Ansichten einer Geliebten - Elke Reinauer - E-Book

Ansichten einer Geliebten E-Book

Elke Reinauer

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Beschreibung

Ansichten einer Geliebten. Während Stella mit ihrer Verliebtheit zu einem verheirateten Mann hadert, reflektiert ihre Freundin Ella über ihre Affäre. Schonungslos ehrlich zieht sie Bilanz in einem Theaterstück mit dem Titel: Ansichten einer Geliebten.

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FIGUREN: ELLA (GELIEBTE, FIGUR DES THEATERMONOLOGS)STELLA (ICH-ERZÄHLERIN, FIGUR DER ERZÄHLUNG)

ICH HABE MICH IN EINEN VERHEIRATETEN MANN VERLIEBT. WAS SOLL ICH MACHEN?

DIE FINGER DAVONLASSEN. DIE FINGER DAVONLASSEN?

Inhaltsverzeichnis

Ansichten einer Geliebten

Ella

Stella

Ansichten einer Geliebten

Ella

Stella

Ansichten einer Geliebten

Ella

Stella

Ansichten einer Geliebten

Ella

Stella

Ansichten einer Geliebten

Ella

Stella

Ansichten einer Geliebten

Ella

Stella

Ansichten einer Geliebten

Ella

Stella

Ansichten einer Geliebten

Ella

Stella

Ansichten einer Geliebten

Ella

Stella

Ansichten einer Geliebten

Ella

Stella

Ansichten einer Geliebten

Ella

Stella

Ansichten einer Geliebten

Ella

Stella

Ansichten einer Geliebten

Ella

Stella

Ansichten einer Geliebten

Ella

Stella

Ansichten einer Geliebten

Ella

Stella

Ansichten einer Geliebten

Ella

(Steht mit zerzausten Haaren neben einem schnittigen Auto und nestelt an ihrer Kleidung.)

Oh, hallo, ich muss mich kurz zurechtmachen.

(Knöpft sich die Bluse zu, fährt sich durch die Haare, schaut zum Auto, dann zum Publikum.)

Mein Freund ist gerade dabei, meine Haare vom Sitz aufzusammeln. Mit einer Pinzette. Das kann dauern. Er sagt, er sucht das ganze Auto nach meinen Haaren ab – danach. Er hat sie schon überall gefunden. Sammelt sie und bewahrt sie in einer kleinen Dose auf.

Ich liebe jedes einzelne, hat er einmal gesagt. Ich weiß nicht, wie oft wir schon Liebe gemacht haben in seinem Auto. Das Auto ist unser Ding, es ist unsere Zeitkapsel, in der wir durch die Welt gleiten. Ich fahre so gerne mit ihm Auto. Da kann ich ihn ungestört betrachten.

Entschuldigung, ich hab mich gar nicht vorgestellt.

Ich bin die Geliebte. Ich werde geliebt, nicht von seiner Frau, klar, sie weiß nichts von mir. Wir reden selten von ihr. Und wenn, benutzt er ein Kürzel: E-F für Ehefrau. Ich benutze D-F für deine Frau. Meistens vergessen wir sie. Nichts und niemanden lassen wir in unsere Liebesblase. Sie ist perfekt, sie ist heilig. Es ist eine Liebe, nach der ich mich lange gesehnt habe.

Warum liebt er mich?

Warum braucht er mich?

Vielleicht, weil seine Frau ihm den Rücken zudreht, wenn er nach Hause kommt. Oder ihn allenfalls die Getränke aus dem Keller holen lässt?

Vielleicht, weil sie ihm nicht mehr in die Augen blickt, ihn nur noch im Vorübergehen berührt. Ich gehe nicht an ihm vorüber. Ich nehme mir Zeit für ihn. Unsere Zeit ist unsere Insel, auf die wir uns im Meer der Einsamkeit gerettet haben. Und doch, so kenne ich mich eigentlich nicht: Geliebte, Schattenfrau, Kurtisane …

Ich, die mit beiden Beinen im Leben steht. Ich, erfolgreich, klug, schön. Ich hätte nie gedacht, dass ich eines Tages diese Rolle annehmen würde: die Geliebte. Bin ich das?

Ich bin das.

(Blickt nachdenklich vor sich nieder.)

Stella

Ich war immer gerne und oft verliebt. Ich meine, nicht ständig. Aber manchmal könnte man schon sagen, dass ich ins Verliebtsein verliebt war. Früher. Ich liebte einfach diesen Rausch: die Lust, die durch meinen Körper jagt wie Heroin durch die Venen eines Junkies; das Herzbeben, wenn ich ihn sehe; mein Bauch, der sich anfühlt, als laufe dort eine Waschmaschine im Schleudergang; die leichtfüßigen Schritte durch die Welt. Bevor ich ihn traf, war ich Single, nachdem ich drei Jahre lang eine Beziehung geführt und mein Ex mich dann verlassen hatte. Ich sehnte mich nach Liebe, zu lange war ich schon allein. Was tat ich also? Ich betete. Ja, ich betete. Mein Name bedeutet Stern. Für meine Eltern war ich der Stern ihrer Liebe. Nachdem sie lange vergeblich versucht hatten, ein Kind zu bekommen, wurde ich geboren. Meine Mutter war schwanger, als sie schon nicht mehr daran geglaubt hatte. Ein Wunder, ein Stern, der ihnen aufging. So hatten sie es mir einmal erzählt. Und dass sie gebetet, Gott gefragt hatten, nach einem Kind. Nun war es an mir, ich betete und fragte Gott nach einem Mann. Sonst bin ich eher wenig religiös, aber wie das so ist – steigt die Verzweiflung, rückt Gott näher. Verzweifelt war ich in jener kalten Nacht, als ich mich aufs Fahrrad schwang. Ich brauchte frische Luft. Außerdem musste ich Salz kaufen. Salz, das hatte ich immer wieder vergessen, obwohl es in großen Lettern auf meiner Einkaufsliste stand: SALZ. Aber deswegen war ich nicht aufgebrochen, nein. Ich hatte etwas auf meinem Handy gesucht, scrollte die Liste der Kontakte hinunter, und auf einmal sah ich es: mein Ex und seine Neue. Er hatte sein Profilbild geändert. Zwei lachende Gesichter blickten in die Kamera. Mein Herz ballte sich zusammen wie eine Faust, öffnete sich wieder, zog sich zusammen, pumpte wie verrückt. Ich dachte, ich hätte es überwunden, ihn verarbeitet. Nach dieser Zeit – neun Monate war es nun her, so lange dauert eine Schwangerschaft. In dieser Zeit entwickeln sich Föten im Mutterleib – und ich? Hatte ich mich nicht weiterentwickelt? Dieses Foto warf mich völlig aus der Bahn. Ich hatte mir mein Fahrrad vom Flur geschnappt und war aus dem Haus geflohen, trat kräftig in die Pedale. Dabei hatte ich vergessen, meine Mütze aufzusetzen. Doch egal, meine Hände umklammerten den Lenker, ich spürte die Kälte kaum. Der Fahrtwind trieb mir Tränen in die Augen, auf einmal ergriff mich Sehnsucht, gepaart mit Wut: Wo ist mein Mann, die Liebe meines Lebens? Warum bin ich allein? Lieber Gott, bitte schick mir doch einen Mann, der mich liebt.

Ich fuhr mit ziemlich viel Schwung auf den Supermarkt-Parkplatz. Zu heftig riss ich den Lenker herum und wich gerade noch so einem Auto aus, das um die Ecke bog. Mein Rad kippte, ich fiel und landete auf dem harten Asphalt. Die Autofahrerin bremste sofort, sprang aus ihrem Wagen, kam zu mir und rief die Ambulanz. Meine Knie bluteten und schmerzten. Ich schlotterte vor Kälte und Schock. Um uns standen Leute, Einkäufer mit Taschen, eine Frau legte eine Decke um mich. Mein Herz schlug rasend vor Schreck in mir. Dennoch wollte ich aufstehen, die Frau redete auf mich ein, ich müsse auf die Sanitäter warten. Es gehe ganz schnell, sagte sie – und ja –, schon hörten wir die Sirenen.

So war das damals gewesen: Ein Knall, ein Fall, und Knall auf Fall stand er vor mir. Er hatte an jenem Abend Schicht als Sanitäter. Und so kam es, dass in dieser kalten Märznacht zwei Blicke ineinander blitzen und plötzlich wurde es still um mich. Seine grünen Augen tanzten wie Nordlichter vor mir. Er stand da wie vom Himmel gefallen. Später würde er das Gleiche über mich sagen. Dass ich ihm vorgekommen sei wie ein Engel, vom Himmel gefallen.

„Mein Name ist Frank Schönberger“, sagte er, und sah mich direkt und aufmerksam an. „Und wie heißen Sie?“ Ich sah nur seine Augen. „Salz“, stammelte ich schließlich. „Ich muss Salz kaufen …“

Ich wurde auf eine Trage gelegt und ins Krankenhaus gefahren. Sein Kollege fuhr den Krankenwagen. Frank saß bei mir. Die ganze Fahrt über hielt er meine Hand, weil ich ihn in meinem Schock darum gebeten hatte.

Auf einmal fühlte ich mich verletzlich und weich. „Ich muss Salz kaufen“, stammelte ich erneut wie irre vor mich hin. Später sagte er, er hätte schon allein deshalb auf eine Gehirnerschütterung getippt.

Seine große schlanke Hand war mein Rettungsanker, an dem ich mich festhielt.

„Sie können morgen auch noch Salz kaufen“, sagte er, und es beruhigte mich.

Im Krankenhaus wurde ich geröntgt. Nichts war gebrochen. „Sie hatten Glück“, sagte der Sanitäter mit den grünen Augen, als er mir danach meine Schuhe brachte.

Ja, da war es, das Glück. Es hatte mich den Unfall nur mit ein paar Kratzern und Schrammen überstehen lassen. Es schmerzte dennoch, und die Schürfwunden auf meinen Knien brannten. Doch ich lebte. Es hätte alles viel schlimmer enden können, sagte ich mir.

Ich rief meine beste Freundin Ella an. Sie holte mich ab und fuhr mich nach Hause. Ich war nicht mehr dieselbe, ich wusste nicht, ob es der Unfall war, der mich aus der Bahn geworfen hatte oder ob ich verliebt war. Verliebt …

Mit meinen geprellten Knien saß ich am nächsten Tag in meiner Wohnung auf einem Hocker, ein leichtes Zittern im Herzen und in den Händen. Ich spielte mit einem Bleistift, drehte ihn zwischen den Fingern hin und her. Mir war nicht nach Zeichnen. Ich blickte mich in meinem kleinen Studio um, sah meine selbst gemischten Farben, die Leinwände, die bekritzelten Notizblöcke, die halbfertige Kunstinstallation, und konnte mich nicht aufraffen zu arbeiten, obwohl eine Vernissage anstand. Ich hörte, wie Ella herein kam. Sie wohnte über mir und unsere Wohnungstüren waren nie verschlossen. In der Hand hielt sie eine große blaue Schüssel. Warm lächelte sie mich an, begrüßte mich, ging in meine Küche und verteilte dort Kürbissuppe in zwei Schalen. Sie war so ein Schatz. Ich setzte mich ihr gegenüber an den Tisch.

Wir schlürften langsam unsere Suppe. Ein Hauch von Ingwer, Pfeffer und Orangenschale sorgte für ein volles Aroma.

„Danke, das schmeckt wirklich gut“, lobte ich.

„Wer war denn der gutaussehende Sanitäter, der um die Ecke kam, als ich dich gestern abholte?“, fragte meine Freundin. Sie beobachtete mich, während ich meine Suppe aß. Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss. „Er heißt Frank“, sagte ich und senkte den Blick auf das orangene Suppen-Meer.

Ella lächelte vielsagend. „Frank. Und, wirst du ihn wiedersehen?“

„Wie denn?“ Ich aß weiter, eine Pause entstand, der Blick meiner Freundin hing an mir. „Ich weiß nicht“, sagte ich schließlich, „er hat nur seinen Job gemacht …“

„Aber er gefällt dir?“

Ich nickte, einerseits, weil die Gefühle in mir überschäumten und alle Worte erstickten. Andererseits, weil ich den Mund noch voll heißer Suppe hatte.

„Dann, meine Liebe, besuch ihn auf seiner Dienststelle und bedanke dich. So wirst du sehen, ob es ihm auch so geht wie dir.“

„Mich bedanken?“

„Ja, ganz höflich. Einfach so, für seinen guten Einsatz. Er hat doch einen anstrengenden Job, freut sich gewiss über Anerkennung. Und nebenbei kannst du schauen, ober er auch auf dich steht.“ Sie zwinkerte mir zu. Sie war die Meisterin der Verführung.

„Was für eine gute Idee!“, sagte ich.

Auf einmal breitete sich Hitze in meiner Brust aus. Einerseits wegen des erregenden Gedankens, andererseits wegen der heißen Suppe.

Also ging ich am Tag darauf in den Supermarkt, kaufte dunkle Schokoladenpralinen für Frank und außerdem noch einige Pakete Salz, die ich für meine Kunstperformance benötigte. Endlich – Salz! Meine Knie fühlten sich schon etwas besser an. Ich überwand den Impuls des Zögerns und machte mich gleich auf den Weg zur DRK-Leitstelle, die neben dem Krankenhaus lag, in das ich in der Nacht des Unfalls gebracht worden war.