, Herr Ronnefeld, gut, dass ich Sie endlich erreiche. Hoffe, mein permanentes Anklingeln hat nicht zu sehr genervt, aber jetzt sind sie ja drangegangen.«

Theo sagte natürlich nicht, dass er gerade erst hereingekommen war. Es war immerhin Montag, und da konnte es auch schon mal später werden, bis der Mechaniker seine Werkstatt aufschloss.

»Ich müsste Sie mal was fragen«, fuhr Herr Schönborn fort. »Die Dame, die vor mir in Ihrer Werkstatt war am Samstag, also, wie soll ich sagen, Herr Ronnefeld, könnten Sie mir vielleicht sagen, wie die junge Frau heißt?«

»Herr Schönborn, Sie wissen, ich tue Ihnen jeden Gefallen, aber das geht leider nicht. Sie verstehen, ich muss die Privatsphäre meiner Kunden schützen.«

»Verstehe, aber hätte ja sein können«, entschuldigte sich Bertram Schönborn.

Das denkste wohl, meine Amelie, nee, nee, dachte Theo mürrisch und flötete freundlich in den Apparat: »Kann ich denn sonst was für Sie tun?« Bertram bedankte sich ebenso höflich und hatte schon die nächste Idee: Er fuhr geradewegs in die Redaktion der Löwenpost, um eine Annonce aufzugeben.

Ohne Theo geht hier nichts

Theo Ronnefeld kennen Sie ja jetzt schon ein bisschen, liebe Leser, aber ich möchte Ihnen noch etwas über meine Verbindung zu ihm berichten: Theo ist mein sehr geschätzter Automechaniker. Einander bekannt gemacht hat uns mein eselgrauer R4 oder besser gesagt meine Panne auf der A46. Theo hatte mein Auto abgeschleppt und, um es salopp zu sagen, eine Woche später auch mich. Ein bisschen Harold und Maude, falls sie den Kult-Film von der schrulligen Alten und dem etwas abgedrehten jungen Mann kennen. Das konnte ja nicht gut gehen.

Was wir wirklich gut miteinander konnten, war quatschen. Über alles andere wollen wir lieber nicht weiterreden.

Und so kann ich mit Fug und Recht behaupten, die bestinformierte Frau in ganz Vogelberg zu sein, wenn es um das Thema Amelie Finkensteiner, Amelie hier, Amelie da, geht. Ja, zugegeben, ich war es manchmal leid. Aber mir scheint, das hat ja nun ein Ende.

Bin ich froh!

Von Theo gibt es noch eine Menge mehr zu berichten, aber lesen Sie später selbst.

Eine Zukunft für Theo

Wir wissen bereits, dass es Theo samstagnachmittags regelmäßig als Zuschauer zum Nürburgring zog. Er bediente sich hierzu seines irisch-grünen Porsche. Der wiederum trug nicht unwesentlich dazu bei, dass der junge Ronnefeld die Herzen zahlreicher junger, aber auch älterer Frauen im Sturm eroberte. Darunter waren auch immer mal wieder Kundinnen. (An dieser Stelle muss ich mich räuspern, liebe Leser.) Da spielte es eine untergeordnete Rolle, dass er es nicht immer schaffte, seine Handwerkerhände akkurat zu reinigen oder rechtzeitig zum Friseur zu gehen. Gerade das etwas Ungehobelte, Jungenhafte hatte es dem weiblichen Geschlecht angetan.

Was die Damen allerdings weniger mochten, war die, man könnte sagen, übergriffige Art seiner Mutter, Else Ronnefeld.

Für Else war von Anfang an klar: Für meinen Theo nur das oder besser gesagt die Beste! Und die lebenserfahrene Frau hatte eine sehr genaue Vorstellung davon, wer ihrem Liebling demnächst und dann für immer die Hemden bügeln durfte. Bisher hatte es keine geschafft, unter den gestrengen Augen von Frau Ronnefeld zu bestehen.

Da war zum Beispiel Nelli mit dem kessen Pferdeschwanz. Der sah man doch schon von Weitem an, dass sie nichts als Flausen im Kopf hatte. Die würde Theo für den Nächstbesten stehen lassen, der ihr schöne Augen machte.

Oder Karola. Die hatte Theo bei einem seiner Ausflüge zum Nürburgring kennengelernt. Zum Glück hatte Else Ronnefeld rechtzeitig bemerkt, dass die Dame es mehr auf Theos Portemonnaie als auf ihren Sohn abgesehen hatte. Die Sorte Frau erkannte sie doch sofort.

Und Leonie, die vor lauter Abendschule keine Zeit für Theo hatte. War ja gut und schön, wenn Frauen sich weiterbildeten. Aber mussten es ausgerechnet Fremdsprachen sein?

Ja, Buchhaltung und kaufmännisches Rechnen, damit hätte man der gestrengen Schwiegermutter in spe imponieren können. Letztendlich brauchte Theo jemanden an seiner Seite, der ihm half, seine Existenz zu sichern. Und es wurde langsam Zeit, dass er den Ernst der Lage begriff. Er konnte sich doch nicht ewig auf die Hilfe seiner Mutter verlassen. Else Ronnefeld war als gelernte Steuergehilfin lange bereit gewesen, diesen Part auch in der Werkstatt zu übernehmen. Da hatte sich nach dem Tod ihres Mannes Willi, des Firmengründers, nichts geändert. Aber sie fand, sie sei jetzt langsam in dem Alter, wo man auch mal an sich denken möchte. Da traf es sich doch gut, dass sie sich vor zwei Wochen zu einem Volkshochschulkurs in der benachbarten Kreisstadt angemeldet hatte: Österliche Menüs nach traditioneller Art.

Und wie es der Zufall wollte, war sie dort auf eine nette junge Frau gestoßen.

Inge erfüllte, soweit Else das nach der kurzen Zeit beurteilen konnte, alle Kriterien, die sie sich für ihre Traumschwiegertochter wünschte. Sie war einigermaßen hübsch und dabei gar nicht dumm. Sie hatte das richtige Alter. Das wusste Else, weil sie ihr ganz beiläufig erzählt hatte, dass sie im Herbst ihren 65. Geburtstag feiern würde. Darauf war Inge Sarstedt sofort angesprungen und hatte verraten, dass sie 28 war. Da konnte man sich ja sogar noch Hoffnung auf Enkelkinder machen. »Gemach, gemach«, zügelte sich Theos Mutter bei diesem Gedanken. Erst mal würde Theo Feuer fangen müssen. Sie hatte da so eine Vorstellung von der Zukunft ihres einzigen Sohnes. Nicht nur, dass er nun mal so langsam in die Pötte kommen sollte mit der Planung seines Privatlebens. Nein, das neue Familienmitglied sollte nicht nur zu den Ronnefelds passen. Es sollte auch Theos große Liebe werden. Eine, die alles Vergangene in den Schatten stellen würde. Da würde sie schon für sorgen. Sie kannte ihren Jungen doch ganz genau und wusste, wovon er träumte. Und dass der Gute nicht weiterkam mit der Familienplanung, wollte sie nicht länger hinnehmen. Aber dazu später …

Bertram spielt auch eine wesentliche Rolle

Kommen wir jetzt zu Bertram. Bertram ist mein Nachbar. Als ich vor etwa zwei Jahren in die Luisenstraße 15 in 54322 Hügelshorst zog, wohnte er schon im Haus gegenüber. Wie ich später erfuhr, hatte der Glückspilz die Jugendstilvilla, die sein Elternhaus war, nie verlassen. Als die alten Schönborns sich 2010 entschlossen, ihren Altersruhesitz in die Provence zu verlegen, überschrieben sie das Haus kurzerhand ihrem Sohn. Der verließ die Einliegerwohnung im Dachgeschoss und konnte von da an mit seiner Frau die beiden unteren Etagen nebst einladendem Garten bewohnen.

In dem Appartement unterm Dach haben seitdem wechselnde Austauschstudenten aus aller Herren Länder gewohnt. Die gut organisierten Schönborns senior kamen trotz ihres hohen Alters immer noch regelmäßig in die Luisenstraße. Sie wohnten in den Semesterferien in ebendieser Dachwohnung, bevor der nächste Auslandsstudent dort einzog. Vater Schönborn war stolz auf dieses Konstrukt. Trotz seiner Großzügigkeit hasste er jede Art von Verschwendung.

Für Bertram war das die Rettung gewesen. Konnte er sich jetzt komplett seinem Traumberuf des Buchhändlers widmen und nebenbei mit Lotte ganz Europa bereisen. Weiter weg waren sie nie gekommen, denn Lottchen hatte Angst vorm Fliegen. Und wozu gab es Reisedokus und Reisebildbände? Den nötigen Schuss weite Welt brachten ja die Studenten aus Übersee ins Haus.

Zurück zu BERTRAM. Was soll ich sagen, er ist der beste Nachbar, den man sich wünschen kann.

Ob es darum geht, das berühmte Ei bei ihm zu leihen, wenn einem sonntagmorgens einfällt: Kuchen wäre heute schön … Ob der Rauchmelder nachts um 3 Uhr meint, einen Fehlalarm auslösen zu müssen … Ob man seinen Wohnungsschlüssel im Büro vergessen und den Ersatz bei ihm deponiert hat … Ob man sich mit dem Horrorfilm dann doch mehr zugetraut hat, als die Nerven hergeben ...

Bertram ist der Mann für alle Fälle.

Ob er mir gefährlich werden könnte? Nein, das nun doch nicht. Na, hören Sie mal, der Mann ist immerhin fast zehn Jahre jünger als ich. Nein, die Erfahrung mit Theo hat mir gereicht. Ich glaube, ich stehe doch eher auf Herren meines Alters. Und außerdem, bei wem sollte ich mir denn dann die Eier leihen?

»Ach, Amelie, du träumst dich noch um dein Glück«

Das hatte die Großmutter Nelly Kückelhoven immer zu Amelie gesagt, und gedacht hatte sie: