Amors Pfeile und andere Spitzen - Ellie Engel - E-Book

Amors Pfeile und andere Spitzen E-Book

Ellie Engel

4,9

Beschreibung

Leotine Sommer macht sich schon länger Gedanken über ihre eingeschlafene Ehe. Aber niemals so intensiv, wie an einem wunderschönen Dienstagmorgen, als sie feststellte, dass die hinter der Tageszeitung vorlugende Stirn ihres Gatten auch ein Viertel seiner Eichel hätte sein können. Da sie sein Geschlechtsteil schon ewig nicht mehr gesehen hatte, hinkte der Vergleich nicht einmal. In gelben Gummistiefeln und gestreiftem Schlafanzug stößt sie dann beim Bettenmachen auf das Indiz „Buch“. Zuerst dachte sie, was liest der denn für komische Bücher? Aber dann geht alles sehr schnell und ihre Spürnase entdeckt, dass ihr Ehemann schon seit Längerem seinen Penis in einer anderen parkt. Das ist für sie aber nicht das Schlimmste. Soll er doch. Es kamen andere schlimmere Dinge, die sie so verärgerten, dass sie den Wunsch entwickelte, ihm dicke fette Elefanteneier anzuhexen … Mit diesem Vorhaben, ihren Noch-Mann mit enormen Klöten zu strafen, informiert sie sich, wie sie eine Hexe werden kann. Dabei entwickelt sie das Motto: Nie mehr ein Kerl! Klappt auch ganz gut. Bis sie plötzlich Leopold Winzer gegenübersteht, der ihr stärkend beim „Ritual Klötenaufbau“ das Händchen hält und damit Herz und Kopf außer Rand und Band bringt…

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

Wie jeden Tag nach dem Aufstehen

Es liegt was in der Luft

Was nun Engel oder Teufelin?

Schach oder matt?

Botschaft angenommen, realisiert, aber das letzte Wort noch nicht gesprochen

Die totale Befreiung

Das entlarvte Arschgesicht

Zurück in die Zukunft

Der Fingerzeig und hormongesteuerte gute Freunde

Vorsatz zu einem glücklichen Lebensziel und Tod den Schandmäulern

Spießer, alles Menschen ohne wahre Genüsse des Lebens

Die Veränderung

Der Tapetenwechsel

Des Hexenzahns Schicksal

Laienplädoyer oder eben die wahren Worte einer Frau

Bitte einmal in Luft auflösen

Der Ruf von alten Hallen

Von Mutter zu Mutter

Eiscreme und andere Tipps

Nie mehr … in großer Gefahr

Kein Bock auf Stammtischgeschwafel

Oh oh, der böse Fluch ist ganz nahe

Die Berufung ruft

Nie mehr … weiterhin in Gefahr

Nie mehr … verblasst langsam

Fluch, oh Fluch, treff ihn sicher

Treffsicherheit

Verwirrt und das nicht vom Alkohol

Der Fluchträger

Lauf, Leotine, lauf!

Pendel und Co.

Das Eingeständnis

Zauberei oder Fügung?

Kopf sitzt nicht ganz

Wer oder was ist Nie mehr?

Die großen Orakel

Der Vollmond ist schuld

Das Tier in mir

Der Mond und andere Omen

Nachtigall i hör dir trapsen

Die Frucht des Zaubers

Es läuft, wenn nicht die Gewissensbisse beißen würden

Nur die Liebe zählt

Quellenverzeichnis

Prolog

Es gibt nun mal Dreckskerle unter dem männlichen Geschlecht. Klingt hart, ist aber so! Und wenn du einem davon auf den Leim gegangen bist, das ist wahrlich ’ne doofe und schmerzhafte Sache. Aber kein Grund, sich die Augen auszuheulen, sich vollzufressen oder von der Brücke springen zu wollen. No Way! Ich kann mir gut vorstellen, dass du jetzt in deinem Selbstmitleid Literatur suchst, die dich in deinem Schmerz baden lässt und dich (tolle Frau) mit durchnässten Rotztüchern zu Grabe trägt. Dann kann ich dich nur bedauern und dir sagen: „Du hast dich vergriffen.“ Ja, die Hoffnung kann ich dir schon gleich auf der ersten Seite nehmen. Du wirst keinen Roman in deinen Händen halten, der dich in deinem Tief unterstützt und mit Ratschlägen zur Seite steht, den Kerl wiederzubekommen. Wenn du so was brauchst, dann lege dieses Buch besser wieder dorthin zurück, von wo du es genommen hast. Denn auf den folgenden Seiten werde ich dir die Augen öffnen und dir klarmachen, dass alles nur halb so schlimm ist, wenn der Trumpf Plan B ist.

Oscar Wilde sagte einmal:

„Die Frau ist kein Genie, sie ist dekorativer Art. Sie hat nie etwas zu sagen, aber sie sagt es so hübsch!“

Na gut. Wenn das so ist, verpacke ich, was ich nicht zu sagen habe, einmal hübsch in Stacheldraht und hoffe für dich, liebe Gehörnte, dass ich dir den Weg zum Therapeuten ersparen kann. Denn der ist vielleicht auch nur ein verheirateter Mann, der sich mit einer anderen Jüngeren aus dem Staube machen will oder einfach nur amüsiert.

Soll’n sie sich doch alle zum Teufel scheren. Atme tief ein und sage dir: Mein Leben begann mit unserer Trennung. Aber deines, du Mistkerl, wird so sehr stechen und piksen – als würdest du buchstäblich in den Scherben der verlogenen Ehe liegen …

Wie jeden Tag nach dem Aufstehen

Es begann alles an einem Dienstag. Anfänglich ein Tag wie jeder andere. Ich deckte schnell den Frühstückstisch, schenkte meinem Mann, der sich wie immer hinter der Tageszeitung versteckte, seinen Kaffee ein und informierte ihn über den Tagesablauf. Wie immer bekam ich von ihm grunzende Kommentare wie: „Ja gut, aha und ein Hmm!“ Normalerweise hätte ich das alles so hingenommen, weil es einfach zu meinem Alltag gehörte. Aber heute drehte ich mich zu ihm um und betrachtete ihn mit einem stechenden Blick. Dabei fiel mir auf, dass ich nicht einmal mehr wusste, ob ich ihn die letzten Tage anders gesehen hatte als hinter seinen Nachrichten. Als ich so in mich ging und darüber grübelte, wie sein Gesicht wohl ohne Zeitungsartikel davor aussieht, wurde mir erschreckend klar, dass ich seit Wochen mit einer Zeitung Schlagabtausch führte.

Jetzt fragte ich mich, ob ich auch dieselben knappen Antworten bekommen würde, wenn ich ihm einen kleinen Ausschnitt aus einem der Berichte vorlesen würde? Ungern wollte ich diesen Gedanken weiter ausschmücken, aber als ich nur seine Hände und seinen lichter gewordenen Haaransatz sah, sagte mir etwas: Ein Versuch, einen Artikel einfach vorzulesen, um zu sehen, was passiert, wäre durchaus mal angebracht …

Diese Idee verwarf ich aber schnell. Dafür kam mir wieder mal der keimende Gedanke: Was war nur aus unserer Ehe geworden? Klar war nach zwanzigjähriger Ehe im Bett die Luft raus. Zur Schlafenszeit drehte sich jeder nach einem flüchtigen Kuss auf seine Seite und wollte seine Ruhe haben. Da war schon Jahre keine Leidenschaft mehr vorhanden, die uns gierig übereinander herfallen lassen wollte. Nein, unsere Leidenschaft war verpufft wie ein Furz im Wind! Ja genau, unsere feurige Besessenheit hatte sich irgendwann im Laufe der Ehe in Luft aufgelöst und wurde durch Arbeit, Kinder und viel Alltägliches ersetzt.

Ich warf einen letzten Blick zu der Zeitung und dachte, dass die lichter gewordene Stirn auch sein Penis hätte sein können, denn beides habe ich ewig nicht mehr gesehen!

Was soll’s! Geschichten über langjährige Ehen kreisen im ganzen Bekanntenkreis umher. Und immer wieder kommt man zum Fazit: Irgendwie wird er mich schon noch lieben, sonst wäre er nicht mehr da. So wird’s auch sein. Ich fing an, mich an diesem ‚irgendwie‘ festzuklammern und zitierte heimlich Oscar Wilde:

„Es ist wichtiger, dass sich jemand über eine Rosenblüte freut, als dass er ihre Wurzel unter das Mikroskop bringt.“

Diese Weisheit wollte ich mir für diesen Tag zum Tagestext machen und zu meinem immerwährenden ehelichen Grundsatz.

Kopfschüttelnd zog ich meine Gummistiefel an und ging in den Kräutergarten. Die Kinder liebten frischen Kräuterquark zum Frühstück, also sollten sie ihn auch bekommen.

Während ich meine Kräuter pflückte, hörte ich unsere Kinder im Haus lauthals streiten. Abermals schüttelte ich den Kopf und ging mit einer Handvoll gemischtem Grünzeug wieder zurück in die Küche.

„Was ist denn nun schon wieder los“, brüllte ich nach oben.

„Mama, Jolanthe, ’ne …“, Moritz brach mitten im Satz ab. Ganz leise hörte ich, wie Jolanthe ihm drohte.

„Wwas?“, hakte ich nach.

„Ach nix. Alles gut“, antwortete meine Tochter für ihren Bruder. Ich kannte Jolanthe zu gut. Irgendetwas hatte sie wieder ausgefressen, was Moritz petzen wollte. Aber wollte ich das wissen? Nein, Mädchen in ihrem Alter hatten nun mal Geheimnisse. Und die sollte sie auch ruhig haben. Dennoch horchte ich auf. Denn abrupt herrschte eine nachsichtsvolle Stille in der oberen Etage. Es war eine merkwürdige Ruhe, die mich befürchten ließ, dass Moritz gefesselt und geknebelt im Wandschrank hockte.

„Los, kommt runter. Ihr müsst in zehn Minuten zum Bus“, rief ich nach oben, in der Hoffnung, ein Lebenszeichen von Moritz zu kriegen.

„Ja doch“, meinte Jolanthe genervt und stolzierte die Treppe runter. „Ich wollte nur noch mal meine Base abchecken.“

„Eher in der Base was verstecken!“, stachelte Moritz seine Schwester erneut auf und stürzte auf der Treppe gerade noch rechtzeitig an ihr vorbei, sonst hätte er eine Schelle abgekriegt.

Mit einem breiten Grinsen im Gesicht ignorierte er den warnenden Blick seiner Schwester und flegelte sich auf seinen Stuhl.

„Ich find dich so was von zum Kotzen“, schimpfte sie.

Moritz zuckte gleichgültig mit den Schultern und meinte trocken: „Ja, Pech gehabt! ’Ne Familie kann man sich eben nicht aussuchen!“

Mit einem Stoßgebet gen Himmel freute ich mich, dass es ein ganz normaler Dienstagmorgen war. Ich konnte nichts Ungewöhnliches an den Kindern feststellen. Gott sei Dank bissen sie sich wie immer mit lautem Gezeter an Kleinigkeiten fest und wollten sich gegenseitig die Augen auskratzen. Auch an meinem Ehemann war nichts anders als sonst. Er sah glücklicherweise immer noch wie ein Viertel seines Geschlechtsteils aus, das hinter seiner Tageszeitung hervorstach.

Ich machte dicke Pustebacken, schenkte mir ebenfalls einen Kaffee ein und guckte von einem zum anderen. Mit einem Ich-habe-alle-Zeit-der-Welt-Blick schaute Jolanthe auf die Küchenuhr und im Nu herrschte plötzlich Aufbruchsstimmung.

„Scheiße, wieso ist’s schon so spät?“ Eilig packte sie ihre Schultasche und stupste ihren Bruder an.

„Komm, Penner, wir müssen.“

Das war auch das Stichwort für meinen Mann, schnell sein Gesicht zusammenzufalten, nervös über seine blanke Eichel zu kratzen, und wie die Kinder, mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange zu hauchen, mich noch mal freundlich in diese zu kneifen und aus dem Haus zu verschwinden.

Nun war das tägliche Ritual vorbei und ich allein.

Seufzend legte ich meine gestiefelten Füße auf den Stuhl, schlürfte behaglich meinen Kaffee und blätterte nebenbei im Gesicht meines Mannes. Ruhe war doch was Herrliches, dachte ich und genoss es, mal fünf Minuten für mich zu haben.

Es liegt was in der Luft

Wenige Augenblicke später widmete ich mich dann auch schon meinem Haushalt.

Ich rannte von oben nach unten. Und wieder von unten nach oben. Ich wischte, saugte, fegte, räumte von einer Ecke in die andere. Ich streckte, bückte, rollte mich, bis ich dann endlich keuchend im Schlafzimmer zum Bettenmachen ankam. Erschöpft warf ich mich zuerst in die zerwühlten Kissen und wäre am liebsten bis zum Abend gleich liegen geblieben.

Mit geschlossenen Augen strich ich über das glatte Bettlaken und freute mich darüber, dass ich mich im einzigen Zimmer befand, das immer ordentlich ist. Plötzlich stießen meine Fingerspitzen gegen einen Gegenstand. Gleichgültig drehte ich mich auf die Seite und holte unter dem Kopfkissen meines Ehemannes ein Buch hervor.

Seit wann liest der Bücher?, fragte ich mich irritiert und begutachtete das gute Stück. Ich traute meinen Augen nicht, als ich den Titel ‚Anleitung zum Ehebruch‘ las.

Mein nächster Gedanke war dann: Was liest der denn für komische Bücher, der muss es ja nötig haben. Zunächst wollte ich das Werk wieder unter sein Kopfkissen schieben und so tun, als hätte ich es nicht entdeckt.

Doch der Titel hatte unweigerlich meine weiblichen Instinkte geweckt. Fassungslos las ich mir den Klappentext durch und stellte fest, dass die frischgebackene Buchautorin, die unter anderem Kolumnistin eines Männermagazins war, ihren männlichen Lesern eine gehörige Gehirnwäsche verpasste. Sie forderte die Männer tatsächlich Seite für Seite auf, ihre Midlife-Crisis mit einer Affäre zu versüßen.

Spinnt die denn, dachte ich. Der Mythos, dass Männer ab vierzig attraktiver auf junge Frauen wirken, herrscht bereits weltweit. Seitdem haben die keine Angst vor dem Älterwerden, sondern eher Befürchtungen nicht mithalten zu können. Mit ihren Falten um die Augen, grauen Schläfen und einer abgesicherten Lebenserfahrung scheinen sie magnetisch zu sein. Aber sollte man das denen auch noch unter die Nase reiben?

Hat die blöde Kuh auch mal eine Sekunde lang an uns Frauen gedacht? Wir haben mit dem Älterwerden so unsere Problemchen. Aber das mit einer Liebschaft auszugleichen, stelle ich mir gerade schwierig vor.

Wechseljahrbedingte Schweißausbrüche, Depressionen und Minirock passten natürlich wie die Faust aufs Auge.

Ich betrachtete ihr Foto und war schnell der Meinung, dass diesem kindlichen Antlitz noch jegliche Lebenserfahrung fehlte. Die soll erst einmal in die reifen Jahre einer Frau kommen, dann wird sie ihr erstes Buch wohl in die Tonne werfen und über die Wechselbeschwerden einer Frau schreiben oder noch besser: Wie ich durch meine eigenen Ideen meinen Ehemann verlor. Ich grinste böse und beschloss, diese Autorin zu verabscheuen. Achtlos pfefferte ich die Worte des Kindes auf den Fußboden und schüttelte die Betten auf.

Doch leider ärgerte ich mich so sehr über diese Anleitung, dass ich echt Schwierigkeiten hatte, mich auf das Bettenmachen zu konzentrieren. Ich warf die Bettutensilien grob von A nach B, klopfte sie platt wie ’ne Flunder, zupfte hier und da einen Zipfel zurecht und begutachtete kritisch das aufgeräumte Bett. Mein 7. Sinn schien mich auszulachen und zu sagen: „Gib dir mal keine Mühe. Es ist nur augenscheinlich aufgeräumt!“ Ich wurde fahrig und fing an zu schwitzen. Pustend wischte ich mir mit dem Handrücken über die Stirn, als wollte ich den Hinweis meines 7. Sinnes verscheuchen.

„Überleg doch mal“, hörte ich den Sinn drängen. „Warum hat er das Buch nicht wie sonst auf seinem Nachttisch liegen? Er will doch damit was verbergen, oder was meinst du? Ich will ja jetzt nichts in den Raum werfen, aber vielleicht plant er einen Seitensprung.“

Damit waren meine Zweifel geweckt. Insgeheim verfluchte ich meine Gabe der hellseherischen Fähigkeiten. Sollte er wirklich? Plant er, hat er? Was will er, was sucht er?

Mein Blick haftete starr auf dem gemachten Bett. Die weiße Bettwäsche mit einem zarten Rosendruck wirkte gerade viel zu jungfräulich. Zu sauber, zu rein. Die Oberflächlichkeit schrie mir geradezu ins Gesicht.

„Wach auf, Dornröschen. Wach auf. Du legst dich jeden Abend aufs Neue in eine große gemütliche Lüge.“

Daraufhin grunzte ich ein belegtes „Hmm“ und hörte auf meinen angriffslustigen 7. Sinn.

Extrem angepisst nahm ich die akkurat liegenden Kissen wieder in die Hände und schüttelte diese so sehr, als wollte ich der jungen Autorin das Genick brechen.

Mir war sofort klar, dass sie mit diesem Buch Aufsehen erregen würde. Und den armen, ach so deprimierten Ehemännern den letzten Verstand, den sie noch tief in sich verborgen hielten, mit nett eingerichteten Lesungen aus dem Hirn saugte. Ich entwickelte jetzt ein patriarchisches Gefühl für alle Frauen! Für alle. Auch Schwule sollten wissen, wer ihren Liebsten einen Weg aufzeigte zum Fremdgehen.

Vor meinem geistigen Auge sah ich schon die Auswirkungen. In jedem dritten, vierten oder fünften Haus scheiterten Ehen, indem völlig nihilistische Frauen (auch mit Eiern zwischen den Beinen) mit Selbstmordgedanken zurückblieben. Meine Alarmglocken läuteten. Mit diesem Läuten wurde meine Grundlage zur feministischen Praxis geboren. Ich bekam den Blick einer Teufelin. Ich spürte regelrecht, wie meine Augen rot aufleuchteten. Mit dem Hintergedanken, dass sich mein Mann ihre Vorschläge längst schon zu eigen machte, suchten meine Augen nach diesem bescheuerten Exemplar, das ich achtlos auf den Fußboden geworfen hatte.

Was nun Engel oder Teufelin?

Plötzlich zwitscherte mir das gute Gewissen dazwischen und die selbstbewusste Teufelin kam ins Wanken. Ich haute mir vor die Stirn und flüsterte: „Quatsch. Was soll das denn. Nach über zwanzig Jahren wirst du doch nicht misstrauisch werden, oder?“

„Was erzählst du? Misstrauisch bist du doch schon lange“, antwortete die Teufelin. „Und ehrlich gesagt, schau dich doch mal an. Du hast dich gehen lassen, Leotine.“

„Nein, du hast dich nicht gehen lassen. Du bist genauso, wie eine Hausfrau und Mutter nun eben ist“, flüsterte das gute Gewissen.

Die Teufelin schnalzte mit der Zunge. Kopfschüttelnd zeigte sie mit dem Finger auf mich. „Wie hat denn eine Hausfrau und Mutter deiner Meinung nach auszusehen? So wie die? Ein Touch Verruchtes kann Signale setzen und tote Schlangen zum Leben erwecken. Ich bin für ein nuttiges Klischee. Rollenspiele finde ich zum Beispiel überaus heiß.“ Die Teufelin leckte sich ihren Finger und hielt diesen an ihren Schenkel. Sofort zischte und qualmte die Stelle, an die sie ihren Finger hielt.

„Nein, nein. Für Sex muss man sich nicht gleich anziehen wie ’ne Nutte“, regte sich das gute Gewissen auf.

„Nee, für eingeschlafenen Blümchensex braucht man so was nicht. Das stimmt! Und für überhaupt keinen Sex kleidet man sich wie die. Da vergeht ohnehin jedem die Lust auf ’ne geile Nummer.“

Die Teufelin schickte mir abschätzende Blicke. „Nein wirklich, du bist alles andere als eine scharfe Braut, mit der ‚Mann‘ mal schnell Knickknack will.“

Nachdenklich kaute ich auf meinen Nägeln und sah an mir hinab.

Seufzend schuppte mich die Teufelin durch das Schlafzimmer und parkte mich mit einem hämischen Grinsen vor dem großen Spiegel. Mit einem Blitzen in ihren Augen sagte sie: „Schau doch selbst. Geil ist was anderes, oder?“

Erschrocken stellte ich fest, dass sie recht hatte. Ich erkannte die Frau im Spiegel zuerst gar nicht und blickte irritiert hinter mich. Doch ich war allein im Raum. Na ja, nicht ganz. Ich befand mich ja in der Gesellschaft meiner guten und bösen Gedanken. Ich musterte die Frau im Spiegel und kam zu dem Fazit, dass mich eine Außerirdische anglotzte. Tatsächlich sah ich eine Schlafanzug tragende Breitarschfrau in gelben Gummistiefeln. Zerzauste Haare, blass, verschwitzt und alles andere als ein Hingucker. Na ja, wie sollte ich auch anders den Haushalt machen? Na gut, vielleicht nicht gerade in gelben Gummistiefeln, aber mich für meine Schmutzwäsche aufzuhübschen, fand ich äußerst überspitzt. Kritisch beäugte ich mich von oben bis unten. Also mir war es wirklich egal. Ich ging ja so nicht auf die Straße. Vielleicht nur kurz … mal so zum Brötchenholen oder zum Tanken, aber sonst werfe ich mich schon in eine Jeans, die noch passt.

Seufzend musste ich zugeben, dass die Teufelin recht hatte. Ich spitzte meine Lippen und schielte mich von der Seite an. So schlimm fand ich das jetzt nicht. Trotzdem konnte ich nur bestätigen, dass ich zu diesem Typ Frau gehöre, der gerne mal übersehen wird.

„Siehst du, was ich meine, Leotine?“, drang die Teufelin durch. „Du siehst aus wie Bob der Baumeister und nicht wie ein gestiefeltes spitzes Kätzchen, das etwas Milch schlabbern möchte.“

„Ach hör doch auf, ihr irgendwelche Flausen in den Kopf zu setzen“, schimpfte das gute Gewissen und verschränkte die Arme über Kreuz. „Natürlichkeit zählt.“

Ich nickte bestätigend und wollte die Teufelin aus meinem Kopf kicken. Doch dann machte sie mich auf etwas aufmerksam, was ich nicht so einfach verwerfen konnte.

„Leotine. Du bist eine Frau, die schon lange keinen Sex mehr hatte. Dein Kerl ignoriert dich seit Jahren, er liest Bücher, die Tipps geben, mit anderen Frauen seine Hemmungslosigkeit auszuleben. Ich würde sagen, Schätzchen, du hast ausgedient, weil er deine …“, mit einem giftigen Blick zum guten Gewissen betonte sie den Rest des Satzes, „… natürlichen Gummistiefel einfach zum Kotzen findet!“

Na prima, dachte ich. Mein Mann behandelte mich wie Luft, weil er meine gelben Gummistiefel nicht sexy genug fand? Wie dramatisch.

Ich warf noch einmal einen letzten abschätzenden Blick auf mein Spiegelbild und flüsterte: „Was meinst du, Leotine, willst du der Sache mal auf den Grund gehen?“ „Klaro“, tönte die Teufelin laut. „Er ist ein Wichser. Ein Arsch mit Eiern. Er steckt schon ewig lange sein Ding woanders rein. Du musst nur endlich mal deine Augen aufmachen.“

Wieder schaltete sich das gute Gewissen dazwischen. „Nein, nein, nein. Auch in der Ehe gibt es eine Privatsphäre. Schnüffeln bedeutet Misstrauen.“

„Ja, und genau das habe ich. Mein Misstrauen ist hellwach und reagiert auf komische Bücher unter dem Kopfkissen meines Mannes“, sagte ich und drehte mich entschlossen ins Zimmer.

Zielstrebig fing ich an, Indizien für eine Affäre zu suchen. Mit einem eigenartigen Gefühl im Bauch öffnete ich seine Nachtkonsole und wusste nicht einmal genau, nach was ich suchte! In seinen Schubladen fand ich nichts Weltbewegendes. Hustentropfen, Taschentücher, Kugelschreiber. Selbst ein ausgekautes Kaugummi klebte besitzergreifend in der Innenseite der Lade. Schulterzuckend schob ich sie wieder zu. Hier bin ich nicht viel weitergekommen. In der Schublade war Übliches abgelegt, eben all das, was einen auf dem Nachttisch störte. Ich kratzte mich an der Kopfhaut und stützte unschlüssig meine Hände in die Hüften. Langsam drehte ich mich in jede Richtung des Zimmers. Ich musste jetzt strategisch denken und mich in meinen Mann hineinversetzen. Wo würde er etwas verstecken wollen? Oder noch viel besser, was hat er vor lauter Heimlichtuerei vergessen, das mich meinem Verdacht ein Stück näher bringt.

So doof konnte ich gerade nicht denken, wie ich ihn gerne überführen wollte. Nun doch in meiner Detektivarbeit etwas gebremst, stand ich vor seinem Kleiderschrank und fragte mich ernsthaft, ob ich tatsächlich diesem tosenden Misstrauen weiter nachgehen sollte, indem ich zu guter Letzt seine Taschen durchsuchte? Ich machte dicke Backen und zögerte.

Bisher wurde ein uneingeschränktes Vertrauen zwischen uns immer geschätzt. Niemals wurde etwas hinterfragt oder infrage gestellt.

„Genau, du dummes Ding“, aus dem Nichts stand die Teufelin wieder da und redete Klartext. „Es wurde nur für lieb und teuer gehalten, damit man den anderen hinter das Licht führen konnte.“

Plötzlich kicherte dieser weibliche Satansbraten.

„Du bist so bescheuert, Leotine“, sagte sie streng und verbot dem guten Gewissen, sich weiter einzumischen. „Du machst dir wieder nur was vor“, säuselte sie etwas nachgiebiger. „Wie viele Jahre ignoriert er dich schon? Wie oft hast du um diese Ehe in die Kissen geweint, als er sich kalt auf die andere Seite drehte. Wenn du ihn angesprochen hast, warum er die Ehe nicht mehr vollzieht, hat er dich für bekloppt erklärt. Angeschrien hat er dich sogar. Und gesagt, dass Sex nicht alles ist. Du hast nur aufgegeben und alles so hingenommen. Vertrauen hast du schon lange nicht mehr.“

Die Teufelin hatte recht.

Das Resümee war tatsächlich, für ein vorbehaltloses Vertrauen stellte ich mir für einen Dienstagmittag einfach zu viele Fragen. Scheiß drauf. Egal was war, was sein könnte und was ist, ich wollte Klarheit. Entschlossen warf ich jeden einzelnen Anzug aus dem Kleiderschrank auf das Bett und griff in jede noch so kleinste Tasche. Zum Vorschein kamen diverse Quittungen von verschiedenen Einkaufsmärkten, Bonbonpapier, ein Kugelschreiber und seine eigenen Visitenkarten. Aber kein Hinweis auf eine andere Frau. Das war also das Abenteuer Affäre. Nicht ganz zufrieden über den Ausgang meines Kontrollzwangs überlegte ich, wo ich noch suchen könnte.

Anstatt mich zu freuen und alles auf sich beruhen zu lassen, war ich von meiner ganzen Mission maßlos enttäuscht. Jede andere Frau würde jetzt Luftsprünge machen und mit einem übermannten schlechten Gewissen überlegen, was sie ihrem Ehemann Leckeres zu essen kochen könnte. Ich nicht. Ich wollte jetzt unbedingt etwas finden, auch wenn es wehtun würde.

Vielleicht, weil ich mich wirklich schon zu lange mit der Frage quälte, warum wir keinen Sex mehr haben. Nicht einmal anfassen darf ich sein Ding. Wenn ich mal den Versuch starte, ihm etwas näher zu kommen, ziert er sich wie ein Mädchen. Zur Entschuldigung meint er, dass sein Pillermann auch kaputt gehen könnte. Hä? Was war das für ein Scheiß? Zu gut konnte ich mich noch an andere Zeiten erinnern, als alle Salben der Welt den Wundbrand zwischen meinen Beinen nicht heilen wollten.

Und jetzt, als Mittvierziger überhaupt keinen Geschlechtsverkehr zu haben oder zu wollen, ist schon ungewöhnlich. Vor allem, wenn keine ernsthaften Krankheiten nachzuweisen waren, konnte daran schon etwas faul sein …

Ich entschloss mich, am Abend die allerallerletzte Probe aufs Exempel zu machen, um zu sehen, ob das Mädchen wieder Angst davor hat, sein Allerheiligstes anfassen zu lassen. Sollte es so sein, würde ich gezielt weitersuchen und ihm irgendwie schon auf die Schliche kommen.

Entschlossen nahm ich einen Anzug auf, um diesen wieder ordentlich auf seinen Bügel zu hängen.

Die Tatsachen, die mir meine negative Seite in den Kopf gesetzt hatte, wollte ich vorerst für die nächsten Stunden verbannen. Schließlich hatte jeder eine zweite Chance verdient. Auch wenn man nicht hundertprozentig sagen kann, ob die Erste tatsächlich vergeigt war. Mein Blick schweifte über das großzügige Chaos, das ich auf dem Bett angerichtet hatte. Mann eh, wie viele Anzüge hat der im Schrank? Hundert? Ich ärgerte mich ein wenig, dass ich mir nun noch mehr Arbeit verschaffte, als ich sowieso schon hatte. Denn großzügig wie ich bin, räumte ich nicht nur die Taschen sorgsam aus, sondern verhielt mich wie in der Pathologie. Sie wurden regelrecht obduziert. Dass ich die Anzüge nicht noch unter ein Mikroskop hielt, war nur aufgrund dessen, dass ich keins besaß.

Ja, und dann kommt eine Situation, in der alle gut gemeinten Grundsätze des Weghängens, Ordnungschaffens und Aufsetzens der Unschuldsmiene, als wäre nie etwas gewesen, über einen stinkenden Haufen geworfen werden.

Inzwischen war es Dienstagmittag, 12.03 Uhr, ich stand kopfschüttelnd vor einem enormen Berg zusammengeworfener Anzüge und der Lauf der Dinge begann. Ich nahm eine Hose und legte die ordentlich auf Bügelfalte, zupfte hier und da und plötzlich flatterte mir ein fein säuberlich gefalteter Zettel vor meine Gummistiefel.

Zuerst dachte ich, noch mehr Müll in seinen Taschen, aber dann ohrfeigte mich quasi meine weibliche Intuition. Ja, und welche Frau auf die göttliche innere Stimme nicht hört, ist selber schuld an allen Dilemmas, die man ihr förmlich vor die Füße wirft.

Schach oder matt?

Ich bückte mich danach und es traf mich plötzlich wie ein Schlag. Nun hielt ich tatsächlich die Antwort auf meine ganzen Fragen zwischen meinen Fingern und ich stierte ungläubig auf die fein säuberlich geschriebenen Worte:

Ruf mich doch einfach mal an, Ayla!

Als ich den kleinen Wisch drehte, sah ich einen roten Lippenstiftkuss, der anscheinend den Aufruf besiegeln sollte. Jetzt hätte ich kotzen können. Ich kramte nach dem Buch, das inzwischen unter das Bett gerutscht war, und schaute auf den Autorennamen, den ich bisher völlig uninteressant fand. Ayla Holzhausen, flankierte es in Franklin Gothic Medium …

Ich schluckte trocken. Mein Herz entschied sich prompt für einen Marathon. Während sich meine Hormone zwischen heiß und kalt nicht entscheiden konnten. Daraufhin wollte ich einfach ausrasten oder gegebenenfalls hysterisch werden und hyperventilieren, wie es andere Frauen in diesem Fall tun würden. Aber es stellte sich nichts dergleichen ein, außer dieses elende Kotzgefühl und eine unsagbare Wut auf diese Autorin, meinen Mann und mich selbst. Hier ging es nicht mehr nur um Sex, den er mit einer anderen Frau hatte, sondern um Grenzen, die überschritten wurden, und um niederträchtige Heucheleien, anstatt ehrlich zu sein.

Wütend warf ich den Klumpen Anzüge und unser Bettzeug durch den Raum und hievte stöhnend die Matratze vom Lattenrost. Eigentlich war ich nur sauer und wollte mich abreagieren. Ich ahnte ja nicht, was sich durch diese Aktion Fürchterliches hervortun könnte. Aber … es tat sich der Höllenschlund auf. Ich erhaschte zwischen Staubknäuel und diversem anderen Unter-dem-Bett-Kram das Korpus. Ein Hauch von roter Spitze. Bäh, jetzt wollte ich wirklich kotzen. Wie lange dieses getragene Höschen wohl unter unserem Bett lag? Die Vorstellung, mich jeden Abend nichts ahnend hingelegt zu haben, ließ mich gerade wie ein Karpfen nach Luft schnappen.

Mit offenem Mund dachte ich an meinen Wochenend-Ostseetrip mit den Kindern …

Es war Dienstag, 12.11 Uhr. Ein schöner Sommertag. Durch das geöffnete Fenster hörte ich die Vögel zwitschern, ein Postbote brachte meiner Nachbarin ein Paket und wünschte ihr fröhlich einen schönen Resttag. Eigentlich war alles wie immer. Dennoch änderte diese Uhrzeit schlagartig mein ganzes bisheriges Leben.

„Zu einer glücklichen Ehe gehören meist mehr als zwei Personen.“

Oscar Wilde