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Liebe, Tod & Anti-Literatur - "Heft I" versammelt bisher unveröffentlichte frühe Prosa-Texte und versfreie Gedichte von Arne-Wigand Baganz aus den Jahren 1999 bis 2002.
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Seitenzahl: 63
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»Tue jene Dinge, die Du für schön hältst, aber strebe dabei nicht nach Ruhm, denn der Pöbel ist ein schlechter Richter guter Dinge« – irgendeiner der Pythagoräer
Vorwort
1999
Großes Werk wird sein
Luna, wie sie hieß
Dem Fremdsal gefolgt
Zwischen den Wellen
2000
im spiralnebel des geistes
neue wege auf alten pfaden
Transzendierend die periphere Nähe
daemmerung des leidens
nova
Ein neuer Wind
Aus einer fremden Welt
Rückkehr des Königs
Eterna
Elektra so schön
Schweigen, Leere, Schweigen
Sehnsucht
Der Schwarze Koenig
2001
Anti-Literatur v4.1
Simultane Kapitulation
NADA
Stillstand
Eine Geschichte aus dem Reich der Schatten
Er hat Recht
alpha traum alpha
eisvogel
Am Meer
2002
exil der traeume
der ewige krieger
Unbewegt
Ein alter Hafen
Der kleine Prinz
Der Meister
Der weiße Falke
Ratlos und ein Brief
Flucht des Koenigs
der wind hat keine freunde
Ich bin kein Freund von Vorworten, muss jedoch diesem Buch zu seiner besseren Einordnung selber eines vorwegschicken. Die hier nachfolgend abgedruckten Texte sind – gemessen an der gewöhnlichen Lebensspanne eines Menschen – bereits ziemlich alt, sie entstanden zwischen 1999 und 2002, ich habe sie also in meinen frühen Zwanzigern verfasst, die für mich oft eine herausfordernde Zeit gewesen sind: wild, sehr düster aber nicht ohne schöpferische Kraft. Als ich damals meine ersten beiden Bücher “seelengruende” (2004) und “fahnenrost” (2006) veröffentlichte, hielt ich meine Prosa-Texte und versfreien Gedichte noch für zu schade, um sie einfach so selbst zu veröffentlichen und wollte sie für eine bessere Zeit oder Gelegenheit aufsparen. Nun sind einige Texte selbst schon über zwanzig Jahre alt, aber um einen Verlag habe ich mich nie bemüht, Publikationen außerhalb meiner kleinen Internet-Welt waren mir egal, vieles hat die Schublade nie verlassen. Wen kümmerte es?
Anti-Literatur darf zuweilen solipsistisch, vielleicht auch ein wenig eitel sein, denn weltlicher Erfolg ist auf geistigen Gebieten ja bekanntlich wenig bis nichts.
Die lästige Pandemie nun hat mir viel Zeit gegeben, über unvollendetes in meinem Leben nachzudenken, dazu gehört auch die bisher nicht per Buch erfolgte Veröffentlichung dieser alten Texte, die in anderen Zusammenstellungen allenfalls einmal als Teil obskurer PDF-Dateien kursierten. Wenn ich diese Texte heute selber lese, kann ich mich häufig nicht recht erinnern, wie sie entstanden sind, ich lese sie wie ein fremder Leser aber natürlich auch als ihr offensichtlicher Autor, der sie erneut entdeckt und dabei – ganz ehrlich – manchmal ziemlich erstaunt ist.
Da ich eine ursprüngliche Kunst schätze, habe ich die Texte nur in Ausnahmefällen geringfügig redigiert, jedoch auch wohlmeinend ausgesiebt und nicht alles aus den erwähnten Schaffensjahren aufgenommen. Doppelungen mit „fahnenrost“, das neben Lyrik auch einige „Prosa“-Texte enthält, habe ich vermieden.
Aus dem oben gesagten dürfte erahnbar geworden sein, dass die Texte in dieser Publikation nur wenig mit meinen aktuellen Anschauungen zu tun haben müssen, insbesondere wenn es um das Leben und moralische Vorstellungen geht, dennoch messe ich ihnen einen literarischen Wert bei und meine daher, dass sie sich das Erscheinen in der ihnen gemäßen Form – dem Buch oder bescheidener „Heft“, wie es auch im Titel heißt – nach all den Jahren redlich verdient haben. Was weiter daraus wird, liegt an Lesern wie Dir und entzieht sich glücklicherweise meinem Einfluss.
Eines noch zum Abschluss: Sofern Texte in diesem Buch – einige gehen sicherlich an gewisse Grenzen – martialische Metaphern benutzen, so ist dies immer nur Ausdruck einer extremen Gefühlswelt und nie ein Gutheißen von Gewalt oder Krieg, sie wollen also ihrem Wesen nach immer im übertragenen Sinne und nie wörtlich verstanden sein. Heutzutage würde ich mich selbstverständlich oft anders ausdrücken als der junge Mensch, der ich damals war – aber wahr ist auch: Texte wie die hier vorliegenden kann ich heute gar nicht mehr verfassen; versuchte ich es trotzdem, so wäre das nur eine mechanische und damit leere Nachahmung meines früheren Selbst. Ist das bereits eine vorauseilende, am Ende vielleicht sogar unnötige Rechtfertigung? Ganz sicher bin ich mir nicht. Auch hier wird wieder der Leser entscheiden dürfen. Er ist ein überaus privilegiertes Wesen.
Vita bona est.
Arne-Wigand Baganz Berlin, Mai / Juni 2021
Meine Hand verkrampft sich, während ich dies hier schreibe. Vielleicht ist es auch einfach nur mein Gehirn, das sich weigert zu erkennen, wo all das einmal enden wird. So klein ist meine Vorstellung, daß ich es nicht erahnen kann: Was wird aus diesem Text werden?
Großzügig fege ich meine Gedanken in den Müll. Dort sind sie gut aufgehoben und werden sich wohlfühlen, denn da draußen gibt es für sie eine Halde unergründbaren Ausmaßes, auf der sie sich vereinigen, paaren, im Inzest schwelgen und neue kleine Gedanken, abartig zwar, entstehen lassen. Die biochemischen Prozesse, die diesen alltäglichen Vorgängen zugrunde liegen, sind sehr wohl bekannt. Heutzutage gehört es gar in die Grundschulausbildung, davon zu wissen und das wiederum stellt eine Tatsache dar, die ich mehr als gutheißen kann. Aber ich schweife ab.
Also komme ich auf mein Thema zurück, welches ich bisher noch nicht gefunden habe. Das ist erstaunlich. Womit habe ich die ganzen vorhergegangenen Zeilen füllen können?
Wenn ich Raucher wäre, würde ich mir jetzt vielleicht eine Zigarette oder auch zwei anzünden. Doch ich bin kein Raucher. Habe ich das eigentlich schon einmal gesagt? Diese Zigarette könnte mir dann über das Nichts hinweghelfen, von dem ich hier schreibe und schreiben werde. Dich Leser frage ich gleich folgendes: Kannst Du Dir einen Osterhasen vorstellen, der so groß ist wie eine Mikrobe? Gut, Du bist ja gar nicht so phantasielos!
Würde ich in diesem Moment also den karzinogenen Rauch einer Zigarette, die sich in einer Packung zu wahrscheinlich 19 Stück oder so befunden hätte, in meine Lungen saugen, würden meine Gedanken auf die Größe genau dieses Osterhasen schrumpfen. Ich kann mir vorstellen, daß Dich das nicht außerordentlich verblüffen wird. Mich selbst überrascht Deine Reaktion ebenfalls nicht, aber trotzdem wollte ich diese Vorstellung nicht dem Vergessen opfern.
Irgendwann dann wären die Zigaretten abgebrannt. In meinem Aschenbecher befänden sich nun ein oder zwei Stummel, mehr oder minder elegant gekrümmt ausgedrückt. Plötzlich stände ich wieder vor dem Problem, vor dem Nichts, von dem ich schreibe. Glücklicherweise aber bin ich kein Raucher, auch wenn dieser Umstand für Dich keine Neuigkeit mehr darstellt – das wenigstens hoffe ich von ganzem Herzen oder wie man so sagt. Und deswegen hole ich wieder den Besen heraus und schicke den kompletten Dreckseinfall in den Müll.
Vergeblich mühe ich mich, diese Zeilen doch noch in ein Geschichtchen zu transformieren – aber über mir thront das Nichts und lächelt mir verbissen zu. Ich wage es nicht, etwas zu erwidern, sondern denke an die gigantische Müllhalde, die ich füllen und der ich wuchern helfe.
Ganz unvermittelt zuckt es in meinen Händen, womöglich zuckt es auch nur in meinem Hirn. Wer vermag schon, zwischen beiden zu unterscheiden? Wärest Du dieser Aufgabe gewachsen?
Ich denke, jetzt wird es gleich geschehen, wird sich eine Spannung aufbauen, die sich entlädt in einem Konstrukt aus zusammengefügten Worten, die aneinander passen und eventuell auch einen Sinn ergeben. Doch wie so oft – es ist nur eine weitere Täuschung. In der Ferne sehe ich den Müllberg, wie er in den orgiastischen Exzessen meiner inzestuösen Abfallgedanken alles überragt, was ist – und ich freue mich über mein großartiges Werk.
"Weißt Du, mittlerweile habe ich den Zustand der vollständigen Leere erreicht. Und es gibt keinen Weg zurück."